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Götter und Lararien aus Augusta Raurica

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Datierung von Statuetten<br />

Eines der Hauptprobleme, die sich bei der Beschäftigung<br />

mit römischen <strong>und</strong> besonders provinzialrömischen<br />

Statuetten stellen, ist das der Datierung<br />

der qualitativ durchschnittlichen bis bescheidenen<br />

Exemplare, die den Hauptanteil der Gattung bilden.<br />

Während sich erstklassige Werkstätten an der Stilentwicklung<br />

der klassizistischen stadtrömischen Kunst<br />

orientieren <strong>und</strong> der Zeitstil ihrer Erzeugnisse sich<br />

auf diese Weise einigermassen leicht erkennen lässt,<br />

fehlen entsprechende Kriterien für die zahlreichen<br />

künstlerisch wenig anspruchsvollen Statuetten <strong>aus</strong><br />

Italien wie <strong>aus</strong> den Provinzen. Eine der Gründe dafür<br />

liegt in dem von der Herstellungstechnik begünstigten<br />

Variantenreichtum <strong>und</strong> der geringen Typisierung der<br />

Gattung. Anders als etwa bei den Terrakotten, wo<br />

sich im Idealfall ein Archetyp sowie mehrere Generationen<br />

von Abformungen der gleichen Statuette erhalten<br />

haben 196<br />

, sind bei den Bronzen durch das<br />

manuelle Überarbeiten des Wachsmodells vor dem<br />

Guss fast unbegrenzte Varianten möglich, die sich<br />

zeitlich nicht einordnen lassen (s. oben «Herstellungstechnik»).<br />

Anhaltspunkte für die Datierung ergeben<br />

sich einzig <strong>aus</strong> Statuetten, welche in frühen, zeitlich<br />

eng begrenzten Siedlungen zum Vorschein gekommen<br />

sind. Allerdings belegen auch sie oft nur gewisse, an<br />

einem bestimmten Zeitpunkt <strong>und</strong> Ort vorhandene<br />

Stileigenheiten, die sich nicht unbedingt an weiteren<br />

Statuetten wiederfinden.<br />

Unter den Statuetten <strong>aus</strong> frühkaiserzeitlichen Siedlungen<br />

mit bekanntem Enddatum sind an erster Stelle<br />

die reichen F<strong>und</strong>e <strong>aus</strong> den 79 n. Chr. vom Vesuv verschütteten<br />

Städten zu nennen. Eine Gesamtvorlage<br />

steht noch <strong>aus</strong>; immerhin geben einzelne Publikationen,<br />

die auch bescheidene Dutzendware miteinbeziehen<br />

197<br />

, eine Vorstellung vom weitgefächerten<br />

Qualitätsspektrum der dort gef<strong>und</strong>enen <strong>und</strong> wohl zum<br />

grössten Teil dort hergestellten Bronzen. Ebenfalls<br />

noch nicht untersucht ist die zeitliche Spannweite der<br />

campanischen Bronzen; auch wenn der überwiegende<br />

Teil der meist in H<strong>aus</strong>heiligtümern verwendeten<br />

Statuetten <strong>aus</strong> religionsgeschichtlichen Gründen in<br />

nachaugusteischer Zeit entstanden sein wird (vgl.<br />

unten), könnten sich auch Exemplare <strong>aus</strong> der Frühzeit<br />

der 80 v.Chr. gegründeten Koloniestadt erhalten<br />

haben 198<br />

.<br />

Für die zeitliche Einordnung der in den Provinzen<br />

gef<strong>und</strong>enen frühen Bronzen, die der stadtrömischen<br />

Stilentwicklung folgen, sind als Bezugspunkt vor<br />

allem die qualitativ hochstehenden Statuetten <strong>aus</strong><br />

den Vesuvstädten massgebend, da sie es erlauben,<br />

die campanische Herkunft von Importstücken des<br />

1. Jahrh<strong>und</strong>erts zu erkennen. Die bescheidenen<br />

Serienprodukte <strong>aus</strong> Campanien dagegen eignen sich<br />

nicht als chronologische Anhaltspunkte; ihre Kenntnis<br />

ist aber wichtig, damit nicht provinzielle Stilelemente<br />

etwa an gallorömischen Bronzen als Merkmale einheimischen<br />

Kunstschaffens überbewertet werden 199<br />

.<br />

Neben der Menge von campanischen Bronzen<br />

haben sich vereinzelte qualitativ eher durchschnittliche,<br />

stilistisch oft ungewöhnliche Statuetten <strong>aus</strong><br />

frühen, nur kurze Zeit belegten Siedlungen nördlich<br />

der Alpen erhalten; sie werden grösstenteils vom<br />

Militär <strong>aus</strong> Italien mitgebracht worden sein. In unserem<br />

Zusammenhang sind sie von besonderem Interesse,<br />

weil anzunehmen ist, dass sich die einheimische<br />

Bevölkerung anhand solcher Objekte mit den neuen<br />

Kultobjekten <strong>und</strong> der neuen Formensprache vertraut<br />

gemacht hat <strong>und</strong> zum Teil wohl schon nach kurzer Zeit<br />

mit entsprechender lokaler Produktion begonnen hat.<br />

Im augusteischen, bis 9 n. Chr. belegten Lager von<br />

Haltern wurden zwei Merkurstatuetten (Abb. 26,1.2)<br />

gef<strong>und</strong>en, in denen man jedenfalls nicht ohne weiteres<br />

den Stil dieser Epoche erkennen würde 200<br />

. Ebenfalls in<br />

196 Vgl. dazu etwa Lange (wie Anm. 36) 124f. m. Lit.<br />

197 So etwa H. Menzel, Problèmes de la datation des bronzes<br />

romains. In: Boucher 1977, 123f. Abb. 7-24; Adamo-Muscettola<br />

1984; Kunckel 1984. Vgl. auch die unten in Teil IV zusammengestellten<br />

Larariumsstatuetten <strong>aus</strong> den Vesuvstädten<br />

(Anhang I).<br />

198 Aussergewöhnlich <strong>und</strong> meines Wissens im Bereich der Statuetten<br />

ohne Parallele ist der Fall einer argivischen Bronzehydria<br />

des 5. Jh. v. Chr., die als Sammelobjekt in Drittverwendung<br />

in den Besitz des C. Iulius Polybius gekommen ist: F. Zevi,<br />

V. Castiglione Morelli in: Bordello u.a. 1996,78 Nr. 281.<br />

199 Damit sei nicht bestritten, dass es durch<strong>aus</strong> spezifisch gallorömische<br />

Stilmerkmale gibt, doch bedarf es genauer Beobachtung<br />

von Einzelheiten, um etwa den gallorömischen provinziellen<br />

Stil des Merkur 31 vom überregionalen provinziellen<br />

Stil des Merkur S12 zu unterscheiden. Allgemein gesagt<br />

kann eine mit wenig plastischem Verständnis <strong>und</strong> vorwiegend<br />

linear gegliederte Statuette entweder - in der Frühzeit<br />

der Romanisierung - <strong>aus</strong> der Auseinandersetzung eines<br />

einheimischen Handwerkers mit den neuen, importierten<br />

Formen entstanden sein oder aber - zu einem nicht näher<br />

bestimmbaren Zeitpunkt innerhalb der Kaiserzeit - als Serienprodukt<br />

einer drittrangigen, nicht lokalisierbaren Werkstatt<br />

entstammen. In vielen Fällen ist kein Entscheid möglich.<br />

Zu Eigenheiten gallorömischer <strong>und</strong> nicht lokalisierbarer<br />

provinzieller Kunst vgl. A. Leib<strong>und</strong>gut, Kunst <strong>und</strong> Kunstgewerbe.<br />

In: Ur- <strong>und</strong> frühgeschichtliche Archäologie der<br />

Schweiz 5 (Basel 1975) 81-87 Abb. 19-32. - In den Vesuvstädten<br />

hängen die starken Qualitätsunterschiede der Bronzen<br />

offenbar zum Teil mit der lokalen Sozialstruktur zusammen;<br />

vgl. Menzel (wie Anm. 197) 124; Kunckel 1984.<br />

200 R. Stupperich, Frühkaiserzeitliche figürliche Bronzen im<br />

nordwestlichen Germanien. Ein Überblick. In: R. Asskamp, St.<br />

Berke (Red.); Die römische Okkupation nördlich der Alpen<br />

zur Zeit des Augustus. Kolloquium Bergkamen 1989, Vorträge.<br />

Bodenaltertümer Westfalens 26 (Münster 1991) 179f. Abb. 11<br />

a <strong>und</strong> b. - Die kleinere der beiden Statuetten zeigt auffallende<br />

stilistische Verwandtschaft mit einer nur etwa 3 cm grossen<br />

silbernen Merkurstatuette <strong>aus</strong> der Nordostecke des Legionslagers<br />

von Vindonissa, wo ein heiliger Bezirk vermutet wird<br />

(Ch. Simonett, Grabungen der Gesellschaft Pro Vindonissa.<br />

Eine Auswahl von Kleinf<strong>und</strong>en <strong>aus</strong> den Jahren 1935-1938.<br />

Zeitschrift für schweizerische Archäologie <strong>und</strong> Kunstgeschichte<br />

2,1940, 5 Taf. 1,3; V. v. Gonzenbach, Kleinvotive des<br />

zweiten Jahrh<strong>und</strong>erts n. Chr. <strong>und</strong> Militär in Vindonissa. Jber.<br />

GPV 1967,8; v. Gonzenbach 1995,401).

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