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Götter und Lararien aus Augusta Raurica

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Werkstätten<br />

Die Annahme, dass Wachsmodelle in Italien wie in<br />

den Provinzen durch freies Modellieren oder mit Hilfe<br />

von Teilnegativen hergestellt werden konnten, erschwert<br />

die Eingrenzung <strong>und</strong> Lokalisierung von Werkstätten<br />

in hohem Masse. Auch wenn wir nicht wissen,<br />

ob Negativformen überhaupt verhandelt worden sind,<br />

ist klar, dass auch ohne Handel jederzeit <strong>und</strong> an jedem<br />

Ort fertige Bronzeobjekte kopiert werden konnten,<br />

indem man von ihnen die gewünschten Teilnegativformen<br />

abnahm <strong>und</strong> für neue Wachsmodelle verwendete.<br />

Erschwerend kommt weiter hinzu, dass Organisation,<br />

Grösse <strong>und</strong> Betrieb von Bronzegiessereien erst<br />

in Ansätzen untersucht <strong>und</strong> bekannt sind 63<br />

. Während<br />

die Bronzegeschirrfabrikanten P. Cipius Polybius <strong>und</strong><br />

L. Ansius Epaphroditus im 1. Jahrh<strong>und</strong>ert in Campanien<br />

Manufakturen leiteten, die am ehesten mit den<br />

Grossbetrieben für die Terra Sigillata-Produktion in<br />

Arezzo <strong>und</strong> Gallien zu vergleichen sind 64<br />

, waren es<br />

wahrscheinlich meist mittlere <strong>und</strong> kleinere Werkstätten,<br />

in denen Bronzestatuetten - neben anderen<br />

Buntmetallobjekten - hergestellt wurden.<br />

Trotz dieser Einschränkungen <strong>und</strong> Unsicherheiten<br />

scheint es mir richtig, als Arbeitshypothese am Begriff<br />

der «Werkstatt» festzuhalten <strong>und</strong> einzelne Objektgruppen<br />

versuchsweise bestimmten Regionen zuzuordnen.<br />

In diesem Sinn werden Bronzen, deren<br />

plastische Substanz, die Struktur der Oberfläche sowie<br />

die Art der Kaltarbeit weitgehend übereinstimmen,<br />

der gleichen Werkstatt zugewiesen. Solche gemeinsamen<br />

Stilmerkmale sind am einfachsten an Objekten<br />

desselben Typus <strong>und</strong> der gleichen Grösse zu erkennen;<br />

diese werden im folgenden einzeln als Repliken 65<br />

oder,<br />

zusammengenommen, als Serie bezeichnet, da sie mutmasslich<br />

ganz oder teilweise auf dieselben Urmodelle<br />

zurückgehen. Hypothetisch bleiben diese Zuweisungen,<br />

weil einerseits, wie <strong>aus</strong>geführt, gleiche, an verschiedenen<br />

Orten verwendete Teilnegative für die<br />

Übereinstimmung verantwortlich sein können <strong>und</strong> anderseits<br />

je nach Grösse eines Betriebs <strong>und</strong> Können der<br />

beteiligten Handwerker sehr verschiedene, stilistisch<br />

uneinheitliche Erzeugnisse innerhalb der gleichen<br />

Werkstatt möglich sind 66<br />

.<br />

Gerade für die Frage der Variationsbreite innerhalb<br />

desselben Betriebs gibt die genannte Bronzegefässmanufaktur<br />

der Cipii wichtige Aufschlüsse. Die beiden<br />

je an einer Kasserolle mit dem Stempel des P. Cipius<br />

Polybius angebrachten Ringhalterattaschen <strong>aus</strong> Repov<br />

bzw. Dowalton Loch sind stilistisch sehr verschieden<br />

voneinander: Der klassizistische, gut modellierte<br />

Mänadenkopf auf der böhmischen Attasche entspricht<br />

mit seinem plastischen Volumen durch<strong>aus</strong> unseren<br />

Vorstellungen von Stil <strong>und</strong> Qualität campanischer<br />

Erzeugnisse des 1. Jahrh<strong>und</strong>erts, während das flache<br />

Relief <strong>und</strong> die reiche Kaltarbeit des Gorgoneions von<br />

Schottland eher Stilmerkmale einer provinziellen<br />

gallischen Werkstatt des 1.-3. Jahrh<strong>und</strong>erts sein<br />

könnten 67<br />

(Abb. 3,1.12). Von den dreizehn weiteren<br />

bekannten Attaschen desselben Typs, die höchstwahrscheinlich<br />

zu Kasserollen <strong>aus</strong> der gleichen campanischen<br />

Produktion gehörten, gehen die Exemplare <strong>aus</strong><br />

Luhmühlen (Abb. 3,2), vom Wittnauerhorn (Abb. 3,3),<br />

<strong>aus</strong> Heddernheim (Abb. 3,4), Augsburg (Abb. 3,6),<br />

Kemenesszentpéter (Abb. 3,7) sowie eine der Attaschen<br />

<strong>aus</strong> Straubing (Abb. 3,8) offenbar auf dasselbe<br />

Hilfsnegativ wie das Exemplar <strong>aus</strong> Repov zurück,<br />

während die übrigen Exemplare (Abb. 3,9-15) mehrere<br />

weitere Stilvarianten <strong>und</strong> auch grosse Qualitätsunterschiede<br />

belegen (vgl. Katalog zu S301).<br />

Die Gruppe der Kasserollenattaschen mit Mänaden-<br />

oder Medusenhaupt ist meines Wissens bisher<br />

der einzige Fall, in dem sich - aufgr<strong>und</strong> von Gefässstempeln<br />

- stilistisch <strong>und</strong> qualitativ recht unterschiedliche<br />

Objekte derselben Werkstatt zuweisen lassen.<br />

In allen anderen Fällen - wo inschriftliche Zeugnisse<br />

fehlen - müssen wir von übereinstimmenden Stilmerkmalen<br />

<strong>aus</strong>gehen, um mutmasslichen Werkstattzusammenhängen<br />

auf die Spur zu kommen <strong>und</strong><br />

Werkstätten allenfalls regional einzugrenzen 68<br />

.<br />

Das beste Beispiel für die Produktion einer regionalen<br />

Werkstatt ist die von R. Fleischer zusammengestellte<br />

Gruppe von bisher sechzehn Statuetten <strong>und</strong><br />

elf Sockeln (Abb. 4,1-20), die offenbar im späteren<br />

2. oder frühen 3. Jahrh<strong>und</strong>ert in Rätien hergestellt wur-<br />

63 Zusammenfassend jetzt Gralfs 1994.<br />

64 Zu den campanischen Bronzegeschirrmanufakturen vgl. J.<br />

Kunow, Die capuanischen Bronzegefässhersteller Lucius Ansius<br />

Epaphroditus <strong>und</strong> Publius Cipius Polybius. BJb 185,1985,<br />

215-242; St. Berke, Römische Bronzegefässe <strong>und</strong> Terra Sigillata<br />

in der Germania libera. Boreas Beiheft 7 (Münster 1990);<br />

R. Petrovszky, Studien zu römischen Bronzegefässen mit Meisterstempeln.<br />

Kölner Studien zur Archäologie der Römischen<br />

Provinzen 1 (Buch am Erlsbach 1993) 181-183 <strong>und</strong> passim.<br />

65 Repliken im Sinne der freieren Kleinbronzerepliken, wie sie<br />

A. Leib<strong>und</strong>gut (1990,399) definiert hat.<br />

66 Vgl. dazu auch S. F<strong>aus</strong>t, Fulcra. Figürlicher <strong>und</strong> ornamentaler<br />

Schmuck an antiken Betten. RM, Ergänzungsheft 30 (Mainz<br />

1989) 142.<br />

67 Nicht <strong>aus</strong>zuschliessen ist, dass die Attasche <strong>aus</strong> Dowalton Loch<br />

erst als Ersatz für die original zugehörige angebracht wurde,<br />

doch hat eine von F. Hunter (National Museums of Scotland,<br />

Edinburgh) fre<strong>und</strong>licherweise veranlasste Röntgenaufnahme<br />

keine Spuren einer früheren Lötung erbracht.<br />

68 Eine ganz andere, hier nicht angestrebte Untersuchung könnte<br />

sich zum Ziel setzen, die an einem Ort existierenden Werkstätten<br />

durch Zusammenstellen aller Gussabfälle, Werkspuren<br />

usw. zu erfassen. Einen Anfang hat hier A. R. Furger gemacht,<br />

der betont, wieviel Arbeit für eine vollständige Bestandesaufnahme<br />

noch zu leisten wäre (in: Furger/Riederer 1995,139f.).<br />

Im übrigen muss man sich darüber im klaren sein, dass auf diese<br />

Weise höchstens Aussagen zu einzelnen Objekten (Roh- <strong>und</strong><br />

Fehlgüssen, Halbfabrikaten usw.) möglich wären; weiterhin<br />

nicht entscheiden liesse sich, welche der am gleichen Ort gef<strong>und</strong>enen<br />

Objekte wirklich lokal hergestellt sind.

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