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Götter und Lararien aus Augusta Raurica

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Eine weitere Möglichkeit, ein Wachsgussmodell für<br />

die Serienanfertigung von Statuetten herzustellen, ergibt<br />

sich, wenn anstelle einer mehrteiligen Negativform<br />

eine nur zweischalige, von einem fertigen Objekt<br />

abgenommene Form verwendet wird. Es versteht sich,<br />

dass dieses Verfahren nur bei einfachen Objekten<br />

ohne Unterschneidungen möglich ist; da es sich noch<br />

schwerer nachweisen lässt als das auf Teilnegativen<br />

basierende, ist denn auch seine Anwendung in der<br />

römischen Kaiserzeit bestritten worden 57<br />

. Nun weist<br />

aber mindestens eine Bronze <strong>aus</strong> Augst klare, darauf<br />

hindeutende Werkspuren auf, <strong>und</strong> bei einer bestimmten<br />

Kategorie von Statuetten sprechen andere Gründe<br />

für die Annahme dieses Verfahrens. An der hohlgegossenen<br />

Büste eines Gauklers S309 (Abb. 2), die wohl<br />

als Wagenbestandteil verwendet wurde, verläuft - am<br />

Original recht gut sichtbar - eine feine Linie vom<br />

Scheitel über das Ohr bis hinunter zur Mitte der halbr<strong>und</strong>en<br />

Aussparung unterhalb des Schulteransatzes;<br />

sie lässt sich meines Erachtens nur als die am Wachsgussmodell<br />

nicht oder nur ungenügend verstrichene<br />

Naht zwischen vorderer <strong>und</strong> hinterer, je <strong>aus</strong> einer<br />

Negativform gewonnener Hälfte verstehen 58<br />

. Üblicherweise<br />

wurden solche Nähte - wie die Verbindungsstellen<br />

zwischen mehreren Teilen - am Wachsgussmodell<br />

sorgfältig geglättet, um Werkspuren am<br />

Bronzeobjekt - das ja seinerseits noch geglättet wurde<br />

- zu vermeiden; hier scheint das <strong>aus</strong> unbekannten<br />

Gründen unterlassen worden zu sein.<br />

Bei der angesprochenen Kategorie von Statuetten,<br />

für die ein <strong>aus</strong> zwei Formschalen gewonnenes Wachsgussmodell<br />

angenommen werden muss, geht es um<br />

kleine, stereotyp wiederholte, in Massen fabrizierte<br />

<strong>Götter</strong>figuren. Dabei lässt sich das Herstellungsverfahren<br />

nicht am Objekt selbst ablesen, sondern es<br />

bleibt als das am ehesten wahrscheinliche nach Überprüfen<br />

anderer Möglichkeiten übrig. Als Beispiel lässt<br />

sich etwa der Typus des Merkur-Thot anführen, wie<br />

ihn eine Statuette <strong>aus</strong> Kaiseraugst (S12) wiedergibt:<br />

summarisch gearbeitet, bekleidet mit einem Schultermäntelchen,<br />

in der gesenkten Linken mitgegossener<br />

Caduceus, auf dem Kopf Petasus (oder nur Kopfflügel)<br />

Abb. 2 Büste eines Gauklers S309. M. 2 :3.<br />

mit in der Mitte aufragendem Blatt; am rechten<br />

Unterschenkel mitgegossener kleiner Widder. Exemplare<br />

dieses Typus finden sich in gleichermassen<br />

rudimentärer Ausführung <strong>und</strong> einer Grösse von<br />

6-8 cm in allen Provinzen des römischen Reiches;<br />

die bekannten F<strong>und</strong>orte reichen von Mesopotamien<br />

bis Spanien 59<br />

. Es ist kaum denkbar, dass sie alle in<br />

einer einzigen Werkstatt hergestellt worden sind 60<br />

;<br />

anderseits wären bei freier Modellierung nach gleichen<br />

Vorlagen die Unterschiede zwischen den einzelnen<br />

Exemplaren grösser. Näher liegt es anzunehmen,<br />

dass lokale Handwerker in verschiedensten Teilen des<br />

Reiches von solchen durch Reisende mitgebrachten<br />

Statuetten zwei Formschalen abnahmen, um so jederzeit<br />

neue Wachsgussmodelle herstellen zu können 61<br />

.<br />

Dadurch würden sich auch die kleinen Unterschiede<br />

in der Ausgestaltung erklären: am Wachsmodell<br />

konnten ohne weiteres zum Beispiel der kleine<br />

Widder entfernt oder hinzugefügt oder ein Petasus in<br />

Kopfflügel umgewandelt werden. In gleicher Weise<br />

wurden wohl auch die stereotypen Statuetten des<br />

Merkur mit langem Mantel (vgl. Katalog zu S16) oder<br />

der Minerva mit Schale <strong>und</strong> Lanze (vgl. Katalog<br />

zu S35) in grosser Zahl hergestellt <strong>und</strong> vertrieben.<br />

Allerdings muss man auch bei der Annahme antiker<br />

Serienfabrikation die Tatsache im Auge behalten, dass<br />

gerade einfache Statuetten ohne künstlerischen Anspruch<br />

seit dem 18. Jahrh<strong>und</strong>ert häufig abgegossen<br />

wurden; bei Objekten <strong>aus</strong> altem Museumsbestand ist<br />

daher in jedem Fall sorgfältig zu prüfen, ob nicht eher<br />

ein neuzeitlicher Abguss als ein antikes Serienprodukt<br />

vorliegt 62<br />

.<br />

57 Galestin 1981,103£<br />

58 Denkbar wäre allenfalls auch, dass hier direkt in einer zweischaligen<br />

Form gegossen wurde <strong>und</strong> man die fertige Bronze<br />

nicht genügend versäubert hat. Der direkte Guss in zweiteiligen<br />

Formen ohne Wachsmodell ist für Geräte durch<strong>aus</strong> geläufig<br />

(vgl. Furger/Riederer 1995,136), nicht aber für Statuetten;<br />

zu den wenigen mir bekannten Belegen gehören der schon erwähnte<br />

Statuettenrohguss <strong>aus</strong> Girm (s. Anm. 23), ein Apollo<br />

<strong>aus</strong> Novae (Dimitrova-Milceva [wie Anm. 24] 470 Abb. 4), eine<br />

Merkurstatuette <strong>aus</strong> <strong>Augusta</strong> Traiana (V. R Vassilev, Bemerkungen<br />

zu einigen Hermes-Statuetten <strong>aus</strong> Thrakien <strong>und</strong> Mösien.<br />

In: D. Rössler, V. Stürmer [Hrsg.], Modus in rebus. Gedenkschrift<br />

für Wolfgang Schindler [Berlin 1995] 132-143 Nr. 3<br />

Taf. 38,3.4) sowie Votivstatuetten <strong>aus</strong> Lozen (ders., Bronzestatuetten<br />

<strong>aus</strong> dem Heiligtum bei Lozen. In: Ronke 1994,<br />

429-434 Abb. 1-6).<br />

59 Eine Auswahl von Exemplaren ist im Katalog zu S12 aufgeführt;<br />

zu ergänzen sind etwa Exemplare <strong>aus</strong> Hatra (EAA III<br />

1120 Abb. 1434) <strong>und</strong> Tressan (G. Depeyrot u.a., Prospections<br />

dans la moyenne et basse Vallée de l'Hérault. Monnaies et petits<br />

objets. Archéologie en Languedoc 1986,160 Abb. 60). Zum<br />

Typus vgl. auch Vassilev 1995 (wie Anm. 58).<br />

60 So Galliazzo, Treviso 71 (in Zusammenhang mit einem anderen,<br />

qualitativ vergleichbaren Merkurtyp).<br />

61 Dass dieses Verfahren jedenfalls für Geräte üblich war, beweist<br />

die im Vicus von Pocking gef<strong>und</strong>ene Gussform eines Thekenbeschlags<br />

des in Baden AG tätigen Gemellianus; offenbar<br />

formte man, weit entfernt vom ursprünglichen Produktionsort,<br />

einen fertigen Beschlag ab <strong>und</strong> stellte dann mit Hilfe der entstandenen<br />

Negativform Imitationen dieser beliebten Messertheken<br />

her (Th. Fischer, Die Gussform eines Thekenbeschlags<br />

<strong>aus</strong> Pocking, Lkr. Passau. Germania 71,1993, 539-543 Abb. 1.<br />

2; vgl. dazu auch L. Berger, Thekenbeschläge <strong>aus</strong> Aventicum.<br />

In: Koenig/Rebetez 1995,129-131).<br />

62 Vgl. oben mit Anm. 38; Stupperich 1988,522-526; I. Aghion, M.<br />

C. Hellmann (Hrsg.), Vrai ou faux? copier, imiter, falsifier 2<br />

. Ausstellungskat.<br />

Paris 1991.

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