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Götter und Lararien aus Augusta Raurica

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verschiedener Typen vereinigen, durch Kombination<br />

von verschiedenen, <strong>aus</strong> Negativformen gewonnenen<br />

Teilen, möglicherweise ergänzt durch frei modellierte<br />

Partien, entstanden ist. So weist etwa M. Kemkes nach,<br />

dass beim Gussmodell der Truhenbeschläge <strong>aus</strong> einer<br />

Villa in Eckartsbrunn für Kopf- <strong>und</strong> Brustpartie verschiedene<br />

Vorlagen miteinander verb<strong>und</strong>en wurden.<br />

Besonders deutlich wird dieses Vorgehen, wenn die<br />

Grössenverhältnisse der einzelnen Teile nicht übereinstimmen<br />

47<br />

.<br />

Auch die Statuette eines hockenden Barbaren (?)<br />

(S175; Abb. 1) lässt einen Aufbau <strong>aus</strong> verschiedenen<br />

Teilen klar erkennen. Der zu stark angehobene Kopf<br />

stammt wohl <strong>aus</strong> einem Teilnegativ, das zum Typus des<br />

Barbaren mit auf dem Rücken gefesselten Händen<br />

gehört 48<br />

; der muskulöse Oberkörper könnte von<br />

einem Herkulestypus abgeformt sein; die Verbindung<br />

zwischen beiden Teilen bildet ein zu dicker Hals,<br />

dessen unterer Abschluss beim Zusammensetzen des<br />

Wachsgussmodells nicht ganz geglättet wurde. An den<br />

Schultern sind noch schwache Spuren einer Naht zu<br />

erkennen; das Wachsgussmodell für den Rumpf wurde<br />

also <strong>aus</strong> einer zweischaligen Form gewonnen. An der<br />

Stelle, wo der schräg abgeschnittene Rumpf auf die<br />

wohl von Hand geformte Schurzpartie gesetzt wurde,<br />

scheint die Naht mit einem Modellierholz verstrichen<br />

zu sein. Unterschenkel <strong>und</strong> Phallus könnten wiederum<br />

<strong>aus</strong> je einem Teilnegativ gewonnen sein, während<br />

die Unterarme mit den Patschhänden sowie die<br />

grob strukturierten Füsse von Hand modelliert sein<br />

dürften.<br />

Der hockende Barbar (?) S175 wurde wohl in<br />

Gallien hergestellt, aber auch an mutmasslich mutterländischen<br />

Bronzen lassen sich ähnliche Beobachtungen<br />

machen. Der Lar S27 weist als Stilmerkmale<br />

gedrungene Körperproportionen, ein volles Gesicht<br />

mit <strong>aus</strong>geprägtem Kinn, einen kegelförmigen Hals,<br />

eine stark abfallende rechte Schulter, eine übergrosse<br />

rechte <strong>und</strong> eine stark <strong>aus</strong>gedrehte linke Hand auf.<br />

Dieselben Charakteristika finden sich sehr verwandt<br />

an Laren <strong>aus</strong> Strassburg 49<br />

, in Treviso 50<br />

<strong>und</strong> in Wien 51<br />

sowie, etwas weniger <strong>aus</strong>geprägt, an Exemplaren <strong>aus</strong><br />

Marren 52<br />

, <strong>aus</strong> Bonn 53<br />

, in Bologna 54<br />

, München 55<br />

<strong>und</strong> im<br />

Kunsthandel 56<br />

. Offenbar wurden für das Wachsmodell<br />

der Kopf mit Hals, der Rumpf, die Unterarme mit den<br />

Abb. 1 Hockender Barbar (?) S175. M. 2 : 3.<br />

Attributen sowie die Beine jeweils <strong>aus</strong> Teilnegativen<br />

gewonnen; die einzelnen Teile setzte man dann zu<br />

einer ganzen Figur zusammen, wobei Einzelheiten<br />

wie etwa der Winkel zwischen Ober- <strong>und</strong> Unterarmen,<br />

die Ausgestaltung des vorn herabhängenden Gewandzipfels<br />

oder des Lorbeerkranzes beim Zusammensetzen<br />

variiert wurden. Die nahe stilistische Verwandtschaft<br />

der genannten neun Statuetten in Einzelheiten<br />

<strong>und</strong> im Gesamten besagt nun nicht, dass sie alle <strong>aus</strong><br />

derselben Negativform stammen - dies ist schon<br />

wegen des Grössenunterschieds von r<strong>und</strong> 2 cm innerhalb<br />

der Gruppe nicht möglich -, sondern sie zeigt<br />

lediglich das Prinzip des Aufb<strong>aus</strong> eines Wachsmodells<br />

<strong>aus</strong> Elementen auf, die <strong>aus</strong> Teilnegativformen<br />

gewonnen wurden. Bei Verwendung derselben<br />

Negativform müssten Grösse sowie Einzelheiten im<br />

Gewandverlauf übereinstimmen; dies scheint bei den<br />

Statuetten in Treviso <strong>und</strong> Wien einerseits <strong>und</strong> den<br />

Exemplaren in Bologna <strong>und</strong> München anderseits der<br />

Fall zu sein.<br />

47 A. Leib<strong>und</strong>gut (1978, 9f. 29ff.) unterscheidet zwischen Kontamination,<br />

d.h. dem versehentlichen Anstücken eines typenfremden,<br />

separat gegossenen Körperteils (meist des Arms),<br />

<strong>und</strong> Typenklitterung, bei der «disparate Elemente völlig zusammenhanglos<br />

<strong>und</strong> formal unbefriedigend» kombiniert werden.<br />

Die Unterscheidung besteht an sich zu Recht, doch beruht<br />

sie eher auf technischen als auf intentional-formalen Gegebenheiten:<br />

im einen Fall sind es fertig gegossene Bronzeteile,<br />

die durch Löten oder im Verb<strong>und</strong>guss zu einer Statuette zusammengefügt<br />

werden, im anderen vorgeformte Wachsteile,<br />

<strong>aus</strong> denen das Wachsgussmodell aufgebaut wird. So wurde<br />

denn der rechte Arm mit zu gross geratener Hand des Jupiter<br />

von Auvernier (Leib<strong>und</strong>gut, Westschweiz Nr. 1 Taf. 1. 2; Leib<strong>und</strong>gut<br />

1978,10) kaum nach dem Guss an die Statuette angestückt<br />

- dies geschieht in der Regel nur, wenn, wie beim linken<br />

Arm, eine Gewandfalte die Naht verdeckt -, sondern man<br />

setzte ihn als einzelnes, <strong>aus</strong> einer Negativform gewonnenes<br />

typenfremdes Element an den Wachstorso an; dafür spricht<br />

auch die nicht ganz geglättete, von der Achselhöhle zur Schulter<br />

laufende Delle. Auch bei der Minerva von Avenches (Leib<strong>und</strong>gut,<br />

Avenches Nr. 22 Taf. 24-26; hier Abb. 240) wurde der<br />

rechte Arm mit Chiton wohl als <strong>aus</strong> einem Hilfsnegativ gewonnener<br />

Wachsteil mit dem Gussmodell verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> nicht, wie<br />

vermutet (Leib<strong>und</strong>gut 1978, 15), in Bronze angestückt; die<br />

etwas unbeholfen ziselierten Wellenfalten zeigen, dass dem<br />

Giesser für diese Partie keine Vorlage zur Verfügung stand.<br />

48 Bettina Janietz, der ich viele der im folgenden aufgeführten Beobachtungen<br />

verdanke, vermutet, dass auch der Kopf <strong>aus</strong> mehreren<br />

<strong>aus</strong> Formen gewonnenen Wachsteilen zusammengesetzt<br />

wurde. In den auffallenden Vertiefungen auf Schläfenhöhe erkennt<br />

sie Spuren eines Greifgeräts, das das Wachsgesicht beim<br />

Einpassen zwischen Mütze <strong>und</strong> Hals festhielt.<br />

49 Schnitzler 1995 Nr. 39 (H. 13,5 cm).<br />

50 Galliazzo,Treviso Nr. 13 (H. 11,2 cm).<br />

51 Kunsthist. Museum Wien, Inv. 2764 (Foto RGZM Mainz; Neg.<br />

T66/1604) (H. 10,8 cm).<br />

52 P. La Baume, Besonders wertvolle römische F<strong>und</strong>e in Niedersachsen,<br />

Bremen <strong>und</strong> Hamburg. Die K<strong>und</strong>e N. F. 22,1971,143<br />

Nr. 3 Taf. 13,1; U. Gehrig in: Busch 1995,125 Kat. 8.6 (H. 12,8<br />

cm). Hier Abb. 232.<br />

53 Menzel, Bonn Nr. 53 Taf. 26 (H. 12,9 cm).<br />

54 L. Cenacchi, Bronzetti romani del Museo Civico di Bologna.<br />

Bullettino della commissione archeologica comunale di Roma<br />

73,1949/50, App. 16,1949/59,43 Abb. 23; C. Morigi Govi, G. Meconcelli<br />

Notarianni (Hrsg.), Il museo civico archeologico di Bologna<br />

(Bologna 1982) Abb. S. 212 (H. 12,2 cm).<br />

55 J. Sieveking, Erwerbungen der Antiken-Sammlungen Münchens<br />

1912. Archäologischer Anzeiger 1913, 436 Nr. 5 (H. 12<br />

cm).<br />

56 Sotheby's Sale 5788, Antiquities and Islamic Art (New York,<br />

2. Dezember 1988) Nr. 274A (mit Doppelfüllhorn; H. 10,8 cm).

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