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Götter und Lararien aus Augusta Raurica

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Angesichts dieser schwierigen Ausgangslage ist<br />

die Frage nach direktem oder indirektem Wachs<strong>aus</strong>schmelzverfahren<br />

bzw. nach Serienherstellung durch<br />

freies Modellieren oder durch mechanisches Reproduzieren<br />

in der Forschung verschieden beantwortet<br />

worden. St. Boucher nimmt an, dass in Italien wie<br />

in Gallien beide Verfahren praktiziert wurden, dass<br />

man die mechanische Reproduktion jedoch vor allem<br />

für klassische <strong>Götter</strong>typen verwendete, während einheimische<br />

Typen wie etwa Sucellus eher frei modelliert<br />

wurden 37<br />

. Als Beweis für «industriell reproduzierte»<br />

Statuetten führt sie dann aber drei Typen an, deren<br />

Repliken sich grösstenteils oder sogar <strong>aus</strong>schliesslich<br />

als neuzeitliche Abgüsse erwiesen haben 38<br />

. Auch E.<br />

Poulsen bezieht in seine Untersuchung zu Dublettenreihen<br />

Echtes <strong>und</strong> Falsches recht unkritisch mit ein 39<br />

.<br />

Was das Herstellungsverfahren angeht, hält er es zwar,<br />

in Anlehnung an E. Pernice 40<br />

, für möglich, dass Serien<br />

von untereinander nahe verwandten Statuetten <strong>aus</strong><br />

jeweils gleichen Gipsteilnegativen entstanden sind, so<br />

wie sie C. C. Edgar für das hellenistische <strong>und</strong> kaiserzeitliche<br />

Ägypten vorgelegt hat 41<br />

, nimmt aber an, dass<br />

für die <strong>aus</strong>serhalb Ägyptens gef<strong>und</strong>enen kaiserzeitlichen<br />

Dublettenserien vorwiegend manuell kopierte,<br />

d.h. durch Übertragen von Messpunkten gewonnene<br />

Gussmodelle verwendet wurden 42<br />

. Damit überträgt er<br />

ein für das Kopieren von Grossplastik bezeugtes Verfahren<br />

43<br />

auf die Kleinkunst, wo es umständlich <strong>und</strong><br />

wenig sinnvoll erscheint 44<br />

.<br />

M. Galestin <strong>und</strong> A. Leib<strong>und</strong>gut haben durch kritisches<br />

Überprüfen von angeblich gesicherten F<strong>und</strong>umständen<br />

sowie durch stilistische Beobachtungen einen<br />

grossen Teil der als Beweis für antike Serienfabrikation<br />

angeführten Statuetten als Fälschungen oder neuzeitliche<br />

Abgüsse erweisen können; dies erklärt die<br />

weitgehend skeptische Haltung beider Autorinnen in<br />

der ganzen Frage 45<br />

. M. Galestin hält es theoretisch<br />

zwar für möglich, dass Wachsmodelle mit Hilfe von<br />

Teilnegativformen hergestellt wurden, bezweifelt aber<br />

die Anwendung des Verfahrens im kaiserzeitlichen<br />

Italien <strong>und</strong> Gallien, solange keine eindeutig echten<br />

Serien vorliegen. Auch A. Leib<strong>und</strong>gut schliesst antike<br />

Serienproduktion nicht prinzipiell <strong>aus</strong>; sie warnt lediglich<br />

vor einer Beweisführung mit unzulänglichen<br />

Methoden. Im Fall einer Serie von vier (bzw. fünf) auffallend<br />

übereinstimmenden Statuetten des thronenden<br />

Jupiter wagt sie ohne Autopsie keinen Entscheid,<br />

ob alle oder einzelne Exemplare echt bzw. nachantik<br />

sind. M. Maass greift unabhängig von A. Leib<strong>und</strong>gut<br />

dieselbe ihm zum Teil durch eigene Anschauung bekannte<br />

Serie auf <strong>und</strong> kommt zum Schluss, dass hier<br />

eine echte antike Parallelserie vorliegt, d.h. dass das<br />

Wachsmodell für jede einzelne Statuette <strong>aus</strong> derselben<br />

Negativform gewonnen wurde. Aus weiteren technologischen<br />

Beobachtungen, wie etwa den noch sichtbaren<br />

Teilformnähten an einem Diskuswerfer in München,<br />

folgert er: «Die Feststellung antiker Dubletten<br />

ist kein Beweis gegen deren Authentizität» <strong>und</strong> gibt zu<br />

bedenken, «dass sich die indirekte Form mittels Hilfsnegativen<br />

<strong>und</strong> die freie Modellierarbeit am Wachsgussmodell<br />

keineswegs <strong>aus</strong>schliessen. Ein indirekt geformtes<br />

Wachsgussmodell kann durch Überarbeitung<br />

oder Zufügung von frei modellierten Teilen vor dem<br />

Guss verändert werden.» 46<br />

Maass' eben zitierte Aussagen scheinen mir entscheidend<br />

für die ganze Diskussion um die Herstellung<br />

kaiserzeitlicher Kleinbronzen. Es liegt nahe anzunehmen,<br />

dass den Bronzegiessern der Kaiserzeit<br />

prinzipiell die Summe aller bisher bekannten Verfahren<br />

zur Verfügung stand, dass aber je nach Können<br />

des einzelnen, nach Werkstatttraditionen <strong>und</strong> Betriebsgrösse<br />

verschiedene Verfahren nebeneinander<br />

oder kombiniert angewendet wurden - wobei das<br />

gewählte Verfahren am fertigen Objekt <strong>aus</strong> heutiger<br />

Sicht nur selten nachgewiesen werden kann. Eine<br />

Statuette wie etwa der Merkur S4 ist als Typus nicht<br />

ohne - wohl r<strong>und</strong>plastische - Vorlagen denkbar, aber<br />

sein Aufbau <strong>und</strong> sein eigenständiger Stil machen<br />

wahrscheinlich, dass das zugr<strong>und</strong>e liegende Wachsgussmodell<br />

<strong>aus</strong> freier Hand modelliert worden ist.<br />

Anderseits darf man annehmen, dass das Wachsgussmodell<br />

von Statuetten, die in sich Elemente<br />

37 Boucher 1976,278ff.<br />

38 ebd. 279. Von den unter 1. aufgeführten Merkurstatuetten sind<br />

die vier Exemplare in französischen Museen sicher Nachgüsse;<br />

die Statuette in Verona gehört nicht in dieselbe Serie; der Merkur<br />

<strong>aus</strong> S. Pancrazio könnte echt sein. Auch ein weiteres von<br />

E. Poulsen angeführtes Exemplar (Poulsen 1977,27 Typ 21 Aa<br />

Nr. 4 Abb. 27) weist alle Merkmale eines flauen neuzeitlichen<br />

Abgusses auf. A. Leib<strong>und</strong>gut hat die Liste um zwei angeblich<br />

in der Villa von Seeb ZH gef<strong>und</strong>ene Merkurstatuetten erweitert<br />

(Leib<strong>und</strong>gut 1984,150ff. Abb. 3-6; vgl. auch 1978,57f.). Sie<br />

vermutet, dass auch die Replik 29 mit F<strong>und</strong>ort Augst <strong>aus</strong> Daniel<br />

Bruckners Sammlung neuzeitlich ist; ich selbst halte römische<br />

Entstehung weiterhin für möglich, um so mehr als die 1992<br />

am Mineralogisch-Petrographischen Institut der Universität<br />

Basel von W. B. Stern durchgeführte Metallanalyse keine auffallenden<br />

Werte, insbesondere keinen <strong>aus</strong>sergewöhnlich hohen<br />

Zinkgehalt, ergeben hat (2 Proben mit XFA-Analyse: Cu<br />

72,5/66,9, Sn 12,8/15,3, Zn 0,11/0,20, Pb 13,3/15,7%. Zu Vorbehalten<br />

gegenüber der XFA-Analysemethode bei Bronzestatuetten<br />

vgl. Kaufmann-Heinimann/Liebel 1994,229f.;leider stand<br />

die Statuette für eine AAS-Analyse nicht mehr zur Verfügung).<br />

Zur ganzen Serie vgl. auch Galestin 1981,103; Stupperich 1988,<br />

44. - Die von Boucher 1976, 279 unter 2. zusammengestellten<br />

Repliken eines Jupitertypus gehören zu einer grossen, vorläufig<br />

offenbar <strong>aus</strong>schliesslich in modernen Abgüssen fassbaren<br />

Serie. Vgl. dazu auch Leib<strong>und</strong>gut, Westschweiz 146f. zu Nr. 195;<br />

Leib<strong>und</strong>gut 1984, 153; Poulsen 1977, 23ff. Typ 7a (als antike<br />

Dublettenserie bezeichnet); E. Poulsen, Über Massenherstellung<br />

römischer Bronzestatuetten: Dublettenserien <strong>und</strong> Modellverhältnisse.<br />

In: Gehrig 1984,207-215 (kritischer als 1977);<br />

Galestin 1981,103.<br />

39 s. Anm. 38.<br />

40 E. Pernice, Untersuchungen zur antiken Toreutik I. Über Teilformen<br />

<strong>und</strong> Gipsabgüsse. Jahreshefte des Österreichischen<br />

Archäologisches Institutes in Wien 7,1904,175f.<br />

41 Edgar (wie Anm. 35).<br />

42 Poulsen 1977,16.<br />

43 Zum Punktieren in der Kaiserzeit vgl. M. Pfanner, Über das<br />

Herstellen von Porträts. Ein Beitrag zu Rationalisierungsmassnahmen<br />

<strong>und</strong> Produktionsmechanismen von Massenware im<br />

späten Hellenismus <strong>und</strong> in der römischen Kaiserzeit. Jahrbuch<br />

des Deutschen Archäologischen Instituts 104, 1989, 157-257<br />

bes. 187-204.<br />

44 Vgl. dazu auch Maass 1984,161. - In seinem letzten Beitrag zur<br />

Frage der Dublettenherstellung geht Poulsen nicht mehr auf<br />

diese Hypothese ein (Poulsen 1984 [wie Anm. 38]).<br />

45 Galestin 1981 bes. 102ff.; Leib<strong>und</strong>gut 1978,55-62; Leib<strong>und</strong>gut<br />

1984.<br />

46 Maass 1984. Der Autor ist sich bewusst, wie schwierig zu beurteilen<br />

gerade die erwähnten Teilformnähte sind; vgl. ebd. Anm.<br />

29. 37 <strong>und</strong> Nachtrag. - Echte Dubletten sind etwa zwei Victorien<br />

<strong>aus</strong> Brigetio (M. Hörig, E. Schwertheim, Corpus Cultus<br />

Iovis Dolicheni [CCID]. EPRO 106 [Leiden 1987] Nr. 244f.Taf.<br />

48) oder die jeweils dieselbe Gottheit darstellenden Statuetten<br />

der Straubinger Werkstatt (s. unten mit Anm. 69).

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