08.02.2013 Aufrufe

Götter und Lararien aus Augusta Raurica

Götter und Lararien aus Augusta Raurica

Götter und Lararien aus Augusta Raurica

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

im Wachs<strong>aus</strong>schmelzverfahren «in verlorener Form»<br />

(«cire-perdue») hergestellt 27<br />

. Umstritten ist jedoch, in<br />

welchem Ausmass in der Kaiserzeit Serien von Statuetten<br />

im indirekten Wachs<strong>aus</strong>schmelzverfahren mit<br />

Hilfsnegativen verfertigt wurden 28<br />

. Der Unterschied<br />

zwischen den beiden Methoden - der direkten <strong>und</strong><br />

der indirekten - liegt in den Arbeitsschritten vor<br />

dem eigentlichen Guss, das heisst in der Formtechnik<br />

des Gussmodells. Beim direkten Wachs<strong>aus</strong>schmelzverfahren<br />

modelliert der Künstler jede Figur freihändig<br />

<strong>aus</strong> Wachs <strong>und</strong> verwendet dann dieses Original als<br />

Gussmodell; bei der indirekten Methode stellt er das<br />

wächserne Gussmodell her, indem er entweder ein<br />

<strong>aus</strong> anderem Material (Stuck, Gips, Ton) bestehendes<br />

Urmodell kopiert oder es <strong>aus</strong> verschiedenen, <strong>aus</strong><br />

Negativformen gewonnenen Einzelteilen zusammensetzt.<br />

Das weitere, hier nur stichwortartig umrissene<br />

Vorgehen stimmt dann bei beiden Verfahren überein:<br />

das Wachsgussmodell wird mit einem Mantel <strong>aus</strong><br />

Tonschiicker <strong>und</strong> Lehm umgeben; durch Erhitzen der<br />

Form schmilzt das Wachs <strong>aus</strong>; in den entstandenen<br />

Hohlraum wird flüssige Bronze gegossen; nach dem<br />

Erkalten wird die Tonform zerschlagen; die Statuette<br />

wird in Kaltarbeit überarbeitet 29<br />

.<br />

27 Das etwa von Bol 1985, 19f. für die minoische Zeit beschriebene<br />

Verfahren gilt gr<strong>und</strong>sätzlich auch noch in der Renaissance;<br />

vgl. D. Blume, Zur Technik des Bronzegusses in der<br />

Renaissance. In: Natur <strong>und</strong> Antike in der Renaissance. Ausstellungskat.<br />

Frankfurt a.M. 1985,18-23 Abb. 1-11. - Die Verwendung<br />

einer zweischaligen Form für den Guss einer Statuette,<br />

wie sie der Rohguss einer Venus <strong>aus</strong> Girm (s. Anm. 23)<br />

belegt, wurde höchstens in einigen wenigen, provinziellen<br />

Werkstätten <strong>aus</strong>probiert <strong>und</strong> bildete sicher die Ausnahme.<br />

28 Vgl. zum Problem zusammenfassend Maass 1984.<br />

29 Detaillierte Beschreibung des Herstellungsverfahrens einer<br />

hohlgegossenen Grossbronze bei Mattusch 1996,10-16; Mattusch<br />

u.a. 1996,20-26, einer Serie von kleinformatigen, massiven<br />

Appliken bei Kemkes 1991, 367-373. Vgl. auch Janietz<br />

Schwarz/Rouiller 1996,53-56. - Unfertige Bronzestatuette mit<br />

noch nicht abgearbeiteten Gusskanälen <strong>aus</strong> Nijmegen: J. K.<br />

Haalebos u.a., Castra <strong>und</strong> Canabae. Ausgrabungen auf dem<br />

Hunerberg in Nijmegen 1987-1994 (Nijmegen 1995) 65 Abb.<br />

43.<br />

30 Vgl. W.-D. Heilmeyer, Frühe olympische Bronzefiguren.<br />

Olympische Forschungen 12 (Berlin 1979); Bol 1985,23. - Zur<br />

gleichen Technik bei rezentem Bronzeguss in Westafrika vgl.<br />

S. Tassinari, La fabrication d'une figurine de chasseur dans<br />

l'atelier d'Issaka Topsoba, fondeur à Ouagadougou. In: Bérard/<br />

Ducrey 1979,116-118 Taf. 73. 74.<br />

31 Bol 1985, 781; an Statuetten der archaischen Zeit 110-112;<br />

U. Gehrig, Frühe griechische Bronzegusstechniken. Archäologischer<br />

Anzeiger 1979,547-558; H. Kyrieleis, Samos and Some<br />

Aspects of Archaic Greek Bronze Casting. In: Small Bronze<br />

Sculpture from the Ancient World. Papers Delivered at a Symposium<br />

Organized by the Departments of Antiquities and Antiquities<br />

Conservation and Held at the J. Paul Getty Museum,<br />

March 16-19,1989 (Malibu 1990) 25-29.<br />

32 Bol 1985,112-116.120-125.<br />

33 Vgl. D. Strong, D. Brown, Roman Crafts (London 1976) 74-91<br />

(Keramik). 92-103 (Tonlampen). 104-109 (Terrakotten).<br />

34 Ch. Landwehr, Die antiken Gipsabgüsse <strong>aus</strong> Baiae. Griechische<br />

Bronzestatuen in Abgüssen römischer Zeit. Archäologische<br />

Forschungen 14 (Berlin 1985) bes. 181-188.<br />

35 Besonders wichtig sind die vor kurzem <strong>aus</strong> Petra (Jordanien)<br />

bekanntgewordenen F<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Bef<strong>und</strong>e. In einem Werkraum<br />

wurden nicht nur noch mit Ton ummantelte Metallgeräte,<br />

sondern auch gipsene figürliche Positive, Negativformen für<br />

Geräte <strong>und</strong> Gipsabfälle gef<strong>und</strong>en, wobei die Analysen des Gipses<br />

für alle drei Gruppen dieselbe Zusammensetzung ergaben<br />

(Analysen W. B. Stern, Mineralogisch-Petrographisches Institut<br />

der Universität Basel; unpubliziert). Es ist also anzuneh­<br />

In der Technik des direkten Wachs<strong>aus</strong>schmelzverfahrens<br />

gearbeitet sind etwa die griechischen geometrischen<br />

Tierfiguren 30<br />

. Die Verwendung von Teilformen<br />

<strong>und</strong> Hilfsnegativen lässt sich in Griechenland<br />

aber schon an den samischen Greifenprotomen des<br />

7. Jahrh<strong>und</strong>erts nachweisen 31<br />

, <strong>und</strong> sie wird dann von<br />

klassischer Zeit an vor allem für Hohlgüsse geläufig 32<br />

.<br />

In der römischen Kaiserzeit sind theoretisch beide Verfahren<br />

denkbar; <strong>aus</strong> gr<strong>und</strong>sätzlichen Erwägungen ist<br />

anzunehmen, dass man wie bei der Keramik- <strong>und</strong> der<br />

Terrakottafabrikation auch beim Bronzeguss durch<br />

möglichst rationelle Arbeitsweise der grossen Nachfrage<br />

gerecht zu werden versuchte <strong>und</strong> deshalb die<br />

indirekte Methode bevorzugte 33<br />

. Die Gipse von Baiae<br />

geben uns ein anschauliches Bild von der Tätigkeit<br />

einer kaiserzeitlichen Kopistenwerkstatt 34<br />

; <strong>aus</strong> mehreren<br />

östlichen F<strong>und</strong>orten sind Negativformen für die<br />

Herstellung von Wachsmodellen bekannt 35<br />

; erstaunlich<br />

ist nur, dass sich im Westen des Reiches kaum<br />

Gipsnegativformen oder Gipsmodelle gef<strong>und</strong>en haben,<br />

die das indirekte Wachs<strong>aus</strong>schmelzverfahren für<br />

Statuetten beweisen würden 36<br />

. Denkbar wäre allenfalls,<br />

dass man, wie bei den Lampenmodeln, ungebrannten<br />

Ton verwendete, der dann zerfallen ist.<br />

men, dass man in der gleichen Werkstatt (lokal gefertigte) Positive<br />

aufbewahrte, <strong>aus</strong> Negativformen Wachsmodelle herstellte<br />

<strong>und</strong> dann den Gussvorgang durchführte. Fre<strong>und</strong>liche<br />

Mitteilung von Rolf A. Stucky, Basel. Vgl. vorläufig R. A. Stucky<br />

u.a., Swiss-Lichtenstein Excavations at az-Zantur in Petra<br />

1994: The Sixth Campaign. Annual of the Department of<br />

Antiquities of Jordan 39,1995,299; R. A. Stucky in: A. Bignasca<br />

u.a., Petra, Ez Zantur I. Ergebnisse der Schweizerisch-<br />

Lichtensteinischen Ausgrabungen 1988-1992. Terra Archaeologica<br />

2 (Mainz 1996) 281 Abb. 36. 37; 340-343 Kat. 33-38<br />

Abb. 990-996. - Literaturhinweise zu den Gipsformen <strong>aus</strong><br />

Begram ebd. 340 Anm. 1107, <strong>aus</strong> Delos, Samaria, Ktesiphon <strong>und</strong><br />

Susa ebd. 340 Anm. 1114; Gipse <strong>aus</strong> Sabratha: G. Barone, Gessi<br />

del Museo di Sabratha. Monografie di Archeologia Libica 21<br />

(Rom 1994). Für die kaiserzeitlichen Gipsformen <strong>aus</strong> Memphis<br />

ist im Moment weiterhin auf die Publikationen von C. C. Edgar<br />

<strong>und</strong> O. Rubensohn zurückzugreifen, da C. Reinsberg (Studien<br />

zur hellenistischen Toreutik. Die antiken Gipsabgüsse <strong>aus</strong><br />

Memphis. Hildesheimer archäologische Beiträge 9 [Hildesheim<br />

1980]) nur die Gipsreliefs <strong>aus</strong> klassischer <strong>und</strong> hellenistischer<br />

Zeit behandelt: C. C. Edgar, Greek Moulds. Catalogue<br />

général des antiquités égyptiennes du Musée du Caire (Kairo<br />

1903); O. Rubensohn, Hellenistisches Silbergerät in antiken<br />

Gipsabgüssen. Wissenschaftliche Veröffentlichungen des Pelizaeus-Museums<br />

zu Hildesheim 1 (Berlin 1911). In Aussicht<br />

steht jetzt aber die Publikation der 1996 an der Universität Trier<br />

abgeschlossenen Dissertation von W. Cheshire, Die griechischrömischen<br />

Gipsformen <strong>aus</strong> Memphis im Roemer-Pelizaeus-<br />

Museum zu Hildesheim.<br />

36 Diese Tatsache hat sich noch nicht befriedigend erklären lassen;<br />

wahrscheinlich erhalten sich kleine Gipsfragmente<br />

schlecht im Boden (Boucher 1976, 226 erinnert immerhin an<br />

ein - heute zwar verschollenes - Fragment einer Gipsnegativform<br />

<strong>aus</strong> Vienne). Auch im Bereich der zahlreichen kaiserzeitlichen<br />

Kopistenwerkstätten, die sicher mit Gips gearbeitet<br />

haben, sind ja vorläufig nur in Baiae Gipsmodelle erhalten. Anderseits<br />

wurde der Gipskopf in der Bronzewerkstatt vor der<br />

Porta Vesuvio in Pompeji wahrscheinlich als Modell für eine<br />

Gesichtsform (Hinterkopf nicht <strong>aus</strong>gearbeitet), nicht als Bildhauermodell<br />

verwendet (Gralfs 1988,24-26 Tal 1; fre<strong>und</strong>licher<br />

Hinweis von Bettina Janietz, vgl. Janietz Schwarz/Rouiller<br />

1996,57 Anm. 198). Mit Hilfsnegativen <strong>aus</strong> Gips rechnet auch<br />

Kemkes 1991,369. - Zu den entsprechenden Fragen bei der Terrakottaherstellung<br />

vgl. H. Lange, Die Koroplastik der Colonia<br />

Claudia Ara Agrippinensium. Untersuchungen zu Typologie,<br />

Technik, Werkstattf<strong>und</strong>en, Betrieben, Signaturen <strong>und</strong> Produktionszeit.<br />

Kölner Jahrbuch 27,1994,1241

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!