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Götter und Lararien aus Augusta Raurica

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Beschreibungen des Statius wie des Martial wird<br />

jedoch klar, dass ihren Quellen zufolge der erste Besitzer,<br />

Alexander, die Statuette beim Mahl auf dem<br />

Tisch stehen hatte <strong>und</strong> auf seine Unternehmungen<br />

mitnahm 686<br />

<strong>und</strong> dass sie im H<strong>aus</strong> des Novius Vindex als<br />

Tischaufsatz verwendet wurde 687<br />

.<br />

Wir wissen nicht, ob im Rom des späteren 1. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

schriftliche Quellen über Lysipp <strong>und</strong> sein<br />

Werk vorhanden waren, <strong>aus</strong> denen Statius <strong>und</strong> Martial<br />

schöpfen konnten. Direkte Anschauung vermittelten<br />

jedenfalls mehrere in Rom aufgestellte Einzelwerke<br />

<strong>und</strong> Gruppen des als besonders produktiv bekannten<br />

sikyonischen Meisters 688<br />

, <strong>und</strong> es ist nicht einzusehen,<br />

weshalb nicht auch die Kopie einer kleinformatigen<br />

Plastik in die Privatsammlung eines römischen Kunstliebhabers<br />

gelangt sein sollte 689<br />

. Völlig <strong>aus</strong>geschlossen<br />

ist, dass Statius den Beinamen der Sitzstatuette des<br />

Herkules frei erf<strong>und</strong>en haben könnte 690<br />

; zum einen<br />

stünde eine solche «private» Namengebung einer<br />

berühmten Schöpfung völlig vereinzelt da, zum anderen<br />

wird <strong>aus</strong> beiden Beschreibungen, des Statius wie<br />

des Martial, deutlich, dass Novius Vindex mit dem<br />

Herakles Epitrapezios wenn nicht das Original, so<br />

doch das Abbild eines damals namentlich bekannten<br />

Meisterwerks besessen hat, dessen Überlieferung<br />

sich erst später auf die heutige dürftige Quellenlage<br />

eingeengt hat.<br />

Zurück zur Frage nach der Funktion von <strong>Götter</strong>statuetten<br />

beim Mahl. Der Herkules des Novius<br />

Vindex ziert zugleich als Kunstwerk wie als göttlicher<br />

Teilnehmer am Mahl den Tisch, ohne eine kultische<br />

Funktion zu haben. Das kunstreich gefertigte Skelettchen<br />

des Trimalchio dient vornehmlich der Unterhaltung<br />

beim Gelage 691<br />

. Die drei Larenstatuetten<br />

sowie die Porträtbüste des Trimalchio dagegen sind die<br />

üblichen, sonst im Lararium aufbewahrten H<strong>aus</strong>götter,<br />

denen während des Essens geopfert wird. Trotz<br />

vieler exzentrischer Vorfälle im Verlauf des geschilderten<br />

Gastmahls wird nirgends offenk<strong>und</strong>ig gegen<br />

religiöse Bräuche oder Vorschriften Verstössen 692<br />

, <strong>und</strong><br />

das Larenopfer vollzieht sich formal richtig, nur nicht<br />

am üblichen Ort. Dass das Herbeibringen der Statuetten<br />

zum Tisch nicht einfach als skurrile Idee des H<strong>aus</strong>herrn<br />

abgetan werden darf, zeigt die genannte Stelle in<br />

der Streitschrift des christlichen Redners Arnobius<br />

gegen die Heiden, wo er ihnen vorwirft, sie machten<br />

die Tische durch Aufstellen von Salzgefässen <strong>und</strong><br />

durch <strong>Götter</strong>bilder heilig 693<br />

. Das bedeutet doch offensichtlich,<br />

dass es noch im frühen 4. Jahrh<strong>und</strong>ert n. Chr.<br />

nicht unüblich war, Larariumsstatuetten beim Mahl<br />

auf dem Tisch stehen zu haben <strong>und</strong> den H<strong>aus</strong>göttern<br />

hier zu opfern 694<br />

.<br />

Die archäologischen Quellen nun ermöglichen weniger<br />

klare Aussagen als die literarischen. Die in situ<br />

erhaltenen <strong>Lararien</strong> der Vesuvstädte belegen zwar,<br />

dass Wertgegenstände verschiedener Art im Alltag<br />

nahe beieinander aufbewahrt sein konnten (z.B.<br />

GFV2, GFV3, GFV5, GFV23, GFV44, GFV47), doch<br />

ist damit noch nichts über eine gemeinsame Verwendung<br />

<strong>aus</strong>gesagt. Eine solche Hesse sich höchstens<br />

durch eine gedeckte Tafel nachweisen, die sich unter<br />

den Lavamassen erhalten hätte. Ähnlich verhält es sich<br />

mit sogenannten Angstdepots (z.B. GF33 Macon,<br />

GF43 Saint-Chef, GF45 Seltz, GF60 M<strong>und</strong>erkingen,<br />

GF77 Kaiseraugst); die Tatsache, dass Gefässe, Gerät<br />

<strong>und</strong> Statuetten, die mutmasslich zum gleichen H<strong>aus</strong>halt<br />

gehörten, zusammen verwahrt wurden, besagt<br />

lediglich, dass sie in den Augen ihrer Besitzer Gegenstände<br />

von hohem materiellem bzw. ideellem Wert<br />

waren, die es zu sichern galt.<br />

In einigen der geschlossenen F<strong>und</strong>e mit Statuetten<br />

beschränkt sich das Inventar jedoch eindeutig auf bei<br />

Tisch verwendete Objekte. Es sind dies Ensembles, die<br />

keine Küchengerätschaften, sondern nur Tafelzubehör<br />

sowie wenige Statuetten enthalten. Zum Tafelgeschirr<br />

686 4,6,59-61: Pellaeus/ Regnator laetis numeri venerabile mens is/<br />

Et comitem occasus secum portabat bzw. 43, 7: hoc habuit<br />

numen Pellaei mensa tyranni.<br />

687 Beim beabsichtigten Gegensatz zwischen dem gewaltigen<br />

Thema <strong>und</strong> dem kleinen Format kann gestamina mensae v. 45<br />

nichts anderes als «Tischaufsatz» heissen; ähnlich übrigens<br />

auch Cancik-Lindemaier 1971 in ihrer Übersetzung Anhang<br />

S. 7, auch wenn sie die Stelle in ihrer Anm. 50 umdeuten will.<br />

688 Vgl. Plin. Nat. 34,37. - H. Jucker, Vom Verhältnis der Römer<br />

zur bildenden Kunst der Griechen (Frankfurt a.M. 1950) 70<br />

Anm. 8; M. Pape, Griechische Kunstwerke <strong>aus</strong> Kriegsbeute<br />

<strong>und</strong> ihre öffentliche Aufstellung in Rom von der Eroberung<br />

von Syrakus bis in augusteische Zeit. Diss. Hamburg 1975,15f.<br />

47. 63-65. 67. 80. 151. 192. 204. 215; R. Chevallier, L'artiste,<br />

le collectionneur & le f<strong>aus</strong>saire. Pour une sociologie de l'art<br />

romain (Paris 1991 ) 82-87; S. Ensoli in: Moreno (wie Anm. 684)<br />

299-309.<br />

689 In seiner Beurteilung des Novius Vindex <strong>und</strong> des Verhältnisses<br />

zwischen den Dichtern Statius <strong>und</strong> Martial <strong>und</strong> ihrem<br />

Gönner setzt H. G. Martin 1987 mehrfach falsche Akzente.<br />

S. 164: Griechischkenntnisse sind für einen Gebildeten des<br />

1. Jh. durch<strong>aus</strong> selbstverständlich; S. 165: Phidiae putavi<br />

(Mart. 9, 44) ist als Kompliment des Dichters an den Kunstkenner<br />

Novius Vindex zu verstehen - es lag beiden Dichtern<br />

fern, sich über den Kunstverstand ihres Gönners lustig zu<br />

machen, an dessen Wohlwollen ihnen viel gelegen war. - Zur<br />

Einschätzung griechischer Kunst im frühkaiserzeitlichen Rom<br />

vgl. allg. Jucker (wie Anm. 688) 85f.; P. Zanker, Zur Funktion<br />

<strong>und</strong> Bedeutung griechischer Skulptur in der Römerzeit. In:<br />

H. Flashar (Hrsg.), Le classicisme à Rome aux 1 ers<br />

siècles avant<br />

et après J.-C. Entretiens Fondation Hardt 25 (Genf 1979) 286f.<br />

690 So H. G. Martin 1987,166; vgl. auch Cancik-Lindemaier 1971,<br />

57 Anm. 45, die als Beleg für ihre Vermutung unter anderem<br />

die umstrittene Echtheit der Gedichttitel anführt, dabei<br />

aber übersieht, dass die Statuette auch in der sicher echten<br />

praefatio zu Buch 4 «Epitrapezios» genannt wird.<br />

691 Dass solches Spielzeug wirklich existiert hat, belegt ein<br />

bronzenes Exemplar <strong>aus</strong> Pompeji: M. R. Borriello u.a., Le<br />

collezioni del Museo Nazionale di Napoli (Neapel 1986) 212<br />

Nr. 47 m. Abb.<br />

692 Völlig ungewöhnlich ist etwa die Dreizahl der Laren; Petron<br />

braucht sie, um die drei sprechenden Namen Cerdo («Profitbringer»),<br />

Felicio («Glücksbringer») <strong>und</strong> Lucrio («Gewinnbringer»)<br />

unterzubringen.<br />

693 Sacras facitis mensas salinorum appositu et simulacris deorum.<br />

- Zur sakralen Funktion von Salzgefässen vgl. W. Hilgers,<br />

Lateinische Gefässnamen. Bezeichnung, Funktion <strong>und</strong> Form<br />

römischer Gefässe nach den antiken Schriftquellen. BJb, Beiheft<br />

31 (Düsseldorf 1969) 268.<br />

694 An den auch von Cancik-Lindemaier 1971,49 <strong>und</strong> 51 Anm. 27<br />

herangezogenen Stellen (Hör. Carm. 4,5,31f. et alterisi te mensis<br />

adhibet deum «<strong>und</strong> zieht zum Nachtisch dich [sc. Augustus]<br />

als Gott hinzu»; Ov. Fast. 6, 306 mensae credere adesse deos<br />

«[war es Sitte] zu glauben, dass die <strong>Götter</strong> bei Tisch anwesend<br />

seien»; Verg. Aen. 5,62f. adhibete Penateslet patrios epulis<br />

«zieht zum Festmahl die traditionellen Penaten hinzu») dagegen<br />

geht es nicht um das faktische Aufstellen von Figuren,<br />

sondern um die geistige Anwesenheit der Gottheit beim Mahl,<br />

im Sinne eines Tischgebets.

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