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Götter und Lararien aus Augusta Raurica

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einfache Wandnischen nicht immer richtig erkannt<br />

<strong>und</strong> gedeutet werden 643<br />

.<br />

Um her<strong>aus</strong>zufinden, welche Statuettengruppen in<br />

den <strong>Lararien</strong> der (West-)Provinzen 644<br />

gestanden<br />

haben <strong>und</strong> auf welche Weise der Kult der H<strong>aus</strong>götter<br />

archäologisch fassbar ist, werden im folgenden möglichst<br />

viele geschlossene F<strong>und</strong>e mit <strong>Götter</strong>statuetten<br />

untersucht: neben Statuettengruppen, die in Wohnhäusern<br />

oder andernorts in situ erhalten geblieben<br />

sind, werden auch solche berücksichtigt, die - in<br />

primärer oder sek<strong>und</strong>ärer Verwendung - zusammen<br />

mit anderen Objekten als Ensemble absichtlich verwahrt<br />

worden sind (vgl. Abb. 137 <strong>und</strong> unten Tabelle<br />

I) 645<br />

. Dabei ergeben sich gleichzeitig Aufschlüsse über<br />

die weitere Verwendung <strong>und</strong> Funktion von Statuetten<br />

<strong>aus</strong>serhalb des häuslichen Kults.<br />

Larariumsinventare in situ <strong>und</strong> quasi in situ<br />

Es erstaunt nicht, dass die Kategorie der mit Figuren<br />

<strong>und</strong> zum Teil mit Gerät <strong>aus</strong>gestatteten H<strong>aus</strong>heiligtümer<br />

nicht sehr umfangreich ist, wenn man bedenkt,<br />

dass ein Inventar nur infolge einer plötzlich hereinbrechenden<br />

Katastrophe, wie im Fall der Vesuvstädte,<br />

in situ erhalten geblieben ist; konnte ein Unheil<br />

vor<strong>aus</strong>gesehen werden, so versuchte man offenbar,<br />

die Statuetten mit auf die Flucht zu nehmen oder in<br />

Sicherheit zu bringen (vgl. unten «Angstdepots»).<br />

Nur selten sind die Häuser mit Larariumsinventaren<br />

so gut erforscht, dass sich die Funktion einzelner<br />

Räume bestimmen lässt. In Arezzo (GF87) wurden<br />

die Objekte angrenzend an einen mit geometrischen<br />

Mosaiken <strong>und</strong> polychromem Stuck <strong>aus</strong>gestatteten<br />

Raum (Triclinium?) gef<strong>und</strong>en; in Vallon (GF83) <strong>und</strong><br />

in Rom (GF98) befand sich das H<strong>aus</strong>heiligtum im<br />

Triclinium selbst, in Vilauba (GF1) in einem Raum<br />

neben der Küche. Der mit Pfeilern unterteilte Saal<br />

eines Gebäudes in Avenches (GF72) erinnert in<br />

seiner Anlage an den Säulenkeller von Homburg-<br />

Schwarzenacker (GF58); dort lassen die Ausstattung<br />

des Saales, die übrigen F<strong>und</strong>e wie auch die zum Teil<br />

durch Grösse <strong>und</strong> Thema auffallenden Statuetten vermuten,<br />

dass das Gebäude - <strong>und</strong> damit das darin eingerichtete<br />

Heiligtum - nicht einer Familie, sondern<br />

einer Korporation gehörte 646<br />

. Auch für das «H<strong>aus</strong> des<br />

Mercurius» in Chur (GF74) wurde eine Deutung als<br />

Korporationsgebäude erwogen.<br />

Die Versturzlage der Statuetten von Kos (GF114)<br />

lässt vermuten, dass das Lararium im oberen Stockwerk<br />

eingerichtet war; im Fall von Ostia (GF96)<br />

befanden sich mehrere H<strong>aus</strong>heiligtümer im Wohngeschoss<br />

über einer Bäckerei. Wahrscheinlich waren<br />

auch die Statuetten <strong>und</strong> das Altmetall in einem H<strong>aus</strong><br />

in Rom (GF121) ursprünglich in zwei übereinanderliegenden<br />

Geschossen aufbewahrt.<br />

Vom Inhalt des H<strong>aus</strong>heiligtums sind selten nur die<br />

Statuetten erhalten (GF1 Vilauba, GF78 Kaiseraugst,<br />

GF114 Kos); meist fanden sich dabei noch Beleuchtungsgerät<br />

sowie wenige Gefässe <strong>und</strong> andere Gerätschaften<br />

(GF36 Mathay: Kerzenständer <strong>und</strong> Löffel;<br />

GF70 Augst: Schlangentöpfe <strong>und</strong> Räucherkelch;<br />

GF72 Avenches: Kerzenständer; GF83 Vallon: Lampe<br />

<strong>und</strong> Gefäss 647<br />

; GF87 Arezzo <strong>und</strong> GF102 Sibari:<br />

Kandelaber). Vielleicht gehörten einzelne Münzen in<br />

unmittelbaren Zusammenhang mit dem Lararium<br />

(GF41 Reims, GF68 Augst, GF87 Arezzo) 648<br />

.<br />

Auch <strong>aus</strong>serhalb der Vesuvstädte haben sich in<br />

etlichen Fällen aufgr<strong>und</strong> der lokalen Gegebenheiten<br />

Larariumsinventar <strong>und</strong> andere, in der Nähe aufbewahrte<br />

Gegenstände vermischt: in Augst (GF68),<br />

Winterthur (GF86), Ostia (GF96), Rom (GF98) <strong>und</strong><br />

vielleicht Mathay (GF37) sind verschiedenes Geschirr<br />

<strong>und</strong> Gerät, Werkzeug <strong>und</strong> Möbelteile mit den Statuetten<br />

<strong>und</strong> Lampen zusammen in die Erde gekommen.<br />

Einen Sonderfall bildet ein Ensemble <strong>aus</strong> Kaiseraugst<br />

(GF78); es ist zwar im Wohntrakt eines Gewerbeh<strong>aus</strong>es<br />

zum Vorschein gekommen, jedoch nicht als<br />

verstürztes Inventar, sondern in einer unter dem Fussboden<br />

verwahrten Kiste. Sie erinnert an die hölzernen<br />

Behälter in campanischen Häusern, die offenbar zeitweilig<br />

als Safe dienten (s. oben mit Anm. 632), <strong>und</strong> mag<br />

die gleiche Funktion gehabt haben 649<br />

.<br />

Über F<strong>und</strong>stelle <strong>und</strong> Vergrabungsart der innerhalb<br />

der Siedlung in Exeter (GF4), Besançon (GF19) 650<br />

,<br />

Reims (GF41), Saarlouis-Fraulautern (GF63), Cava-<br />

643 Vgl. Boyce 1937, 8; G. C. Boon, Some Romano-British<br />

Domestic Shrines and Their Inhabitants. In: B. Hartley/<br />

J. Wacher (Hrsg.), Rome and her Northern Provinces. Papers<br />

presented to Sheppard Frere (Gloucester 1983) 33-55 Taf. 1.<br />

3-5 (zu B<strong>aus</strong>trukturen britannischer <strong>Lararien</strong>).<br />

644 Leider sind kaum Bef<strong>und</strong>e <strong>aus</strong> dem Osten des Reiches bekannt<br />

(vgl. GF110.114-118).<br />

645 Dabei kann bei Statuetten oft nicht zwischen reversibler <strong>und</strong><br />

irreversibler Vergrabung unterschieden werden, im Gegensatz<br />

etwa zur Grossplastik, wo meist die Art der Verwahrung eine<br />

Unterscheidung ermöglicht. Vgl. dazu Donderer 1991/92 bes.<br />

194-198; sein Schluss, dass eine sorgfältige Vergrabung auf<br />

eine irreversible Deponierung schliessen lasse, scheint mir<br />

allerdings nicht zwingend: ein mit Ziegeln <strong>aus</strong>gelegtes <strong>und</strong> gedecktes<br />

Versteck etwa schützte die Objekte vor Beschädigung<br />

<strong>und</strong> erleichterte gleichzeitig ihr Wiederauffinden.<br />

646 Zu Korporationen <strong>und</strong> Vereinen gr<strong>und</strong>legend F. M. Ausbüttel,<br />

Untersuchungen zu den Vereinen im Westen des römischen<br />

Reiches. Frankfurter Althistorische Studien 11 (Kallmünz<br />

1982).<br />

647 Zu dem fragmentarisch erhaltenen Gefäss mit einer Votivinschrift<br />

sind keine Parallelen in anderen Larariumsinventaren<br />

bekannt; vgl. auch oben Anm. 633, unten Anm. 711 sowie Abb.<br />

141a.<br />

648 Vgl. dazu pompejanische Bef<strong>und</strong>e: zwei Münzen des Germanicus<br />

<strong>und</strong> des Nero in der Larariumsnische von GFV21; in<br />

<strong>Lararien</strong> ohne Metallstatuetten: As des Nero im Schrein der<br />

ägyptischen <strong>Götter</strong> (VI 16,7; Boyce 1937 Nr. 220); Münze des<br />

Claudius in Nische (IX 9,6; Boyce 1937 Nr. 457); Münze des<br />

Caligula im Lararium des H<strong>aus</strong>es des Obellius Firmus (IX<br />

14,2/4; Boyce 1937 Nr. 67). Es ist noch nicht untersucht, ob<br />

einzelne Münzen als Spende für die <strong>Götter</strong> ins Lararium<br />

gelegt wurden. Zu einer insbesondere in Ostgallien belegten<br />

Sonderform des Münzopfers vgl. oben Exkurs II.<br />

649 Bei der anderen, im Katalog zu S4 erwogenen Deutung des<br />

Behälters als hölzernes Lararium in situ (vgl. auch oben Anm.<br />

460) lässt sich seine Lage unter den Brettern des Fussbodens<br />

nicht erklären.<br />

650 Trotz L. Lerats Bedenken (RAE 34, 1983, 175 zu Nr. 37) ist<br />

der gemeinsame F<strong>und</strong>ort der thematisch ungewöhnlichen<br />

Statuetten <strong>aus</strong> Besançon offenbar gesichert, da er schon im<br />

alten Register II (ab 1848) zu Nr. 700-702 aufgeführt ist<br />

(fre<strong>und</strong>liche Mitteilung von Ph. Lagrange, Besançon). Somnus<br />

ist als Larariumsstatuette auch in Kaiseraugst (GF78) belegt;<br />

zu den anderen beiden Statuetten fehlen nahe Parallelen, oder<br />

sie sind als Einzelf<strong>und</strong>e für unsere Fragestellung unergiebig<br />

(zum Cucullatus vgl. Faider-Feytmans, Belgique Nr. 92 Taf. 56,<br />

zum Gott mit Tierohr vgl. Boucher 1976,173-179).

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