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Götter und Lararien aus Augusta Raurica

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Leider geben die Schriftquellen keine Auskunft darüber,<br />

ob es üblich war, Statuetten zeitweilig in Truhen<br />

oder Kästchen zu verwahren, etwa zusammen mit<br />

Schmuck, Geld <strong>und</strong> anderen Wertgegenständen, oder<br />

ob das nur in Momenten drohender Gefahr geschah 632<br />

.<br />

Im Fall der Häuser V 3,11 (GFV22) <strong>und</strong> IX 7,?<br />

(GFV44) sprechen die F<strong>und</strong>berichte für die erste<br />

Möglichkeit: beide Male ist von hölzernen Behältern<br />

mit Schmuck <strong>und</strong> Statuetten die Rede.<br />

Im Zusammenhang mit der äusseren Form campanischer<br />

<strong>Lararien</strong> haben sich nun auch Aufschlüsse<br />

über ihren Inhalt ergeben. Zu einem H<strong>aus</strong>heiligtum<br />

gehörten eine bis r<strong>und</strong> zehn Statuetten <strong>aus</strong> Holz,<br />

Wachs - um auch das vergängliche Material zu nennen<br />

-, Bronze oder Ton, seltener <strong>aus</strong> Silber, Marmor,<br />

Alabaster, Elfenbein oder Bernstein, dazu ein kleiner<br />

Altar, Beleuchtungsgerät <strong>und</strong> wenige für das Opfer<br />

verwendete Gefässe. Der zugehörige Sockel trug in<br />

der Regel keine Inschrift (vgl. auch unten mit Anm. 710<br />

<strong>und</strong> Abb. 141) 633<br />

. Überwiegend wurden jeweils Statuetten<br />

<strong>aus</strong> demselben Material zusammen aufgestellt,<br />

aber es konnten auch Objekte <strong>aus</strong> bis zu vier verschiedene<br />

Materialien im gleichen Lararium vertreten<br />

sein (GFV2, GFV16, GFV20, GFV21, GFV23,<br />

GFV26). Häufig sind es Venusstatuetten, die <strong>aus</strong><br />

anderem Material (Elfenbein, Marmor oder Alabaster)<br />

bestehen (GFV18, GFV20, GFV23, GFV24,<br />

GFV26) 634<br />

. Es zeigt sich, dass Figuren von ganz<br />

unterschiedlicher Grösse, Qualität <strong>und</strong> Stilrichtung<br />

zusammen verwendet werden konnten. Im Lararium<br />

des H<strong>aus</strong>es VII 15,3 standen zwei 7 <strong>und</strong> 9 cm hohe<br />

Statuetten des Priap <strong>und</strong> des Amor neben Figuren<br />

der Laren, des Herkules, der Venus <strong>und</strong> eines Silens<br />

von 11 bis 16 cm (GFV35) 635<br />

, während sich die sieben<br />

Larariumsfiguren <strong>aus</strong> einer Villa in Boscoreale zwar<br />

im Format ähnlich sind, aber deutliche Stil- <strong>und</strong><br />

Qualitätsunterschiede zeigen (GFV1). Das Lararium<br />

der Casa delle Pareti rosse (Vili 5,37) enthielt neben<br />

drei bescheidenen, stereotypen Statuetten der Laren<br />

<strong>und</strong> des Herkules hervorragende Schöpfungen wie<br />

den Merkur in langem Mantel oder den Apollo mit der<br />

Lyra (GFV37).<br />

Auch die Auswahl der zusammen verehrten Gottheiten<br />

war offenbar keinen verbindlichen Regeln<br />

unterworfen (vgl. auch unten Abb. 138 <strong>und</strong> 139). Wohl<br />

waren Laren <strong>und</strong> Genius seit der augusteischen<br />

Reform des Larenkults die zentralen Figuren, jedoch<br />

sind unter den in situ erhaltenen Larariumsinventaren<br />

auch Ensembles ohne Laren oder Genius bekannt 636<br />

.<br />

In wenigen <strong>Lararien</strong> ist eine Gottheit mit mehr als<br />

einer Statuette vertreten 637<br />

. Mengenmässig stehen an<br />

erster Stelle die Laren - dies nicht zuletzt, weil sie oft<br />

paarweise vorkommen -, dann folgt Merkur. Mit<br />

weniger Statuetten vertreten sind Minerva, Venus,<br />

Jupiter, Fortuna bzw. Isis-Fortuna sowie Herkules,<br />

Harpokrates <strong>und</strong> der Genius; neben <strong>Götter</strong>statuetten<br />

sind selten auch <strong>Götter</strong>büsten belegt (GFV24). Nur in<br />

einem Fall (GFV10) ist ein Zusammenhang zwischen<br />

der im Lararium aufgestellten Gottheit (Minerva) <strong>und</strong><br />

dem im H<strong>aus</strong> <strong>aus</strong>geübten Gewerbe (Textilhandwerk)<br />

zu erkennen. Unter den Terrakotten finden sich nicht<br />

näher zu deutende männliche <strong>und</strong> weibliche Köpfe<br />

<strong>und</strong> Büsten 638<br />

sowie die schon erwähnten Figuren von<br />

heroisierten Toten. Ebenfalls in den Bereich des<br />

Ahnenkults gehören einige grob gearbeitete Köpfe<br />

<strong>aus</strong> Holz - zum Teil nur als Abdrücke erhalten -, die<br />

wohl mit Wachs übermodelliert waren <strong>und</strong> imagines<br />

maiorum darstellten 639<br />

. In Ton wie auch in Bronze sind<br />

einige ungewöhnliche oder gar groteske, karikierende<br />

632 Die nicht leicht verständliche Stelle bei Prop. 4, 3, 53f. raris<br />

assueta kalendis/ vix aperit cl<strong>aus</strong>os una puella Laves (etwa:<br />

«Kaum einmal öffnet die Dienerin, wie sie es gewohnt ist, an<br />

den so seltenen Kaienden den geschlossenen Larenschrein»)<br />

meint wohl eher einen fest installierten Schrein mit Flügeltüren<br />

in der Art des in der Casa del Sacello di legno (GFV5)<br />

erhaltenen Exemplars als eine tresorähnliche Kiste; trotz<br />

W. A. Camps' Bedenken möchte ich seiner ersten Deutung<br />

den Vorzug geben (Propertius Elegies Book IV, ed. W. A.<br />

Camps [Cambridge 1965] 831). - Das Silbergeschirr der Casa<br />

del Menandro (I 10,4) war, in Stoff gewickelt, zusammen<br />

mit dem separat verpackten Goldschmuck <strong>und</strong> Münzen im<br />

Gesamtwert von über 1000 Sesterzen in einer Holzkiste im<br />

Korridor unter dem kleinen Atrium des Badetrakts verwahrt;<br />

offenbar wollte der H<strong>aus</strong>herr seinen kostbaren Besitz<br />

während seiner Abwesenheit oder wegen der Umbauarbeiten<br />

am H<strong>aus</strong> in Sicherheit wissen (Maiuri 1932,245ff.; M. u. A. De<br />

Vos in: F. Coarelli [Hrsg.], Pompeji. Lübbes archäologischer<br />

Führer [Bergisch Gladbach 1979] 181 f.). — Die Bronzegruppe<br />

von Bacchus <strong>und</strong> Satyr wurde in Tücher verpackt in einem<br />

grossen Kessel im Garten des H<strong>aus</strong>es des Pansa (VI 6,1) gef<strong>und</strong>en<br />

(Dwyer 1982,123 Abb. 204; F. Jung, Antike Kunst 27,<br />

1984,93 Anm. 125); auch hier ist möglich, dass die Statuen nach<br />

dem Erdbeben noch nicht wieder an ihrem üblichen Standort<br />

aufgestellt waren.<br />

633 Aus naheliegenden Gründen war es an sich nicht nötig,<br />

Statuetten im Lararium mit Stifternamen zu bezeichnen.<br />

Ausnahmen sind die Minervastatuette in H<strong>aus</strong> 113,2 (GFV10)<br />

sowie ein sicher campanisches Larenpaar in Mainz (G. Behrens,<br />

Zwei Laren-Statuetten <strong>aus</strong> Bronze; A. Oxé, Die neue<br />

Mainzer Laren-Inschrift. Germania 1,1917, 68-70. 143-146).<br />

In beiden Fällen stiftet der Vorsteher der Kultgemeinschaft<br />

der Sklaven <strong>und</strong> Freigelassenen des H<strong>aus</strong>es (magister familiae<br />

bzw. magister coltegli familiae) - meist selbst ein Sklave - dem<br />

H<strong>aus</strong>herrn die betreffende(n) Statuette(n). Der Stifter wollte<br />

also seine Ergebenheit gegenüber dem H<strong>aus</strong>herrn deutlich<br />

zum Ausdruck bringen. - Gr<strong>und</strong>legend zu den Kultvereinen<br />

der Sklaven <strong>und</strong> Freigelassenen F. Börner (in Zusammenarbeit<br />

mit P. Herz), Untersuchungen über die Religion der Sklaven<br />

in Griechenland <strong>und</strong> Rom 1. Forschungen zur antiken Sklaverei<br />

14,1 (Wiesbaden 1981 2<br />

) bes. 47-55.<br />

634 Zum Teil sind sie auch deutlich grösser als die Statuetten<br />

anderer Gottheiten (z.B. GFV5, GFV18, GFV23). Es fragt<br />

sich, ob diese besondere Stellung der Venus in Zusammenhang<br />

mit ihrer Funktion als Schutzpatronin der Stadt stehen könnte<br />

(vgl. zum Problem Fröhlich 1991,147-150).<br />

635 Trotz ihrer verschiedenen Grösse scheinen fünf der sieben<br />

Statuetten <strong>aus</strong> derselben Werkstatt zu stammen, was sonst<br />

eher selten ist (vgl. Adamo-Muscettola 1984,24f.).<br />

636 GFV2, GFV11, GFV14, GFV15, GFV21, GFV24; Nische<br />

mit Venusstatuette <strong>aus</strong> Pseudo-Alabaster <strong>und</strong> Tonaltärchen<br />

(Boyce 1937,30 Nr. 61).<br />

637 GFV1 (je zwei Statuetten des Jupiter <strong>und</strong> der Isis-Fortuna);<br />

GFV2 <strong>und</strong> GFV22 (je zwei Statuetten des Harpokrates);<br />

GFV37 (zwei Merkurstatuetten). - Nicht beliebig war die<br />

Anzahl der Genius- <strong>und</strong> Larenstatuetten: im gleichen Lararium<br />

standen in der Regel höchstens ein Genius <strong>und</strong> ein ruhig<br />

stehender Lar bzw. ein Paar von tanzenden Laren (Ausnahme:<br />

GFV23 mit zwei ruhig stehenden Laren). Wahrscheinlich<br />

gehörten die drei Laren in der Casa a graticcio (GFV3) zu zwei<br />

verschiedenen H<strong>aus</strong>heiligtümern.<br />

638 z. B. Büste des Apollo in II 9,2 (GFV14); Kinderbüste in IX 3,5<br />

(GFV40);zwei männliche Büsten in IX 14,2.4 (Boyce 1937,301<br />

Nr. 67; H<strong>aus</strong> irrtümlich mit III- bezeichnet).<br />

639 Maiuri 1932, 98-106 Abb. 48. 49; Maiuri 1958, 419; ders. in:<br />

EAA III (1960) 400 Abb. 489 s. v. Ercolano; Adamo-Muscettola<br />

1984, 9 Abb. 1; Budetta/Pagano 1988 Nr. 8. Vgl. auch H.<br />

Drerup,Totenmaske <strong>und</strong> Ahnenbild bei den Römern. RM 87,<br />

1980, 981; Fröhlich 1991, 47; Foss (wie Anm. 628) 199ff. 2151<br />

Abb. 3. 23.

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