08.02.2013 Aufrufe

Götter und Lararien aus Augusta Raurica

Götter und Lararien aus Augusta Raurica

Götter und Lararien aus Augusta Raurica

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Vergleichbare Bef<strong>und</strong>e in plötzlich verschütteten<br />

wie in langsam zerfallenden Siedlungen ergeben<br />

sich schliesslich, weil sich bei den Ausgrabungen im<br />

Campanien des <strong>aus</strong>gehenden 19. Jahrh<strong>und</strong>erts oft<br />

nicht erkennen liess, ob verschiedenartige, zusammen<br />

begrabene Gegenstände - wie sie etwa in unseren<br />

F<strong>und</strong>ensembles vorkommen - ursprünglich auch zusammen<br />

aufbewahrt gewesen waren; hier wie dort<br />

gerieten durch den Einsturz von Häusern in Nischen<br />

Bef<strong>und</strong>e in den Vesuvstädten<br />

In den Vesuvstädten bestanden die einfachen, meist<br />

dem H<strong>aus</strong>gesinde vorbehaltenen H<strong>aus</strong>heiligtümer <strong>aus</strong><br />

einer Opferstelle sowie einer Darstellung des Genius<br />

<strong>und</strong> der Laren, die an eine Innenwand oder Nische im<br />

Bereich des Gesindetrakts, seltener von Wohnräumen,<br />

Werkstätten oder Läden, gemalt wurden. Aufwendiger<br />

<strong>aus</strong>gestaltet <strong>und</strong> vor allem für die Familie des H<strong>aus</strong>herrn<br />

bestimmt waren Holzschreine, Nischen oder<br />

eigentliche Aediculen zum Aufbewahren <strong>und</strong> Aufstellen<br />

von <strong>Götter</strong>statuetten, zum Teil verb<strong>und</strong>en mit<br />

an die Wand gemalten <strong>Götter</strong>figuren; sie befanden sich<br />

vorwiegend in repräsentativen Räumen des Wohntrakts,<br />

dann auch in Küche, Läden <strong>und</strong> Werkstätten<br />

(vgl. unten Anhang I <strong>und</strong> Tabelle I GFV1-47) 628<br />

.<br />

Holzschreine, wie sie sich vollständig bisher nur in<br />

Herculaneum erhalten haben, hatten die Form von<br />

Tempelchen oder Laden, die frei aufgestellt oder oben<br />

auf H<strong>aus</strong>haltschränke gesetzt wurden 629<br />

. Im einzigen<br />

erhaltenen Fachwerkh<strong>aus</strong> (Casa a graticcio, III 13-15)<br />

standen in einem Speisezimmer des oberen Stockwerks<br />

an entgegengesetzten Wänden zwei Holzschränke,<br />

von denen der grössere Bronze-, Glas- <strong>und</strong><br />

Tongefässe, einige Haarnadeln, eine Fayenceperlenkette<br />

sowie eine Bronzestatuette enthielt, während im<br />

kleineren, als eigentliches Lararium verwendeten elf<br />

Bronzestatuetten (zwei Laren, Jupiter, Aeskulap, Harpokrates,<br />

Minerva, Diana, Isis-Fortuna, Isis Panthea,<br />

eine Opfernde <strong>und</strong> ein Nubier) aufbewahrt wurden<br />

(GFV3). Die Kombination von Geschirrschrank <strong>und</strong><br />

Lararium ist in der Casa del Sacello di legno (V 31) erhalten:<br />

der hohe Schrank enthielt verschiedenes H<strong>aus</strong>haltgeschirr,<br />

das daraufgestellte Lararium in Form<br />

eines Antentempelchens eine Bronzestatuette des<br />

Herkules <strong>und</strong> eine Marmorstatuette, wohl der Venus<br />

(GFV5). Eine ähnliche Aufteilung hat man sich wohl<br />

bei den zwei neben-, nicht übereinandergestellten Kästen<br />

oder Schreinen im Peristyl des H<strong>aus</strong>es VII 2,16 in<br />

Pompeji vorzustellen: im einen waren die Statuetten<br />

eines Laren, des Apollo, der Minerva, der Fortuna <strong>und</strong><br />

eine weibliche Büste, im anderen Schmuck <strong>und</strong> eine<br />

Glasamphora untergebracht (GFV29). <strong>Lararien</strong> müssen<br />

also nicht unbedingt als bauliche Strukturen zu<br />

fassen sein; in den Fällen, wo sich nur eine Statuettengruppe<br />

ohne das sie umgebende Gehäuse erhalten<br />

hat, bestand dieses wohl <strong>aus</strong> vergänglichem Material,<br />

oder die Figuren wurden in eine Wandnische gestellt.<br />

oder im oberen Stockwerk aufbewahrte Statuetten mit<br />

unten verwahrten Gegenständen durcheinander, so<br />

dass oft nicht mehr klar ist, was ursprünglich zusammengehörte.<br />

Ein weiteres gemeinsames Phänomen<br />

sind Statuetten <strong>aus</strong> dem Bereich der Strasse; sie<br />

wurden angesichts drohender Gefahr auf die Flucht<br />

mitgenommen oder bei Plünderungsaktionen von<br />

ihrem ursprünglichen Standort entfernt <strong>und</strong> gingen<br />

unterwegs verloren.<br />

Nicht immer lassen die Bef<strong>und</strong>e in den Vesuvstädten<br />

eine klare Trennung zwischen profan <strong>und</strong><br />

sakral verwendeten Schränken zu 630<br />

. Die Westwand<br />

des Atriums von H<strong>aus</strong> V 4,3 in Pompeji weist eine<br />

eingetiefte Larariumsnische mit grossen gemalten<br />

<strong>Götter</strong>figuren auf; im östlich angrenzenden Raum<br />

fanden sich an zwei gegenüberliegenden Wänden<br />

Abdrücke sowie Inhalt je eines Schrankes (GFV23).<br />

Der linke Schrank enthielt 54 Bronze- <strong>und</strong> 130<br />

Silbermünzen, einen Silberlöffel <strong>und</strong> ein silbernes<br />

Simpulum, der rechte ein Kästchen sowie (darin?)<br />

drei Bronzestatuetten des Genius <strong>und</strong> der Laren, eine<br />

Marmorstatuette der Venus, drei Bernsteinfiguren,<br />

Schmuck, Bronzegerät sowie Bronze-, Glas- <strong>und</strong> Tongefässe.<br />

Wahrscheinlich standen die <strong>Götter</strong>figuren<br />

üblicherweise in der Nische im Atrium <strong>und</strong> wurden<br />

nur vorübergehend im nahen Schrank untergebracht;<br />

denkbar wäre allerdings auch, dass einer der beiden<br />

Schränke, wie die Möbel in den Häusern III 13-15<br />

(GFV3) <strong>und</strong> V 31 (GFV5), als Kultschrein diente.<br />

Für eine wohl kurzfristige Verwahrung von Statuetten<br />

spricht auch der Bef<strong>und</strong> im Atrium des H<strong>aus</strong>es VI<br />

14,27: in einer hölzernen Truhe, deren Schloss noch<br />

vorhanden war, lagen Bronzestatuetten der Isis, des<br />

Anubis, zweier Laren sowie eines sitzenden Alten,<br />

daneben - oder möglicherweise auch darin - eine<br />

Marmorstatuette der Venus, ein silberner Harpokrates,<br />

eine tönerne Totenmahlfigur 631<br />

sowie Münzen,<br />

ein Spiegel <strong>und</strong> kleinere Bronzeobjekte (GFV26).<br />

628 Ausführlich zu Standorten <strong>und</strong> sozialer Differenzierung<br />

Fröhlich 1991, 28-44; ergänzend R. A. Tybout, Domestic<br />

shrines and «populär painting»: style and social context.<br />

Journal of Roman Archaeology 9,1996,358-374 bes. 367-370<br />

(Rezension von Fröhlich 1991). Vgl. auch P. W. Foss, Watchful<br />

Lares: Roman household organization and the rituals of<br />

cooking and eating. In: R. Laurence, A. Wallace-Hadrill<br />

(Hrsg.), Domestic Space in the Roman World: Pompeii and<br />

Beyond. Journal of Roman Archaeology, Suppl. 22 (Portsmouth,<br />

RI 1997) 197-218.<br />

629 Vgl. Maiuri 1958, 254 Abb. 202; 419 Abb. 354; <strong>aus</strong>führlich<br />

jetzt S.T. A. M. Mols, Houten Meubels in Herculaneum. Vorm,<br />

Techniek en Functie. Indagationes Noviomagenses ad res<br />

antiquas spectantes 10 (Nijmegen 1994) 59-63. 138-140<br />

Kat. 27-30 Abb. 137-147.<br />

630 Vgl. dazu auch Boyce 1937,22 Anm. 3.<br />

631 Zu diesen Figuren heroisierter Toter vgl. Fröhlich 1991,44-48.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!