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Götter und Lararien aus Augusta Raurica

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Bei allen qualitativen <strong>und</strong> stilistischen Unterschieden<br />

zwischen den einzelnen Exemplaren der Gruppe fällt<br />

ein gemeinsames Merkmal auf: die mit Geldschlitz versehenen<br />

Sockel <strong>und</strong> Statuetten sind - mit Ausnahme<br />

von Nr. 15 - unten hohl, das heisst, sie waren mit einem<br />

Boden <strong>aus</strong> organischem Material geschlossen, oder die<br />

eingeworfenen Münzen sollten auf die Unterlage, auf<br />

der die Statuette steht, bzw. in einen darunter montierten<br />

Behälter fallen. Ein Behälter - möglicherweise<br />

<strong>aus</strong> organischem Material - ist mit Sicherheit bei den<br />

Statuetten Nr. 5 <strong>und</strong> 11 zu ergänzen: der Schlitz im<br />

Felsboden von Nr. 5 könnte ohne zugehörigen Hohlraum<br />

gar nicht benutzt werden, <strong>und</strong> bei Nr. 11 zeigen<br />

die Protomenform <strong>und</strong> der unregelmässige Abschluss,<br />

dass die Figur nur Teil eines grösseren Ganzen war.<br />

Auch die Exemplare Nr. 8-10 <strong>und</strong> 14 müssen einen<br />

Behälter bekrönt haben, wie ihr unterer gerade abgeschnittener<br />

Rand nahelegt. Dass auch die hohle Basis<br />

selbst der Behälter sein konnte, zeigt der Merkur Nr.<br />

4; hier wurde nicht nur in Kauf genommen, sondern<br />

war offenbar beabsichtigt, dass Statuette <strong>und</strong> Sockel<br />

auf die Unterlage bloss aufgesetzt waren <strong>und</strong> dass man<br />

durch einfaches Abheben der Statuette an das Geld<br />

gelangen konnte, es sei denn, eine hölzerne Bodenplatte<br />

wäre eingesetzt gewesen.<br />

Alle drei Möglichkeiten - ein zugehöriger Behälter,<br />

eine eingesetzte Platte oder loses Aufsetzen auf der<br />

Unterlage - bestehen bei den Exemplaren Nr. 1, 6, 7<br />

<strong>und</strong> 12, also bei denjenigen Statuetten, die auf einem<br />

unten flach abgeschlossenen Sockel ohne Füsse<br />

stehen. Die Exemplare Nr. 2, 3,13 <strong>und</strong> 16 schliesslich<br />

konnten nicht anders als frei aufgestellt werden, wobei<br />

die eingeworfenen Münzen wegen der Sockelfüsschen<br />

auf der Unterlage sichtbar blieben. In dieser Hinsicht<br />

läuft gerade diese Variante unseren Vorstellungen<br />

von sicheren, ringsum geschlossenen Opferstöcken<br />

diametral zuwider 597<br />

, doch darf man gerade hier<br />

die Möglichkeit eines nicht erhaltenen, beweglichen<br />

Bodens <strong>aus</strong> organischem Material nicht <strong>aus</strong>ser acht<br />

lassen. Auf diese Weise wäre der Inhalt des Behälters<br />

vor den Blicken Unbefugter geschützt <strong>und</strong> doch zugänglich<br />

gewesen.<br />

Die Grösse der Geldschlitze variiert von 0,15 bis<br />

0,7 cm in der Breite <strong>und</strong> von 0,4 bis 3,6 cm in der Länge.<br />

Dabei fallen die beiden Matres Nr. 9 <strong>und</strong> 10 mit ihren<br />

Minimalöffnungen völlig <strong>aus</strong> der Reihe. Den Statuetten<br />

müssen zwar Vorlagen in der Art der Tyche Nr. 11<br />

zugr<strong>und</strong>e liegen; bei der Ausführung wurden sie aber<br />

so stark verkleinert, dass ihre Öffnungen keine Münzsorten<br />

mehr passieren liessen 598<br />

. Die nächstgrösseren<br />

Geldschlitze der Sockel Nr. 2, 3, 7, 12, 13 <strong>und</strong> 16<br />

mit einem durchschnittlichen Mass von 0,3 x 2 cm<br />

reichten <strong>aus</strong>, um die meisten Aurei <strong>und</strong> Denare<br />

des 2. <strong>und</strong> 3. Jahrh<strong>und</strong>erts, aber auch der früheren<br />

Kaiserzeit, aufzunehmen 599<br />

. Die grössten Öffnungen<br />

schliesslich (Nr. 1,6,8,11,14) waren auch für Asse <strong>und</strong><br />

Dupondien gross genug. Tendenziell scheinen es<br />

eher kostbare Münzsorten gewesen zu sein, die man<br />

verwendet hat. Soweit sich beurteilen lässt, hängt die<br />

Grösse des Geldschlitzes offenbar nicht mit der<br />

Entstehungszeit der Statuette zusammen 600<br />

.<br />

Aufschluss über die Funktion der geldspendenempfangenden<br />

Gottheiten geben die wenigen Fälle,<br />

in denen der F<strong>und</strong>zusammenhang der Statuetten be­<br />

kannt ist. Die Exemplare <strong>aus</strong> Kaiseraugst, Schwarzenacker,<br />

Weissenburg <strong>und</strong> Vilauba (Nr. 1, 4, 13, 16) gehörten<br />

zum Lararium eines Privath<strong>aus</strong>es bzw. einer<br />

Korporation. Der Genius von Meyzieu (Nr. 7) stand<br />

aufgr<strong>und</strong> seiner Inschrift wahrscheinlich in einem<br />

öffentlichen Heiligtum (vgl. auch unten mit Anm.<br />

708f.) 601<br />

, ebenso die jetzt verlorene grosse Statuette auf<br />

dem grabbauähnlichen Sockel (Nr. 15), die offenbar<br />

zusammen mit zwei männlichen Porträtbüsten, drei<br />

Statuetten des gallorömischen Gottes Cobannus sowie<br />

einer Situla mit Votivinschrift gef<strong>und</strong>en wurde 602<br />

. Die<br />

Merkurstatuetten <strong>aus</strong> Trento <strong>und</strong> Saarbrücken (Nr. 2<br />

<strong>und</strong> 3) sind Einzelf<strong>und</strong>e, während über die F<strong>und</strong>umstände<br />

der übrigen Exemplare (Nr. 5, 6, 8-12,14)<br />

nichts bekannt ist.<br />

Dass Münzspenden in <strong>Lararien</strong> üblich waren, belegten<br />

bisher erst vereinzelte Münzen in campanischen<br />

H<strong>aus</strong>heiligtümern (s. unten mit Anm. 648). Die Bronzestatuetten<br />

Nr. 1,4,13 <strong>und</strong> wohl auch Nr. 2 <strong>und</strong> 3 machen<br />

nun wahrscheinlich, dass es in gewissen Teilen Galliens<br />

<strong>und</strong> Germaniens sowie in der Cisalpina üblich war,<br />

insbesondere in H<strong>aus</strong>heiligtümern Statuetten als eine<br />

Art privaten Miniatur-Opferstock aufzustellen oder<br />

sie als Bekrönung eines solchen zu verwenden. Gerade<br />

bei den Exemplaren Nr. 2,3,13 <strong>und</strong> 16 bzw. 4 mit ihren<br />

durch Füsschen erhöhten Sockeln bzw. mit erhaltener<br />

Unterlage ist anzunehmen, dass schon <strong>aus</strong> Platzgründen<br />

nicht eine grosse Menge Geld zusammenkommen<br />

sollte, sondern dass der Gottheit einzelne<br />

Geldstücke dargebracht wurden.<br />

Der Sockel <strong>aus</strong> Spanien (Nr. 16), die Statuette <strong>aus</strong><br />

Rom (Nr. 14) <strong>und</strong> die zwei Statuetten <strong>aus</strong> dem Osten<br />

des Reiches (Nr. 6 <strong>und</strong> 11) zeigen, dass figürliche<br />

Opferstöcke oder Opferstockaufsätze nicht <strong>aus</strong>schliesslich<br />

in den Nordwestprovinzen des Reiches<br />

bekannt waren. Im gallisch-germanischen Raum<br />

kommen nun aber zu den genannten bronzenen<br />

Exemplaren einige weitere figürliche Opferstöcke <strong>aus</strong><br />

anderem Material hinzu; sie bestätigen, dass der<br />

umschriebene Schwerpunkt in der Verbreitung offenbar<br />

nicht einfach den Stand der Forschung wiedergibt,<br />

sondern den antiken Gegebenheiten entspricht.<br />

597 G. Zahlhaas verwirft nicht zuletzt <strong>aus</strong> diesem Gr<strong>und</strong> eine<br />

Deutung der Venus <strong>aus</strong> Weissenburg als Opferstock (in:<br />

Kellner/Zahlhaas 1993,48).<br />

598 Allenfalls wäre hier an eine Miniaturspende von Naturalien<br />

(Getreidekörner? Trankopfer?) zu denken. Zu Naturalien als<br />

Opfergaben vgl. N. Kyll, Heidnische Weihe- <strong>und</strong> Votivgaben<br />

<strong>aus</strong> der Römerzeit des Trierer Landes. Trierer Zeitschrift für<br />

Geschichte <strong>und</strong> Kunst des Trierer Landes <strong>und</strong> seiner Nachbargebiete<br />

29,1966,5-114 bes. 71-76.<br />

599 Vgl. Künzl 1996,460f.: Masse verschiedener Denare <strong>und</strong> Aurei.<br />

600 Vgl. Datierungsvorschläge oben.<br />

601 Ob die Statuette <strong>aus</strong> Meyzieu wirklich <strong>aus</strong> einem geschlossenen<br />

F<strong>und</strong> mit mindestens zwei weiteren Statuetten stammt,<br />

wie J. Monnier schreibt, lässt sich anhand der mir zugänglichen<br />

Literatur nicht überprüfen (Monnier [wie Anm. 594] 23.33f.);<br />

im frühesten F<strong>und</strong>bericht von 1877 (s. Anm. 583) sind jedenfalls<br />

keine anderen Statuetten erwähnt.<br />

602 Mattusch u.a. 1996 Nr. 48. 49; Herrmann (wie Anm. 590)<br />

Nr. 162; C. Rolley, Les bronzes grecs et romains: recherches<br />

récentes. Revue archéologique 1997, 315 sowie mündliche<br />

Auskunft von John J. Herrmann <strong>und</strong> Annewies van der Hoek,<br />

Boston.

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