08.02.2013 Aufrufe

Götter und Lararien aus Augusta Raurica

Götter und Lararien aus Augusta Raurica

Götter und Lararien aus Augusta Raurica

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Fragezeichen hinter der Zahl besagt, dass die Deutung<br />

(oder der F<strong>und</strong>ort) unsicher ist.<br />

Die Übersicht macht deutlich, dass von der F<strong>und</strong>gattung,<br />

die am ehesten über die religiösen Verhältnisse<br />

Auskunft geben könnte, nämlich den inschriftlichen<br />

Weihungen, nur wenig erhalten geblieben ist, <strong>und</strong><br />

noch weniger an Steinskulpturen, dagegen über 60<br />

Bronzestatuetten. Trotz allen Zufällen der Erhaltung<br />

entspricht dieses Verhältnis zwischen Bronze- <strong>und</strong><br />

Steinobjekten wohl antiker Realität: es war billiger,<br />

eine serienmässig gefertigte Bronzestatuette zu weihen<br />

als einen eigens in Auftrag gegebenen Inschriftstein.<br />

Neben wirtschaftlichen Gründen spielt aber<br />

auch der unterschiedliche Charakter der beiden Arten<br />

von Votivobjekten eine Rolle: steinerne Weihinschriften,<br />

bestimmt zur öffentlichen Aufstellung, galten den<br />

Gottheiten der lokal wichtigen Heiligtümer <strong>und</strong> Kultplätze,<br />

während sich in Bronzestatuetten, die im<br />

privaten wie im öffentlichen Bereich Verwendung<br />

fanden, stärker persönliche Vorlieben <strong>und</strong> individuelle<br />

religiöse Bindungen <strong>aus</strong>drücken konnten. Im übrigen<br />

ist festzustellen, dass ganz generell, auch <strong>aus</strong>serhalb<br />

von <strong>Augusta</strong> <strong>Raurica</strong>, nicht jede Gottheit in allen<br />

Gattungen vertreten ist; die Quadruviae etwa sind nur<br />

inschriftlich bekannt 550<br />

, an Venus dagegen richtete<br />

man sich nur mit plastischen Darstellungen, nicht mit<br />

Inschriften 551<br />

.<br />

Die 15 erhaltenen Inschriften mit <strong>Götter</strong>weihungen<br />

<strong>aus</strong> Augst <strong>und</strong> Kaiseraugst - fünf für Apollo, vier für<br />

Merkur, je eine für Jupiter (<strong>und</strong> Mars?), Aeskulap,<br />

Sucellus, die Quadruviae, Mater (?) <strong>und</strong> Mithras<br />

oder Sol - wurden von mehrheitlich einheimischen<br />

Dedikanten gestiftet; es ist anzunehmen, dass sie<br />

zumindest teilweise einheimischen Gottheiten galten.<br />

Die Käufer oder Stifter der Bronzestatuetten <strong>aus</strong><br />

<strong>Augusta</strong> <strong>Raurica</strong> sind uns nicht namentlich bekannt,<br />

doch ist auch hier mit römischen Bürgern, Freigelassenen<br />

<strong>und</strong> nicht näher bezeichneten Einheimischen<br />

zu rechnen. Berücksichtigt man wegen der spärlichen<br />

Quellen <strong>aus</strong> Augst das epigraphische Material <strong>aus</strong> der<br />

ganzen Provinz 552<br />

, so zeigt sich, dass im grossen ganzen<br />

Statuetten <strong>und</strong> Inschriften parallel laufen, das heisst,<br />

dass der prozentuale Anteil der einzelnen Gottheiten<br />

ähnlich ist. Deutliche Unterschiede ergeben sich nur<br />

bei Jupiter, der inschriftlich zumindest <strong>aus</strong>serhalb von<br />

<strong>Augusta</strong> <strong>Raurica</strong> stärker vertreten ist als Merkur 553<br />

,<br />

sowie bei Minerva <strong>und</strong> Herkules, die bei den Bronzen<br />

einen grösseren Anteil haben. Es ist nicht klar, weshalb<br />

für diese beiden Gottheiten in der ganzen Provinz so<br />

wenige Weihinschriften erhalten sind; immerhin<br />

gehört Minerva nach Caesar zu den Hauptgottheiten<br />

der Gallier. Im Fall von <strong>Augusta</strong> <strong>Raurica</strong>, wo Inschriften<br />

für Minerva <strong>und</strong> Herkules ganz fehlen, mag<br />

mitspielen, dass beide wahrscheinlich kein eigenes<br />

Heiligtum in der Stadt hatten 554<br />

; immerhin sprechen<br />

die monumentale Minervabüste S41 <strong>und</strong> die steinerne<br />

Herkulesstatue im Grienmatt-Heiligtum für ihre<br />

lokale Bedeutung. In Larariumsinventaren <strong>und</strong> Sakralhorten<br />

des gallischen-germanischen <strong>und</strong> rätischnorischen<br />

Bereichs sind Statuetten der Minerva<br />

jedenfalls mit ähnlichen Anteilen vertreten wie etwa<br />

Apollo- <strong>und</strong> Jupiterstatuetten (vgl. Abb. 111).<br />

Die meisten Weihinschriften wie auch Statuetten<br />

sind von Merkur <strong>und</strong> Apollo erhalten, den vermutlich<br />

wichtigsten <strong>Götter</strong>n der Stadt. Dem Merkur war<br />

möglicherweise der Schönbühl-Tempel (Region 2,A)<br />

geweiht. Die zwanzig Bronzestatuetten decken stilistisch<br />

<strong>und</strong> qualitativ ein breites Spektrum ab; neben<br />

einem frühkaiserzeitlichen, <strong>aus</strong> Italien importierten<br />

Meisterwerk (35) sind überdurchschnittliche gallorömische<br />

Statuetten (z.B. 28, 32, S14), stereotypische<br />

Dutzendware (z.B. 25, 29, S12) <strong>und</strong> originelle einheimische<br />

Schöpfungen (30, S4) vertreten. Apollo, der<br />

auch in der vollständigen Bezeichnung der Colonia<br />

<strong>Raurica</strong> erscheint 555<br />

, wurde wohl zusammen mit seiner<br />

Kultgenossin Sirona im Nymphäum (?) in der Grienmatt<br />

(Region 8,A) <strong>und</strong> vielleicht auch im Heiligtum<br />

Sichelen 2 (Region 4,B) verehrt. Wahrscheinlich gab es<br />

ursprünglich auch von Sirona Votivstatuetten 556<br />

.<br />

Von Jupiter, Aeskulap, Sucellus <strong>und</strong> vielleicht<br />

auch Mars haben sich je ein Inschriftstein <strong>und</strong> wenige<br />

Statuetten erhalten. Der Altar für Aesculapius<br />

Augustus, der eine einst mit Bronzebuchstaben eingelegte<br />

Inschrift aufweist, galt sicher dem römischen,<br />

nicht einem einheimischen Heilgott 557<br />

; die Funktion<br />

eines regional wichtigen einheimischen Heilgotts<br />

scheint Somnus wahrgenommen zu haben 558<br />

. Mars, der<br />

mit drei Statuetten vertreten ist, wurde möglicherweise<br />

zusammen mit Jupiter auf einem bei Insula 36<br />

gef<strong>und</strong>enen Altar angerufen 559<br />

; er könnte auch mit<br />

Diana im Heiligtum Sichelen 2 (Region 4,B) verehrt<br />

worden sein. Ausser dem dort gef<strong>und</strong>enen steinernen<br />

550 Zu den inschriftlichen Zeugnissen in der römischen Schweiz<br />

vgl. M. A. Speidel, Ein Altar für die Kreuzweggöttinnen. JbAK<br />

12,1991, 281 f.; M. Fuchs, Avenches à la croisée des chemins.<br />

Aventicum - nouvelles et informations de l'Association Pro<br />

Aventico, Nov. 1991, 4f.<br />

551 Vgl. Leunissen 1985,179.<br />

552 Leunissen 1985, Tabelle S. 180.<br />

553 Das hängt offenbar mit der Verbreitung der Jupiter-Gigantensäulen<br />

<strong>und</strong> verwandter Denkmäler zusammen, von denen sich<br />

in der römischen Schweiz nur wenige einzelne Ausläufer<br />

finden; vgl. M. Bossert, Die R<strong>und</strong>skulpturen von Aventicum.<br />

Acta Bernensia 9 (Bern 1983) 59f.<br />

554 Anderseits entsprach es durch<strong>aus</strong> italischer wie gallorömischer<br />

Praxis, dass in einem Heiligtum Votivinschriften<br />

<strong>und</strong> -gaben für mehrere Gottheiten Platz finden konnten.<br />

Vgl. etwa Quellheiligtum in Vicarello: Apollo, Aeskulap,<br />

Nymphen, Silvanus (E. <strong>und</strong> S. Künzl, Aquae Apollinares/<br />

Vicarello. In: Chevallier [wie Anm. 250] 273-296 bes. Abb. 4.<br />

8-11. 17); Heiligtum in der Grienmatt (Reg. 8,A): Apollo,<br />

Sirona, Aeskulap, Sucellus, Herkules; Heiligtum von Thun-<br />

Allmendingen: Jupiter, Merkur, Alpes, Diana, Minerva, Göttin<br />

mit Steuerruder (St. Martin-Kilcher, Das römische Heiligtum<br />

von Thun-Allmendingen. Archäologische Führer der Schweiz<br />

28 [Bern 1995] 13-17); Quellheiligtum von Ihn: Apollo, Sirona,<br />

Merkur, Rosmerta, Minerva (H. Merten in: A. Miron [Hrsg.],<br />

Das gallorömische Quellheiligtum von Ihn [Kreis Saarlouis]<br />

[Saarbrücken 1994] 111).- Bei einer Vielzahl von Zeugnissen<br />

für verschiedene <strong>Götter</strong> lässt sich nicht immer feststellen,<br />

welches die Hauptgottheit war; oft fehlen Zeugnisse für die<br />

verehrte Gottheit auch völlig (vgl. etwa die Rubrik «Gottheit»<br />

im Katalog der Tempel bei Trunk 1991, 152ff.). Vgl. auch<br />

Gschaid 1996,362.<br />

555 Vgl. oben mit Anm. 215.<br />

556 Vgl. etwa die Statuetten von Apollo <strong>und</strong> Sirona im Ensemble<br />

von Mâlain (Anhang II GF35).<br />

557 Vgl. Anm. 572.<br />

558 Vgl. Gschaid 1996,430-433.<br />

559 Zu den möglichen Deutungen vgl. Schwarz/Berger (in Vorbereitung<br />

b).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!