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Götter und Lararien aus Augusta Raurica

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Immerhin bestätigt der geringe Anteil einheimischer<br />

Gottheiten, was schon die topographische Streuung<br />

der Statuetten im Stadtgebiet ergeben hat, dass nämlich<br />

der Grossteil der in <strong>Augusta</strong> <strong>Raurica</strong> erhaltenen<br />

Statuetten in den Zusammenhang des H<strong>aus</strong>kults<br />

gehört, in dem die <strong>aus</strong> Italien übernommenen Gottheiten<br />

dominieren (vgl. unten Teil IV, «Zusammensetzung<br />

von Statuettengruppen in <strong>Lararien</strong>»; «Zusammensetzung<br />

von Statuettengruppen in öffentlichen<br />

Heiligtümern»).<br />

Mit der von Römern wie dann auch von Einheimischen<br />

vorgenommenen Gleichsetzung einheimischer<br />

Gottheiten mit römischen, dem nach Tacitus (Germ.<br />

43,3f.) als interpretatio Romana 540<br />

bezeichneten Phänomen,<br />

ist ein Problem berührt, das sich bei der Deutung<br />

von <strong>Götter</strong>statuetten in den Provinzen immer wieder<br />

stellt: die äussere Erscheinung der Statuetten macht<br />

meist nicht klar, ob einheimische oder römische Gottheiten<br />

gemeint sind, da die Handwerker auch für einheimische<br />

<strong>Götter</strong> fast durchwegs griechisch-römische,<br />

klassizistische Typen als Vorlagen verwendeten. Ohne<br />

die Sockelinschriften würde man etwa die Statuetten<br />

der Artio <strong>und</strong> der Naria <strong>aus</strong> dem Sakralhort von Muri<br />

(GF80) oder Merkur <strong>und</strong> Rosmerta <strong>aus</strong> Champoulet<br />

(GF23) als Fortuna <strong>und</strong> Mater bzw. Merkur <strong>und</strong><br />

Fortuna deuten. Aber auch bei Weihinschriften<br />

ohne figürliche Darstellung lässt sich oft nicht<br />

sicher entscheiden, ob sie einheimischen oder<br />

nicht-einheimischen Gottheiten gelten. Abgesehen<br />

von einheimischen Namen oder Beinamen von<br />

<strong>Götter</strong>n oder dem Zusatz deus/dea zu römischen<br />

<strong>Götter</strong>namen existieren kaum allgemein verbindliche<br />

Kriterien für die Identifizierung nicht-römischer Gottheiten<br />

541<br />

. So ist etwa fraglich, wie weit sich <strong>aus</strong> der<br />

ethnischen Zugehörigkeit eines Dedikanten Schlüsse<br />

auf das Wesen der angerufenen Gottheit ziehen lassen;<br />

es wäre durch<strong>aus</strong> denkbar, dass auch ein einheimischer<br />

Weihender sich nicht <strong>aus</strong>schliesslich an einheimische<br />

<strong>Götter</strong> wendet 542<br />

. In diesem Sinn müssen die Ergebnisse<br />

von P. M. M. Leunissens Untersuchung der<br />

Weihinschriften <strong>aus</strong> der Germania Superior 543<br />

wohl<br />

etwas relativiert werden, indem ein Teil der von ihm<br />

als einheimisch bezeichneten Inschriften eher zu der<br />

Kategorie der nicht-qualifizierbaren Zeugnisse zu<br />

rechnen ist 544<br />

. Im ganzen gesehen bleibt aber sein Ergebnis<br />

bestehen, dass nämlich bei den auf Inschriften<br />

am häufigsten angerufenen <strong>Götter</strong>n Jupiter, Merkur,<br />

Mars <strong>und</strong> Apollo in überwiegendem Mass ihre einheimische<br />

Entsprechung, nicht die römische Gottheit<br />

gemeint ist. Das durch die Inschriften gewonnene Bild<br />

legt nahe, dass auch bei den Bronzestatuetten trotz<br />

römischer Erscheinungsformen mit einheimischen<br />

<strong>Götter</strong>vorstellungen zu rechnen ist 545<br />

.<br />

Wahrscheinlich muss man sich ohnehin davor hüten,<br />

eine allzu starre Grenze zwischen einheimischen <strong>und</strong><br />

mutterländischen Gottheiten zu ziehen. Zum Wesen<br />

der interpretatio Romana gehören ja gerade die fliessenden<br />

Übergänge, gehört, dass nicht nur die Römer<br />

die gallischen <strong>Götter</strong> mit den ihnen vertrauten gleichsetzten,<br />

sondern dass auch die romanisierten Einheimischen<br />

mit den fremden <strong>Götter</strong>typen <strong>und</strong> der<br />

Form der bildlichen <strong>und</strong> inschriftlichen Votive mehr<br />

als nur Äusserlichkeiten übernahmen 546<br />

.<br />

In der Tabelle Abb. 112 sind die Zeugnisse zu den in<br />

<strong>Augusta</strong> <strong>Raurica</strong> verehrten Gottheiten zusammengestellt<br />

547<br />

: Anzahl von a) Metallstatuetten <strong>und</strong> -büsten,<br />

dazu, in Klammern angegeben, einzeln gef<strong>und</strong>enen<br />

Fragmente von Statuetten, Attribute, Begleittiere,<br />

Sockel 548<br />

, b) Steinskulpturen, c) Inschriften 549<br />

. Ein<br />

540 Dazu gr<strong>und</strong>legend immer noch G. Wissowa, Interpretatio<br />

Romana; Römische <strong>Götter</strong> im Barbarenlande. Archiv für<br />

Religionswissenschaft 19, 1916-19, 1-49; F. Drexel, Die<br />

<strong>Götter</strong>verehrung im römischen Germanien. Bericht der<br />

Römisch-Germanischen Kommission 14,1922,1-68.- Mit der<br />

interpretatio Romana hängen auch Fragen zur rechtlichen<br />

Stellung von einheimischen Heiligtümern in Koloniestädten<br />

zusammen; vgl. dazu jetzt wegweisend, am Beispiel von Trier,<br />

J. Scheid, Sanctuaires et territoire dans la Colonia <strong>Augusta</strong><br />

Treverorum. In: J.-L. Brunaux (Hrsg.), Les sanctuaires<br />

celtiques et le monde méditerranéen. Actes du colloque de<br />

St-Riquier (8 au 11 novembre 1990), organisé par la Direction<br />

des antiquités de Picardie et l'UMR 126 du CNRS (Paris 1991 )<br />

42-57.<br />

541 Vgl. jetzt zu solchen Fragen Gschaid 1996 passim; zur gängigen<br />

Deutung von deus/dea mit nachfolgendem <strong>Götter</strong>namen<br />

kritisch ebd. 368.388.433.441.<br />

542 Inschriftlich belegt ist sogar der umgekehrte Fall: im Tempelbezirk<br />

von Klein-Winternheim stiftet Ende des 1. Jh. der<br />

römische Senator <strong>und</strong> dreimalige Konsul A. Didius Gallus<br />

Fabricius Veiento der Göttin Nemetona ein metallenes Votivtäfelchen<br />

(CIL XIII 7253; Dessau ILS 1010; L. Schumacher,<br />

Das Gebiet der Verbandsgemeinde Nieder-Olm in römischer<br />

Zeit [1. Jh. v.Chr.-4. Jh. n. Chr.]. In: K.-H. Spiess, Nieder-Olm,<br />

Der Raum der Verbandsgemeinde in Geschichte <strong>und</strong> Gegenwart<br />

[Alzey 1983] 50f. Abb. 14).<br />

543 Leunissen 1985 mit Tabelle S. 180.<br />

544 Insbesondere gilt das für die Inschriften mit sogenannten<br />

Offenbarungsformeln {ex visu, ex imperio u.a.), die, wie<br />

M. Gschaid zu Recht bemerkt, nicht nur in den Provinzen, sondern<br />

auch in Rom selbst häufig belegt sind (M. Gschaid,<br />

Aspekte der Entwicklung der <strong>Götter</strong>verehrung im Gebiet<br />

der civitas Sequanorum <strong>und</strong> in den vici am Nordufer des Oberlaufes<br />

der Rhône: Belley, Briord, Vieu-en-Valromey. In: Ch. M.<br />

Ternes, P. F. Burke jr. [Hrsg.], Roman Religion in Gallia Belgica<br />

& the Germaniae. Actes des 4 es<br />

Rencontres scientifiques<br />

de Luxembourg. Bulletin des antiquités luxembourgeoises 22,<br />

1993,67 Anm. 56).<br />

545 Leider fehlt für die Germania Superior bisher eine Übersicht,<br />

die Inschriften wie auch figürliche Denkmäler umfasst, wie sie<br />

B. H. Stolte für die Germania Inferior vorgelegt hat: Religiöse<br />

Verhältnisse in Niedergermanien, ANRW II 18,1 (Berlin/New<br />

York 1986) 591-671; der für Bd. 18,4 angezeigte Beitrag von<br />

F. Pétry (Aspects des cultes de Germanie Supérieure) erscheint<br />

offenbar nicht mehr. Immerhin hat M. Gschaid vor<br />

kurzem einen für <strong>Augusta</strong> <strong>Raurica</strong> wichtigen Teilbereich, das<br />

im Westen angrenzende Gebiet der Sequaner <strong>und</strong> Ambarrer,<br />

aufgearbeitet (Gschaid 1996). - Formal wie inhaltlich eindeutig<br />

festgelegt sind natürlich <strong>aus</strong>schliesslich mutterländische<br />

bzw. einheimische Figuren wie etwa die Laren oder Genii bzw.<br />

Sucellus.<br />

546 Belege dazu bei Wissowa <strong>und</strong> Drexel (wie Anm. 540).<br />

547 Aufgenommen sind nur mutmasslich sakral, nicht dekorativ<br />

verwendete Objekte, also keine Geräte wie das bronzene<br />

Waagegewicht mit Büste der Ceres (?) 77 oder der steinerne<br />

Tischfuss mit Bacchusbüste (Bossert-Radtke 1992 Nr. 58<br />

Taf. 44.45).<br />

548 Wie in Abb. 111 sind auch hier alle Bronzestatuetten mit<br />

glaubwürdig überliefertem F<strong>und</strong>ort Augst oder Kaiseraugst<br />

sowie mit bekannter F<strong>und</strong>stelle im Stadtbereich berücksichtigt.<br />

Mit Statuettenfragmenten <strong>und</strong> -zubehör soll eine<br />

Vorstellung von zumindest partiell vorhandenen weiteren<br />

Statuetten gegeben werden; es ist klar, dass dabei Merkur zu<br />

stark überwiegt, da seine Attribute <strong>und</strong> Begleittiere leichter<br />

<strong>und</strong> eindeutiger zu erkennen sind als die anderer Gottheiten.<br />

Im übrigen werden Gruppen mit Begleittieren (z.B. 30, 97,<br />

110) nur einmal, beim betreffenden Gott, aufgeführt, Gruppen<br />

mit mehreren <strong>Götter</strong>n (z.B. 41 <strong>und</strong> 68) dagegen bei allen vertretenen<br />

Gottheiten.<br />

549 Nicht berücksichtigt sind die Terrakotten, da dafür das von<br />

V. v. Gonzenbach (1986; 1995) nicht berücksichtigte Material<br />

(vgl. Anm. 164) noch hätte aufgearbeitet werden müssen.

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