08.02.2013 Aufrufe

Viktoria Kerschl - FdR

Viktoria Kerschl - FdR

Viktoria Kerschl - FdR

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

fdr<br />

Fachtag Gender Mainstreaming<br />

Die Expertise<br />

Andrea <strong>Viktoria</strong> <strong>Kerschl</strong><br />

SPI Forschung<br />

Klaudia Winkler<br />

FH Regensburg


fdr<br />

Fachtag Gender Mainstreaming<br />

Wirkfaktoren frauenspezifischer<br />

Suchtarbeit<br />

Andrea <strong>Viktoria</strong> <strong>Kerschl</strong><br />

SPI Forschung gGmbH, Berlin<br />

09.05.2005


Menschenbilder und<br />

Behandlungsstrategien<br />

Jeder Form von Forschung, Therapie oder Betreuung liegen<br />

kulturelle, historische und gesellschaftspolitische Kontexte<br />

zugrunde aus denen sich Menschenbilder ergeben, die die<br />

Basis von Behandlungsleitlinien bilden:<br />

Für die bereits bestehende Frauen-Suchtarbeit heißt dies, sich<br />

mit gesellschaftlichen Prozessen weiblicher Sozialisation, die den<br />

gesamten Suchtprozess geschlechtsspezifisch prägt, intensiv<br />

auseinander zu setzen. D.h. der Geschlechteraspekt muss<br />

Einfluss auf<br />

- Diagnostik - Behandlungspläne und –verlauf<br />

- Indikationsstellung -Wahl der Methoden haben<br />

- Therapieziele


Strukturelle Wirkfaktoren und<br />

Standards<br />

Institutionsmerkmale<br />

- Standardangebot der Leistungsträger für Frauen mit<br />

Suchtproblemen<br />

- Frauen müssen in den Trägervereinen paritätisch und<br />

gleichberechtigt vertreten sein<br />

- Frauen , die frauenspezifisch arbeiten müssen als Expertinnen<br />

an Konzeption, Definition von Zielvorstellungen, Personal- und<br />

Finanzentscheidungen beteiligt sein. Kurz: Die<br />

Mitarbeiterinnen sollten auf alle Ebenen der Hierarchien und<br />

Entscheidungsprozessen Einfluss nehmen können<br />

- Angebote sind prozessorientiert den Bedarfen der Klientinnen<br />

anzupassen: Reichweite und Passgenauigkeit ergeben sich aus<br />

Attraktivität, Aktualität und Vielfalt.


Strukturelle Wirkfaktoren und<br />

Standards<br />

Institutionsmerkmale<br />

- Kritische Auseinandersetzung der Mitarbeiterinnen (und<br />

Mitarbeiter) mit der eigenen Geschlechtsrollenidentität/<br />

geschlechtsspezifischer Sozialisation, mit ihren Normen und<br />

Wertvorstellungen > Menschenbildern<br />

- Reflexion der persönlichen Einstellung zu den<br />

Lebensbedingungen suchtmittelabhängiger Frauen und<br />

Entwicklung einer klaren Position im Umgang mit den Klientinnen<br />

(Berücksichtigung von Gewalterfahrungen und<br />

Gewalthandlungen, Auseinandersetzung mit verschiedensten<br />

Gewaltstrukturen und deren Auswirkungen auf<br />

Behandlungsprozesse)<br />

- Beziehungsfähigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um ein<br />

therapeutisch wirksames Beziehungsangebot machen zu können.<br />

Der Umgang mit Grenzen, Nähe und Distanz, Achtung und Respekt<br />

muss gut ausgebildet sein. Die Beachtung ethischer Standards ist<br />

selbstverständlich


Strukturelle Wirkfaktoren und<br />

Standards<br />

Institutionsmerkmale<br />

lebenssituationsbezogene Angebote<br />

- Angebote orientieren sich an alltäglichen und spezifisch<br />

weiblichen Lebenserfahrungen<br />

- Schnelle unbürokratische Verfahrensweisen soll den Zugang<br />

erleichtern<br />

- Hilfen orientieren sich an den Bedürfnissen von Frauen ohne<br />

Veränderungsmotivation vorauszusetzen<br />

- Entlastende und alltagspraktische Angebote führen zu mehr<br />

Selbstbestimmtheit und Lebensqualität, steigern<br />

Eigenverantwortung, Selbstachtung und Autonomie ><br />

Förderung der Veränderungsmotivation und des Wunsches<br />

nach einem Leben ohne Sucht<br />

- Vernetzungsstrukturen zur optimalen, unbürokratischen<br />

Versorgung


Strukturelle Wirkfaktoren und<br />

Standards<br />

Institutionsmerkmale<br />

lebenssituationsbezogene Angebote<br />

- niedrigschwellig Hilfen, ambulante und teilstationäre Hilfen<br />

müssen für Frauen und deren Bedarf ausgebaut werden<br />

- Stationäre, teilstationäre Angebote sollten sich mehr für<br />

Schwangere/Frauen mit Kindern sowie Minderjährige öffnen<br />

Frei- und Schutzräume<br />

- eine frauenspezifische Grundhaltung drückt sich auch in der<br />

Ausstattung und dem Bereitstellen von Frauenräumen aus. Die<br />

Bearbeitungsmöglichkeit spezifischer Themen (Gewalt,<br />

Prostitution, Beziehungserleben etc.) machen Schutz- und<br />

Freiräume unerlässlich. Sie bieten darüber hinaus Raum zur<br />

Analyse alter und Erprobung neuer Interaktionsmuster.


Strukturelle Wirkfaktoren und<br />

Standards<br />

Institutionsmerkmale<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

- Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit tragen zur Sensibilisierung<br />

der Umwelt für die Problemlagen von suchtmittelabhängigen<br />

Frauen bei und fördern den Abbau von Ressentiments<br />

- Durch sachliche Information zum Thema Frau und Sucht kann<br />

zur Dekonstruktion gängiger Mythen und Stereotypien und der<br />

Reduzierung der Diskriminierung süchtiger Frauen bewirkt<br />

werden<br />

- neue Medien zur Erhöhung des Erreichungsgrades nutzen


Prozessuale Wirkfaktoren und<br />

Standards<br />

Beziehungsarbeit<br />

- Einer der wirkmächtigsten Faktoren zur Erreichung von<br />

Therapiezielen, ist die Beziehung zwischen Klientin (und<br />

Klient) und Behandlerin (bzw. Behandler)<br />

- Beziehungsarbeit hat einen zentralen Stellenwert in der<br />

Frauen-Suchtarbeit, da süchtige Frauen sehr oft unter<br />

Beziehungsstörungen leiden bzw. Ängste haben sich auf<br />

Beziehungen einzulassen<br />

- Beziehung braucht eine authentische Vertrauensperson, die<br />

begleitet, unterstützt, aber auch herausfordert und Grenzen<br />

akzeptiert und die sich ihrer Begrenztheit als<br />

„Übergangsobjekt“ bewusst ist > Real- und<br />

Übertragungsbeziehung


Prozessuale Wirkfaktoren und<br />

Standards<br />

Parteilichkeit – Solidarität<br />

- Parteilichkeit bedeutet, dass sich Mitarbeiterinnen bewusst als<br />

Frauen in dieser Gesellschaft mit ihrem spezifischen<br />

Erwartungen an weibliche (und männliche) Rollen und den<br />

damit verbundenen Anforderungen sehen, die sie in gewissem<br />

Umfang unabhängig von der jeweiligen Lebensgeschichte mit<br />

den Klientinnen teilen<br />

- Parteilichkeit, Solidaritätserfahrung und Empowerment<br />

gehören zum Fundament auf dem eine vertrauensvolle<br />

Betreuungsbeziehung aufbaut.


Prozessuale Wirkfaktoren und<br />

Standards<br />

Diagnostik und Methodenvielfalt<br />

- Frauenspezifische Diagnostik ist prozessual, kontextbezogen<br />

und schließt die gesellschaftliche Lebensrealität von Frauen ein<br />

- Der diagnostische Prozess findet intersubjektiv statt und<br />

ermöglicht es den Klientinnen, Deutungen und Einschätzungen<br />

ihrer Lebensrealität einzubringen> Diagnostik als Intervention<br />

> geteilte Erkenntnis wirkt vertrauensbildend, begreift die<br />

Klientin als Expertin und befähigt sie den Prozess zu verstehen<br />

- Herstellung der individuellen Sinnzusammenhänge von Sucht<br />

durch Mehrperspektivität<br />

- Frauenspezifische Suchttherapie geht von einem Ansatz aus,<br />

der auf den Bedarf der jeweiligen Klientin abgestimmt ist (bei<br />

psychotherapeutischen Verfahren, durch Motivational<br />

Interviewing- Case Management – Körperarbeit – Trauer- und<br />

Traumarbeit, Behandlung komorbider Störungen und allen<br />

Spektren sozialer Integration)


Prozessuale Wirkfaktoren und<br />

Standards<br />

Akzeptanz und Wertschätzung der eigenen Person<br />

- Akzeptanz der eigenen Person ist ein relevanter Faktor zur<br />

Aufgabe der Drogenbindung und Neuorientierung (geprägt<br />

durch: Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeitserfahrungen).<br />

Grundvoraussetzung dafür ist die unbedingte Wertschätzung<br />

und Akzeptanz der Klientin durch die Mitarbeiterin und den<br />

Mitarbeiter<br />

Ressourcenorientierung und Empowerment<br />

- Bewusstmachung, Nutzung und Entwicklung individueller<br />

Ressourcen unterschiedlicher Art stärken die Persönlichkeit.<br />

Vertrauen in die eigenen Kompetenzen eröffnen<br />

Handlungsoptionen und Solidarität ermöglicht ein<br />

Heraustreten aus der Opferrolle.<br />

- Aufbau von Selbsthilfenetzwerken


Prozessuale Wirkfaktoren und<br />

Standards<br />

Ausstieg- und Integrationsförderung<br />

- Katamnesen belegen, dass das Rückfallrisiko sinkt, wenn<br />

Frauen und Männer den Wiedereinstieg ins Erwerbsleben<br />

geschafft und ein gesichertes unterstützendes Umfeld zur<br />

Verfügung haben<br />

- Frauen benötigen angesichts der gesamtgesellschaftlichen<br />

Situation besondere Hilfen (Training sozialer Kompetenzen,<br />

Durchsetzungsfähigkeit, Zugang zur Erwerbsarbeit mit<br />

entsprechenden Maßnahmen, Sicherung des Wohnraums)<br />

- Kooperationsbeziehungen zu komplementären Angeboten<br />

- Insbesondere Frauen mit eingeschränkten<br />

Handlungsspielräumen brauchen Unterstützung z. B. durch<br />

Case Management (Frauen mit Kindern, von Armut bedrohte<br />

Frauen etc.)


Vorteile geschlechtssensibler<br />

Spezialisierung<br />

• Verbesserung der Erreichbarkeit<br />

• Die Auseinandersetzung mit dem sozialen Geschlecht und den<br />

damit verbundenen gesellschaftlichen Erwartungen hat zur<br />

Differenzierung des Menschenbildes und davon abgeleiteten<br />

Konzepten, Methoden und Praxen beigetragen<br />

• Eine frauenspezifische Ausrichtung der Angebote bietet<br />

Frauen die Chance, angemessene und effektive Angebote<br />

vorzufinden<br />

• Geschlechtersensible Ansätze versprechen Wissenszuwachs<br />

für alle Beteiligten der neue Impulse für Forschung und Praxis<br />

setzt


fdr<br />

Fachtag Gender Mainstreaming<br />

Männerspezifische Suchtarbeit -<br />

Was braucht es dafür?<br />

Ideen aus frauenspezifischer Sicht<br />

Andrea <strong>Viktoria</strong> <strong>Kerschl</strong><br />

SPI Forschung gGmbH, Berlin<br />

09.05.2005


Männer-Suchtarbeit - Was braucht es dafür?<br />

- Männer prägen als Mehrheit der Klientel die Einstellung der<br />

Behandelnden und jener die die Behandlung in Anspruch nehmen,<br />

d.h. dass am Anfang der Etablierung männerspezifischer Ansätze<br />

die Reflexion der Mitarbeiter (und Mitarbeiterinnen) der Suchthilfe<br />

über die gesellschaftliche Verortung von Männerbildern,<br />

Männerrollen und Rollenklischees stehen muss<br />

- Kritische Reflexion des maskulinen Selbstkonzeptes, typisch<br />

männlicher Attributionen von Leistung, Stärke, Überlegenheit und<br />

Unabhängigkeit und deren Auswirkungen auf Risikobereitschaft<br />

und gesundheitsschädliches Verhalten<br />

- Die Überwindung der engen und stereotypen Geschlechtsrolle<br />

scheint ein wichtiger Schritt zu sein: Männer, die ihre Sucht<br />

erfolgreich überwunden haben zeigen sowohl klass. männliche als<br />

auch weibliche Eigenschaften


Männer-Suchtarbeit - Was braucht es dafür?<br />

Die Männer-Suchthilfe muss unter geschlechtsspezifischen<br />

Gesichtspunkten den Männern neue Erfahrungen mit Männlichkeit<br />

ermöglichen und zur Entwicklung männlicher Identität, die von<br />

Rollenklischees abweicht, beitragen. Dabei handelt es sich um Aspekte<br />

wie<br />

* die Beziehung und Einstellung zu Frauen, Bindungsängste<br />

* unbewusst gelebte Geschlechtsrollenstereotype<br />

* Erfahrungen mit dem Verlust von Selbstbeherrschung und<br />

Aggression, den Folgen von Gewalttätigkeit und Kriminalität und<br />

deren Auswirkungen auf das Selbstbild<br />

* Emotionalität und Sexualität<br />

* Beziehungen zu anderen Männern, zu Frauen und Kindern und<br />

Position in der Familie<br />

* tabuisierte Opfer- und Tätererfahrungen, Traumatisierungen<br />

* den Umgang mit verdrängten Gefühlen von Macht und Ohnmacht,<br />

Versagensängsten und Konkurrenzkämpfen, Angst, Scham, Trauer,<br />

Isolation und Einsamkeit<br />

* Ablehnung typisch weiblicher Verhaltensweisen

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!