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Erster Periodischer Sicherheitsbericht Teil 3 (PDF, 2 MB

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388 Täter-Opfer-Ausgleich PSB<br />

ten aller Art vor, in meist besonders dramatischer Form bei der (versuchten) Tötung des Intimpartners<br />

oder ganz allgemein bei wiederholter Gewalt in Partnerschaften, Ehen und Familien. Insbesondere bei den<br />

zuletzt genannten Taten spricht man kriminologisch von Beziehungsdelikten.<br />

In solchen Konstellationen können ähnlich wie bei den Taten unter Fremden die Probleme erst mit der Tat<br />

entstehen. Oft aber gibt es bereits vorangehende sich wiederholende Probleme oder sogar chronische Zerwürfnisse<br />

zwischen den Beteiligten. Hier kann die Straftat den (vorläufigen) Höhepunkt bilden, etwa in<br />

Form eines in der konkreten Situation doch für das endliche Opfer unvermuteten Ausbruchs der Gewalt<br />

oder in Form der Eskalation einer zunächst wie üblich nur verbal begonnenen Auseinandersetzung. Es<br />

gibt keine allgemein aussagekräftigen Zahlen darüber, wie hoch der Anteil der Beziehungsdelikte an der<br />

Gesamtkriminalität in Deutschland ist. In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) wird die so genannte<br />

Opfer-Tatverdächtigen-Beziehung lediglich für ausgewählte Delikte und Deliktsbereiche ausgewiesen.<br />

Unter diesen rund 700.000 Fällen ergab sich folgende Verteilung: Verwandtschaft rund 10 %; Bekanntschaft<br />

rund 25 %; landsmannschaftliche Verbindung (bei Nichtdeutschen) 1,4 %; flüchtige Vorbeziehung<br />

rund 11 %, keine Vorbeziehung gut 39 % (ungeklärt blieben gut 13 %). 1188<br />

In allen Fällen persönlicher Viktimisierung tritt durch die Ereignisse eine psychologisch und gegebenenfalls<br />

auch sozialpsychologisch belangvolle „Verbindung“ ein. 1189 Sie wird real (in ihren Auswirkungen),<br />

wenn Opfer und Täter beispielsweise in der Alltagswelt einander nicht ausweichen können oder wenn das<br />

Opfer in einem Strafverfahren mit dem Angeklagten konfrontiert wird, besonders in der Rolle des Opferzeugen.<br />

1190 In solchen Fällen macht die in der Fachwelt gebräuchliche Rede davon, dass zwischen den<br />

Beteiligten ein Konflikt bestehe, auch bei einer im übrigen distanzierteren Betrachtung oder Bewertung<br />

von TOA-Bestrebungen einen sowohl objektiven als auch subjektiv nachvollziehbaren Sinn.<br />

In der persönlichen Begegnung zwischen Opfer und Täter, und gegebenenfalls zudem von Personen, die<br />

ihnen nahe stehen oder ihnen zumindest in der akuten Lage beistehen wollen, sowie in der dann folgenden<br />

Auseinandersetzung über diesen Konflikt, ist das Kernstück des TOA zu sehen. Auseinandersetzung<br />

meint unter anderem Information, Aussprache, Entschuldigung und Bemühen um Wiedergutmachung der<br />

Straftatfolgen. Das Gespräch wirft oftmals ein neues Licht auf die Rollen von Opfer und Täter und kann<br />

dadurch nachhaltig zur Verarbeitung der entstandenen Probleme beitragen. 1191 Für das Konzept der Schadenswiedergutmachung,<br />

des Ausgleichs und im günstigsten Fall der Versöhnung gibt es weit in die<br />

Geschichte zurückreichende Vorbilder, und ursprünglich lebende Völkergruppen haben entsprechende<br />

Traditionen bis in die jüngere Zeit lebendig erhalten. 1192 Kontinentaleuropäische Traditionen wurden mit<br />

dem Aufkommen des modernen Strafrechts allmählich in den Hintergrund gedrängt und gerieten danach<br />

so gut wie ganz in Vergessenheit, eine Entwicklung, die erst seit wenigen Jahren genauer analysiert<br />

wird. 1193<br />

1188 Vgl. Bundeskriminalamt, Polizeiliche Kriminalstatistik 1999, S. 57 ff. und Tabelle 92 im Anhang zu Einzelheiten beziehungsweise<br />

Einzeldelikten.<br />

1189 Für das Opfer ist das auch belangvoll, wenn es den Täter nicht (mehr) trifft. Opferentschädigung und Opferhilfe haben hier<br />

wichtige Funktionen. Zum Opferentschädigungsgesetz siehe Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hg.), 1999.<br />

Zur Opferhilfe und ihren Organisationen, wie Weißer Ring und AdO, siehe das Handbuch von HAUPT, H. und U. WEBER,<br />

1999. Zur Lage in Österreich vgl. PILGRAM, A., 1998 und die Berichte des Vereins für Bewährungshilfe und Soziale<br />

Arbeit (http://www.vbsa.at).<br />

1190 In dieser Hinsicht kommt der Gedanke des Opferschutzes zentral zum Tragen; zu einem Überblick über die gesamte<br />

Rechts- und Pflichtenlage siehe KERNER, H. J., 1999. Eine an Dynamik gewinnende Opferschutzbewegung wird bislang<br />

insbesondere vom Europarat in Straßburg vorangetrieben; vgl. zu einer Evaluation der Europaratsempfehlungen BRIE-<br />

NEN, M. und E. HOEGEN, 2000.<br />

1191 Auch zur Verringerung der Gefahr, dass u. a. im Gefolge von Straftaten psychische und soziale Prozesse eintreten, die aus<br />

Opfern spätere Täter werden lässt und Täter später in Opferlagen bringt. Solche „Statuswechsel“ sind gerade bei jungen<br />

Menschen nicht selten; vgl. dazu unten den Schwerpunktbeitrag Jugendkriminalität und ausführliche weitere Informationen<br />

bei Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen (Hg.), 1999.<br />

1192 Vgl. zuletzt den Bericht von MATT, E., 2000, S. 370 ff. über die 4. Internationale Konferenz über Restorative Justice in<br />

Tübingen im Oktober 2000.<br />

1193 Vgl. WILLOWEIT, D. (Hg.), 1999, besonders die Einführung in den Sammelband.

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