Erster Periodischer Sicherheitsbericht Teil 3 (PDF, 2 MB
Erster Periodischer Sicherheitsbericht Teil 3 (PDF, 2 MB
Erster Periodischer Sicherheitsbericht Teil 3 (PDF, 2 MB
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
364 Gerichtliches Verfahren PSB<br />
jahr verlängert hat 1133 und dass es mit den vielfältigeren und differenzierteren Mitteln des Jugendstrafrechts<br />
eher als mit jenen des Erwachsenenrechts möglich ist, auf die besonderen Lebenslagen und Probleme<br />
junger und heranwachsender Menschen einzugehen und damit sowohl eher eine Straftatwiederholung<br />
zu vermeiden als auch Opferbelange zu berücksichtigen. Die Anwendung des wenig flexiblen<br />
Erwachsenenstrafrechts erhöht, so wird befürchtet, die Gefahr negativer Folgen für die Sozialisation und<br />
schmälert die Möglichkeiten, auf die Bedürfnisse des Opfers einzugehen. Von weiten <strong>Teil</strong>en der Wissenschaft<br />
und der Jugendkriminalrechtspflege wird deshalb gefordert, „Heranwachsende nicht vermehrt nach<br />
Erwachsenenrecht abzuurteilen, sondern vielmehr ... generell in das JGG einzubeziehen“ 1134 , zumindest<br />
aber das Heranwachsendenstrafrecht in seinem heutigen Zuschnitt zu erhalten. 1135<br />
Schaubild 3.3-2:<br />
Die strafrechtliche Behandlung der Heranwachsenden nach Hauptdeliktsgruppen 1998, Anteile der<br />
nach Jugend- und allgemeinem Strafrecht verurteilten Heranwachsenden, alte Länder einschließlich<br />
Gesamtberlin<br />
100% Heranwach-<br />
97<br />
sendever- 80%<br />
83<br />
88<br />
80<br />
urteilt nach<br />
Allgemeinem<br />
60% 66<br />
74<br />
71<br />
53<br />
65<br />
63<br />
60<br />
67<br />
Strafrecht<br />
Jugendstrafrecht<br />
40%<br />
20%<br />
0%<br />
I.: öffentl. Ordnung<br />
II.: sex. Selbstbestimmung<br />
III.: gg die Person<br />
16 gegen das Leben (o. V.)<br />
17 KV (ohne Straßenverk.)<br />
IV.: Diebstahl, Unterschlagg.<br />
V.: Raub, Erpressung<br />
VI.: andere Vermögensdelikte<br />
VII.: Gemeingef., Umwelt<br />
VIII.: Im Straßenverkehr<br />
IX.: (andere)<br />
Datenquelle: Strafverfolgungsstatistik.<br />
Straftaten insgesamt<br />
Insg. ohne Verkehr<br />
Bis 1988 stieg der Anteil der nach Jugendstrafrecht verurteilten Heranwachsenden fast kontinuierlich;<br />
seitdem ist er leicht zurückgegangen. 1136 Dies beruht indes auf einer zunehmend zurückhaltenderen<br />
Anwendung des Jugendstrafrechts auf die nichtdeutschen Heranwachsenden. Die Rate der nach Jugendstrafrecht<br />
verurteilten deutschen Heranwachsenden blieb dagegen seit Anfang der achtziger Jahre auf<br />
hohem Niveau – mehr als 60 % – bei nur geringen Schwankungen im Wesentlichen konstant. Die Jugend-<br />
1133 Durch die Verlängerung schulischer und beruflicher Ausbildung hat sich das Ende der Berufsausbildung zunehmend in das<br />
dritte Lebensjahrzehnt verschoben. „Wichtige Ereignisse beim Übergang von der Jugendlichen- zur Erwachsenenrolle, wie<br />
Eintritt in das Berufsleben oder Gründung einer Familie, hängen vom individuellen Lebenslauf ab und fallen heute meist<br />
in das dritte Lebensjahrzehnt“ (STATISTISCHES BUNDESAMT, 2000, S. 9). Dies hat Folgewirkungen sowohl für die<br />
moralischen Reifeprozesse wie für die Identitätsentwicklung; weniger als früher kann deshalb von einer bestimmten Altersschwelle<br />
ausgegangen werden.<br />
1134 DVJJ (Hg.) 1999, Forum II, These 14, S. 776, die damit eine alte Forderung der DVJJ aufgreifen.<br />
1135 Vgl. u. a. die Resolution des 1. Bundestreffens der Jugendrichter/innen und Jugendstaatsanwälte/innen von 1993: „Mit<br />
Nachdruck wenden die <strong>Teil</strong>nehmer/innen des Bundestreffens sich ferner gegen die Forderung, 18- bis 20-jährige Täter in<br />
der Regel nach Erwachsenenstrafrecht zu behandeln. Dem stehen längst bekannte Befunde entgegen, dass Täter dieser<br />
Altersgruppe sich häufig noch in ihrer Persönlichkeitsentwicklung befinden und gerade bei ihnen ein besonderer Bedarf<br />
an individueller Reaktion besteht.“ (DVJJ-Journal 1993, S. 321). Vgl. ferner die Erklärung zur „Gegenreform im Jugendstrafrecht“<br />
von 52 Jugendstrafrechtsprofessoren und Kriminologen vom August 1998 (DVJJ-Journal 1998, S. 203 ff.), die<br />
sich dafür aussprachen, „sowohl die Strafmündigkeitsgrenze von 14 Jahren beizubehalten als auch die Regelungen des Heranwachsendenstrafrechts<br />
in ihrem heutigen Zuschnitt zu erhalten.“<br />
1136 Vgl. HEINZ, W., 2000a, Schaubild 23.<br />
40<br />
KIS:SXVB1.99.1 301.13’