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Erster Periodischer Sicherheitsbericht Teil 3 (PDF, 2 MB

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352 Staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren PSB<br />

StPO). Der Anteil der Anträge auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren an allen Ermittlungsverfahren,<br />

die erledigt worden sind durch Strafbefehl, durch Anklage i. w. S. (nach allgemeinem Strafrecht)<br />

oder durch Anträge, im beschleunigten Verfahren zu entscheiden, betrug im Durchschnitt – alte Länder<br />

ohne Berlin, Hessen und Schleswig-Holstein – in den achtziger Jahren um die 4 %, in der ersten Hälfte<br />

der neunziger Jahre ging er auf unter 2 % zurück. 1092 Die vom Gesetzgeber in jüngster Zeit beabsichtigte<br />

Optimierung des beschleunigten Verfahrens konnte den insoweit bestehenden rückläufigen Trend aufhalten.<br />

Der Anteil des beschleunigten Verfahrens ist inzwischen wieder auf 4 % angestiegen. Der gleichzeitige<br />

Rückgang der Anteile des Strafbefehlsverfahrens deutet jedoch darauf hin, dass der Bedeutungsgewinn<br />

des beschleunigten Verfahrens – erwartungswidrig und entgegen den Intentionen des Gesetzgebers<br />

– möglicherweise auch zulasten des Strafbefehlsverfahrens und nicht nur zulasten der Anklage ging.<br />

3.2.2.3.2 Vermehrte Nutzung von Opportunitätseinstellungen und Strafbefehlsverfahren<br />

als verfahrensökonomische Instrumente<br />

Opportunitätsvorschriften<br />

Die aus der Sicht der Öffentlichkeit, der Medien und der Politik bedrohlich „steigende Kriminalität“<br />

wurde – jedenfalls in ihrer Masse – von den Staatsanwaltschaften nicht in Form von Anklagen oder Strafbefehlsanträgen<br />

an die Gerichte zur Aburteilung weitergegeben, sondern wurde nahezu vollständig aufgefangen<br />

durch Opportunitätseinstellungen (vgl. Schaubild 3.2-1), darunter zu inzwischen rund drei Vierteln<br />

durch die Einstellung ohne Auflagen (1998: 78 %).<br />

Dass vor allem die Einstellungen ohne Auflagen dominieren, gilt auch dann, wenn innerhalb der Opportunitätseinstellungen<br />

ohne Auflagen noch weiter differenziert wird nach solchen Einstellungen, die insgesamt<br />

mit einem Sanktionsverzicht 1093 verbunden sind, und den sonstigen Einstellungen ohne Auflagen,<br />

in denen zum Beispiel deshalb eingestellt wird, weil in einem anderen Verfahren eine schwerere Sanktion<br />

zu erwarten ist („sonstige“ Einstellungen ohne Auflagen). 1094 Auch dann, wenn diese „sonstigen“ Einstellungen<br />

ausgeklammert werden, zeigt sich, dass unter den verbleibenden Einstellungen mit beziehungsweise<br />

ohne Auflagen 1095 die Einstellungen ohne Auflagen dominieren. Ihr Anteil ist zunehmend gestiegen,<br />

entsprechend ging der Anteil der Einstellungen unter Auflagen – bezogen auf die „bereinigten Einstellungen“<br />

– deutlich zurück. In den alten Ländern – ohne Berlin, Hessen und Schleswig-Holstein – entfielen<br />

1981 53 % auf Einstellungen unter Auflagen, 1998 lediglich noch 30 % (vgl. Schaubild 3.2-1).<br />

Diese Zunahme vor allem der Einstellungen ohne Auflagen kann mehrere Gründe haben. Sie kann Folge<br />

davon sein, dass vor allem geringfügige Straftaten zugenommen haben. Sie kann aber auch darauf beruhen,<br />

dass sich die Schwereeinschätzung der Staatsanwaltschaft geändert hat. Sie kann schließlich auch<br />

Ausdruck der wachsenden Einsicht sein, dass spezialpräventiv häufig bereits der Umstand genügt, dass<br />

gegen den Täter wegen einer Straftat ermittelt wird, eine Bestrafung indes nicht erforderlich ist. Ob einer<br />

1092 Das beschleunigte Verfahren (§§ 212 ff. StPO a. F., §§ 417 ff. StPO) ist nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei Heranwachsenden<br />

zulässig. Die notwendige Bezugsgröße – Summe aus Anträgen auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren<br />

und aus Anklagen gegen Erwachsene oder Heranwachsende – ist anhand der StA-Statistik nicht ermittelbar, weil die<br />

Zahl der Anklagen gegen Erwachsene oder Heranwachsende unbekannt ist. Als Näherungsgröße hierfür kann lediglich die<br />

Zahl der Anklagen vor dem Schöffengericht (ohne Jugendschöffengericht), vor dem Strafrichter (ohne Jugendrichter), vor<br />

dem Schwurgericht und vor der Großen Strafkammer (ohne Jugendkammer) verwendet werden (Anklagen vor den allgemeinen<br />

Gerichten). Diese Bezugsgröße ist etwas zu klein, weil die Heranwachsenden, bei denen allgemeines Strafrecht<br />

angewendet wird, nicht berücksichtigt werden können. Folglich ist der Anteil des beschleunigten Verfahrens etwas überschätzt.<br />

Der Schätzfehler dürfte sich jedoch in engen Grenzen halten.<br />

1093 §§ 153 Abs. 1, 153b Abs. 1 StPO, §§ 29 Abs. 5 BtMG i. V. m. § 153b StPO, § 45 Abs. 1 und 2 JGG, § 31a Abs. 1 BtMG.<br />

1094 Als solche „sonstigen“ Einstellungen ohne Auflagen, die regelmäßig nicht mit einem Sanktionsverzicht verbunden sind,<br />

können zum Beispiel Einstellungen gelten, die wegen Klärung einer zivil- oder verwaltungsrechtlichen Vorfrage erfolgen,<br />

durch die jedoch eine spätere Verfahrenserledigung durch Anklage/Strafbefehl nicht ausgeschlossen ist. Ferner können zu<br />

dieser Gruppe Einstellungen gerechnet werden, bei denen von der weiteren Verfolgung deshalb abgesehen wird, weil die<br />

im jetzigen Verfahren zu erwartende Strafe neben einer bereits verhängten oder wegen einer in einem anderen Verfahren zu<br />

erwartenden Strafe nicht beträchtlich ins Gewicht fällt, wo also die aus Sicht der Staatsanwaltschaft ausreichende und erforderliche<br />

Sanktion in einem anderen Verfahren verhängt wird oder worden ist. Für die statistische Analyse wurden hierzu<br />

Entscheidungen gem. §§ 153c, 154 Abs. 1, 154b Abs. 1-3, 154c, 154d und e StPO gezählt.<br />

1095 §§ 153 Abs. 1, 153a Abs. 1, 153b Abs. 1 StPO, § 29 Abs. 5 BtMG i. V. m. § 153b StPO, §§ 31a, 37, 38 Abs. 2 BtMG, § 45 JGG.

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