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Kleinbetriebsregelung -;

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MANAGEMENT<br />

<strong>Kleinbetriebsregelung</strong> –<br />

Rechtssicherheit für Biorinderbetriebe mit Anbindehaltung<br />

Das Selbstverständnis der Bio-Landwirtschaft und der Wille der österreichischen<br />

Bio-Bäuerinnen und Bio-Bauern ihre Nutztiere tiergerecht zu halten, stellt in<br />

Verbindung mit den gesetzlichen Standards die beste Voraussetzung für eine rasche<br />

Weiterentwicklung der Tiergerechtheit und damit für eine zukunftssichere<br />

Bio-Rinderhaltung dar.<br />

70 Prozent der österreichischen Bio-<br />

Rinder stehen bereits heute in Laufställen<br />

mit freier Bewegungsmöglichkeit<br />

im Stall und ganzjährigen Auslauf ins<br />

Freie. Das in Österreich traditionelle<br />

zeitweilige Anbinden (in Verbindung<br />

mit Weide und/oder Auslauf) der Rinder<br />

ist in der österreichischen Bio-Landwirtschaft<br />

stark rückläufig, findet sich<br />

heute noch v. a. in benachteiligten Berggebieten,<br />

sowie in kleinen Betrieben.<br />

Gesetzliche Grundlagen<br />

Rinder sind gemäß EU-VO 2092/91<br />

ab 2011 grundsätzlich in Laufställen zu<br />

halten. Als eine Ausnahmeregelung basierend<br />

auf Verfahrenstechnik und Management<br />

ist zeitweiliges Anbinden<br />

Von Peter LIEBENTRITT, Bio Austria Niederösterreich und Wien<br />

f<br />

Frau Grill bei der Stallarbeit<br />

mit ihren Enkeln<br />

Bernhard und Hanna.<br />

ƒ<br />

Ein heller Anbindestall;<br />

Bernhard und Hannah<br />

bei der Stallarbeit<br />

auch darüber hinaus gestattet, sofern<br />

alle Tiere mindestens zweimal in der<br />

Woche Zugang zu Freigelände-, Auslauf-<br />

oder Weideflächen haben. Es ist<br />

zusätzlich Vorschrift, allen Säugetieren<br />

Weide- oder Freigeländezugang zu gewähren,<br />

immer wenn dies der physiologische<br />

Zustand der Tiere, die klimatischen<br />

Bedingungen sowie der Bodenzustand<br />

es erlauben. Die Liegefläche<br />

muss eingestreut, trocken, sauber und<br />

von ausreichender Größe sein. Maximal<br />

die Hälfte der Bodenfläche darf aus<br />

Lochbodenelementen bestehen.<br />

<strong>Kleinbetriebsregelung</strong><br />

In Österreich wurde als Voraussetzung<br />

für die Ausnahme von der Lauf-<br />

stallverpflichtung im Sinne der EU-VO<br />

2092/91 eine Obergrenze von 35 Rindergroßvieheinheiten<br />

(GVE) festgelegt.<br />

Es handelt sich um eine Ausnahmeregelung<br />

basierend auf Verfahrenstechnik<br />

und Management, um den Anforderungen<br />

der Verordnung nach den verhaltensbedingten<br />

Bedürfnissen einer tiergerechten<br />

Gruppenbildung zu entsprechen.<br />

Der Regelung zugrunde liegt ein<br />

klassischer Betrieb mit Milchviehund/oder<br />

Mutterkühen sowie Nachzucht<br />

bzw. Nachkommen. D. h. die angegebene<br />

Rinder-GVE-Zahl gilt nicht für<br />

die ausschließliche Haltung von Tieren<br />

einer Tierkategorie, wie z. B. von Milchkühen<br />

oder männlichen Masttieren.<br />

Auch der Satz, „bei Neu- oder Umbauten<br />

muss ein Laufstall errichtet werden“,<br />

wird in der Verordnung gestrichen.<br />

Um die tiergerechte Bio-Rinderhaltung<br />

weiter zu entwickeln, wurde<br />

gleichzeitig die mindestens zu erreichendeTiergerechtheitsindex-Punktezahl<br />

(TGI) von 21 auf 24 TGI-Punkte<br />

hinaufgesetzt.<br />

GVE-Berechnung nach ÖPUL<br />

Die Berechnung des Rinder-GVE-Wertes<br />

erfolgt nach dem ÖPUL-Schlüssel (ÖPUL<br />

2007):<br />

Altersgruppe Rinder GVE-Wert<br />

Kälber, Jungrinder<br />

bis 6 Monate 0,4 GVE<br />

Jungvieh 6 Monate bis 1 Jahr 0,6 GVE<br />

Jungvieh 1 Jahr bis 2 Jahre 0,6 GVE<br />

Kalbinnen ab 2 Jahre 1 GVE<br />

Stiere, Ochsen ab 2 Jahre 1 GVE<br />

Kühe ab 2 Jahre 1 GVE<br />

Der Tiergerechtheitsindex<br />

für Rinder (TGI)<br />

Der Tiergerechtheitsindex für Rinder<br />

(TGI) ist ein ganzheitliches, integriertes<br />

und praxisorientiertes Bewertungsverfahren,<br />

das in Österreich seit 1995<br />

offiziell als Beurteilungsschema für Rin-<br />

6 DER FORTSCHRITTLICHE LANDWIRT www.landwirt.com Heft 13 / 2008


Ï<br />

Der Anbindestall beim<br />

Eintreiben der Rinder.<br />

Herbert und Anna – Betriebsführer,<br />

Nachfolger<br />

Manfred und Birgit stehen<br />

bereit sowie die Kinder<br />

Christof und Daniela.<br />

F<br />

derhaltungssysteme eingeführt ist. Beim<br />

TGI werden in den für Wohlbefinden<br />

und Gesundheit der Tiere wichtigsten<br />

fünf Einflussbereichen – Bewegungsmöglichkeit,<br />

Sozialkontakt, Bodenbeschaffenheit,<br />

Licht und Luft sowie Betreuungsintensität<br />

– jeweils Punkte vergeben<br />

und zu einem Index zusammengefasst.<br />

Je höher die Punktezahl, umso<br />

tiergerechter ist das Haltungssystem.<br />

Voraussetzung für die vorbehaltlose<br />

TGI-Bewertung ist die Einhaltung der<br />

im Bundestierschutzgesetz vorgegebenen<br />

Mindestnormen. Laufställe haben<br />

in der TGI-Beurteilung einen systembedingten<br />

Vorteil, Anbindesysteme<br />

müssen den Nachteil der Einschränkung<br />

eines Großteils der Verhaltensweisen<br />

durch deutlich mehr Auslauf,<br />

Weide und intensivere Herdenbetreuung<br />

kompensierten. Aus Sicht des Tieres<br />

ist nicht das Stallsystem an sich entscheidend,<br />

sondern die Summe aller<br />

Haltungsfaktoren. Der TGI stellt die<br />

Tiergerechtheit sehr anschaulich, praktikabel<br />

und wissenschaftlich abgesichert<br />

dar.<br />

Aktuelle Auswertungen der TGI-Erhebungsdaten<br />

der Bio-Kontrollstellen<br />

zeigen bei Betrieben mit zeitweiliger<br />

Anbindung derzeit überwiegend TGI-<br />

Zahlen zwischen 21,5 und 24,0. Alle<br />

diese Betriebe sind durch die nun erfolgte<br />

Anhebung der TGI-Mindestpunktezahl<br />

von 21,0 auf 24,0 gefordert, über<br />

ein weiter verbessertes Management<br />

(v. a. zB 50–90 Mehrauslauftage/Jahr,<br />

mehr Sauberkeit im Stall durch verbes-<br />

serte Einstreu und intensivere Tierbetreuung)<br />

die aktuelle Tiergerechtheit<br />

zusätzlich durch aktive Maßnahmen zu<br />

verbessern. Die neue TGI-Mindestpunktezahl<br />

führt in jeden Fall zu einer Verbesserung<br />

der Tiergerechtheit für das<br />

Einzeltier wie auch für die Gesamtheit<br />

MANAGEMENT<br />

der österreichischen Bio-Rinderhaltung.<br />

„BIO AUSTRIA konnte mit<br />

dem vorliegenden Erlass einen<br />

praktikablen Kompromiss erreichen“,<br />

so DI Karl Erlach, Obmann<br />

BIO ASTRIA NÖ und<br />

Wien, der für BIO AUSTRIA<br />

den Kompromiss mit der zuständigen<br />

Behörde, den Ministerien<br />

und den Sozialpartnern<br />

verhandelt hat. „Der Großteil<br />

der betroffenen Betriebe wird<br />

die Vorschriften einhalten können<br />

und nicht aus wirtschaftlichen<br />

Gründen aus Bio aussteigen<br />

müssen“, so Erlach. Sowie<br />

auch Rudi Vierbauch BIO AUSTRIA<br />

Obmann begrüßt den Erlass: „Mit den<br />

definierten 35-Rinder-GVE als Ausnahmegröße<br />

für die Anbindehaltung konnte<br />

für die österreichischen Bio-Rinderhalter<br />

ein praktikables Ergebnis erzielt<br />

werden.“ ■<br />

Betriebe, welche von der <strong>Kleinbetriebsregelung</strong> profitieren<br />

Familie Gruber<br />

Unternberg 44, Kirchberg a. Wechsel<br />

seit 1995 Biobetrieb, Seehöhe 840 m<br />

Betriebsspiegel:<br />

7 ha Grünland<br />

2 ha Ackerland<br />

40 ha Wald<br />

Urlaub am Bauernhof mit 9 Betten<br />

8 Kühe + weibl. Nachzucht<br />

24 TGI Punkte (Bei neuer Aufstallung<br />

eventuell mehr möglich)<br />

30.000 A-Quote und 4.600 D-Quote<br />

Stierkälber werden mit einem Alter von<br />

zwei Monaten verkauft.<br />

Über 200 Tage Weide pro Jahr<br />

Diese Lösung wurde von Fam. Gruber<br />

schon lange ersehnt, der Biokontrollor<br />

sowie die Bioberater wurden bei jedem<br />

Betriebsbesuch immer wieder nach einer<br />

rechtlichen Sicherheit in der Anbindehaltung<br />

ihrer Rinder gefragt. Der Hof liegt<br />

mitten im Ortsgebiet und ist von drei Seiten<br />

beengt, dadurch wird ein Umbau auf<br />

Laufstall mit Laufhof zusätzlich erschwert.<br />

Bei Urlaub am Bauernhof sind Tiere wie<br />

Rinder unbedingt notwendig, der Rinderbestand<br />

soll aber auch in Zukunft nicht aufgestockt<br />

werden.<br />

Umbaupläne wurden verworfen da diese<br />

bautechnisch sehr schwierig und finanziell<br />

nicht vertretbar sind.<br />

Familie Gruber ist mit ihrem derzeitigen<br />

Betriebskonzept erfolgreich und zufrieden,<br />

sie sind erleichtert das die Landwirtschaft<br />

biologisch weitergeführt werden kann und<br />

ein Ausstieg aus dieser Maßnahme nicht<br />

mehr schlagend wird.<br />

Familie Grill<br />

Gleichenbach 11, Hollenthon i.d.<br />

Buckligen Welt, seit 1993 Biobetrieb<br />

Betriebsspiegel:<br />

Fläche: 26 ha<br />

Acker: 11 ha<br />

Grünland: 15 ha<br />

Eigenfläche: 16 ha<br />

Pachtfläche: 10 ha<br />

Wald: 20 ha<br />

16 Milchkühe + weibl. Nachzucht<br />

über 24 TGI Punkte<br />

86.000 A-Quote<br />

Stierkälber werden verkauft.<br />

Auslauf und Weidebetrieb mit weit<br />

über 200 Tagen pro Jahr<br />

Betriebsführer ist Josef Grill (26<br />

Jahre), er führt die Landwirtschaft<br />

mit seiner Mutter im Nebenerwerb.<br />

Hauptberuflich arbeitet er als Rettungssanitäter<br />

beim Roten Kreuz.<br />

Der Betrieb ist zurzeit in einer<br />

schwierigen Situation, da im September<br />

2007 der Vater und Gatte<br />

Franz Grill unerwartet verstorben<br />

ist.<br />

Familie Grill ist sehr dankbar über<br />

diese Regelung, da sie das momentane<br />

Betriebskonzept<br />

für die nächsten Jahre aufrechterhalten<br />

kann. Ein Umbau und eine<br />

Neuausrichtung ist<br />

natürlich längerfristig geplant, aber<br />

zurzeit ist man froh, dass man Biobetrieb<br />

und Biomilchlieferant bleiben<br />

kann.<br />

Heft 13 / 2008 DER FORTSCHRITTLICHE LANDWIRT www.landwirt.com 7

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