-16- Ste<strong>in</strong>zeit - Die Forschungsbereiche von Axel Wagner Rund 30 Wissenschaftler nutzen das „liv<strong>in</strong>g science“-Projekt zur Ste<strong>in</strong>zeit, um mit <strong>in</strong>sgesamt zehn Forschungs- vorhaben gezielt ihre Fragen aus <strong>Archäologie</strong>, Anthropologie, Mediz<strong>in</strong>, Psychologie etc. zu beantworten. Zahnmediz<strong>in</strong>er und Anthropologen <strong>der</strong> Universität Freiburg untersuchen etwa an <strong>der</strong> „Ste<strong>in</strong>zeit“-Sippe, was passiert, wenn wir uns acht Wochen nicht die Zähne putzen. Die Ergebnisse werden anschließend an Gebissbefunden aus <strong>der</strong> Jungste<strong>in</strong>zeit diskutiert. Speichelproben und Zahnstatusbefunde, die vor, während und nach <strong>der</strong> achtwöchigen Projektzeit erhoben werden, sollen die Verän<strong>der</strong>ungen im Mund wissenschaftlich be- schreiben. Von beson<strong>der</strong>em Interesse ist für die Forscher die Entwicklung <strong>der</strong> bakteriellen Zusammensetzung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mundhöhle, die auf mangelnde Hygiene zurückzuführen se<strong>in</strong> wird. Vor 5.000 Jahren wusste man sich durch Weidenruten und ihre des<strong>in</strong>fizierenden Säfte als Mittel <strong>der</strong> Zahnpflege zu helfen. Außerdem gab es ke<strong>in</strong>en Industriezucker. Wie aber reagiert das Gebiss e<strong>in</strong>es Menschen von heute auf die Zeit ohne Zahnbürste? In e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Forschungsvorhaben untersuchen Biologen <strong>der</strong> Universität Regensburg die Wirksamkeit <strong>der</strong> beiden „klassischen“ Mückenschutzmittel, die noch heute von Naturvölkern e<strong>in</strong>gesetzt werden: Rauch und Erde. Archäologen unterstellen die Ver- wendung dieser Mittel auch für die Epoche <strong>der</strong> Jungste<strong>in</strong>zeit. Für diesen Test werden Probanden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em def<strong>in</strong>ierten Zeitraum mit e<strong>in</strong>er def<strong>in</strong>ierten Anzahl von Mücken kon- frontiert. Die Anzahl <strong>der</strong> Stiche und <strong>der</strong> erfolgreich abgewehrten Tiere soll Aufschluss darüber geben, wie wirksam diese Mittel s<strong>in</strong>d bzw. waren. Die Wissenschaftler vermuten, dass das Ste<strong>in</strong>zeitleben die körperliche Fitness sowie das Schlafverhalten und den Biorhythmus verän<strong>der</strong>n. Sportmediz<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Unikl<strong>in</strong>ik Freiburg bestimmten mit Hilfe e<strong>in</strong>es <strong>Hightech</strong>-Multi-Sensor-Armbandes den Energieumsatz unter Normal- und Ste<strong>in</strong>zeitbed<strong>in</strong>gungen. Durch die ergänzende Erfassung <strong>der</strong> Ernährungsge- wohnheiten und durch umfangreiche Messungen von Blutwerten, Körperkomposition und Leistungsfähigkeit vor und nach dem ,Aufenthalt <strong>in</strong> <strong>der</strong> „Ste<strong>in</strong>zeit“‘ lässt sich zeigen, ob und wie das Leben unter ste<strong>in</strong>zeitlichen Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong>nerhalb von acht Wochen auf lebensstilabhängige und für die Gesundheit maßgelbliche Faktoren E<strong>in</strong>fluss nimmt. Die gemessenen Daten werden u.a. von Sportmediz<strong>in</strong>ern und Schlafforschern <strong>der</strong> Uni- versitätskl<strong>in</strong>ik Freiburg ausgewertet. Auch die Ste<strong>in</strong>zeit-Kleidung stößt auf wissenschaftliches Interesse: Durch die Rekon- struktion <strong>der</strong> vermutlich als Umhang genutzten Matte aus Grasgeflecht, die bei <strong>der</strong> Glet- schermumie „Ötzi“ gefunden wurde, und mithilfe <strong>der</strong> Nachbildung weiterer Kleidungs- stücke bis h<strong>in</strong> zu rekonstruierten Schuhen, soll <strong>der</strong> Tragekomfort dieser Bekleidung ge- messen werden. Die Abteilung Bekleidungsphysiologie <strong>der</strong> Hohenste<strong>in</strong>er Institute wird die Isolierung, Schweißtransparenz und weitere Parameter ermitteln, die <strong>in</strong> dieser Form erstmals die Tragequalität <strong>der</strong> rekonstruierten Kleidungsstücke wissenschaftlich be- schreiben. Am Ende werden wir wissen, wie bergtauglich „Ötzis“ Ausrüstung war, wie weit Grasmantel und Goretex heute ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong> liegen. Jedes <strong>der</strong> zehn Forschungsvorhaben ist e<strong>in</strong>em von drei Forschungsbereichen zugeordnet. Forschungsbereich 1 geht mit mediz<strong>in</strong>isch-naturwissenschaftlicher Ausrichtung <strong>der</strong> Frage nach: Was erfahren wir durch das Projekt „Ste<strong>in</strong>zeit“ über unser Leben heute? Die Kern- frage von Forschungsbereich 2, <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s auf archäologisch-anthropologische As- pekte abzielt, lautet: Was erfahren wir durch „Ste<strong>in</strong>zeit“ über unsere Vorfahren? Forschungs- bereich 3 schließlich widmet sich <strong>der</strong> geplanten Überquerung <strong>der</strong> Alpen durch zwei Mit- glie<strong>der</strong> <strong>der</strong> „Ste<strong>in</strong>zeit“-Sippe. Die Vorhaben aus diesem Forschungsbereich gestalten Sportmediz<strong>in</strong>er und Psychologen <strong>der</strong> Universität Freiburg geme<strong>in</strong>sam mit Archäologen und Anthropologen.
Schmutz D i e k a n n t e n d o c h n u r. . . und Dreck Ruetchenkaemme / Wolliger Schneeball, l<strong>in</strong>denbast ca. 2.900 v. Chr./ Rekonstruktion Fundort: Portalban, Westschweiz