Aktuelle Ausgabe komplett als PDF - Studi38
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Braunschweig | Wolfenbüttel<br />
Wolfsburg | Salzgitter | Suderburg<br />
<strong>Ausgabe</strong> 11<br />
Wintersemester 2012/2013<br />
Buckeln<br />
statt büffeln!<br />
NebeNjobs mit KörpereiNsatz<br />
Wir – augeNzeugeN!<br />
Innenansichten aus dem<br />
Studentenleben<br />
sex, Drugs & storytelliNg<br />
Über Sucht- und Erfolgsfaktoren<br />
US-amerikanischer Fernsehserien<br />
Das schNelle gelD!<br />
Von Rekrutierungsversuchen<br />
der Versicherungsbranche
Matthias Langpaap<br />
Teamleiter Software,<br />
Management Services SAP CRM<br />
Finanzen im Kopf. Benzin im Blut.<br />
Der Volkswagen Konzern baut das Auto. Damit es auf die Straße kommt, regeln wir die Finanzen. Mit mehr <strong>als</strong> 10.000 Mitarbeitern<br />
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Ein Satz zum<br />
Ausgleich, oder zwei…<br />
Ob Konto oder Stresspotenzial:<br />
Ausgleichen ist Trumpf.<br />
Davon berichten Studierende<br />
in unserer Titelgeschichte über<br />
Nebenjobs mit Körpereinsatz.<br />
Im Gegensatz zu den Dauerdenkern<br />
(die auch nach der Vorlesung noch<br />
das Hirn malträtieren, um Miete, Caramel-Frappuccino<br />
oder Bildung zu bezahlen) werfen sie lieber Fleisch und<br />
Blut in die ökonomische Waagschale. So gesehen... nicht<br />
das schnelle Geld, aber ein echtes Dreamteam. Wir sind<br />
(fast) ohne Worte, auch in 2013 ganz Ohr, wollen erkennen,<br />
formulieren, wahrnehmen und Klamottentausch.<br />
Also: „Wasser marsch!“ oder einfach „Schön’ Abend!“.<br />
Viel Spaß beim Lesen!<br />
Holger Isermann<br />
TU Braunschweig, Redaktionsleitung studi38<br />
12<br />
Campus<br />
So gesehen …<br />
Euer Leben durch die Augen einer Einwegkamera<br />
30<br />
Wissenschaft<br />
Sex, Drugs & Storytelling<br />
Dr. Annekatrin Bock über US-amerikanische Fernsehserien<br />
44<br />
Karriere<br />
Das schnelle Geld<br />
Von Rekrutierungsversuchen der Versicherungsbranche<br />
3<br />
Inhalt<br />
Campus<br />
4 Musik: Niemand kann alles hören!<br />
Er sagt - sie sagt<br />
5 (Fast) ohne Worte<br />
Julia Taut von der Torhaus-Galerie im Bildinterview<br />
6 Ganz Ohr für…<br />
John Vida – eine Band(fern-)beziehung<br />
8 Ich habe geslammt!<br />
Selbsterfahrung beim Poetry Slam – total objektiv<br />
10 „Schön’ Abend!“<br />
Eine Nacht in Mehmets Güldenkiosk<br />
12 So gesehen …<br />
Euer Leben durch die Augen einer Einwegkamera<br />
18 „Drücken Sie bitte die Zwei!“<br />
Tücken und Ärgernisse in der Warteschleife<br />
21 Erkennen, Formulieren, Wahrnehmen!<br />
Campus Historie: die 68er an der HBK<br />
22 Es lebe der Tauschhandel!<br />
Gegenseitige Hilfe ohne Geld: Ein Besuch beim Tauschring Braunschweig<br />
23 Auch eine gute Idee …<br />
Klamottentausch – die Erfrischungskur für den Kleiderschrank<br />
24 Klischeehobbys<br />
Ein Gamer und ein Tänzer über dunkle Zimmer und Körperpflege<br />
26 Wasser marsch!<br />
Vier Studenten der Ostfalia bauen einen Brunnen in Malawi<br />
28 „Ich möchte darüber reden“<br />
Die Holocaust-Überlebende Sara Atzmon und Regisseurin Ilona Rothin über ihren<br />
neuen Film, das Vergessen und den schwierigen Umgang mit Zeitzeugen<br />
Wissenschaft<br />
30 Sex, Drugs & Storytelling<br />
Dr. Annekatrin Bock über US-amerikanische Fernsehserien<br />
Maschinenbau Spezial<br />
32 „Ein echtes Dreamteam“<br />
Das Niedersächsische Forschungszentrum Fahrzeugtechnik bekommt ein 2. Zuhause<br />
35 Der NFF-Neubau – das sagen die Studierenden<br />
Karriere<br />
38 Entrepreneurial University<br />
Die Kolumne von Professor Reza Asghari<br />
40 Buckeln statt büffeln!<br />
Nebenjobs mit Körpereinsatz<br />
44 Das schnelle Geld<br />
Über den Versuch der Ergo Pro Studierende zu rekrutieren<br />
47 „Es herrscht ein großer Verkaufsdruck“<br />
Finanztest-Redakteur Theo Pischke über Strukturvertriebe und schwarze Schafe<br />
48 Erfolgreich mit APP<br />
Zwei Ostfalia-Studenten gründen eine eigene Softwarefirma<br />
Schlussakkord<br />
49 Lieblings ... Album? Film? Buch?<br />
50 Ich – Unvollständig<br />
Kolumne<br />
11 Impressum
Campus<br />
Musik: Niemand kann alles hören!<br />
Wenn man die Konflikte der Welt auf das wesentliche<br />
reduziert, gibt es nur zwei grundlegende<br />
Themen über die man in Streit geraten kann:<br />
Religion und Musik. Da wir ja alle wissen, dass man an alles<br />
glauben darf und diesbezüglich am liebsten aneinander<br />
herum toleriert, fragt man vor allem beim ersten Date<br />
nach den ersten Formalien ganz beiläufig und erwartungsschwanger:<br />
„Und? Was hörst du für Musik?“<br />
Der erste Teil antwortet: „Alles durcheinander“ oder,<br />
noch viel schlimmer: „Ach, was so im Radio kommt.“ Ich<br />
denke: „Super! Zum Teufel mit der Medienvielfalt, 150 Jahren<br />
Tonaufnahme und den etlichen Millionen aufgenommener<br />
Lieder" und spare die Frage nach den Hobbys. Diese Sorte<br />
Frau hat keine, denn Einkaufen zählt nicht.<br />
Der zweite Teil der Frauen hört Musik, kennt Bands und<br />
findet die auch irgendwie gut. Eine Nachfrage verrät: Die<br />
hat ihr der Exfreund gezeigt. Davor habe sie HipHop gehört,<br />
aber mit dem Typen sei sie lange nicht mehr zusammen.<br />
Eben der „Ich-trinke-das-was-du-trinkst“-Typ<br />
von Frau. Man sollte jetzt antworten: „Toll, du<br />
legst Dich nicht fest und bist immer offen für<br />
Neues.“ Hört sich aber sagen: „Wirklich? Das<br />
ist ja wie zwölf sein und sich jede Saison zwischen<br />
Dortmund und Bayern <strong>als</strong> Lieblingsverein<br />
entscheiden: Irgendwie witzig aber auch<br />
etwas farblos. “ Oder man schweigt, lächelt,<br />
bestellt noch zwei Bier und schenkt beim<br />
zweiten Date seine „Top 5-Alben der Menschheitsgeschichte“.<br />
WARUM? Ernsthaft: Woher<br />
kommt die Horde Frauen, die hören, was gerade<br />
so läuft oder man ihnen gibt? Ihr zieht<br />
doch auch nicht an, was man euch hinwirft.<br />
Geht es darum sich nicht festlegen zu müssen<br />
oder nichts F<strong>als</strong>ches zu sagen? Ich meine:<br />
Ich habe mich umgehört. Alle meine Freunde<br />
hören bestimmte Musik. Zum Arbeiten, zum Autowaschen,<br />
beim Grillen, im Bett, ganz bewusst<br />
oder nebenbei. Das ging in der Schule mit dem<br />
ersten gekauften Album los und destillierte sich<br />
über die Jahre zu einem gut begründbaren und<br />
fundierten Musikgeschmack heraus. Wie ein guter<br />
Whiskey. Auf jeden Fall hat man irgendeine<br />
Meinung dazu. Irgendeine. Ich weiß aus eigener Erfahrung,<br />
dass es auch noch einen dritten Teil Frauen gibt. Einen der<br />
Whiskey mit hat, der mir schmeckt oder eben nicht. Bitte<br />
versteht mich nicht f<strong>als</strong>ch: Ich bin kein Alkoholiker, aber<br />
ich will mehr davon. Nicht jeden Tag, morgens, mittags und<br />
abends, aber eben gelegentlich. Einfach weil es abwechslungsreich<br />
und interessant ist. Denn er (<strong>als</strong>o ich) will lieber<br />
sagen: „Wie um alles in der Welt kommt man denn zu so einem<br />
Geschmack?“ <strong>als</strong> „Oh, du trinkst <strong>als</strong>o nur Wasser, ja?“<br />
4<br />
Wir suchen einen neuen Mitbewohner. Die Stimmung<br />
ist gut, alle lachen, scheint <strong>als</strong> könnte es<br />
mit uns und Daniel etwas werden – bis die Frage<br />
kommt, deren Antwort sein wahres Gesicht enthüllt: „Und,<br />
was hörst du so für Musik?“ Achselzucken, leerer Blick, die<br />
Antwort ist klar, bevor er sie ausspricht: „Och, eigentlich alles.“<br />
Tja, Daniel, das war leider die f<strong>als</strong>che Antwort.<br />
Aber was meinst du genau mit „Eigentlich alles“? Und wer<br />
sind diese „Eigentlich-Alles-Hörer“ außer dir überhaupt? Genau<br />
genommen, kann aber natürlich niemand wirklich alles<br />
hören. Daniel, du meinst mit „eigentlich alles“ <strong>als</strong>o wohl<br />
eher „eigentlich Radio“ oder „eigentlich vieles". Was uns in<br />
Wirklichkeit an deiner Antwort stört, ist die riesige Portion<br />
Willkür, die in der Kombination zweier Worte stecken kann.<br />
Da wagt es tatsächlich jemand zuzugeben: Ach, eigentlich<br />
ist mir Musik gar nicht so wichtig. Aber warum ärgern? Das<br />
heißt doch in Daniels Fall einfach nur: In der Küche laufen<br />
ab sofort nur noch Weihnachtslieder, im Bad Techno<br />
und aus den Zimmern<br />
klingt eine Mischung<br />
aus Indie, Metal und<br />
Punk. Ach, auch nicht<br />
recht? Denn selbst der<br />
Alles-Hörer hat sich eines<br />
Tages entschieden<br />
welche Musik ihm gefällt<br />
und welche nicht.<br />
Scheinbar ist der Alles-<br />
Hörer Daniel <strong>als</strong>o entgegen<br />
aller Erwartungen<br />
tatsächlich in der<br />
Lage sich festzulegen<br />
und auszusortieren.<br />
Aber warum sagst du das dann<br />
nicht? Denn der Kern des Prob-<br />
Er sagt,<br />
Sie sagt<br />
Von Ingo Kasseck & Milena Virchow<br />
lems steckt in dem Wörtchen eigentlich.<br />
Seine Benutzung wirft<br />
zu viele Fragen auf: Stehst du<br />
nicht dazu? Ist dir dein vager<br />
Musikgeschmack etwa unangenehm?<br />
So so, dann kannst du<br />
wohl generell schlecht Entscheidungen<br />
treffen, gefestigter Charakter? Fehlanzeige. Fragen<br />
wir, wer ständig das Nusspli auf dem Tisch stehen lässt,<br />
warst du es „wahrscheinlich eigentlich nicht“.<br />
Musikgeschmack hin oder her und selbst wenn nicht vorhanden:<br />
raus mit der Sprache! Dann bleibt die leise Hoffnung,<br />
dass dich einer von uns eines Tages bekehren kann.<br />
Ob uns an Daniel dann doch noch etwas gefallen hat?<br />
Och, eigentlich alles. Der Rest – da sind wir uns einig – ist<br />
Zukunftsmusik. #<br />
Foto: Eschipul
Fotos: Ingo Kasseck & Simon Polatzek<br />
(Fast)<br />
ohne<br />
Worte<br />
julia taut im<br />
iNtervieW<br />
von ingo Kasseck &<br />
simon polatzek<br />
Du bist erst vor kurzem nach<br />
braunschweig gezogen; jetzt<br />
leitest du die torhaus-galerie.<br />
bist du gut angekommen?<br />
Warum ist dir Kunst wichtig?<br />
sind neue Künstler<br />
bei euch willkommen?<br />
Was macht das torhaus<br />
zu einem besonderen<br />
ausstellungsort?<br />
am 7.12. wurde die neue<br />
ausstellung eröffnet. Wie hast<br />
du dich am nächsten morgen<br />
gefühlt?<br />
hast du eigene Kunstwerke,<br />
die du gern ausstellen<br />
möchtest?<br />
Würdest du dein<br />
lieblingsbild nachstellen?<br />
Campus<br />
Die bbK besteht aus über 120<br />
Künstlern. ist es da schwierig,<br />
eine neue ausstellung<br />
zusammen zu bekommen?<br />
gibt es neben den<br />
ausstellungen etwas, was<br />
du gern in der torhausgalerie<br />
veranstalten würdest?<br />
Wie beurteilst du die<br />
möglichkeiten junger<br />
Künstler in braunschweig?<br />
möchtest du die<br />
torhaus-galerie bald<br />
wieder verlassen?<br />
5<br />
Was kostet der besuch<br />
in der torhaus-galerie?<br />
Wo ist die torhaus-galerie?<br />
Was wird die nächste<br />
ausstellung sein?<br />
Wie fühlst du dich jetzt<br />
nach dem interview?
Campus<br />
Ganz Ohr für …<br />
Braunschweig, 2010. Moritz zieht aus, Lennart zieht ein. Der eine rappt, der andere rockt. Wie die beiden trotz<br />
dieser Umstände zueinanderfanden und wie trotz 498 km Entfernung zwischen Braunschweig und Stuttgart die<br />
Freundschaft die Musik und die Musik die Freundschaft zusammenhält, das haben die Jungs von John Vida<br />
unserer Reporterin nach einem Auftritt auf Londons Straßen erzählt.<br />
von Christina Zais<br />
Freitag, 23:00 Uhr: Nach einem harten<br />
Arbeitstag <strong>als</strong> Produktdesigner und einigen<br />
flugtechnischen Turbulenzen<br />
erreicht die zweite John Vida Hälfte<br />
schwerbepackt London. Es ist schon<br />
wieder zwei Monate her, seit sich Lennart<br />
(23) und Moritz (28) das letzte Mal<br />
gesehen haben. Ein Zustand, der für beide<br />
nichts Neues ist, besonders weil sich<br />
beide zwar am richtigen Ort, aber zur<br />
f<strong>als</strong>chen Zeit befanden.<br />
Als Moritz Braunschweig nach seinem<br />
Studium verließ, kam Lennart.<br />
Begegnet sind die beiden sich in Lennarts<br />
WG, die er unter anderem mit Mo-<br />
arbeitet Moritz in Stuttgart. Lennart<br />
studiert in Braunschweig, lebt aktuell<br />
aber in London. „Distanzen oder Ortswechsel<br />
waren für uns nie ein Thema<br />
– schließlich kennen wir es nicht anders.<br />
Natürlich ist es nicht leicht, das<br />
Projekt „Band“ aufrechtzuerhalten und<br />
daran zu arbeiten, wenn man sich nicht<br />
spontan zusammensetzen kann, um<br />
an neuen Stücken werkeln zu können<br />
oder zu proben. Wenn man sich dann<br />
aber ein bis zweimal monatlich sieht,<br />
hockt man dauerhaft aufeinander: Das<br />
schweißt zusammen. Planung ist das<br />
Privat<br />
Zais, Christina<br />
A und O und wenn der Wille dazu da<br />
ritz Freundin teilte. Heute wohnt und ist, kann es funktionieren“, so Sänger terschiedlichsten Erfahrungen und Be- Fotos:<br />
6<br />
Das video zum Foto:<br />
→youtu.be/5ilzp7dahn8<br />
und Cajon-Spieler Moritz. Die Jungs von<br />
John Vida haben gelernt die Zeit, die sie<br />
zusammen haben maximal und effektiv<br />
zu nutzen und die 48 Stunden, die<br />
das Wochenende bietet bei der Sache<br />
zu sein. Dadurch entsteht immer ein<br />
gewisser Druck, der den beiden Energie<br />
für Inhalt und Dynamik gibt, aber sich<br />
in jenem Moment auflöst, in dem der<br />
erste Ton erklingt. Doch wie geht man<br />
mit der dauerhaften Distanz um? John<br />
Vida versucht sie <strong>als</strong> hilfreich anzusehen.<br />
„Jede Stadt hat ihre Eigenheiten<br />
– ob Braunschweig, Stuttgart oder jetzt<br />
London.“ so Lennart. „Es fließen die un
gegnungen, aber auch Feedbacks der<br />
Zuhörer, bei unseren Straßeneinlagen<br />
in unsere Musik und die Art zu spielen<br />
ein.“<br />
Samstag, 14:00 Uhr: An der U-Bahn Station<br />
„Camden Town“ ertönen eingängige<br />
Melodien und zur Abwechslung deutsche<br />
Texte. „Unsere Lieder erlauben es<br />
uns, ins eigene Befinden abzutauchen<br />
und Erlebnisse zu verarbeiten – jedoch<br />
immer mit einem Augenzwinkern versehen“,<br />
erklärt Lennart. „Um das zu erzielen,<br />
scheint uns unsere Muttersprache<br />
optimal.“ Moritz ergänzt: „Jeder<br />
hört was anderes und interpretiert unsere<br />
Lieder auf unterschiedlichste Art<br />
oder auch gar nicht, wie hier in London,<br />
wo die Sprachbarriere <strong>als</strong> Herausforderung<br />
hinzukommt – im positiven Sinne.<br />
Dadurch können wir den Klang unserer<br />
Musik und der deutschen Sprache in einem<br />
anderen und neuen Kontext prä-<br />
��� ������ ��� ������ ������ �������<br />
������ ���� ��� ���� ����� ������� ������<br />
Campus<br />
sentieren. Dinge weiterzuentwickeln<br />
oder nach einiger Zeit mit anderen Augen<br />
zu sehen, kommt bei uns auch während<br />
des Schreibens und Spielens vor.<br />
Oft überdenken wir das gesamte Konzept<br />
und interpretieren neu.“, so Lennart.<br />
„Die Freude und Spannung an der<br />
Musik sind uns viel wichtiger. Darüber<br />
wollen wir kommunizieren.“<br />
Sonntag, 18:00 Uhr: Abschiedsstimmung<br />
nach einem Wochenende voller Proben<br />
und Musizieren. Den Sonntag haben die<br />
zwei noch einmal ausgiebig genutzt und<br />
den Londonern eine Zugabe gewährt.<br />
Doch der Alltag ruft. Moritz sitzt im Flieger<br />
nach Stuttgart und Lennart ist wieder<br />
alleine in London. „Das Warten hat<br />
sich ausgezahlt. Camden war eine coole<br />
Erfahrung und die Vorfreude auf unsere<br />
nächste Session ist groß.“ sagt Lennart<br />
abschließend. Und aus seinem Zimmer<br />
ertönen Gitarrenklänge … #<br />
���������������<br />
Konzert<br />
Wer sich persönlich von John<br />
Vida überzeugen möchte,<br />
kann am 15. Februar 2013 in<br />
der DRK KaufBar, Helmstedter<br />
Str. 135, 38102 Braunschweig<br />
vorbeikommen. Eintritt frei!<br />
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Campus<br />
Ich habe<br />
geslammt!<br />
eiN total objeKtiver erFahruNgsbericht<br />
von Anna Wandschneider<br />
Als ich mich eine halbe Stunde<br />
vor Einlass dem LOT-Theater<br />
nähere, wäge ich mich noch<br />
auf dem Weg zu unsterblichem literarischem<br />
Ruhm. Seit Wochen habe ich<br />
mich auf diesen Augenblick vorbereitet<br />
– ich habe 2 Terabyte alte Texte durchkramt,<br />
drei Spiegel brüchig gequatscht<br />
und mindestens einen engen Freund<br />
weniger, der mich vor die Wahl gestellt<br />
hat: Entweder dein Poetry-Kram – oder<br />
ich!“ – alles für diesen einen Augen-<br />
blick: fünf Minuten auf der Bühne, mit<br />
nur einem Zettel voller Worte und dem<br />
eigenen Ego <strong>als</strong> Halt.<br />
Nach reiflicher Überlegung habe ich<br />
beschlossen, meine Zuhörer mit zarter<br />
Lyrik zu beglücken. Heißt ja schließlich<br />
Poetry Slam, das Ganze. Also: Ode an<br />
die Liebe…und so. Ich weiß genau, sie<br />
werden ergriffen sein. Oder sie ergreifen<br />
mich und werfen mich auf die Straße.<br />
Während ich noch überlege, ob ich<br />
diesen deliziösen Wortwitz in meine Be-<br />
8<br />
grüßungs- oder doch lieber meine Siegesrede<br />
einbauen will, höre ich plötzlich<br />
gedämpftes Geschrei.<br />
Ich gebe zu, ich habe das Aggressionspotential<br />
der Zuschauer bis zu diesem<br />
Moment krass unterschätzt. Wie<br />
ich später erfahre, sind die Karten zu<br />
diesem Zeitpunkt bereits fünf Minuten<br />
ausverkauft. Schuld daran sind natürlich<br />
die verdammten Spießer der Marke<br />
Biolehrer, die ihre Karten immer<br />
Wochen vorher vorbestellen. Die guten,<br />
altmodisch-anarchischen Abendkassenbesucher<br />
hatten bei so viel schwäbisch<br />
anmutender Planungswut natürlich keine<br />
Chance. Und ich sage euch: Spießer<br />
mag man hier gar nicht.<br />
Poetry Slam, das sieht man allein<br />
schon am wogenden Meer aus Wollmützen,<br />
ist Hipstergebiet, eine Art Bundeshauptstadt<br />
der alternativen Kultur.<br />
Und <strong>als</strong> die ersten Vorbesteller an der<br />
frustrierten, wartenden Masse vorbeiflanierten,<br />
weckte das eine Art urberlinerischen<br />
Widerstandsgeist, den man<br />
sonst nur von Wolfgang Thierse kennt.<br />
Der, der den ersten Stein geworfen hat,<br />
soll das nach Augenzeugenberichten<br />
übrigens mit dem Kampfschrei: Und<br />
die Schrippen haste mir heute Morgen<br />
auch schon geklaut!“ getan haben, aber<br />
ik weiß ja nix genaues.<br />
Als ich pfeifend um die Ecke biege,<br />
ist der Überlebenskampf jedenfalls in<br />
vollem Gange. Während ich mich eng<br />
an die Wand gedrückt vorsichtig Richtung<br />
Eingang schiebe, stranguliert ein<br />
junges Mädchen in wallenden Kleidern<br />
gerade ihre Rivalin mit dem Haltegurt<br />
ihrer Spiegelreflexkamera. Die Kamera<br />
löst wiederholt aus. Im Blitzlicht immer<br />
wieder Szenarien wie aus einem Horrorfilm.<br />
Ich krieche mittlerweile auf allen<br />
Vieren. Direkt vor mir sehe ich ein<br />
Paar zuschnappender Kiefer, die sich in<br />
ein weißbestrumpftes Schienbein vergraben.<br />
Kurz schießt mir der Gedanke<br />
durch den Kopf, dass das meine letzte<br />
Chance ist, umzukehren. Dann schlägt<br />
ein fünfzehn-Zentimeter-Stiletto Zentimeter<br />
neben mir in der Wand ein. Ich<br />
komme blitzschnell zu dem Schluss,<br />
dass es drinnen sicherer <strong>als</strong> draußen<br />
sein muss, zwänge mich todesmutig<br />
Fotos: very quiet, Oliver Lukesch
zwischen zwei miteinander ringenden<br />
bewollmützten Rhodoskolossen durch<br />
und rette mich mit letzter Kraft durch<br />
die Tür ins Theater. Mit bleichem Gesicht<br />
bringe ich heraus, dass ich gleich<br />
auftreten soll. Daraufhin nimmt mich<br />
einer der Veranstalter mit beinahe tröstender<br />
Geste am Arm, drückt mir ein<br />
Glas Mineralwasser in die Hand und<br />
führt mich in eine ruhige Ecke. Dann<br />
verschwindet er wieder…“kurz den MC<br />
holen." Alles, was ich sehen kann, ist<br />
ein sich nach allen Seiten wölbendes<br />
Hawaiihemd. Darüber thront ein Gesicht,<br />
das mich liebenswert anblinzelt<br />
und obendrein frappierend an Jürgen<br />
von der Lippe erinnert. Ach ja – er hätte<br />
da noch ein paar Fragen, die Anmoderation<br />
betreffend.<br />
Zehn Minuten vor Beginn: kurze Kontaktaufnahme<br />
mit anderen Teilnehmern.<br />
Die waren alle schon mal da. Ich<br />
ignoriere ihre mitleidigen Blicke und<br />
versuche, einer am Nebenstehtisch dösenden<br />
Verwundeten die Wollmütze zu<br />
klauen. Tarnung ist ja bekanntlich alles.<br />
Dann geht es los. Ich sitze mit meinen<br />
Mitstreitern in einer kleinen Ecke<br />
neben der Bühne. Die Wollmütze habe<br />
ich leider nicht ergattern können. Neben<br />
einer geschwollenen Lippe habe ich<br />
endlich die Erklärung dafür, wie diese<br />
überdimensionalen Strickblasen am<br />
Kopf hängen bleiben: Die machen die<br />
mit Haarklammern fest. Ohne Scheiß!<br />
Ich giggle etwas manisch vor mich hin<br />
und nehme mir fest vor, demnächst ein<br />
paar männliche Wollmützenträger zu<br />
attackieren. Es ist unendlich voll und<br />
unerträglich heiß. Die Wollmützen bleiben<br />
konsequent auf. Der Frisur wegen,<br />
vermute ich. MC Lipless macht die Anmoderation<br />
und verteilt die Punktekarten.<br />
Dann lost er den ersten Vortragenden<br />
aus. Gott sei Dank bin das nicht ich.<br />
Der erste Text <strong>als</strong>o: Darin fährt einer<br />
zum Festival. Natürlich ist er voll<br />
und natürlich tauchen Pilze auf. Und<br />
damit meine ich nicht den Fußpilz in<br />
den Gemeinschaftsduschen. Der Text<br />
bekommt eine respektable Punktzahl.<br />
Ich frage vorsichtig beim Autoren nach,<br />
ob „der Essay eventuelle autobiographische<br />
Züge und ich einen Zug abhaben<br />
Campus<br />
Poetry Slam, das sieht man<br />
allein schon am wogenden<br />
Meer aus Wollmützen, ist<br />
Hipstergebiet.<br />
kann“ und greife parallel nach seiner<br />
Wollmütze. Vorläufiges Testergebnis:<br />
Keine Haarklammern dieses Mal, dafür<br />
haben Männer einen härteren Schlag.<br />
Dann kommen die Glücksbärlis. Spätestens<br />
da weiß ich, dass wir alle, samt<br />
und sonders, verseucht sind. Es ist mir<br />
egal, ob nun Eckert & Ziegler dran schuld<br />
oder die Asse endlich ausgelaufen ist.<br />
Woran es auch immer liegt: Freunde der<br />
Bundespolitik, ihr habt euer Endlager<br />
gefunden. Während auf der Bühne <strong>als</strong>o<br />
von fanatisch hüpfenden Gallertkegeln<br />
in Teddyform die Rede ist, die wahrscheinlich<br />
eingekochte Gehirne fressen,<br />
ergehe ich mich in Verschwörungstheorien:<br />
Gehört Phillipp Rösler am<br />
Ende doch zur marsianischen Rasse der<br />
Gollums, die die Menschheit zerstören<br />
will und nur durch Omas Countrymusik<br />
eliminiert werden kann? Und sind deshalb<br />
auf dem Poetry Slam Gitarren verboten?<br />
Wahrscheinlich ist MC auch gar<br />
nicht von der Lippe, sondern Großlippling<br />
Altmaier in Freizeitkleidung.<br />
Der Text endet mit den Worten: Ich<br />
will ein Glücksbärli sein. Ich auch, ich<br />
auch. Vor allem, weil ich jetzt dran bin.<br />
Praktischerweise direkt vor der Pause.<br />
Das heißt, ich habe nach meinem Auftritt<br />
eine Viertelstunde Zeit, Autogramme<br />
zu verteilen. Oder Körperteile.<br />
9<br />
Plötzlich fällt mir auf, dass bisher<br />
niemand ein Gedicht aufgesagt hat.<br />
Ich werfe einen kurzen Blick auf die<br />
schwarze, wogende Masse zu meinen<br />
Füßen. Sie erinnert mich frappierend<br />
an einen Schwarm Fruchtfliegen. Ich<br />
weigere mich, auf dieser Bühne stehen<br />
zu bleiben. Wir sind hier ja schließlich<br />
nicht bei der Stand-up-Comedy, auch<br />
wenn sich das alles so anhört. Während<br />
ich mich <strong>als</strong>o lässig auf dem Bühnenboden<br />
räkle, brüllt irgendwer von hinten,<br />
dass er mich ja gar nicht sehen kann.<br />
Ich habe nichts dagegen, aber die Stimmen<br />
werden zahlreicher, und im Halbdunkel<br />
erkenne ich, wie die distinguierte<br />
Mittzwanzigerin mit dem schwarzen<br />
Bob in der ersten Reihe vorfreudig einen<br />
ihrer Schuhe in den Händen wiegt.<br />
Einen schwarzen 15-Zentimeter Stiletto.<br />
Schicks<strong>als</strong>ergeben lasse ich mir von<br />
Jürgen von-Peter Alt-dem MC, Herrgott!<br />
einen Hocker bringen. Einen mit dunkelrotem<br />
Samt und goldenen Nägeln<br />
beschlagenen. Wie Gott in Frankreich –<br />
nur nach der Revolution. Ich fange an,<br />
zu reden. […] Nach einer kurzen Pause<br />
kann der Poetry Slam ohne weitere Vorkommnisse<br />
fortgesetzt werden.<br />
Ein geschätzt vierzehnjähriges Mädchen<br />
beklagt den Hass, der der Jugend<br />
immer wieder entgegengebracht wird.<br />
Ein Zweites wettert gegen die Atomkraft<br />
(zu spät, zu spät!). Einem Dritten<br />
hat der kleine Kater aufs Gras gepisst.<br />
Ist ja auch egal.<br />
Gewonnen hat übrigens irgendso ein<br />
Typ aus Berlin. #
Campus<br />
„Schön’ Abend!“<br />
viele KeNNeN mehmets gülDeNKiosK – stuDi38 hat eiNe Nacht Dort verbracht<br />
Von Elena Patzer & Michaline Saxel<br />
Ein helles Klingeln ertönt, sobald<br />
man über die Türschwelle tritt.<br />
Und schon steht man mittendrin<br />
im bunten Warenchaos – einer behaglichen<br />
Reizüberflutung, die so nur in Tante-Emma-Läden<br />
möglich ist. Im Güldenkiosk,<br />
mitten auf der Braunschweiger<br />
Partymeile, treffen Eckladen und Kneipe<br />
aufeinander: An den Wänden hängen<br />
Zeitungsartikel, Bilder und Kalender, in<br />
den Regalen wechseln sich Wodka- und<br />
Sekt-Flaschen mit Marmelade und Dosengemüse<br />
ab. Daneben reihen sich<br />
Kühlschränke voll Bier und Säften, ge-<br />
folgt vom Zeitschriften-Ständer, Grillzubehör,<br />
Kaffee, Zigaretten, Schnapsfläschchen,<br />
Snacks und Shampoo. Ein leises,<br />
beruhigendes Plätschern legt sich über<br />
das Durcheinander. Hinter Stapeln von<br />
Getränke-Kisten versteckt sich das Aquarium,<br />
ein Geschenk von Stammkunden.<br />
„Schön’ Abend!“, kommt es vom Tresen.<br />
Dort steht Mehmet Özkan und begrüßt<br />
seine Gäste wie immer mit einem breiten<br />
Lächeln im Gesicht.<br />
Mehmets Lächeln empfängt freundlich<br />
jeden Besucher. In einem schlichten,<br />
schwarzen Pullover steckt ein zu-<br />
10<br />
vorkommender Mensch mit Lachfalten,<br />
der gerne Gespräche mit seinen Besuchern<br />
führt. Und sein Gesicht hat viel<br />
zu erzählen. Denn Mehmet hat einiges<br />
erlebt: Als engagierter Demokrat musste<br />
er aufgrund von Unruhen aus seiner<br />
damaligen Heimat, der Türkei, fliehen.<br />
Er immigrierte <strong>als</strong> junger Mann<br />
nach Deutschland, kam zunächst nach<br />
Frankfurt und konnte dort kurzfristig Saxel<br />
bei Bekannten unterkommen. Anschließend<br />
führte ihn sein Weg nach Braun-<br />
Michaline<br />
schweig. Dort arbeitete er unter anderem<br />
<strong>als</strong> Fabrikarbeiter, Barkeeper und Fotos:
Freibadleiter des Naturfreibads Bettmar.<br />
Zwischenzeitlich führte er einen<br />
Lebensmittelladen, sowie ein Restaurant<br />
namens Eden im Magniviertel. Oft<br />
hatte er auch mehrere Jobs gleichzeitig.<br />
Den Güldenkiosk eröffnete er vor 13<br />
Jahren und ist seitdem mit Freude bei<br />
seiner Arbeit. Auch seine Frau und sein<br />
Bruder unterstützen ihn tatkräftig. Häufig<br />
sind sie in seinem Kiosk anzutreffen,<br />
dann stehen sie gutgelaunt hinter dem<br />
Tresen und vertreten Mehmet.<br />
„Stört es dich, wenn ich hier Pommes<br />
esse?“ Nein, das stört ihn überhaupt<br />
nicht. Ab 23 Uhr wird es voll im Kiosk,<br />
wenn das junge Publikum in die Nacht<br />
startet. Auch vor dem Laden bilden sich<br />
Kioskbesitzer mehmet özkan<br />
Menschentrauben zum Unterhalten und<br />
Vorglühen. Bevor sie weiter in die Clubs<br />
ziehen, kommen viele auf ein Getränk<br />
und Small-Talk im Güldenkiosk vorbei.<br />
Dann trinkt Mehmet auch mal ein Glas<br />
mit seinen Kunden mit, vor allem das<br />
typische Getränk U-Boot – einen Becher<br />
Energydrink, in dem eine kleine Flasche<br />
Jägermeister versenkt wird.<br />
Und auch sonst gibt Mehmet im Gespräch<br />
gern das ein oder andere Getränk<br />
aus – Gastfreundschaft eben.<br />
Die Kunden danken es ihm, mit einer<br />
freundschaftlichen und lockeren Stimmung.<br />
Auf „ihren“ Mehmet haben sie<br />
ein ganz besonderes Auge, wie 2005<br />
Campus<br />
bei einer Nazi-Demo in Braunschweig.<br />
Diese schritt innerhalb ihrer festgelegten<br />
Route auch an Mehmets Kiosk vorbei.<br />
Einer der Rechtsradikalen wandte<br />
sich plötzlich ab und lief in Richtung<br />
des Güldenkioskes. Da schrie eine aufgebrachte<br />
Stimme der Braunschweiger<br />
Gegendemonstranten: „Aber nicht zu<br />
Mehmet!“ und der Demonstrant wandte<br />
sich ab. Man hilft sich eben gegenseitig,<br />
auch wenn es um kleinere Probleme<br />
geht: Im Laufe dieser Nacht kommt<br />
ein Jugendlicher herein und klagt über<br />
Schmerzen. Er hat Sodbrennen. Was<br />
hilft? Milch raten ihm einige.<br />
Mehmet ist zur Stelle und reicht ihm<br />
ein Glas, gratis versteht sich. Seine Gemeinschaft<br />
pflegt<br />
Mehmet neuerdings<br />
auch virtuell. Auf Facebook<br />
eröffnete er<br />
im letzten Jahr ein<br />
Profil, eigentlich nur<br />
für Verwandte. Doch<br />
die Nachricht verbreitete<br />
sich schnell<br />
im Social Web, so<br />
kam es zu über 500<br />
Kontakten innerhalb<br />
des ersten Monats.<br />
Heute hat er über<br />
1500 Facebookfreunde,<br />
die er in der Früh<br />
gerne mit einem<br />
„Guten Morgen“ begrüßt<br />
und über seinen<br />
Kiosk berichtet.<br />
Am liebsten hat er<br />
mit seinen Kunden aber immer noch<br />
Kontakt im realen Braunschweiger<br />
Nachtleben.<br />
Meist bleibt Mehmet bis 6 Uhr morgens<br />
im Laden, kehrt noch die leeren<br />
Flaschen und Becher vom Gehweg, um<br />
dann am nächsten Tag wieder um 10<br />
Uhr zu öffnen. Der Kiosk sei sicherlich<br />
mit viel Arbeit verbunden, doch es mache<br />
ihm auch sehr viel Spaß. Vor allem<br />
an seinen jungen Gästen läge ihm viel:<br />
„Ich möchte allen danken und allen einen<br />
guten Arbeitsplatz und Glück wünschen!“<br />
Noch ein letztes Mal klingelt es<br />
an der Tür, bevor der Kiosk seine Türen<br />
an diesem Tag schließt. #<br />
11<br />
impressum<br />
Herausgeber: Braunschweiger<br />
Zeitungsverlag GmbH & Co KG<br />
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Ust.-Ident.-Nr.: DE 114 88 11 13<br />
Die redaktionellen Inhalte dieser<br />
<strong>Ausgabe</strong> sind das Ergebnis eines<br />
Projektseminars der Abteilung<br />
Medienwissenschaften der<br />
Technischen Universität Braunschweig<br />
Redaktionsleitung: Holger Isermann<br />
(TU Braunschweig) V. i. S. d. P.<br />
Redaktion: Lina Beling, Sophie Dannenfeld,<br />
Lisa Dauke, Frauke Engelhardt, Lisa Habelt,<br />
Holger Isermann, Ingo Kasseck,<br />
Helmut Krein, Janina Kremkow,<br />
Stefanie Lipka, Claudia Malecka,<br />
Kevin Neu, Elena Patzer, Norman Peitz,<br />
Simon Polatzek, Michaline Saxel,<br />
Elena Schade, Wolf-Alexander Schneider,<br />
Desiree Schober, Laura Trommer,<br />
Milena Virchow, Anna Wandschneider,<br />
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Abteilung Medienwissenschaften<br />
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medienwissenschaften<br />
Titelfoto: Florian Koch<br />
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(verantwortlich)<br />
Vertrieb: Braunschweiger Zeitungsverlag<br />
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Auflage: ca. 10.000 Exemplare<br />
© Braunschweiger Zeitungsverlag 2013<br />
Das Projekt studi38 wird freundlich<br />
unterstützt durch
So gesehen …<br />
DeiNe bilDer, DeiNe Welt: brauNschWeiger stuDiereNDe uND eiNe<br />
proFessoriN zeigeN uNs ihre tücKeN, herausForDeruNgeN uND<br />
lichtblicKe Des alltags – Durch Die liNse eiNer eiNWegKamera.<br />
iNsgesamt 20 Kameras habeN Wir je zur hälFte beWusst uND aNoNym verteilt.<br />
immer Dabei War eiN beipacKzettel mit erKläruNgeN uND begriFFeN.<br />
Von Elena Patzer & Milena Virchow<br />
13
Heimat<br />
Campus<br />
14<br />
Ziel
Fotos: Anonym<br />
Feind-<br />
bild<br />
Campus<br />
Heraus-<br />
forderung<br />
15
Pech<br />
Campus<br />
16<br />
Glück
Fotos: Anonym<br />
Die erste<br />
Tat des<br />
Tages<br />
Der<br />
Morgen<br />
danach<br />
Campus<br />
17<br />
Die letzte<br />
Tat des<br />
Tages<br />
Der<br />
Moment<br />
davor
Campus<br />
„Drücken Sie<br />
bitte die Zwei!“<br />
Welche Situationen gehen uns eigentlich schon beim darüber Nachdenken auf die Nerven?<br />
Die Liste ist lang, eines aber darf auf keinen Fall fehlen: das Phänomen Warteschleife. Der Zeitpunkt, an dem das<br />
Modem ausfällt und klar ist: „Ich muss eine Service Hotline anrufen“. Auf welche Gedanken einen freundliche<br />
Computerstimmen bringen können, welche Variationen dieser nervenzehrenden Situation es geben kann und wie<br />
eigentlich die rechtlichen Hintergründe aussehen – studi38 erzählt.<br />
Von Laura Trommer<br />
18 du noch?“ mal wieder ein Te-<br />
Uhr, die Uni ist beendet und<br />
man hat auf die Frage „lebst<br />
lefonat mit der Heimat ausgemacht.<br />
Also ab nach Hause, gemütliche Klamotten<br />
anziehen und den Hörer von<br />
der Station nehmen. Wenn man schon<br />
zusätzlich zum Internetanschluss eine<br />
Festnetz Flatrate hat, kann man sie<br />
auch verwenden. Die Nummer ist gewählt<br />
und es sollte eigentlich „tuuuuuuut“<br />
machen. Es tutet aber nicht.<br />
Der in der Studentenwohnung meist<br />
sehr kurze Weg zum Modem zeigt, dass<br />
das eigentlich gelb blinkende Lämpchen<br />
für „Phone“ seinen Dienst verweigert.<br />
Das ist definitiv nicht gut. Nach relativ<br />
wenig Zeit ist klar: Weder das Internet<br />
noch das Telefon funktionieren und das<br />
ist definitiv noch schlechter <strong>als</strong> „nicht<br />
gut“. Wenn man <strong>als</strong>o mit den „Selbstheilungsversuchen“<br />
wie zum Beispiel<br />
den Stecker kurz ziehen am Ende ist,<br />
bleibt einem eigentlich nichts anderes<br />
übrig, <strong>als</strong> sich mit der Service-Hotline<br />
des zuständigen Anbieters in Verbindung<br />
zu setzen. Ärgerlich, denn trotz<br />
der Änderungen im Telekommunikationsgesetz<br />
dürfen Anrufe in Warteschleifen<br />
aus dem Mobilfunknetz kostenpflichtig<br />
bleiben, es sei denn, es handelt<br />
sich um eine 0800- Rufnummer. Nur vor<br />
der Verbindung müssen Warteschleifen<br />
seitdem kostenlos sein. Das bedeutet,<br />
die Begrüßung „Lieber Kunde, herzlich<br />
Willkommen bei XY. Derzeit sind leider<br />
alle Arbeitsplätze besetzt …“ ist für lau.<br />
Sobald aber eine menschliche Stimme<br />
an den Hörer kommt, kostet es.<br />
Der Mensch<br />
am anderen Ende:<br />
„Guten Tag, mein Name ist<br />
Herr XY. Wie kann ich Ihnen<br />
weiterhelfen?“<br />
Alles klar, erklären<br />
wir <strong>als</strong>o Herrn XY unser<br />
Problem. Ich habe keine<br />
Internetverbindung.<br />
Ja, meine Kundennummer<br />
kann ich Ihnen gerne<br />
nennen.<br />
Da sieht der Mitarbeiter<br />
doch glatt, dass ich ja eine Internetverbindung<br />
UND einen Telefonanschluss<br />
habe und muss mir<br />
mitteilen, dass er für diese Kombination<br />
nicht zuständig sei – er müsse mich<br />
mit einem Kollegen verbinden. Wohl<br />
gemerkt: Wartezeiten, die innerhalb<br />
des Gespräches hinzukommen, sind<br />
unbegrenzt kostenpflichtig. Die folgende<br />
Pause, in der „Für Elise“ erklingt,<br />
kommt mir unglaublich lang vor. Da ich<br />
aber eine Lösung haben möchte, warte<br />
ich geduldig ab. Der Kollege tritt auf<br />
den Plan: „Guten Tag, mein Name ist<br />
Herr XYZ. Wie kann ich Ihnen weiterhelfen?“<br />
Leider heißt ein Weiterleiten<br />
bei den Service-Hotlines nicht, dass der<br />
nächste Mitarbeiter auch schon mein<br />
18<br />
Problem kennt, sondern ich es erneut<br />
kostenpflichtig erklären darf. Immerhin<br />
wurde meine Kundennummer weitergeleitet<br />
und der zweite Mitarbeiter<br />
hat meine Daten vor sich.<br />
„Aha, verstehe. Wieso haben Sie<br />
denn eigentlich nicht unser Special Paket<br />
X3000 inklusive Mobilfunknetz – sie<br />
würden monatlich 3,99€ sparen?“<br />
Rückfrage: Warum helfen Sie mir<br />
nicht, mein Internet wieder zum Laufen<br />
zu kriegen? Ich rufe an, weil ich mein<br />
Modem behalten möchte, aber bitte im<br />
Zustand „funktioniert“.<br />
Foto: Jeff Keyzer
Als ich irgendwann mit der Information<br />
auflege, dass ein Mitarbeiter zu<br />
mir kommt, um mein Modem wieder<br />
auf Vordermann zu bringen, zeigt mein<br />
Handydisplay eine Gesprächszeit von<br />
8:56 Minuten an. Überschlägt man dies<br />
mit 99 Cent pro Minute, stehen für dieses<br />
Gespräch ungefähr 7,90€ an – dafür,<br />
dass ich den Großteil davon weitergeleitet<br />
wurde und zweimal mein Problem<br />
erklärt habe.<br />
Übrigens konnte der Mitarbeiter,<br />
der zu mir in die Wohnung<br />
kam, mir<br />
nicht helfen, da er von der Telekom<br />
war. Solch ein Problem, dass ja anscheinend<br />
am Modem selber läge (ja Mensch,<br />
wer hätte das gedacht?) und nicht an<br />
der Leitung, müsse ein interner Mitarbeiter<br />
des Telefonanbieters regeln. Es<br />
war der dritte Mitarbeiter, der nach vier<br />
Wochen mein Modem wieder ins Leben<br />
zurück gerufen hat.<br />
Mensch-Maschine-<br />
interaktion:<br />
Nehmen wir uns dieselbe Situation vor:<br />
Telefon und Internet funktionieren<br />
nicht. Diesmal gehen wir von einem anderen<br />
Anbieter aus und haben das Vergnügen,<br />
das gesamte Problem mit einem<br />
Computer zu besprechen. Wieder<br />
erfolgt der Anruf über das Handy, das<br />
Telefon liegt ja tot in der Ecke. Systeme,<br />
die den Kunden mit einem Computer<br />
kommunizieren lassen, kosten von der<br />
ersten Sekunde an pro Minute bis zu 99<br />
Cent. „Herzlich Willkommen bei XY.<br />
Campus<br />
Schön, dass Sie sich für unsere Service<br />
Hotline entschieden haben. Ab dem soundsovielten<br />
verschenkt XY kostenlose<br />
Monatstarife…“ usw. Schon nach<br />
dem zweiten Satz kommt es zu einer<br />
gewissen Nervosität. Ich möchte keine<br />
kostenlosen Tarife geschenkt bekommen<br />
und es nervt mich, dass mir diese<br />
abgehakte Stimme auf meine Kosten<br />
trotzdem davon erzählt. Anschließend<br />
gelangt man zum Auswahlmenü:<br />
„Haben Sie Fragen<br />
zu Ihrem Tarif oder<br />
möchten Sie Änderungenvornehmen,drücken<br />
Sie<br />
bitte die<br />
Eins“. Nein,<br />
möchte ich<br />
nicht – mein<br />
Modem ist<br />
kaputt. „Haben<br />
Sie Fragen<br />
zu Ihrer Rechnung,<br />
drücken Sie<br />
bitte die Zwei“. Nein,<br />
habe ich auch nicht. Bei Taste<br />
fünf höre ich dann endlich: „Haben<br />
Sie Probleme mit Ihrem Modem, drücken<br />
Sie bitte die Fünf“. Gedrückt. „Bitte<br />
nennen Sie uns Ihre Kundennummer“.<br />
Ich fange <strong>als</strong>o an, langsam und<br />
deutlich die 14 Zahlen meiner Kundennummer<br />
in den Hörer zu sagen. Jetzt<br />
bin ich an der Stelle angelangt, an der<br />
nervig langsam kein Ausdruck mehr<br />
ist. „Wir haben Sie leider nicht verstanden,<br />
machen Sie nach jeder Ziffer eine<br />
kurze Pause – bitte nennen Sie uns Ihre<br />
Kundennummer“.<br />
„Wir haben Sie leider<br />
nicht verstanden …“<br />
Beim zweiten Mal achte ich ganz brav<br />
auf die Pausen zwischen den Ziffern.<br />
Die Stimme, mit der ich in den Hörer<br />
rufe, nimmt langsam schon „ich telefoniere<br />
mit meiner Uroma“-Lautstärke an.<br />
Mittlerweile denke ich nicht mehr daran,<br />
dass ich für jede blöde Minute, die<br />
mich dieser Schwachsinn kostet, bezah-<br />
19<br />
le. Wichtiger ist mir gerade eher, dass<br />
mich keiner meiner Nachbarn hört…<br />
„Haben Sie Probleme mit Ihrem Modem?<br />
Dann sagen Sie bitte ja“. „JAAA!“.<br />
Wie bescheuert muss ich mich gerade<br />
anhören? „Bitte nennen Sie uns die<br />
Artikelnummer Ihres Modems“. Oh<br />
Gott, wo finde ich die denn? Sehr wahrscheinlich<br />
wird sie sich wohl auf diesem<br />
Apparat befinden. Schade, dass sich auf<br />
diesem ca. 10 × 10 cm großen Teil keinesfalls<br />
nur EINE Nummer befinden,<br />
sondern geschätzte sieben Stück plus<br />
Bezeichnungen wie „ATLANTA XZE3400<br />
567 31“.<br />
Mittlerweile wurde der Befehl wiederholt<br />
und ungeduldig gewartet. Nach<br />
drei Versuchen mit irgendeiner Nummer<br />
und der Antwort „diese Nummer<br />
ist leider nicht korrekt – aufgelegt. Da<br />
war ich Ihnen wohl zu langsam.<br />
Manchmal ist es möglicherweise einfacher,<br />
ein <strong>komplett</strong> neues Modem zu<br />
bestellen, denn mit diesem Wunsch gelangt<br />
man komischerweise direkt zu<br />
einem überaus freundlichen Mitarbeiter,<br />
muss sich nicht mit irgendwelchen<br />
schwerhörigen Computersystemen<br />
herumschlagen. #<br />
Kurz & Knapp<br />
Am 10. Mai 2012 trat das neue<br />
Telekommunikationsgesetz<br />
(TKG) in Kraft:<br />
• Anrufer von Auskunfts-<br />
oder Service-Hotlines über<br />
kostenpflichtige Mehrwertdiensterufnummern<br />
(z.B.<br />
0180- oder 0900-Rufnummer)<br />
mussten bisher auch<br />
für die Zeit in der Warteschleife<br />
bezahlen. Jetzt müssen<br />
diese in den ersten zwei<br />
Minuten kostenlos sein.<br />
• Wartezeiten innerhalb des<br />
Gesprächs bleiben weiter<br />
kostenpflichtig.<br />
• Serviceleistungen per Computerprogramm<br />
sind von<br />
Beginn an kostenpflichtig.
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DIE REGION
Foto: HBK-Archiv<br />
Campus<br />
Erkennen,<br />
Formulieren,<br />
Wahrnehmen!<br />
Die 68er aN Der hbK<br />
Von Lisa Dauke<br />
Lodderige Studenten mit langen<br />
Haaren in dreckigen Parkas und<br />
Jeans, die lauth<strong>als</strong> auf großen Demonstrationen<br />
ihre Interessen vertreten.<br />
Das ist ungefähr das Bild, das wir<br />
heute von den 68ern haben. Etwas später<br />
zwar, aber dann sehr ausgiebig und<br />
gründlich, haben die angehenden Akademiker<br />
auch in Braunschweig protestiert.<br />
Besonders der Asta der SHfBK<br />
(Staatliche Hochschule für Bildende<br />
Künste), ab 1978 HBK, der mit Margot<br />
Michaelis eine äußerst intelligente und<br />
redegewandte Vorsitzende an der Spitze<br />
hatte, war zu dieser Zeit sehr aktiv.<br />
„Der Wunsch, sich politisch einzubringen,<br />
war sehr viel größer <strong>als</strong> heute“,<br />
sagt Dr. Claudia Bei der Wieden<br />
vom Archiv der HBK. Und das politische<br />
Herz der Studierenden schlug eindeutig<br />
links. Die Gruppe MSB-Spartakus<br />
(marxistischer Studentenbund),<br />
bei der auch Margot Michaelis Mitglied<br />
war, war eine der aktivsten. Durch Vorschläge<br />
für Lehraufträge versuchten die<br />
Studierenden zum Beispiel, ihren Studienbetrieb<br />
inhaltlich mitzugestalten.<br />
„Da die linke Orientierung in der Studentenschaft<br />
vorherrschend war, bestand<br />
ein Bedarf, auch von linksorientierten<br />
Lehrenden unterrichtet zu<br />
werden“, erklärt Eyke Isensee, der in der<br />
zweiten Hälfte der 70er an der Kunsthochschule<br />
studiert hat und seit einigen<br />
Jahren im Hochschularchiv arbeitet.<br />
„Das Ministerium in Hannover war allerdings<br />
dagegen und so ist die HBK<br />
laut aktuellem Forschungsstand in Bezug<br />
auf das Fach Kunstgeschichte die<br />
Hochschule mit den meisten Berufsverboten",<br />
so Bei der Wieden weiter.<br />
Eine der umstrittensten Personalfragen<br />
der 70er Jahre bezog sich auf Dr.<br />
Richard Hiepe. Hiepe war Mitglied der<br />
DKP (Deutsche Kommunistische Partei)<br />
und sollte auf Wunsch der HBK-Studierenden<br />
und nicht weniger Lehrender<br />
marxistische Ästhetik anbieten, wurde<br />
aber vom Ministerium mit einem Berufsverbot<br />
belegt. Auch starke Protes-<br />
21<br />
Campus<br />
historie<br />
te seitens der Studierenden konnten<br />
dies nicht verhindern. Dass das Studium<br />
hochpolitisch war, zeigt auch die<br />
Tatsache, dass bei Hochschulversammlungen<br />
und Wahlen fast alle Studenten<br />
beteiligt waren. „Es ging allerdings<br />
nicht nur um hochschulpolitische Themen,<br />
sondern auch um die Verbesserung<br />
der Gesellschaft“, betont Bei der<br />
Wieden. Die politische Bewegung der<br />
68er spiegelte sich auch in der Kunst<br />
wieder, die zu jener Zeit an der HBK<br />
entstand. Die Gruppe Rea-Prax schuf<br />
realistische Bilder, die beispielsweise<br />
Arbeiter und Reinigungskräfte zeigten<br />
und sich auch mit Themen wie Aufständen<br />
beschäftigten. Beliebte Motive waren<br />
auch zwei Obdachlose, die Herren<br />
Kulik und Philipzig, die in den 70er Jahren<br />
<strong>als</strong> Modelle für das Porträtieren auf<br />
dem Campus zum „lebenden Inventar“<br />
gehörten. Man wollte durch realistische<br />
Darstellung der damaligen gesellschaftlichen<br />
Realität versuchen, auf die Politik<br />
einzuwirken. #
Campus<br />
Es lebe der Tauschhandel!<br />
beim „tauschriNg brauNschWeig“ steht Der gelDlose haNDel im mittelpuNKt<br />
Von Frauke Engelhardt<br />
Tauschen gilt <strong>als</strong> die älteste Wirtschaftsform<br />
der Welt. Auch heute<br />
sind einige Leute hier in Braunschweig<br />
Mitglieder einer Gemeinschaft,<br />
in der der Tauschhandel lebt.<br />
Der „Tauschring Braunschweig“ existiert<br />
bereits seit 1996 und beschreibt<br />
sich selbst <strong>als</strong> eine Initiative, zwischen<br />
erweiterter Nachbarschaftshilfe und einem<br />
alternativen Wirtschaftskreislauf.<br />
Doch was bewegt Menschen heutzutage<br />
überhaupt dazu, Tauschgesellschaften<br />
zu gründen?<br />
Tauschringe können sich gerade in<br />
unserer heutigen Zeit <strong>als</strong> sehr nützlich<br />
erweisen. Denn in Zeiten, in denen<br />
das soziale Umfeld der Menschen<br />
immer kleiner wird, können immer<br />
seltener Familienmitglieder, Freunde<br />
oder Nachbarn einspringen, wenn Not<br />
an Mann oder Frau ist, so meint Aisha<br />
Lüer, die derzeitige Moderatorin vom<br />
„Tauschring Braunschweig“. Was soll<br />
man schließlich tun, wenn man beispielsweise<br />
aus beruflichen Gründen<br />
plötzlich einen Tag verreisen muss,<br />
aber sich niemand finden lässt, der sich<br />
um den Hund kümmert? Hier können<br />
Tauschringe die helfende Hand organisieren,<br />
die man gerade braucht. Auch<br />
kennt wohl fast jeder das mulmige Gefühl<br />
im Bauch, wenn man wieder einmal<br />
eine Aufgabe aufschiebt, obwohl<br />
man genau weiß, dass sie erledigt werden<br />
muss. Dieses andauernde Aufschieben,<br />
auch <strong>als</strong> ‚Prokrastinieren‘ bekannt,<br />
ist besonders bei Studierenden sehr beliebt.<br />
Simson Freudenau ein Mitglied<br />
des Tauschrings in Braunschweig ist<br />
überzeugt, dass Tauschgesellschaften<br />
22<br />
hier ideale Lösungen sind: „So kann<br />
man Aufgaben, die man persönlich vielleicht<br />
nicht so mag, an andere abgeben<br />
und muss sie nicht länger vor sich her<br />
schieben."<br />
Das Prinzip von Tauschringen ist genauso<br />
einfach wie genial. Jeder hat etwas,<br />
er besonders gut kann. Genauso<br />
gibt es Aufgaben, die wir eher ungern<br />
erledigen oder Dinge, von denen wir<br />
keine Ahnung haben.<br />
Ein Beispiel: Du kannst die leckersten<br />
Kuchen backen, bist aber leider technisch<br />
weniger begabt? Wenn nächstes<br />
Mal dein Computer nicht mehr richtig<br />
funktioniert, könntest du in einem<br />
Tauschring erst einmal (kuchenbegeisterte)<br />
Mitglieder nach Hilfe fragen, bevor<br />
du einen teuren Techniker kommen<br />
lässt. Wem nun ein wenig misstrauisch<br />
Fotos: Floheinstein, Aisha Lüer
der Gedanke an Schwarzarbeit durch<br />
den Kopf geht, wenn er hört, dass Frau<br />
X dem Herrn Y zu Hause die Haare geschnitten<br />
hat, der kann erleichtert aufatmen.<br />
Denn die im Tauschringsystem<br />
erbrachten Leistungen zählen <strong>als</strong> gemeinnützige<br />
Arbeit und sind durch den<br />
Einsatz von sogenannten Marientalern<br />
vollkommen legal. Für eine Stunde ‚Arbeit‘<br />
bekommt man 60 Marientaler auf<br />
einem Zeitkonto gutgeschrieben. Welche<br />
Leistungen im Tauschring angeboten<br />
werden, liegt letztlich an den<br />
Mitgliedern selbst. Neben den sehr gefragten<br />
handwerklichen Tätigkeiten<br />
werden derzeit beispielsweise diverse<br />
Handarbeiten wie Töpfern und Nähen<br />
oder sogar Malereikurse angeboten.<br />
Die Mitgliedschaft im „Tauschring<br />
Braunschweig“ kostet für ein ganzes<br />
Jahr nur sechs Euro. Über die aktuellen<br />
Tauschringangebote kann man sich entweder<br />
online oder auf den regelmäßi-<br />
Nicht zuletzt<br />
durch die Umwälzungen<br />
auf dem<br />
Finanzmarkt<br />
rückt der geldlose<br />
Handel mehr<br />
und mehr in den gesellschaftlichen<br />
Blickpunkt. Über<br />
die von den drei<br />
Braunschweigerinnen<br />
Danica<br />
Lust, Nathalie Riesch und<br />
Janina Segatz gegründete Internet-Plattform<br />
→www.unserkleiderschrank.de, können Interessierte jetzt<br />
Kleidungsstücke miteinander tauschen. So gehören die<br />
Zeiten, in denen Frauen trotz voller Kleiderschränke<br />
Campus<br />
Auch eine gute Idee …<br />
per tauschbörse DeN eigeNeN KleiDerschraNK auFFrischeN<br />
Von Frauke Engelhardt<br />
ein treffen des tauschrings braunschweig<br />
gen Treffen sowie über die monatliche<br />
Tauschringzeitung informieren.<br />
Jeder Interessierte ist herzlich willkommen,<br />
so Aisha Lüer. „Wir freuen,<br />
uns über neue Mitglieder. Mit jedem<br />
Menschen kommen auch neue Fähigkeiten<br />
dazu.“ Die Treffen finden jeden<br />
23<br />
ersten und dritten Montag im Monat<br />
um 17:30 Uhr im Gemeindehaus der Petrikirche<br />
in Braunschweig statt.<br />
Mehr Informationen findet ihr unter<br />
→www.tauschring-bs.de oder am 22. Januar<br />
2013 zwischen 14 und 15 Uhr bei<br />
Radio Okerwelle. #<br />
nichts anzuziehen<br />
haben, womöglich<br />
bald der<br />
Vergangenheit<br />
an. Tauschen und<br />
zugleich die Umwelt<br />
schonen – auch<br />
in der Fashionwelt<br />
ein klarer Trend!<br />
Das fand auch<br />
die Jury des von<br />
der Projektregion<br />
Braunschweig und<br />
der Wolfsburg AG ausgelobten Preises „Idee 2012“ und<br />
hat die Kleidertauschbörse mit dem dritten Preis ausgezeichnet.<br />
Übrigens: Auch Kinder und Männer können<br />
über die Plattform ihren Kleiderschrank auffrischen … #
Klischeehobbys<br />
Alles nur Gerüchte oder ist doch viel Wahres dran? Gamer sitzen den ganzen Tag zu Hause rum und Tänzer sind<br />
eingebildet. Jeder kennt die Klischees, die gewissen Hobbys anhaften. studi38 hat nachgefragt…<br />
Als Gamer sitzt du in der Dunkelheit und<br />
gerne mal zwölf Stunden am Stück vor dem<br />
Rechner. oder?<br />
Wenn die Sonne direkt auf den Bildschirm<br />
scheint ist es schon scheiße...aber ich mach<br />
jetzt nicht die <strong>komplett</strong>en Gardinen zu.<br />
Wenn ich mal keine Uni und auch sonst<br />
nichts zu tun habe, kann es etwas länger<br />
werden.<br />
Was war denn die längste Zeit, die<br />
du durchgezockt hast?<br />
Boah... keine Ahnung. Also auf einer<br />
LAN-Party waren das bestimmt schon<br />
mal 12 Stunden.<br />
Was zockst du?<br />
Spielst du<br />
am Rechner<br />
oder an der<br />
Konsole?<br />
Auf jeden Fall<br />
PvP-Spiele, in<br />
denen man im Wettbewerb<br />
mit anderen<br />
Spielern steht. Ich spiele<br />
hauptsächlich am<br />
Computer: League<br />
of Legends, World<br />
of Warcraft, Guildwars<br />
2, Soul Calibour<br />
5. Wenn ich<br />
mich mit Freunden<br />
treffe, zocke ich<br />
auch X-Box. Und<br />
sonst spiele ich<br />
auch noch Bass ;)<br />
Campus<br />
Von Claudia Malecka<br />
Der Gamer<br />
Der 21-jährige WirtschaFtsiNFormatiK-stuDeNt aus brauNschWeig,<br />
stuDiert im 3. semester uND ist gamer.<br />
24<br />
Hast du reale Freunde…?<br />
(lacht) Klar, ich habe echte Freunde.<br />
Es herrscht ja auch das große Vorurteil,<br />
dass Gamer sehr schnell aggressiv werden,<br />
wenn mal etwas nicht so läuft wie<br />
gewollt. Es gibt große Unterschiede zwischen<br />
den Spielern: Die guten Spieler sind<br />
meistens sehr ruhig. Sie wollen sich verbessern,<br />
wenn sie Fehler machen.<br />
Gamern wird ja auch oft unterstellt,<br />
dass sie sehr „nerdig“<br />
sind und auch a lá „Big Bang<br />
Theory“ keinen wirklichen<br />
Kontakt zu Frauen haben.<br />
Mit Frauen hab ich eigentlich<br />
kein Problem. (lacht) Ich hab<br />
auch eine Freundin.<br />
Und sie kommt mit deinem<br />
„Zocken“ zurecht?<br />
Ja, die kommt mit dem Gaming<br />
zurecht.<br />
Möchtest du sonst noch etwas<br />
loswerden?<br />
In Asien und teilweise auch<br />
Amerika wird der E-Sport, <strong>als</strong>o<br />
der Sport des Gamings gegen andere<br />
Spieler, immer größer. Und<br />
es gibt wirklich Leute, die mit<br />
Screens (online Streaming von<br />
Live-Spielen) und Zocken ihr Geld<br />
verdienen. In Asien werden die<br />
Spieler sogar teilweise wie Popstars<br />
behandelt.<br />
Illustrationen: Claudia Malecka
Campus<br />
Der Tänzer<br />
Der 19-jährige KommuNiKatioNsDesigN-„ersti“,<br />
hat NebeN Dem stuDium Noch geNug zeit Für Das taNzeN.<br />
Du bist Tänzer... und man kennt ja das<br />
Vorurteil: Tänzer sind eingebildet. Wie<br />
siehst du das?<br />
Es gibt zwei verschiedene<br />
Arten des<br />
Paartanz: Standard<br />
und Latein.<br />
Bevor<br />
ich zum Studieren<br />
nach<br />
Braunschweig<br />
gekommen bin habe<br />
ich in meiner alten Heimat<br />
fünf Jahre lang beides<br />
getanzt, aber nicht im Turniertanz.<br />
Da ist alles ein bisschen freier<br />
gehalten. Das ändert sich im Turniersport.<br />
Man merkt schon, dass die höherklassigen<br />
Tänzer wirklich etwas von sich halten<br />
und das auch definitiv nach außen zeigen.<br />
Es kommt zwar immer auf die Person an,<br />
aber den Tanzsport würde ich schon <strong>als</strong> eine<br />
der arrogantesten Sportarten sehen, das ist<br />
schon wahr.<br />
Männlichen Tänzern wird auch häufig vorgeworfen,<br />
dass sie sehr weiblich seien. Findest<br />
du das begründet?<br />
Naja es kommt wieder ganz drauf an in welcher<br />
Riege man tanzt. Also im Standard ist es<br />
ja eher so, dass die Männer den Frack tragen<br />
und dementsprechend auch schon männlich<br />
wirken. Im Lateinsport ist es krasser, weil da<br />
die Männer auch keinen Frack mehr anhaben,<br />
sondern wirklich Kostüme mit nem Ausschnitt<br />
bis zum Bauchnabel (lacht), die auch immer<br />
sehr aufreizend sind und dann geht da auch<br />
schonmal die Post ab. Dass die Männer aber<br />
wirklich femininer aussehen, würde ich generell<br />
weder beim Standard noch Latein sagen,<br />
denn man merkt schon, dass sie trotzdem<br />
noch die Männer sind!<br />
Aber Tänzer sind doch schon Schönlinge,<br />
oder?<br />
Das Problem ist, dass du auf dein Äußeres<br />
achten musst. Wenn du in einer Forma-<br />
25<br />
tion tanzt, ist es zum Beispiel so, dass acht<br />
Paare eine Choreografie tanzen und deshalb<br />
alle gleich aussehen! Das heißt, sie haben alle<br />
schwarze Haare und sie haben alle dieselbe<br />
Frisur, dasselbe Kleid und denselben Frack.<br />
Und wenn da mal jemand blond ist, werden<br />
dem die Haare vor dem Auftritt halt schwarz<br />
angemalt, mit Schuhcreme beispielsweise. Die<br />
Frauen werden auch sehr stark geschminkt,<br />
damit die Wertungsrichter, die auf der Tribüne<br />
sitzen, von weitem dieses einheitliche Bild<br />
sehen. Von nahem sieht es vielleicht etwas extrem<br />
aus, aber von weitem hat es eben seine<br />
Wirkung.<br />
Wie viel Zeit hast du denn neben deinem<br />
Studium noch für dein Hobby?<br />
Ich bin offiziell fünf Mal die Woche im<br />
Training: dienstags, mittwochs,<br />
freitags, samstags und<br />
sonntags. Ich muss<br />
eben erstmal die<br />
ganze Technik<br />
verbessern,<br />
zum Beispiel<br />
die<br />
Haltung,<br />
das „durch<br />
die Dame durch<br />
tanzen“, was jetzt für jemanden der das nicht<br />
kennt bestimmt doof klingt. Man lernt das mit<br />
den Energien in deinem Körper. Welche ist die<br />
führende und welche ist die mitlaufende Seite.<br />
Möchtest du sonst noch etwas zum Thema<br />
loswerden?<br />
Es gibt ja auch das Klischee, dass im Tanzsport<br />
viele Homosexuelle aktiv sind. Das ist<br />
zum Beispiel etwas, was ich überhaupt nicht<br />
bestätigen kann. Und für alle Kritiker die immer<br />
denken Tanzen ist kein Sport – glaubt<br />
mir Tanzen ist wirklich ein Sport!<br />
Wenn man nach einer Formation<br />
sechs Minuten lang auf der Fläche<br />
gestanden und abgeschwitzt<br />
hat, dann ist man schon richtig<br />
fertig. #
Campus<br />
Wasser marsch!<br />
vier stuDeNteN Der ostFalia baueN eiNeN bruNNeN iN aFriKa<br />
Von Helmut Krein<br />
Gespannt beobachten eine Handvoll<br />
Einheimischer, wie die<br />
vier deutschen Studenten angestrengt<br />
mit Kabeln und Schläuchen<br />
in der sengenden Hitze herum hantieren.<br />
Plötzlich stoppen sie ihre Arbeit<br />
und blicken konzentriert auf ihre Messinstrumente.<br />
Hier draußen in der afrikanischen<br />
Bilderbuchsavanne sind zu<br />
diesem Zeitpunkt nur noch wenige Geräusche<br />
zu hören, bis plötzlich Euphorie<br />
bei den Studenten ausbricht. Der<br />
Grund: Wasser spritzt in alle Richtungen.<br />
Das kühle Nass nutzen sie prompt<br />
zur Erfrischung. Wer sich umschaut<br />
und die vertrocknete Erde betrachtet,<br />
sieht, welchen hohen Wert Wasser hier<br />
haben muss.<br />
Etwa fünf Monate zuvor stehen dieselben<br />
jungen Männer in der Ostfalia in<br />
Wolfsburg. An der Wand leuchtet eine<br />
Power-Point-Präsentation. Sie sind insgesamt<br />
sechs Studenten unterschiedlicher<br />
Fachrichtungen, die ihr Projekt<br />
"Solarbetriebene Wasserpumpe" vorstellen.<br />
Das gesamte Sommersemester<br />
hatten sie Zeit in dem Wahlpflichtkurs<br />
"Social Innovation", einen Plan zur Umsetzung<br />
einer Tiefbrunnenpumpe zu<br />
entwerfen. In trockener Umgebung,<br />
26<br />
abseits von elektronischen Anschlüssen<br />
eine Wasserversorgung herstellen,<br />
lautet der Arbeitsauftrag. „So etwas<br />
in Deutschland aufzubauen, wäre ein<br />
Leichtes, aber in Afrika herrschen andere<br />
Bedingungen", sagt Manuel Krein,<br />
der das Projekt in Afrika betreut hat.<br />
Eines der weltweit ärmsten Länder ist<br />
das über 7000 Kilometer entfernte Malawi.<br />
Es ist kein zufällig gewählter Ort<br />
für die Durchführung, sondern der Tätigkeitsbereich<br />
des Vereins FACE e. V.<br />
Auf einem kleinen Hügel soll im kommenden<br />
Jahr ein Bildungszentrum entstehen.<br />
Ohne geregelte Wasserversor-<br />
Fotos: privat
gung würde der Bauplan vermutlich<br />
scheitern. Die Entwicklungshilfeorganisation<br />
versucht mit Hilfe theoretischer<br />
und praktischer Vermittlung von Bildung,<br />
mit jungen Malawiern Unternehmensideen<br />
umzusetzen. Ideen gibt es<br />
genauso in Köpfen der Studenten, weswegen<br />
FACE den Wahlpflichtkurs "Social<br />
Innovation" zur Verbesserung und<br />
Unterstützung der Non-Profit-Organisation<br />
ins Leben gerufen hat. Dort arbeiten<br />
Studierende Konzepte im technischen<br />
Bereich oder Marketing aus. "Wir<br />
haben schon viele Projekte umgesetzt,<br />
aber die Installation der Wasserpumpe<br />
ist bisher das aufwändigste", gibt Manuel<br />
Krein zu. Das mag auch mit dem beschwerlichen<br />
Reiseweg zu tun haben.<br />
„Wolfsburg-Malawi hin und zurück<br />
in insgesamt 50 Stunden", erzählt der<br />
Fahrzeugtechnikstudent Daniel Grünwald.<br />
„Bei unserer Ankunft am Flughafen<br />
von Lilongwe haben drei Taschen<br />
gefehlt, die wir erst am nächsten Tag abholen<br />
konnten. In den Taschen befand<br />
sich wichtiges Werkzeug, das wir unbedingt<br />
benötigten. Wenn die Taschen<br />
verschollen gewesen wären, hätten wir<br />
ein riesiges Problem gehabt."<br />
Während die einen in Lilongwe, einer<br />
der größten Städte Malawis, wichtige<br />
Einkäufe erledigten, begutachteten<br />
die anderen das zukünftige Schulgelände,<br />
um den Einbau der Pumpe vorzubereiten.<br />
"Jeder konnte bei diesem Projekt<br />
seine individuellen Stärken einbringen,<br />
wir haben uns sehr gut ergänzt", resümiert<br />
der mitgereiste Student Christian<br />
Langemann. "Erst wurden die Solarpanels<br />
an die Tiefbrunnenpumpe angeschlossen,<br />
was für uns <strong>als</strong> Fahrzeugin-<br />
tüfteln in sengender hitze<br />
Campus<br />
formatikstudenten nicht schwer war.<br />
Jedoch war es sehr heiß – das hat uns<br />
zu schaffen gemacht." Meter für Meter<br />
ließen sie schließlich die Tiefbrunnenpumpe<br />
hinunter. Nach knapp 70 Metern<br />
erreichte die Pumpe dann endlich<br />
den Grundwasserspiegel. Die Sonne<br />
musste lediglich die Fläche eines Parkplatzes<br />
bescheinen, um konstant 25 Liter<br />
Wasser pro Minute an die Oberfläche<br />
zu befördern. "Der Nutzen für alle<br />
Beteiligten liegt klar auf der Hand", sagt<br />
Professor Klaus Harbusch von der Fakultät<br />
Fahrzeugtechnik der Ostfalia. "Ich<br />
freue mich, dass die Studierenden in<br />
den Projekten besondere soziale Kompetenz<br />
zeigen, wenn man bedenkt, dass<br />
die Materialkosten aus Spendengeldern<br />
und die Reisekosten in Privatinitiative<br />
erbracht worden sind. Die vier Studenten<br />
haben dabei gelernt interdisziplinär<br />
zu arbeiten und konnten auch noch interkulturelle<br />
Kompetenz erwerben. Das<br />
Solarpumpen-Projekt hat dank guter<br />
Vorbereitung erstaunlich problemlos<br />
geklappt."<br />
Die malawische Kultur und ihre Landschaft<br />
erlebten die Reisenden auf eine<br />
besondere Weise. Sie waren gleich hautnah<br />
bei einem der seltenen Regenfälle<br />
dabei. "Wir wollten gerade mit einigen<br />
Kindern Fußball spielen, <strong>als</strong> der Regen<br />
uns einen Strich durch die Rechnung<br />
27<br />
gemacht hat. Ich habe in meinem Leben<br />
noch nie so einen Regen gesehen",<br />
schildert Daniel Grünwald das Erlebnis.<br />
Das war nur einer von vielen Eindrücken,<br />
den die Studenten bekamen. Daniel<br />
Grünwald würde in ein paar Jahren<br />
gern wieder zurück kehren, um praktische<br />
Hilfe zu leisten. Auf erfrischendes<br />
Wasser wird er dann wohl nicht verzichten<br />
müssen. #<br />
geschafft – es läuft...
Der trailer zum Film:<br />
→youtu.be/apfNi2oFxtg<br />
Frau Atzmon, wie sind Sie darauf gekommen<br />
„Holocaust light – gibt es nicht!“ zu<br />
drehen?<br />
Sara Atzmon: Die Kunst ist eine besondere<br />
Welt, in der man versucht Gefühle auszudrücken.<br />
Man malt ein Bild, noch ein<br />
Bild und noch ein Bild. Und man wird das<br />
Gefühl nicht los, immer weiter malen zu<br />
müssen. Wissen Sie, ich habe viele Aus-<br />
Campus<br />
„Ich möchte<br />
darüber reden“<br />
eiN gespräch über Das eriNNerN aN DeN holocaust uND Filme über opFer<br />
von Kevin Neu<br />
stellungen von großen Malern, wie Goya<br />
oder Van Gogh gesehen und sie alle suchen<br />
nach einem Weg sich auszudrücken.<br />
Ich versuche den Schmerz auszudrücken, habe<br />
es mit Skulpturen versucht, mit Videoart und<br />
auch ein Buch habe ich geschrieben. Dann<br />
kam ich auf die Idee, dass man den Schmerz<br />
am besten vermitteln kann, wenn man etwas<br />
sehen und hören kann.<br />
28<br />
Wie sind Sie zum Militär gekommen?<br />
Sara Atzmon: In Israel ist der Militärdienst<br />
für Männer wie für Frauen Pflicht, für die<br />
Frauen zwei und die Männer drei Jahre. Das<br />
Militär in Israel wurde 1948 aufgebaut und<br />
drei Jahre später war ich an der Reihe. Es gab<br />
dam<strong>als</strong> nicht viele andere Möglichkeiten, Geld<br />
zu verdienen. Nach den zwei Jahren Pflichtdienst<br />
bin ich in die Reserve gegangen.<br />
Fotos: Hajotthu, Filmfest Braunschweig
Was war das erste Motiv, mit dem Sie versucht<br />
haben, Ihre Erfahrungen im Holocaust<br />
zu verarbeiten?<br />
Sara Atzmon: Die roten Schuhe. (Sara Atzmon<br />
musste in Bergen-Belsen monatelang mit einem<br />
roten und einem schwarzen Damenschuh<br />
herum laufen, worunter sie noch heute körperlich<br />
leidet). Ich wollte sie zunächst auf die<br />
Leinwand kleben, weil ich dam<strong>als</strong> noch nicht<br />
richtig malen konnte und habe dann sehr viel<br />
Gefühl in dieses Bild gesteckt. Letztlich haben<br />
die Leute es allerdings nicht verstanden. Ich<br />
war dam<strong>als</strong> enttäuscht. Und dann habe ich<br />
den toten Tag gemalt. Ich habe immer gesagt:<br />
Das sind Treppen. Man geht immer höher.<br />
Und je höher man steigt, umso mehr stirbt<br />
man. Das war 1988. Da haben die Leute verstanden,<br />
was ich ausdrücken will. Und so ging<br />
es immer weiter.<br />
Was halten Sie von Filmen wie „Das Leben<br />
ist schön“ oder „Der große Diktator“? Darf<br />
man den Holocaust mit Humor filmisch<br />
verarbeiten?<br />
Sara Atzmon: „Das Leben ist schön“ ist ein<br />
wunderbarer Film, vor allem, weil er von vielen<br />
jungen Menschen gesehen wurde. Zwar<br />
hat er nicht viel vom Holocaust gezeigt - er<br />
hat sozusagen einen leichten Holocaust dargestellt,<br />
aber der Film ist wunderschön. Und ob<br />
man über den Holocaust lachen kann? Man<br />
darf auch über den Holocaust lachen. Ja. Man<br />
muss es jedenfalls versuchen.<br />
Frau Rothin, was wollen Sie, <strong>als</strong> Regisseurin<br />
mit dem Film „Holocaust light – gibt es<br />
nicht!“ erreichen?<br />
Ilona Rothin: Das ist nicht in ein, zwei Sätzen<br />
gesagt. Für mich tun sich die Deutschen<br />
schwer damit, die Realität anzuerkennen.<br />
Sie wollen das Thema Holocaust nicht hören.<br />
Günther Grass hat beispielsweise gesagt, seine<br />
ganze Bücherwand sei voller Schande. Der<br />
Schande, die Deutschland zu verantworten<br />
hat. Aber es berührt ihn nicht. Er sagt, dass<br />
er in der SS war und erklärt es damit, dass<br />
alle in der SS waren. Immer die Entschuldigungen.<br />
Nie eine echte Empathie für die Opfer.<br />
Und an dieser Stelle überspitze ich bewusst in<br />
meinem Film. Wir haben bewusst nur die gezeigt,<br />
die sagen: Holocaust? - Kenne ich nicht.<br />
Oder damit haben wir nichts mehr zu tun.<br />
Keine dieser Aussagen vor der Kamera sollte<br />
man so hinnehmen. Man kann sich nicht <strong>als</strong><br />
Campus<br />
Jugendliche mit mittlerer Reife hinstellen, Erzieherin<br />
werden wollen und dann nicht wissen,<br />
was der Holocaust war und wann der<br />
zweite Weltkrieg endete. So jemand bildet<br />
vielleicht irgendwann unsere Kinder aus!<br />
Was haben Sie aus den Dreharbeiten für<br />
sich gelernt?<br />
Ilona Rothin: Sara hat einmal zu mir gesagt,<br />
dass sie dam<strong>als</strong> immer in die Augen der Leute<br />
in den Fenstern sah und nach einem Gefühl<br />
gesucht hat. Und nichts darin gesehen hat.<br />
Was ich während der Realisation des Films gemerkt<br />
habe, ist, dass es eine Unfähigkeit der<br />
Leute gibt, mit Zeitzeugen umzugehen. Das ist<br />
so ein singuläres Ereignis unserer Geschichte,<br />
dass man sich von der Täterrolle entfernen<br />
und den Opfern zuwenden sollte. Die Opferrolle<br />
ist in den deutschen Medien aber nicht<br />
gefragt. Es war sehr schwer, Produzenten für<br />
Holocaust light zu finden. Dafür sieht man<br />
in der ARD um 20:15 Uhr einen teuer finanzierten<br />
Film über Rommel. Dokumentationen<br />
über Hitlers Frau, seinen Friseur. Jeden Monat<br />
findet man ein Magazin, dass das Thema<br />
bedient. Das finde ich nicht gerecht. Es sollte<br />
mehr Platz für die Opferperspektive geben. Es<br />
gibt so viele unerzählte Geschichten.<br />
Sara Atzmon: Jeder bräuchte zehn Filme. Im<br />
Die Malerin Sara Gottdiener<br />
Atzmon überlebte den Holocaust<br />
und beschreibt in ihren Bildern<br />
die Erfahrungen in Bergen-Belsen,<br />
Auschwitz und Strasshof. Heute<br />
lebt die 79-Jährige in Israel.<br />
29<br />
Juni für zehn Tage in einem Waggon eingeschlossen<br />
zu sein – das kann man sich überhaupt<br />
nicht vorstellen. Was ein Kind in dieser<br />
Situation denkt. Was ein Erwachsener denkt.<br />
Das sind ganze Filme.<br />
Was denken Sie, warum dieses faschistische<br />
System gerade in Deutschland funktioniert<br />
hat?<br />
Sara Atzmon: Wegen der Disziplin der Deutschen.<br />
Disziplin kann auch etwas Gutes sein.<br />
Deshalb ist Deutschland heute, wo es ist. Einer<br />
sagt, wie etwas funktionieren soll und alle<br />
ziehen an einem Strang. Aber das darf nur bis<br />
zu einer bestimmten Grenze funktionieren. Irgendwann<br />
muss man sagen – bis hierhin und<br />
nicht weiter.<br />
Wenn jeder in Deutschland Sie hören könnte<br />
– was würden Sie sagen?<br />
Sara Atzmon: Dass die Menschen so etwas nie<br />
wieder vorkommen lassen dürfen. Die Menschenrechte<br />
sollten immer geachtet werden<br />
und selbst, wenn man im Kleinen diese Rechte<br />
verletzt, muss etwas getan werden.<br />
Und, dass man über den Holocaust reden<br />
sollte, denn nur dann kann man daraus<br />
etwas lernen. Das ist alles was ich möchte –<br />
darüber reden. #<br />
Die Regisseurin Ilona Rothin<br />
hat zusammen mit Atzmon den<br />
Dokumentarfilm „Holocaust light<br />
– gibt es nicht!“ gedreht. Er feierte<br />
auf dem Internationalen Filmfest<br />
Braunschweig seine Weltpremiere.
Sex,<br />
Drugs &<br />
Storytelling<br />
Dr. aNNeKatriN bocK über<br />
us-ameriKaNische FerNsehserieN,<br />
raubKopierer<br />
uND zuKüNFtige treNDs.<br />
Dazu gibt es aKtuelle<br />
QuoteNhits im<br />
experteNchecK.<br />
Von Holger Isermann<br />
Kann man Fernsehserien<br />
erforschen ohne Serienjunkie<br />
zu sein?<br />
Man muss seinen Gegenstand<br />
genau kennen, um ihn untersuchen zu können.<br />
Dementsprechend habe ich vermutlich mehr<br />
Serien gesehen <strong>als</strong> Sie und Ihre Redaktion zusammen.<br />
Aber genau wie eine Biotechnologin<br />
nicht ihre Proben im eigenen Bett züchtet, verbringe<br />
ich nicht meine gesamte Freizeit vor der<br />
Flimmerkiste. Seriöse Forschung braucht auch<br />
eine gewisse Distanz zu Ihrem Gegenstand.<br />
Woher kommt überhaupt der Suchtfaktor<br />
von Fernsehserien?<br />
Serielles Erzählen ist Teil unserer Kultur und<br />
unseres Alltags. Moderne Fernsehserien spinnen<br />
ihre Handlungsstränge von Episode zu<br />
game oF throNes<br />
Worum geht’s? Game of Thrones erzählt<br />
die Geschichte von rivalisierenden<br />
Adelsfamilien, die jeweils den Eisernen<br />
Thron von Westeros gewinnen wollen,<br />
um über die dortigen sieben Königreiche<br />
zu herrschen.<br />
Worum geht’s wirklich? Intrigen,<br />
Menschliche Abgründe und Sex<br />
Für … Rollenspieler, Fantasy-Liebhaber<br />
und alle, die Herr der Ringe <strong>als</strong> ‚zu<br />
knapp erzählt‘ empfinden.<br />
Wissenschaft<br />
Episode fort. Wir Zuschauer wollen daher<br />
wissen, was <strong>als</strong> nächstes geschieht, und schalten<br />
immer wieder ein. Ich würde behaupten,<br />
wenn ein Rezipient das Serienthema und die<br />
Figuren halbwegs sympathisch findet und fünf<br />
Folgen am Stück schaut, will er wissen, wie die<br />
Geschichte ausgeht.<br />
Warum kommen die meisten Serien eigentlich<br />
aus den USA?<br />
Die Ausstrahlung von US-amerikanischen Serien<br />
im deutschen Fernsehprogramm hat eine<br />
lange Tradition. Für Eigenproduktionen fehlten<br />
den deutschen Sendern zu Beginn ohne-<br />
soNs oF aNarchy<br />
Worum geht’s? Eine Rockerbande in den<br />
USA kämpft ums eigene Bestehen. Dabei<br />
gibt’s Unstimmigkeiten zwischen<br />
dem Bandenchef Clay Morrow und seinem<br />
Stiefsohn Jax Teller.<br />
Worum geht’s wirklich? Zehn Minuten<br />
Schießerei auf zwanzig Meter Entfernung<br />
und keiner stirbt. Wann nimmt<br />
das endlich ein Ende?<br />
Für … Lederjackenträger, ‚echte Männer‘<br />
und Möchtegern-Motorradrocker.<br />
30<br />
hin meist die Ressourcen. So wurden vor allem<br />
US-amerikanische Serien eingekauft und erste<br />
wiederkehrende Programmplätze geschaffen.<br />
Dadurch verfestigen sich auch Rezeptionsmuster.<br />
Wir sind gewöhnt an das Sehen<br />
von US-amerikanischen Städten, Schauspielern<br />
und Gesellschaftsthemen, ohne das weiter zu<br />
hinterfragen.<br />
Ist es noch zeitgemäß, dass amerikanische<br />
Serien in Deutschland erst Jahre später auf<br />
den Markt kommen? Werden die Fans damit<br />
nicht zum Raubkopieren genötigt?<br />
Genau genommen schaffen es Serien, die in<br />
spartacus<br />
Worum geht’s? Spartacus erzählt mehr<br />
oder weniger historisch inspiriert den<br />
Ausbruch römischer Sklaven aus einer<br />
Gladiatorenschule in Capua.<br />
Worum geht’s wirklich? Blutiges Gemetzel<br />
abgelöst von Orgien und zahllosen<br />
Sexszenen wird leidlich unterbrochen<br />
durch Ränkespiele und Intrigen der römischen<br />
‚High Society‘.<br />
Für … Metzger, Pumper und Historiker<br />
mit dem Schwerpunkt röm. Antike.<br />
Fotos: HBO, Showtime Networks Inc., Holger Isermann
den USA laufen, manchmal gar nicht bei uns<br />
ins Fernsehprogramm. Das liegt unter anderem<br />
daran, dass Serien in Deutschland immer<br />
noch in Paketen eingekauft und synchronisiert<br />
werden. Die deutschen Vermarkter wägen <strong>als</strong>o<br />
ab, welche Serie kommerziell vielversprechend<br />
laufen wird, bevor sie das Geld für die Synchronisation<br />
in die Hand nehmen. Wenn man <strong>als</strong><br />
Fan ein alternatives Serienangebot will und<br />
dabei nicht „ewig“ auf die Ausstrahlung warten<br />
möchte, gibt es derzeit leider kaum legale<br />
Wege.<br />
Gäbe es denn die Bereitschaft für hochwertige<br />
Serien zu bezahlen?<br />
Die Vermarkter müssen das richtige Gleichgewicht<br />
finden zwischen der Lust der Rezipienten<br />
nach neuer Serienkost, der Angst vor Strafen<br />
nach illegalem Download und der Unlust zu<br />
viel für das serielle Vergnügen zahlen zu müssen.<br />
Dann kann man auch jenseits des klassischen<br />
Bezahlmodells durch Werbung im Fernsehen,<br />
Geld mit Serien online machen.<br />
Dexter<br />
Worum geht’s? Der Blutspritzeranalyst<br />
Dexter Morgan verdingt sich nachts<br />
<strong>als</strong> Serienkiller mordender Serienkiller<br />
und versucht ein äußerlich normales<br />
Leben zu führen.<br />
Worum geht’s wirklich? Endlich mal einen<br />
bösen Charakter <strong>als</strong> Hauptfigur zu<br />
zeigen, aber ‚das Böse‘ <strong>als</strong> ‚gesellschaftlich<br />
Gutes‘ zu rechtfertigen.<br />
Für … Soziopathen, Lab-Geeks und Menschen,<br />
die zu inneren Monologen neigen.<br />
Wissenschaft<br />
Was bedeutet das aber nun für eine Fernsehserienindustrie,<br />
die sich zu großen Teilen<br />
über Werbeeinnahmen finanziert?<br />
Finanzierung von Serien durch „klassische“<br />
Fernsehwerbung wird in Zukunft in ihrer jetzigen<br />
Form nicht ausreichen, um die Serienproduktion<br />
weiter zu finanzieren. Was daran<br />
liegt, dass Serienzuschauer zunehmend<br />
das Fernsehen <strong>als</strong> Rezeptionsmedium meiden<br />
und Werbetreibende weniger für Werbespots<br />
im Fernsehen bezahlen werden. Eine Möglichkeit<br />
dem zu begegnen wäre, die Kosten für die<br />
Produktion serieller Formate zu senken, indem<br />
man lediglich billig produziertes Programm,<br />
wie beispielsweise Reality-TV Formate, liefert.<br />
Eine logischere Alternative – angesichts<br />
des regen Interesses an Serien und der Einnahmen,<br />
die sich derzeit mit DVD- und Merchandise-Verkäufen<br />
zu Serien erzielen lassen<br />
– wären Vermarktungsstrategien, die insbesondere<br />
die online-affinen Serienrezipienten<br />
besser ansprechen.<br />
Game of Thrones gilt <strong>als</strong> eine solche qualitativ<br />
hochwertige Serie, die so auch im<br />
Kino laufen könnte. Werden Serien immer<br />
professioneller?<br />
Allein die Tatsache, dass durch technische Innovationen<br />
die Produktion von Serien immer<br />
„leichter von der Hand geht“, macht ganz andere<br />
Formate und Inhalte möglich <strong>als</strong> noch vor<br />
20 Jahren. Neben solchen technischen Aspekten<br />
der Herstellung spielen aber auch gesellschaftliche<br />
Wandlungsprozesse eine Rolle. Früher<br />
galten Serien in Deutschland <strong>als</strong> „billige<br />
Popkultur“. Das „Produkt Serie“ sollte so solide<br />
gemacht sein, dass es viele Zuschauer erreicht<br />
und damit hohe Werbeminutenpreise einspielt.<br />
Heute sind Serien zwar auch noch Waren. Die<br />
true blooD<br />
Worum geht’s? Vampire, die seit Jahrhunderten<br />
getarnt unter den Menschen<br />
leben, wagen sich nun an die<br />
Öffentlichkeit und möchten ein Teil<br />
der Gesellschaft werden. Dabei gibt es<br />
Skeptiker und Befürworter dieses ‚outing<br />
Prozesses‘.<br />
Worum geht’s wirklich?<br />
Sex, Sex, Drogen, Gewalt und Sex<br />
Für … Vampir-Seriengucker und alle,<br />
die Twilight viiiel zu spießig fanden.<br />
31<br />
Dr. Annekatrin Bock<br />
hat über die Produktion,<br />
Vermarktung und Rezeption<br />
von Fernsehserien promoviert.<br />
Die Medienwissenschaftlerin<br />
lehrt und forscht am Institut für<br />
Sozialwissenschaften der TU.<br />
Produzenten und Vermarkter haben aber verstanden,<br />
dass sie das verwöhnte Publikum mit<br />
neuen Ideen und innovativen Serienkonzepten<br />
begeistern müssen, um weiterhin ihre Produkte<br />
absetzen zu können.<br />
Wo geht die Entwicklung hin?<br />
Formal wird sich noch einiges tun. Die Online-<br />
Rezeption von Serien wird deutlich ansteigen.<br />
IP-TV und Web-TV sind mittlerweile sowohl<br />
technisch <strong>als</strong> auch finanziell für eine große<br />
Gruppe von Zuschauern nutzbar.<br />
Inhaltlich kann man das Rad nicht wirklich<br />
neu erfinden. Tabubrüche lassen sich nur begrenzt<br />
weitertreiben. So werden wir auch in<br />
Zukunft immer wieder zwischenmenschliche<br />
Beziehungen und Themen wie Liebe, Neid,<br />
Hass, Gier und Angst in immer neuen Konstellationen<br />
und an immer neuen Handlungsorten<br />
präsentiert bekommen. #<br />
the WalKiNg DeaD<br />
Worum geht’s? Der Polizist Rick Grimes<br />
erwacht aus dem Koma. Während er<br />
schlief, haben Zombies den Großteil<br />
der Menschheit ausgerottet.<br />
Worum geht’s wirklich? The Walking<br />
Dead ist eigentlich eine (schlecht erzählte)<br />
Soap, in der die Zombies <strong>als</strong><br />
nervig sabbernde und eklig knabbernde<br />
Actionelemente fungieren.<br />
Für … Untote, Zombiefilm-Gucker und<br />
Menschen mit Ekel erprobtem Magen.
Maschinenbau<br />
am NFF reicheN sich WisseNschaFt uND WirtschaFt Die haND<br />
uND ForscheN gemeiNsam aN Der mobilität Der zuKuNFt<br />
Von Holger Isermann & Janina Kremkow<br />
Wissenschaft<br />
„Ein echtes<br />
Dreamteam“<br />
Spezial<br />
Die Region Braunschweig steht<br />
vor allem für das Thema Mobilität<br />
und spätestens seit dem Wissenschaftsjahr<br />
2007 auch für eine hohe<br />
Forschungsdichte, die nach einer etwas<br />
in die Jahre gekommenen EU-Studie sogar<br />
Europaweit spitze ist. In diese Rahmendaten<br />
lässt sich auch die Gründung<br />
des Niedersächsischen Forschungszentrums<br />
Fahrzeugtechnik (NFF) einordnen.<br />
Unter anderem mit Unterstützung der<br />
Niedersächsischen Landesregierung und<br />
zukunftsvision: so soll das NFF einmal aussehen …<br />
der Volkswagen AG hat die TU Braunschweig<br />
das NFF bereits 2007 ins Leben<br />
gerufen und ihm zwei Jahre später das<br />
erste Zuhause auf dem MobileLife-Campus<br />
in Wolfsburg geschenkt – das Ziel:<br />
internationale Spitzenforschung rund<br />
um das Thema Mobilität in der Region<br />
etablieren und vorantreiben. Aktuell<br />
wird am Braunschweiger Forschungsflughafen<br />
deshalb der zweite Standort<br />
für 60 Millionen Euro gebaut. Neben sieben<br />
Instituten wird das Gebäude auch<br />
32<br />
eine Bibliothek und mehrere Prüfstände<br />
sowie Hörsäle enthalten. Wie wichtig<br />
das Thema allen Beteiligten ist, zeigen<br />
nicht nur die Investitionssumme, sondern<br />
auch die Prominenz und beschworenen<br />
Superlativen bei der Grundsteinlegung<br />
am 20. September: Vor den Augen<br />
von Wissenschaftsministerin Johanna<br />
Wanka und dem VW-Aufsichtsratsvorsitzenden<br />
Ferdinand Piëch betont<br />
Ministerpräsident McAllister in seiner<br />
Festrede die drei großen „I“, mit denen
Fotos: NFF/Christian Bierwagen, NFF<br />
er Niedersachsen gewappnet für die Zukunft<br />
sieht: Industrie, Infrastruktur und<br />
Innovation. Winterkorn sieht ein „echtes<br />
Dreamteam“ am „Auto der Zukunft“<br />
arbeiten und Braunschweigs Oberbürgermeister<br />
bezeichnet das, was am Forschungsflughafen<br />
in Gang gesetzt worden<br />
sei <strong>als</strong> „Weltspitze“. „Ein toller Tag<br />
für Braunschweig und die Region“, findet<br />
TU-Präsident Hesselbach, der sich<br />
wie die anderen Redner ein Jahr zuvor<br />
mächtig über das Ausscheiden des nie-<br />
Wissenschaft<br />
dersächsischen „Clusters Mobility“ im<br />
Wettbewerb des Bundesministeriums<br />
für Bildung und Forschung (BMBF) geärgert<br />
haben dürfte. Das NFF war dam<strong>als</strong><br />
ebenfalls engagiert. studi38 hat<br />
den Mobilitätsforschern schon vor<br />
der Einweihung des neuen Gebäudes<br />
über die Schultern geschaut und<br />
stellt einige Forschungsprojekte vor.<br />
Dazu haben wir uns auf dem Campus<br />
umgehört und Studierende gefragt,<br />
was sie vom Neubau halten …<br />
33<br />
gemeinsam mit (v. l.)<br />
tu-präsident prof. jürgen<br />
hesselbach, ministerpräsident<br />
David mcallister, vW-vorstandsvorsitzendem<br />
martin Winterkorn<br />
und vW-aufsichtsratsvorsitzendem<br />
Ferdinand piech legte oberbürgermeister<br />
gert hoffmann (r.) am 20.<br />
september den grundstein für das<br />
Niedersächsische Forschungs-<br />
zentrum für Fahrzeugtechnik<br />
(NFF).
Fleets Go Green –<br />
Elektrofahrzeuge auf<br />
dem Prüfstand<br />
Im Verbund mit der TU Braunschweig,<br />
dem Frauenhofer IFAM<br />
Bremen, der Volkswagen AG und<br />
BS Energie sowie anderen Partnern<br />
untersucht das NFF mit dem Fleets<br />
Go Green-Projekt seit 2012 die Umwelteffizienz<br />
von E- und Plug-In-<br />
Hybridfahrzeugen im Alltag. Im<br />
Flottenbetrieb kann durch Feldversuche<br />
das Potenzial von E-Fahrzeugen,<br />
<strong>als</strong>o das Zusammenwirken von<br />
Energieressourcenverbrauch und<br />
Schadstoffausstoß analysiert werden.<br />
Bis Sommer 2013 sollen 25 bis<br />
50 solcher Autos bereitgestellt werden.<br />
„Durch das Projekt werden die<br />
idealen Voraussetzungen geschaffen,<br />
um die Potenziale der<br />
Elektromobilität zu entwickeln, in<br />
der Praxis zu testen und der breiten<br />
Öffentlichkeit nahe zu bringen<br />
[…]“, stellt Gerold Leppa, Geschäftsführer<br />
der Metropolregion GmbH,<br />
fest.<br />
Wissenschaft<br />
KOLINE –<br />
taktisch durch<br />
den Verkehr<br />
Ziel des KOLINE-Projekts ist es,<br />
durch verbesserte Koordinierung<br />
von Fahrzeugsteuerungen einen<br />
gleichmäßigeren Verkehrsfluss zu<br />
erlangen. Durch die Verringerung<br />
von Fahrzeugstopps an Ampelanlagen<br />
können Kraftstoffverbrauch<br />
und Emissionen im Verkehr reduziert<br />
und zusätzlich eine höhere<br />
Leistungsfähigkeit des Autos und<br />
mehr Fahrkomfort erzeugt werden.<br />
Der Ansatz verspricht durch die sogenannte<br />
Car-2-Infrastructure (C2I)-<br />
Kommunikation eine gegenseitige<br />
Optimierung der Lichtsign<strong>als</strong>teuerung<br />
und des Fahrverlaufs. Hierbei<br />
werden zwischen Lichtsignalanlage<br />
und Fahrzeug kontinuierlich Daten<br />
ausgetauscht, um eine verbesserte<br />
Verkehrssituationen sowie eine höhere<br />
Sicherheit zu ermöglichen.<br />
34<br />
Battery LabFactory<br />
Braunschweig –<br />
Innovation Energiezelle<br />
Die Battery LabFactory Braunschweig<br />
beschäftigt sich mit der<br />
Produktionstechnik von Traktionsbatterien<br />
über die gesamte Fertigungskette<br />
von der Planung bis zur<br />
Herstellung. Im Auge der Untersuchungen<br />
stehen die Auswirkungen<br />
von alternativen Materialien sowie<br />
Fertigungsverfahren auf das Potenzial<br />
der Batteriezellen. Dieses Forschungskonzept<br />
ist bisher einmalig<br />
an deutschen Universitäten. Langfristiges<br />
Ziel der Battery LabFactory<br />
ist eine Steigerung der Leistungsfähigkeit<br />
von Transaktionsbatterien<br />
in punkto Energie, Qualität und Sicherheit<br />
sowie ihre Weiterentwicklung<br />
für den Einsatz in mobilen<br />
Anwendungen..<br />
Fotos: Holger Isermann, Nuon Deutschland, AndyArmstrong, NFF
Wissenschaft<br />
Der NFF-Neubau – das<br />
sagen die Studierenden<br />
„Für mich persönlich <strong>als</strong> Studentin bietet sich eine Möglichkeit zur Bewerbung. Man wird<br />
dann aufgenommen und hat später die Möglichkeit in wissenschaftlichen Forschungsprojekten<br />
mitzuarbeiten. Möglicherweise sind hier auch diverse Angebote für Masterarbeiten<br />
gebündelt vorhanden. Für die Prüfstände werden sicher auch Hiwis benötigt, das verspricht<br />
neue Nebenjobangebote.“<br />
Birte, Studentin Wirtschaftsingenieurwesen / Maschinenbau<br />
„Der Neubau des Niedersächsischen Forschungszentrums Fahrzeugtechnik ist eine gute Idee,<br />
um die TU noch mehr mit der Industrie zu verknüpfen. Der neue Ausbau bietet generell<br />
mehr Platz und sehr gute Versuchsmöglichkeiten durch evtl. vorhandene D-Fläche. Wir zählen<br />
darauf, dass wir später <strong>als</strong> Ausstudierte durch den Bau bessere Arbeitschancen haben.“<br />
Alex, Student Fahrzeugtechnik<br />
35<br />
Maschinenbau<br />
Spezial<br />
Bis 2014 soll der zweite Standort des Niedersächsischen Forschungszentrums Fahrzeugtechnik der TU Braunschweig<br />
am Braunschweiger Forschungsflughafen fertig gestellt sein. Doch was sagen eigentlich die Studierenden über den<br />
geplanten Neubau. studi38 hat sich auf dem Campus umgehört …<br />
„Viele der beteiligten Institute sind inzwischen an Ihren räumlichen Kapazitätsgrenzen<br />
angekommen. Das Niedersächsische Forschungszentrum Fahrzeugtechnik bietet hier durch<br />
die neuen Räumlichkeiten Abhilfe. Dazu kommt die Möglichkeit der verbesserten Zusammenarbeit<br />
zwischen den Instituten. Für Studenten wird das NFF neue Gelegenheiten für<br />
Hiwi-Jobs, Studien-, Projekt-, Abschluss- und Promotionsarbeiten bieten. Nachteilig sind<br />
hier jedoch, die große Entfernung zwischen dem Hauptcampus und dem NFF sowie die<br />
schlechte Busanbindung. Hier muss dringend vor dem Umzug der Institute Abhilfe geschaffen<br />
werden. Vergleichbare Projekte, wie das Produktionstechnische Zentrum Hannover,<br />
sind ein großer Erfolg!“<br />
Michele, Hiwi am Institut für Verbrennungskraftmaschinen<br />
„Das Niedersächsische Forschungszentrum<br />
Fahrzeugtechnik ist ein riesiger<br />
Gewinn für die Uni und die Kooperation<br />
mit der Fahrzeugindustrie. Allerdings<br />
hoffe ich, dass sich die öffentlichen<br />
Verkehrsbetriebe darauf einstellen,<br />
dass vermehrt Studenten zum Flughafen<br />
müssen.“<br />
Michael, Student Kraftfahrzeugtechnik
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Hochschulbund e.V.<br />
Geysostraße 7, 38106 Braunschweig<br />
Telefon: 0531 – 391 4570<br />
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Kolumne<br />
Prof. Reza Asghari<br />
gibt an dieser Stelle<br />
Einblicke in die Welt<br />
des Entrepreneurships.<br />
In dieser <strong>Ausgabe</strong><br />
erklärt er die Ziele einer<br />
Entrepreneurial University<br />
am Beispiel der TU und der<br />
Ostfalia.<br />
Seit den 90er Jahren des letzten<br />
Jahrhunderts vollzieht sich die<br />
Mutation der Industriegesellschaft<br />
zur Wissensgesellschaft, die<br />
von einem Prozess der permanenten<br />
Wissensintensivierung der Produktions-<br />
und Leistungsprozesse begleitet<br />
wird. Nicht zuletzt durch die IuK-Revolution<br />
konnte das Wissen zum entscheidenden<br />
Bestimmungsfaktor des<br />
weltweiten Wettbewerbs avancieren.<br />
Das Hochschulsystem wird in der Wissensgesellschaft<br />
zu einem zentralen<br />
Steuerungsinstrument, welches den anderen<br />
Institutionen der Politik, Wirtschaft<br />
und Gesellschaft <strong>als</strong> Impulsgeber<br />
und Dienstleister Entfaltungsoptio-<br />
Wir sind weltweit die die Nr. 1 unter den<br />
unabhängigen Engineering-Unternehmen<br />
und entwickeln die Produkte und Anlagen<br />
der Zukunft. Für die Automobilindustrie<br />
und darüber hinaus.<br />
Entrepreneurial<br />
University<br />
nen öffnet. Die Wettbewerbsfähigkeit<br />
moderner Volkswirtschaften hängt<br />
im zunehmenden Maße vom Interaktionserfolg<br />
des Hochschul- und Wirtschaftssystems<br />
ab. Je intensiver die Wissensproduktion<br />
in den Hochschulen<br />
der Entstehung neuer innovativer Güter<br />
und Dienstleistungen dient, umso<br />
größer sind die Wohlfahrtseffekte wissenschaftlicher<br />
Leistung. Die Initiative<br />
der Bundesregierung EXIST-IV „Gründerhochschule“<br />
dient dazu, eine Brücke<br />
zwischen Wissenschaft und Wirtschaft<br />
zu schlagen und den Standort<br />
Deutschland zu stärken. Das Ziel einer<br />
Entrepreneurial University ist, die Forschungsergebnisse<br />
systematisch durch<br />
Ausgründungen in die Wirtschaft zu<br />
transferieren. Sie ist die Antwort auf<br />
die gestiegenen sozio-ökonomischen<br />
Anforderungen des Wissenschaftssystems.<br />
Im Rahmen des Förderwettbe-<br />
MEIN WEG: EINMALIG<br />
Als Top Arbeitgeber in der Region suchen<br />
wir Mitarbeiter (m/w) in den Bereichen:<br />
� Fahrzeugentwicklung<br />
� CAE (technische Berechnung), Versuch<br />
� Elektrik/Elektronik<br />
� Produktbewährung und Dokumentation<br />
� Prozessmanagement<br />
werbs „Gründerhochschule“ konnten<br />
sich die TU Braunschweig und die Ostfalia<br />
Hochschule <strong>als</strong> eine der zehn Exzellenzhochschulen<br />
Deutschlands behaupten.<br />
Durch ein ganzheitliches Konzept,<br />
das verschiedene Ebenen der Lehre, Forschung<br />
und der operativen Gründungsförderung<br />
miteinander verbindet, soll<br />
die Zahl der innovativen Startups in den<br />
nächsten vier Jahren deutlich steigen.<br />
Inkubatoren an beiden Hochschulen ermöglichen,<br />
dass die Gründer mietfreie<br />
Büroräume und maßgeschneiderte Unterstützung<br />
erhalten. Zugleich werden<br />
neue Finanzressourcen erschlossen. Bereits<br />
im Dezember 2012 wurde eine Kooperation<br />
mit dem Hightechgründerfonds<br />
Deutschland unterzeichnet, um<br />
den Zugang der Gründer beider Hochschulen<br />
zum Risikokapital erheblich zu<br />
erleichtern. Mehr Informationen unter:<br />
→www.entrepreneurship-center.de<br />
Kontakt:<br />
EDAG GmbH & Co. KGaA<br />
Schweriner Straße 4<br />
38444 Wolfsburg<br />
Frau Jennifer Wunschik<br />
Tel. +49 5361 799-121<br />
Bitte bewerben Sie sich über<br />
unser Bewerberportal unter:<br />
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Interessiert?<br />
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Buckeln<br />
statt büffeln!<br />
über NebeNjobs mit KörpereiNsatz<br />
Sie sind jung und brauchen das Geld: Zwei von drei Studierenden arbeiten neben dem Studium. Knapp 67 Prozent<br />
nutzen dabei den Job auch <strong>als</strong> praktische Ergänzung zu ihrem Studienbereich. Aber nicht für jeden ist ein<br />
Nebenjob in seiner Fachrichtung die richtige Alternative. Zahlreiche andere Motive können hinter der Entscheidung<br />
stecken. Ganz oben auf der Liste steht natürlich das Geldverdienen, denn für ungefähr 32 Prozent der Studierenden<br />
ist der Job eine wichtige Einnahmequelle für ihren Lebensunterhalt. Doch auch soziales Engagement, Spaß und ein<br />
körperlicher Ausgleich zum Studium können ausschlaggebend für die Wahl sein. studi38 hat sich auf dem Campus<br />
umgehört und stellt euch Nebenjobs vor, die wenig mit Hörsälen und rauchenden Köpfen zu tun haben.<br />
Von Desiree Schober, Elena Schade & Lisa Habelt
Fotos: Florian Koch, Privat<br />
outDoor aDveNture iNstructor<br />
Name: Marian<br />
Alter: 22<br />
Universität: TU Braunschweig<br />
Studiengang: Musik und Germanistik<br />
Karriere<br />
Wie genau würdest du deine Nebentätigkeit beschreiben?<br />
Ich arbeite in den Semesterferien in Norwegen <strong>als</strong> Kletter- und vor allem Rafting Guide für Touristen<br />
,Firmen oder Schulklassen. Meine Arbeit findet hauptsächlich draußen statt und ich betreue<br />
die Gruppen zum Beispiel beim Wildwasserfahren auf echten Flüssen. Rafting ist eine extreme<br />
Wassersportart, bei der mit einem Schlauchboot ein wildes Gewässer befahren wird. Das<br />
„Raft“ ist dabei zeitweise starken Stromschnellen ausgesetzt und sorgt dadurch für einen ziemlichen<br />
„Kick“. Früher gab es dabei nicht selten Unfälle, mittlerweile sind die Sicherheitsmaßnahmen<br />
aber so weit entwickelt, dass Rafting ein verhältnismäßig sicheres Vergnügen geworden ist.<br />
Was gefällt dir besonders an deinem Nebenjob?<br />
Natürlich macht es mir in erster Linie unglaublich viel Spaß. Es fährt aber auch immer ein gewisser<br />
Nervenkitzel mit, schon allein durch die große Verantwortung für bis zu 7 Personen pro<br />
Boot, die ich sicher wieder an Land bringen muss. Genau dieser Nervenkitzel macht für mich<br />
den besonderen Reiz aus.<br />
Inwiefern bietet dir deine Nebentätigkeit einen Ausgleich zum Unialltag?<br />
Mein Nebenjob ist das <strong>komplett</strong>e Gegenteil zum Studium. Während des Semesters arbeitet man<br />
die meiste Zeit geistig, sitzt dauernd nur, schläft und trinkt viel. Beim Rafting hingegen bin ich<br />
draußen an der frischen Luft, den ganzen Tag auf Achse und betätige mich die<br />
meiste Zeit körperlich. Da mein Nebenjob viel Zeit in Anspruch nimmt und<br />
ich dafür nach Norwegen reise, kann ich ihn leider nur in den Semes-<br />
* ) Alle Zahlen<br />
nach der<br />
19. Sozialerhebung<br />
des Deutschen<br />
Studentenwerks<br />
von 2009<br />
terferien ausüben.<br />
Welche Voraussetzungen sollte man für diesen Beruf mitbringen?<br />
Durchgeknallt sein und körperlich fit.<br />
Wie hoch liegt der Verdienst durchschnittlich?<br />
Der Verdienst liegt bei umgerechnet ca. 20 Euro pro Stunde.<br />
41<br />
66 %<br />
der<br />
Studierenden<br />
Jobben*<br />
Die Top Ten<br />
Der sKurrilsteN<br />
NebeNjobs Für stuDis<br />
Hier findet ihr eine<br />
kleine Auflistung von<br />
Nebenjobangeboten,<br />
auf die wir bei unserer<br />
Recherche gestoßen sind.<br />
Und ja, die gibt es wirklich!<br />
1 Verfasser von Erotik-SMS:<br />
Auf lustvolle SMS von liebestolle<br />
Abonnenten einer Flirthotline<br />
antworten.<br />
2 Partytester:<br />
Zwölf Wochenenden am Stück<br />
(!) an je zwei Pflichtterminen pro<br />
Woche die Sau rauslassen und dabei<br />
Umfragen durchführen, Fotos<br />
schießen und die Location testen.<br />
3 Mystery-Shopper:<br />
In verschiedenen Läden shoppen<br />
gehen und dabei inkognito den<br />
Kundenservice, sowie spezielle<br />
Angebote testen.<br />
4 Vogelzähler:<br />
An verschiedenen Orten die Exemplare<br />
einer bestimmten Vogelart<br />
zählen und den aktuellen Bestand<br />
erfassen.<br />
5 Aktmodel in Zeichenkursen:<br />
Geld verdienen, <strong>als</strong> Muse angehender<br />
Künstler.<br />
6 Hundebestandsaufnehmer:<br />
Nach unangemeldeten Hunden<br />
suchen und deren gesetzwidrige<br />
Besitzer an die Hundesteuer<br />
„erinnern“.<br />
7 Heißluftballonverfolger:<br />
Mit dem Auto dem Heißluftballon<br />
folgen und ihn nach der Landung<br />
zurück transportieren.<br />
8 Sichter für Fernsehshows:<br />
Ca. 5 Stunden am Stück vor einem<br />
Fernsehbildschirm sitzen<br />
und dabei nach brauchbarem Material<br />
für satirische Shows Ausschau<br />
halten.<br />
9 Medikamententester:<br />
No risk no fun...<br />
10 Türsteher:<br />
„Einmal die Ausweise bitte.“
auFbauhelFer bei DeN<br />
NeW yorKer phaNtoms<br />
Name: Clément<br />
Alter: 21<br />
Universität: Ostfalia<br />
Studiengang: Medien-Design<br />
Wie genau würdest du deine Nebentätigkeit<br />
beschreiben?<br />
Alle Werbemittel der jeweiligen Sponsoren<br />
werden von uns für jedes Heimspiel in der<br />
VW-Halle, auf- und wieder abgebaut. Zwischendurch<br />
können wir uns das Spiel ansehen.<br />
Was gefällt dir besonders an deinem<br />
Nebenjob?<br />
Die Nähe zum Event, der Einblick hinter die<br />
Kulissen und die Organisation einer solchen<br />
Veranstaltung.<br />
Inwiefern bietet dir deine Nebentätigkeit<br />
einen Ausgleich zum Unialltag?<br />
Sobald ich die VW-Halle betrete ist der Kopf<br />
frei von angehenden Abgaben, da man mit<br />
etwas <strong>komplett</strong> anderem konfrontiert<br />
wird <strong>als</strong> in der Uni. Besonders<br />
die körperliche Belastung<br />
während der Arbeit dient dem<br />
Abschalten vom Unialltag.<br />
Welche Voraussetzungen<br />
sollte man für diesen Beruf<br />
mitbringen?<br />
Man sollte Kraft, Geschicklichkeit, Ausdauer<br />
und Motivation mitbringen, denn der<br />
Arbeitstag kann bis zu 11 Stunden dauern<br />
und sehr kräftezehrend werden.<br />
Was verdienst du pro Spiel?<br />
Rund 100 Euro.<br />
13,5<br />
Karriere<br />
barKeeperiN im heat<br />
uND im soleil<br />
Name: Lilli<br />
Alter: 22<br />
Universität: Ostfalia<br />
Studiengang: Medien-Design<br />
Wie bist du zu dem Job gekommen?<br />
Bei einem Besuch mit einer Freundin im Heat,<br />
hat diese die Mädchentoilette mit ihrem Mittag-<br />
und Abendessen dekoriert. Da<br />
ich sie etwas abgefüllt hatte, bekam<br />
ich ein schlechtes Gewissen<br />
und fragte nach Lappen und<br />
Eimer. Daraufhin der Chef:<br />
„Mensch, solche Leute bräuchte<br />
ich in meinem Team.“ Ich habe<br />
zugesagt.<br />
Was gefällt dir an dem Job?<br />
Die Arbeit mit Menschen, die meistens gute<br />
Laune haben und dass eigentlich jeden Abend<br />
irgendwas Lustiges passiert.<br />
Stunden<br />
pro Monat im<br />
Durchschnitt*<br />
Was gefällt dir nicht?<br />
Erbrochenes, betrunkene Gäste,<br />
die sich nicht benehmen können<br />
und der Schlafmangel. Und<br />
dass ich meine Freunde am<br />
Wochenende nicht beim Feiern<br />
begleiten kann.<br />
Was verdienst du pro Monat?<br />
Mindestens eine Tätowierung, 2-3 neue<br />
Kleider, Telefonrechnung und immer einen<br />
vollen Kühlschrank.<br />
Fähigkeiten um den Job auszuüben?<br />
Nerven wie Drahtseile. Geduld. Geringer<br />
Schlafbedarf.<br />
42<br />
323 €<br />
rettuNgssaNitäter<br />
beim asb<br />
Name: Milanović<br />
Alter: 24<br />
Universität: TU Braunschweig<br />
Studiengang: Psychologie<br />
Etwas über den Job:<br />
Ich bin Rettungssanitäter beim ASB (Arbeiter-Samariter-Bund).<br />
Die Ausbildung habe<br />
ich innerhalb meines Zivildienstes<br />
absolviert und danach mehrere<br />
Monate Vollzeit gearbeitet. Seit<br />
dem Studium fahre ich so 2 bis<br />
Verdienst<br />
pro Monat im<br />
Durchschnitt*<br />
8 mal im Monat.<br />
Vorteile des Jobs:<br />
Ein Vorteil ist auf jeden Fall,<br />
dass man sich mit Rettungsübungen<br />
sehr gut auskennt. Ich und die Menschen<br />
in meinem Umfeld fühlen sich dadurch<br />
sicherer. Ein weiterer Vorteil ist die Arbeit im<br />
Team. Man fährt den Rettungswagen immer<br />
im Team. Wenn man sich da gut versteht,<br />
macht das natürlich auch direkt mehr Spaß.<br />
Nachteile des Jobs:<br />
Ich hatte zum Glück noch nie sehr große und<br />
schlimme Unfälle, aber die Arbeit mit Kranken<br />
und Verletzten geht einem schon nahe.<br />
Auch körperlich ist die Arbeit anstrengend.<br />
Die Bezahlung entspricht etwa einem normalen<br />
Hiwigehalt für Studenten. Ich finde das<br />
ist schon relativ niedrig. Außerdem arbeiten<br />
wir in Schichten. Für mich <strong>als</strong> Student ist das<br />
allerdings ganz gut. Es gibt ziemlich viele verschiedene<br />
Schichten, davon kann ich mir dann<br />
eine aussuchen, die gerade am besten in den<br />
Unialltag passt.<br />
Fotos: Desiree Schober, Elena Schade und Lisa Habelt, Mattes
stripperiN iN Der bruchstrasse<br />
Name: Bella (geändert)<br />
Alter: 23<br />
Universität: TU Braunschweig / HBK<br />
Studiengang: Darstellendes Spiel und Germanistik<br />
Auf unserer Suche nach außergewöhnlichen Nebenjobs von Studenten<br />
bekommen wir schließlich auf unsere Anfrage eine Antwort von Bella (Name<br />
geändert). Sie schreibt uns, dass sie Stripperin ist und dass das der beste<br />
Nebenjob der Welt sei. Prompt lädt uns die 23-Jährige in ihre kleine aber<br />
gemütliche Wohnung ein. Wir sind hingegangen und haben zugehört...<br />
Wie bist du zu diesem außergewöhnlichen<br />
Nebenjob gekommen?<br />
Freunde von mir hatten das Seminar „Sexualität<br />
auf der Bühne“ und ich habe gerade<br />
ein Seminar in Hildesheim namens „Schaulust“.<br />
Um das ganze Thema ein bisschen aufzulockern,<br />
hab ich dann bei mir einen „Pornoabend“<br />
veranstaltet. Wir haben Pornos<br />
geguckt und ich hab meine Gäste ein bisschen<br />
geschminkt und von meinen Erfahrungen<br />
<strong>als</strong> Kellnerin in einem Strippclub erzählt<br />
und irgendwann sind wir los und in einem<br />
Club in der Bruchstraße gelandet. Ich kam<br />
mit der Geschäftsführerin ins Gespräch und<br />
dann habe ich gefragt ob ich nicht vielleicht<br />
mal tanzen könnte. Ich habe dann ein bisschen<br />
was ausgezogen und konnte mir Schuhe<br />
leihen. Ich glaube ich war ganz gut, denn die<br />
Geschäftsführerin meinte ich solle sofort dort<br />
anfangen. Wenn ich ehrlich bin, wollte ich das<br />
auch schon immer mal machen. Vielleicht bin<br />
ich ein bisschen exhibitionistisch veranlagt.<br />
arbeitsplatz bruchstraße<br />
Karriere<br />
Hattest du irgendwelche Bedenken?<br />
Klar. Meine Eltern wissen davon nichts. Ich<br />
glaube das könnten sie nicht nachvollziehen.<br />
Sonst mache ich daraus aber kein Geheimnis.<br />
Auch mein jetziger „fast Freund“ weiß davon<br />
und geht damit bisher sehr tolerant um.<br />
Wie hoch ist die Bezahlung?<br />
Die Gage ist super gering. Eigentlich nur 60<br />
Euro pro Abend. Aber es ist so: Du trinkst immer<br />
mit den Kunden und dabei verdient man<br />
auch. Für jeden Piccolo den du ausgegeben bekommst,<br />
bezahlt der Gast 20 Euro und du bekommst<br />
5 Euro, für jede Flasche Champagner<br />
bezahlt der Gast 200 Euro und du bekommst<br />
davon 70 Euro. Für „Privates“ bezahlt der<br />
Gast 50 und du bekommst 25 Euro. Private<br />
bedeutet, dass du für den Gast alleine in einem<br />
Zimmer tanzt.<br />
Dürfen die Kunden dich anfassen?<br />
Eigentlich dürfen sie das nicht. Es passiert generell<br />
nichts was du nicht willst. Allerdings<br />
ist es so, dass die anderen Stripperinnen sich<br />
schon berühren lassen. Und dann ist es natürlich<br />
schon anstrengend immer Nein zu sagen.<br />
Also habe ich schließlich auch ein paar<br />
Sachen erlaubt.<br />
Gibt es außer dir noch andere Studentinnen<br />
die dort tanzen?<br />
Soweit ich weiß nicht. Allerdings habe ich bisher<br />
nicht viel über die Kolleginnen erfahren.<br />
Durch die Konkurrenz möchten viele Tänzerinnen<br />
keinen Kontakt zu dir haben. Das finde<br />
ich persönlich sehr schade.<br />
Hast du schon mal eine unangenehme Situation<br />
erlebt?<br />
Ja schon. Vor allem sehr betrunkene oder auch<br />
dreckige Männer sind mir unangenehm. Sie<br />
43<br />
26 %<br />
der monatlichen<br />
Einnahmen durch<br />
Nebenjobs*<br />
haben natürlich auch ein Recht dorthin zu<br />
kommen, allerdings möchte ich nicht von ihnen<br />
berührt werden. Es gab auch schon Situationen,<br />
in denen dir ein Mann nach der Arbeit<br />
hinterhergeht. Das ist natürlich äußerst<br />
unangenehm für mich.<br />
Du hast gesagt, du hättest den besten Nebenjob<br />
der Welt. Wieso?<br />
Mir gefällt besonders der Unterschied zwischen<br />
Uni und Job, <strong>als</strong>o zwischen Bildung und<br />
„dem, was Leben ist“. Besonders, wenn du das<br />
auch an einem konkreten Beispiel zu sehen bekommst.<br />
Zum Beispiel ein sonst so anständiger,<br />
gebildeter Professor begegnet dir plötzlich<br />
nachts in diesem Club und „will einfach nur<br />
eine billige Frau kaufen“.<br />
Wie gehst du damit um, wenn du auf Leute<br />
triffst, die dich kennen?<br />
Ganz normal. Man guckt sich an und weiß,<br />
keiner von uns beiden möchte, dass diese Situation<br />
nach außen getragen wird. Das beruht<br />
dann auf Gegenseitigkeit.<br />
Braucht man bestimmte Voraussetzungen<br />
um <strong>als</strong> Stripperin zu arbeiten?<br />
Ich finde, man sollte ein gewisses Taktgefühl<br />
haben. Ich selbst habe früher viel Ballett und<br />
Hip Hop getanzt und würde sagen, dass mir<br />
diese Vorerfahrung viel geholfen hat. Bei der<br />
Aufnahme in einen Club geht es allerdings oft<br />
in erster Linie um dein Aussehen. #
Karriere<br />
Das schnelle Geld<br />
am schWarzeN brett iN Der meNsa hat Die ergo pro Für eiNeN NebeNjob<br />
geWorbeN. uNser autor hat sich gemelDet – eiN erFahruNgsbericht.<br />
Von Wolf-Alexander Schneider<br />
44<br />
Fotos: Lazurite, ERGO Versicherungsgruppe
„Da wird die Kiste nach<br />
Hause gebracht!“<br />
Als Studierender sind es oft die<br />
kleinen Dinge, die zählen. In<br />
Ermangelung finanzieller Mittel<br />
bedeutet Galadinner dann nicht selten<br />
Dosenravioli und Luxusreisen werden<br />
mit Rucksack und Zelt angetreten.<br />
Wer sich etwas dazu verdienen will, der<br />
muss auch außerhalb des Hörsa<strong>als</strong> aktiv<br />
werden und sich einen Job suchen.<br />
Nach wie vor ist die Beschäftigung Studierender<br />
in klassischen Metiers wie<br />
der Gastronomie oder in Aushilfspositionen<br />
an der Universität gefragt. Doch<br />
oft sind diese Tätigkeiten mühsam, die<br />
Entlohnung schlecht. Andere Branchen<br />
bieten dagegen das ganz große Geld.<br />
Auch in Braunschweig. Hier lockt eine<br />
Vertriebsgesellschaft der Großversicherung<br />
ERGO mit Monatslöhnen im mittleren<br />
vierstelligen Bereich. Einzige Voraussetzung<br />
hierfür: der selbstbewusste<br />
Umgang mit Menschen sowie ein gepflegtes<br />
Erscheinungsbild. Verantwortlich<br />
für den Vertrieb von Altersvorsorgeprodukten<br />
des Großversicherers ist<br />
die ERGO Pro. Diese trat noch kürzlich<br />
<strong>als</strong> HMI auf und geriet im Jahr 2011 in<br />
die Schlagzeilen, weil sie etwa hundert<br />
besonders erfolgreiche Vertreter zu einer<br />
ausschweifenden Party nach Budapest<br />
eingeladen hatte. Auf besagter<br />
Party waren auch bis zu zwanzig Prostituierte<br />
anwesend. Der Kontakt mit diesen<br />
wurde von HMI- Verantwortlichen<br />
hergestellt, ihre Dienste vom Firmenkonto<br />
bezahlt.<br />
Am schwarzen Brett buhlt eben jene<br />
Organisation um neue Mitarbeiter, welchen<br />
laut Firmenangaben die Möglichkeit<br />
eröffnet wird, sich neben Studium<br />
oder Beruf ein zweites Standbein aufzubauen.<br />
Nun leuchtet eine Beschäftigung<br />
vollkommen unqualifizierter Studierender<br />
bei der Vermittlung komplizierter<br />
Altersvorsorgeprodukte zunächst kaum<br />
ein. Dass die versprochenen hohen Prämien<br />
auch bei Studierenden Begehrlichkeiten<br />
wecken, verwundert dagegen<br />
wenig. Wie eine solche Liaison zustande<br />
kommt? Ein Erfahrungsbericht:<br />
Karriere<br />
gut beraten? eine typische arbeitssituation in der selbstdarstellung der ergo.<br />
Der Auftakt zum vermeintlichen Leben<br />
<strong>als</strong> Vielverdiener beginnt in einem<br />
modernen Büro am Artmax-Gelände unweit<br />
der HBK, wo mich der Direktionsrepräsentant<br />
persönlich zu einem ersten<br />
Kennenlernen empfängt. Schon im<br />
Eingangsbereich wirbt die Vertriebsorganisation<br />
mit extravaganten Prämien.<br />
Vom MontBlanc-Kugelschreiber über<br />
edle Chopard-Uhren bis hin zum Luxuswochenende<br />
in Rom.<br />
Qualifikation<br />
Die Qualifikation unserer<br />
Partner steht bei uns im<br />
Fokus. Denn nur wer gut<br />
ausgebildet ist, kann den<br />
Kunden optimal und individuell<br />
beraten und auf ihn<br />
zugeschnittene Lösungen<br />
entwerfen.<br />
Zitat von der Ergo Pro-Internetseite<br />
„Kaffee, Tee, Gin Tonic?“ Mit dieser,<br />
doch eher ungewöhnlichen Avance,<br />
empfängt mich der braungebrannte<br />
Direktionsrepräsentant in seinem<br />
Büro. Die anfängliche Nervosität weicht<br />
schnell, denn mein Gegenüber ist betont<br />
locker und die Gesprächsthemen<br />
bewegen sich irgendwo zwischen Fußballergebnissen,<br />
durchzechten Kneipennächten<br />
und dem hypothetischen<br />
Interesse, einmal überdurchschnittlich<br />
viel Geld zu verdienen. Dass die Bürowände<br />
mit pastellfarbenen Bildern von<br />
HMI-Fincas geschmückt sind und ein<br />
„Save Water, Drink Champagne“-Schild<br />
zum ökologischen Trinkbewusstsein er-<br />
45<br />
mutigt, scheint dieser Erkenntnis Nachdruck<br />
zu verleihen. Geld verdienen,<br />
das sei bei ERGO Pro unkompliziert<br />
möglich, wer gut mit Menschen umgehen<br />
kann, könne diesen auch ein gutes<br />
Produkt verkaufen. Dem potenziellen<br />
neuen Mitarbeiter wird zunächst die<br />
Einzigartigkeit dieser Geschäftspraxis<br />
nahegelegt. Eilt dem normalen Versicherungsvertreter<br />
in der Regel kein allzu<br />
guter Ruf voraus, so seien ERGO Pro<br />
Mitarbeiter leidenschaftlich und begeisterungsfähig.<br />
Ein lockerer Umgangston<br />
sowie Spaß an der Arbeit, es scheint <strong>als</strong><br />
wolle mein Gegenüber um jeden Preis<br />
den gängigen Klischees der Versicherungsbranche<br />
entfliehen.<br />
Das Vertriebsmodell von Ergo Pro unterscheidet<br />
sich in der Tat von der klassischen<br />
Vermittlung von Finanz- und<br />
Versicherungsprodukten. Denn hier<br />
wird mit einem sogenannten Strukturvertrieb<br />
gearbeitet. Das Prinzip: Die<br />
allesamt selbstständigen Mitarbeiter<br />
werden auf sechs Stufen aufgeteilt. Akquiriert<br />
der Mitarbeiter eine bestimmte<br />
Anzahl von Neukunden, steigt er zur<br />
nächsten Stufe auf und verdient bei zukünftigen<br />
Abschlüssen eine höhere Prämie.<br />
Gelingt es ihm, zusätzlich neue<br />
Mitarbeiter anzuwerben, so fließt bei<br />
deren Neuabschlüssen immer auch eine<br />
Prämie in die Tasche des Anwerbers.<br />
Hier öffnet sich die Tür zum großen<br />
Geld, denn je mehr Neumitarbeiter angeworben<br />
werden, desto höher ist letztendlich<br />
auch der Profit des Anwerbers.<br />
Führt man sich dieses Prinzip vor Augen,<br />
verwundert es kaum, dass höherstufige<br />
Mitarbeiter versuchen, auch →
unqualifizierte Kräfte wie Studierende<br />
für sich zu gewinnen. Dementsprechend<br />
gering ist die Überraschung, <strong>als</strong><br />
mich eine Woche nach unserem Gespräch<br />
der Direktionsrepräsentant der<br />
ERGO anruft. Mit gewohntem Elan<br />
werden mir erneut außergewöhnliche<br />
Karrierechancen attestiert. Das rangiert<br />
dann vom nett gemeinten „Für<br />
gute Leute bin ich bereit zu kämpfen“<br />
bis hin zum ausgelassenen „Gemeinsam<br />
viel Geld verdienen, das ist doch<br />
eine coole Sache.“ Ich werde zu einem<br />
Grundseminar in Hannover eingeladen.<br />
Meine Eintrittskarte sind 73 Euro sowie<br />
Schlips und Kragen. Dem junggebliebenen<br />
Direktionsrepräsentanten scheinen<br />
solche Formalitäten unangenehm.<br />
Rasch fügt er hinzu:„Für solche Anlässe<br />
spielen wir hier gerne auch mal Maskerade.“<br />
Für den Fall, dass ich keine Krawatte<br />
besäße, zeigt er sich großzügig. Er<br />
könne mir sicher eine leihen.<br />
„Gemeinsam viel Geld<br />
verdienen, das ist doch<br />
eine coole Sache.“<br />
Als ich mich dann an einem nebligen<br />
Samstagmorgen in einem Mittelklassehotel<br />
in Hannover wiederfinde, überkommt<br />
mich zum ersten Mal die ganz<br />
große Skepsis. Die ausnahmslos bestens<br />
gelaunten ERGO Mitarbeiter sorgen für<br />
eine Atmosphäre, die sich irgendwo<br />
zwischen Fußballplatz und Börsenparkett<br />
bewegt. Viele Einsteiger scheint<br />
das von der anfänglichen Nervosität<br />
zu befreien. Auf die etwa 20 Grundseminarteilnehmer,<br />
darunter auch einige<br />
Studierende der TU Braunschweig, wartet<br />
allein am Samstag ein neunstündiges<br />
Mammutprogramm. Die Redner, allesamt<br />
ERGO Pro Repräsentanten der<br />
Stufen drei bis sechs, rasen zunächst<br />
charismatisch-routiniert durch verschiedenste<br />
Motivationsansprachen,<br />
preisen den Mutterkonzern ERGO und<br />
errechnen den Teilnehmern, zu welchem<br />
Zeitpunkt diese sich den ersten<br />
Porsche leisten könnten. Nach einigen<br />
Stunden kommt dann die Essenz des<br />
Strukturvertriebs zur Sprache. Die po-<br />
Karriere<br />
Die ergo-Niederlassung im artmax an der Frankfurter straße<br />
tenziellen Neukunden muss ein ERGO<br />
Pro Mitarbeiter nämlich selber ausfindig<br />
machen. Im privaten Umfeld. Wer<br />
<strong>als</strong>o kein Interesse daran hat, in der nahen<br />
Zukunft Freunden und Familienangehörigen<br />
Produkte zur Altersvorsorge<br />
einzureden, für den ist das Abenteuer<br />
ERGO Pro zu diesem Zeitpunkt beendet.<br />
Freunde oder Familienangehörige<br />
von Altersvorsorgeprodukten zu überzeugen,<br />
die man selber nicht versteht?<br />
Für die meisten Menschen undenkbar.<br />
Der Tagesordnungspunkt „Kontaktmanagement“<br />
um 16:00 soll Abhilfe leisten.<br />
Schritt für Schritt werden den Teilnehmern<br />
Strategien zum erfolgreichen<br />
Kundenkontakt an die Hand gegeben.<br />
Für den abschlussorientierten Anruf<br />
beim Kommilitonen könnte das dann<br />
folgenderdermaßen aussehen: „Hallo,<br />
wie geht‘s dir? Wie läuft‘s in der Uni?“<br />
Nach freundlicher Begrüßung mit obligatorischem<br />
Smalltalk beginnt mit<br />
Hilfe der sogenannten Lobtechnik das<br />
Verkaufsgespräch, auf Ergodeutsch:<br />
Nutzenargumentation. „Ich kenne dich<br />
<strong>als</strong> couragierten Menschen. Du bist dir<br />
sicherlich im Klaren darüber, dass die<br />
Rente alles andere <strong>als</strong> sicher ist. Da du ja<br />
auch schon ein bisschen Geld verdienst,<br />
bin ich mir sicher, dass du verantwortungsbewusst<br />
genug bist, dir jetzt über<br />
deine Zukunft Gedanken zu machen.“<br />
Zeigt sich der Gesprächspartner skeptisch,<br />
wird Druck aufgebaut und ein<br />
persönliches Treffen vorgeschlagen.<br />
Einwandbehandlung nennt sich das<br />
bei der ERGO, der Referent ergänzt<br />
lachend:„Da wird die Kiste nach Hause<br />
46<br />
gebracht!“ Illegal sind diese Geschäftspraktiken<br />
der ERGO nicht. Zumindest<br />
moralisch geben sie jedoch großen Anlass<br />
zum Zweifel. So ist in der Finanzdienstleistungsbranche<br />
eine mehrjährige<br />
Ausbildung üblich, um kompetente<br />
Beratung sicherstellen zu können. Ergo<br />
Pro hingegen nimmt mittels Strukturvertrieb<br />
die Abkürzung. Sie lockt junge<br />
Mitarbeiter mit hohen Prämien, welche<br />
im Gegenzug Produkte zur Altersvorsorge<br />
im Freundes- und Familienkreis<br />
an den Mann bringen. Dass hierbei in<br />
erster Linie Mitarbeiter der höheren<br />
Stufe profitieren, ist typisch für solche<br />
schneeballähnlichen Systeme. Denn<br />
würden nicht permanent neue Mitarbeiter<br />
angeworben, fände auch das Produkt<br />
keine Abnehmer mehr. Als sich Tag<br />
eins des Grundlagenseminars in Hannover<br />
dem Ende zuneigt, macht ein Großteil<br />
der Teilnehmer einen überzeugten<br />
Eindruck. Man könne hier Menschen<br />
helfen, ihre Zukunft zu optimieren und<br />
dabei selber überdurchschnittlich verdienen.<br />
Dieser Gedanke kommt an. Auf<br />
die kritische Frage eines Teilnehmers,<br />
ob es sich bei dieser Vertriebsart um ein<br />
Schneeballsystem handle, kontert der<br />
Referent: „Aber warum, wir machen<br />
das doch auch im Sommer!“ Schallendes<br />
Gelächter im Raum, der Fragesteller<br />
verlässt die Veranstaltung. Ich entscheide<br />
mich ebenfalls dazu, meine aufstrebende<br />
Karriere <strong>als</strong> Vielverdiener an den<br />
Haken zu hängen. Auch mit dem Gedanken,<br />
die mit Spannung erwartete<br />
Afterparty zu verpassen, kann ich gut<br />
leben. #<br />
Fotos: Patrick Jäkel, Privat, Stiftung Warentest
Karriere<br />
„Es herrscht ein<br />
großer Verkaufsdruck“<br />
theo pischKe (FiNaNztest) über struKturvertriebe uND schWarze schaFe<br />
Von Wolf-Alexander Schneider<br />
Ist ein Strukturvertrieb für den Verkauf<br />
von Altersvorsorgeprodukten sinnvoll?<br />
Nein. Dort herrscht ein großer Verkaufsdruck.<br />
Die „Vertriebler“ sollen auf Teufel komm raus<br />
verkaufen, um die Provision zu kassieren, von<br />
der sie ja auch den „Oberen“ in der Struktur<br />
noch Geld abgeben müssen. Zuerst machen<br />
sie sich an Freunde und Bekannte heran. Die<br />
denken oft: „Das Produkt muss gut sein, ist ja<br />
mein Freund oder Bekannter, der es mir verkaufen<br />
will. Der will ja nur mein Bestes.“ Oft<br />
ist dies ein Irrtum. Und wenn der Kunde –<br />
häufig erst nach Jahren - merkt, dass der Vertrag<br />
nicht das Gelbe vom Ei ist, geht so manche<br />
Freundschaft in die Brüche.<br />
Warum ist es problematisch, wenn unausgebildete<br />
Vertreter Produkte zur Altersvorsorge<br />
vermitteln?<br />
Das Unternehmen muss nachweisen, dass seine<br />
Vermittler über das notwendige Fachwissen<br />
verfügen und, dass für sie eine Berufshaftpflichtversicherung<br />
abgeschlossen worden<br />
ist. Ein Kunde sollte fragen, welche Ausbildung<br />
der Vermittler hat. Zuckt der Vermittler<br />
<strong>als</strong> Antwort<br />
mit den Schultern<br />
oder kann<br />
er nicht plausibel<br />
antworten,<br />
sollte der Kunde bei ihm auf keinen Fall einen<br />
Vertrag unterschreiben. Schlecht ausgebildete<br />
Vermittler, die bei Bier oder Kaffee, mal eben<br />
einen miesen Versicherungsvertrag verkaufen,<br />
bei dem der Kunde Jahre und Jahrzehnte<br />
lang einzahlt, sollte man<br />
meiden.<br />
Werden Kunden von solchen<br />
Strukturvertrieben<br />
schlechter beraten?<br />
Bei der Altersvorsorge<br />
kommt es darauf an, einen<br />
Vertrag bis zum Ende<br />
durchzuhalten. Sonst lohnt<br />
sie sich nicht. Ein Wechsel<br />
des Vertrags oder eine Beitragsfreistellung<br />
ist mit<br />
Verlusten verbunden. Deshalb<br />
ist es wichtig, gleich<br />
ein gutes Angebot zu wählen<br />
und nicht ständig zu wechseln. Bei einem<br />
Strukturvertrieb hat der Kunde diese Wahl<br />
nicht, denn die „Auswahl“ ist sehr einseitig:<br />
Verkauft werden nur die Verträge dieses einen<br />
Unternehmens. Der Kunde<br />
sollte aber die Angebote<br />
mehrerer Unternehmen vergleichen<br />
und sich das beste<br />
heraussuchen.<br />
Wie gut ist der Ergo-Tarif denn?<br />
In unserem jüngsten Test der betrieblichen Altersvorsorge-Angebote<br />
gehörte der Tarif der<br />
Ergo nicht zu denen mit der höchsten garantierten<br />
Rente – und dies ist das wesentliche<br />
Kriterium. (Mehr dazu im<br />
Internet unter www.test.<br />
de/betriebsrente) Jeder<br />
Kunde sollten vom Vermittler<br />
auf jeden Fall ein<br />
aussagekräftiges, unterschriebenesBeratungsprotokoll<br />
verlangen. So kann<br />
er eine mögliche F<strong>als</strong>chberatung<br />
leichter nachweisen<br />
und Schadenersatzansprüche<br />
geltend machen.<br />
Ist die ehemalige HMI,<br />
heute Ergo Pro, ein<br />
schwarzes Schaf in der<br />
Branche oder nutzen andere Großversicherer<br />
ähnliche Vertriebsformen?<br />
Die HMI auf jeden Fall. Denken Sie nur an die<br />
Lustreisen ihrer Vertreter nach Budapest. Ob<br />
Ergo Pro sich aus dieser unseligen „Tradition“<br />
lösen kann? Ich hoffe es. Den Beweis muss sie<br />
allerdings erst noch antreten. Auch bei anderen<br />
Finanzdienstleistern sind Strukturvertriebe<br />
gängig. #
Karriere<br />
Erfolgreich mit APP<br />
mobFish.Net – zWei ostFalia-stuDeNteN grüNDeN ihre eigeNe Firma<br />
Von Stefanie Lipka<br />
Manchmal kann aus einer kleinen<br />
Idee eine eigene Firma werden.<br />
Die Informatik-Studenten Jonathan<br />
Berger (24) und Tobias Sell (23) haben<br />
vor knapp zwei Jahren die Android App<br />
„Wer wird reich“ entwickelt. Mittlerweise<br />
wurde die kostenlose App mehr<br />
<strong>als</strong> 3,7 Millionen mal heruntergeladen<br />
und ist seit September diesen Jahres<br />
auch auf dem iPhone verfügbar. Das<br />
Konzept von „Wer wird reich“ ist an die<br />
Spielshow „Wer wird Millionär“ angelehnt.<br />
Die Benutzer müssen 15 Fragen<br />
beantworten und haben dazu drei Joker<br />
zur Verfügung. Die Fragen sind aus<br />
Firmengründer mit hirn<br />
allen Bereichen der Allgemeinbildung<br />
und werden dabei von Frage zu Frage<br />
immer schwieriger. Außerdem setzt die<br />
App auf die Community und Benutzer<br />
können selbst Fragen einschicken; so<br />
wächst kontinuierlich der Fragenkata-<br />
- -<br />
log. In Spitzenzeiten laufen auf den Servern<br />
der Firma fünf Anfragen pro Minute<br />
ein. 2011 wurde das Spiel sogar mit<br />
dem „Best App Award“ in der Kategorie<br />
Denkspiele ausgezeichnet. Aufgrund<br />
des Erfolgs, meldeten die beiden Entwickler<br />
im Juni letzten Jahres eine GbR<br />
an und arbeiten seither an der Expansion<br />
ihrer Firma. Unterstützt werden<br />
sie dabei vom Entrepreneurship Center<br />
an der Ostfalia Hochschule. Sie erhalten<br />
für ihr Internet Start-Up ein Stipendium<br />
in Höhe von 500 Euro monatlich<br />
Privat<br />
und außerdem ein halbes Jahr mietfrei<br />
ein Büro. # Foto:
Lieblings …<br />
Schlussakkord<br />
Ein Blick hinter die Kulissen: Unsere Redakteure verraten euch exklusiv ihre Vorlieben!<br />
Anna Wandschneider<br />
Lieblingsalbum:<br />
Name des Albums: L‘enfant Sauvage<br />
Interpret: Gojira<br />
Weil: melodisch mit Biss,<br />
abwechslungsreich<br />
Darf man über ein Metalalbum sagen, dass<br />
es groovt? Ich tus einfach. Musik zum Birneschleudern<br />
– ganz ohne Thrashanwandlungen.<br />
Lieblingsfilm:<br />
Name des Films:<br />
No Country For Old Men<br />
Regie: Ethan Coen, Joel Coen<br />
Weil: bösartig, bitter und ein bisschen<br />
rührend<br />
Javier Bardem besticht <strong>als</strong> Auftragskiller mit<br />
Bolzenschussgerät, der erst gegen Ende des<br />
Films ein wenig Menschlichkeit zeigt.<br />
Lieblingsbuch:<br />
Name des Buches: American Gods<br />
Autor: Neil Gaiman<br />
Weil: man auch mit Göttern Mitleid<br />
haben kann<br />
In Gaimanís Roman kämpft Odin gegen die<br />
neuen Götter Internet und Verkehr – aber:<br />
Die Zeit der groflen Erzählungen ist vorbei.<br />
… album? Film? buch?<br />
Simon Polatzek<br />
Lieblingsalbum:<br />
Name des Albums: Nevermind<br />
Interpret: Nirvana<br />
Ein Album wie kein zweites. Ein Meilenstein<br />
der Musikgeschichte, ein Album einer Generation,<br />
das für mich voller Erinnerungen steckt.<br />
Befreiend unelektronisch. Wenn ich es höre,<br />
dann nicht nebenbei, sondern voll zeremonieller<br />
Aufmerksamkeit. Wuchtig.<br />
Lieblingsfilm<br />
Name des Films: Antichrist<br />
Regie: Lars von Trier<br />
Ein Film über ein Pärchen, das versucht über<br />
den Verlust ihres Kindes hinwegzukommen<br />
und daran zerbricht. Voll abstrakter Bilder,<br />
surreal, verstörend. Man sieht diesen Film<br />
nicht. Der Regisseur zwingt den Zuschauer<br />
dazu diesen Film zu fühlen. Nicht angenehm.<br />
Aber genial.<br />
Lieblingsbuch:<br />
Name des Buches: Ice Station<br />
Autor:Matthew Reilley<br />
Ein Buch, dass sich liest wie ein Michael Bay<br />
Film. Unendlich spannungsintensiv von der<br />
ersten bis zur letzten Seite. Ziemlich trivial,<br />
aber grossartig um der Langeweile der Fachliteratur<br />
zu entfliehen.<br />
49<br />
Michaline Saxel<br />
Lieblingsalbum:<br />
Name des Albums: Sense the Darkness<br />
Interpret: Illdisposed<br />
Grooviger Death Metal aus Dänemark, der<br />
durch atmosphärische Riffs und eine gewaltige<br />
Stimme überzeugt.<br />
Lieblingsfilm:<br />
Name des Films: Moon<br />
Regie: Duncan Jones<br />
Genialer philosophischer und vor allem erfrischender<br />
Science-Fiction-Film! Eine ausgeklügelte<br />
Geschichte mit Schwerpunkt auf die<br />
psychologischen Aspekte der Isolation, sowie<br />
einer tiefsinnigen Reflexion über Schein und<br />
Sein, Identität und Reproduzierbarkeit.<br />
Lieblingsbuch:<br />
Name des Buches: Uhrwerk Orange<br />
Autorin: Anthony Burgess<br />
Faszinierende sowie brutale Schilderung einer<br />
Utopie, in der der eigene Wille des Menschen<br />
von Machtinstrumenten einer konventionalisierten<br />
Gesellschaft gesteuert wird.
Artikel über soziale Netzwerke<br />
findet man in der Presse viele.<br />
Für Schlagzeilen sorgen regelmäßig<br />
die geänderten AGBs von Facebook,<br />
Google+, Instagram und Co.<br />
Dabei wird meistens das Wichtigste<br />
ausgelassen: unser Selbst. Denn bei<br />
genauer Betrachtung ergeben sich interessanteErkenntnisse,<br />
wenn man den Freiheitsgrad<br />
unseres Ichs<br />
in sozialen Netzwerken<br />
nicht an der Umsetzung<br />
des Mit-Mach-Faktors bemisst,<br />
sondern an den<br />
kulturellen Rahmenbedingungen.<br />
Und die sehen<br />
wie folgt aus: Kapitalistische<br />
Unternehmen<br />
wickeln unsere sozialen<br />
Beziehungen ab. Was<br />
sich erst einmal wie marxistische<br />
Propaganda anhört,<br />
hat tiefgehende<br />
Auswirkungen. Nicht nur<br />
die Struktur von sozialen<br />
Netzwerken richtet sich<br />
nach den Bedürfnissen<br />
der User, auch wir passen<br />
unser Selbst den neuen<br />
sozialen Realitäten<br />
an. Laut Eigendarstellungen der großen<br />
Web 2.0-Giganten wollen sie für eine offenere<br />
und vernetztere Welt sorgen. Zudem<br />
künden firmeneigene Blogs von<br />
Nutzern, die selbstbestimmt eigene Inhalte<br />
erstellen und teilen; unserer Identität<br />
wird, dank sozialen Netzwerken,<br />
eine Bühne im digitalen Raum geboten.<br />
Dass Eigendarstellungen von Unternehmen<br />
mit Vorsicht zu genießen sind, ist<br />
dem modernen Mediennutzer natürlich<br />
klar. Aber irgendwie stimmt es ja auch,<br />
wir vernetzen uns mit Freunden, teilen<br />
Musik oder Videos die wir mögen und<br />
berichten überschwänglich von Partys<br />
Schlussakkord<br />
Ich – Unvollständig<br />
über selbstzeNsur uND Feuchte träume im social Web<br />
Von Norman Peitz<br />
und den schönen Momenten unserer<br />
Beziehung. Schauen wir aber genauer<br />
nach, unterliegt unsere eigene „selbstbestimmte“<br />
Benutzung knallharten, betriebswirtschaftlichen<br />
Kriterien. Jeder<br />
weiß, dass die Facebook Timeline der<br />
feuchte Traum eines jeden Personalers<br />
ist. Also werden Verlinkungen auf Fotos<br />
der letzten exzessiven Feier beflissentlich<br />
gelöscht. Der Spruch „Zeit ist Geld“<br />
hat im Zeitalter des Digitalen mehr Aktualität<br />
den je. Denn umsonst ist gar<br />
nichts und so verdienen Facebook &<br />
Co. daran, wenn wir uns gewollt oder<br />
ungewollt einem Werbeangebot hingeben.<br />
Im digitalen Raum hat es aber<br />
tiefergehende Auswirkungen, wenn<br />
die Aufmerksamkeitsökonomie auf uns<br />
und unsere sozialen Beziehungen stößt.<br />
Dass Teenager Lebenskrisen bekommen,<br />
wenn das neue Profilbild keine<br />
zehn Likes innerhalb von einem Tag erhält,<br />
ist nur eine oberflächliche Auswir-<br />
50<br />
kung dieser Verquickung. Wer hat nicht<br />
schon einmal eine Freundin vorübergehend<br />
auf die Ignoreliste gesetzt, wenn<br />
diese gerade ihre letzte Beziehung über<br />
ein Social Network verarbeitet? Unsere<br />
Aufmerksamkeit ist kostbar und es<br />
macht ja schließlich mehr Sinn, diese<br />
für angenehmere Dinge aufzuwenden.<br />
Und wir selbst? Auch<br />
wir posten nur das,<br />
was nach mehrmaliger<br />
Überlegung auf möglichst<br />
viel Gegenliebe<br />
in der Friendlist stößt.<br />
Man könnte diese<br />
Praktik jetzt <strong>als</strong> profane<br />
Kulturtechnik des Internets<br />
abtun. Kommt<br />
man aber auf die eigentliche<br />
Funktion<br />
von Facebook & Co. zurück<br />
– uns und unseren<br />
Freunden Platz im digitalen<br />
Raum zu schaffen<br />
– so stellt sich die Lage<br />
unserer Identitäten im<br />
digitalen Raum <strong>als</strong> prekär<br />
dar. Aufgrund der<br />
nächsten Bewerbung<br />
und aus Rücksichtnahme<br />
auf unsere Freunde<br />
enthalten wir unserem digitalen Ich sowohl<br />
gute <strong>als</strong> auch schlechte Erfahrungen<br />
vor. Bedenkt man aber, dass unser<br />
Ich eigentlich ein Produkt aus guten<br />
und schlechten Erfahrungen ist, sind<br />
wir im digitalen Raum nie wir selbst,<br />
wir bleiben unvollständig. Da aber diese<br />
Selbstzensur schon Gewohnheit geworden<br />
ist und unterbewusst fortläuft, besteht<br />
die Frage nicht darin, ob wir uns<br />
auch im richtigen Leben auch so verhal-<br />
Peitz<br />
ten, sondern wann. Einen Menschen so<br />
kennen zu lernen wie er ist – auch mit<br />
Norman<br />
seinen Macken – empfinde ich heute <strong>als</strong><br />
schwieriger denn je. # Foto:
l e i d e n s c h a f t f ü r t e c h n i k l e b e n<br />
ein erfolgreicher karrierestart<br />
beginnt im studium.<br />
Sie können schon während Ihres<br />
Studiums wertvolle Erfahrungen<br />
in einem langjährig erfolgreichen<br />
Unternehmen sammeln,<br />
indem Sie frühzeitig an Projekten<br />
der ESG mitarbeiten. In klei-<br />
nen Teams werden Sie optimal<br />
betreut und lernen nicht nur,<br />
Ihr Wissen in die Praxis umzusetzen,<br />
sondern bekommen<br />
zusätzlich einen Einblick in die<br />
Prozesse eines hightech-Unternehmens.<br />
Wenn Sie studieren<br />
oder kurz vor Ihrem Abschluß<br />
stehen, eine Affinität zu Elektronik-<br />
und Software-Themen<br />
besitzen, dann sind Sie bei uns<br />
genau richtig.<br />
Wir bieten Ihnen die Chance, an<br />
unterschiedlichen Projekten mitzuwirken,<br />
gute Betreuung durch<br />
erfahrene Mitarbeiter, kleine<br />
dedicated to solutions.<br />
lassen sie sich verführen durch innovative entwicklungen und neueste technologien in der Welt der elektronik<br />
Teams, in die man sich schnell<br />
integriert, Freiräume durch<br />
flexible Arbeitszeiten, attraktive<br />
Bezahlung und eine angenehme<br />
und kollegiale Arbeitsatmosphäre,<br />
in der Leistung Spaß macht,<br />
Anerkennung findet und der Einzelne<br />
wertgeschätzt wird.<br />
Praktikant / Werkstudent / diPlomand / absolvent (m/w)<br />
Automotive Systems – Fahrzeugtechnik – Technische Informatik – Softwaretechnik<br />
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