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Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein

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Jahrgans 1954 H Ö H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 61<br />

Zwischen Rottenburg und Tübingen erhebt sich der weithin<br />

sichtbare Wurmlinger Berg mit seinem uralten Kirchlein<br />

und dem Friedhof, die durch Ludwig Uhlands Gedicht „Droben<br />

stehet die Kapelle" berühmt geworden sind. Schon im 11.<br />

oder 12. Jahrhundert, so berichtet die Ueberlieferung, stiftete<br />

ein Graf (Anselm?) von Calw für sich und die Seinen hierher<br />

einen Jahrtag, dessen regelmäßige Feier das Kloster<br />

Kreuzlingen bei Konstanz zu überwachen und z;u finanzieren<br />

hatte, wofür ihm der Stifter den Kirchensatz dieser Wurmlinger<br />

Pfarrkirche und andere Einkünfte übertrug. (Der<br />

Kirchensatz umfaßte alle Einkünfte der Kirche und deren<br />

Pfründen.)<br />

Am Montag nach Allerseelen hatte sich der Kammerer des<br />

Landkapitels Tübingen-Wurmlingen auf den Berg zu verfügen,<br />

wo der Verwalter des genannten Klosters am Kirchhoftor<br />

bereits einen Wagen gespaltenen Brennholzes und<br />

einen Sack guter Holzkohlen, sowie einen geladenen Heuwagen<br />

und eine braun gebratene Gans bereit hielt. Die Gans<br />

bekam der Fuhrmann, der den Heuwagen gebracht. Ferner<br />

waren gerichtet: ein fetter Ochse von drei Jahren, ein Spanferkel,<br />

ein jähriges und ein zweijähriges Schwein, genügend<br />

Bier (vor einem, zwei und drei Jahren gesotten) Brot von<br />

Weizen-, Veesen- und Roggenmehl, und zwar je 3 Laibe im<br />

Werte von einem Schilling, sowie genügend Gänse und anderes<br />

für die Gäste. Ein gewandter Metzger und ein wohlunterrichteter<br />

Koch standen ebenfalls bereit.<br />

Nachdem der Kammerer alles genau geprüft, nahm er dem<br />

Verwalter des Abts von Kreuzlingen, dem Metzger, Koch und<br />

dem übrigen Gesinde den Eid ab, alles genau nach der Ordnung<br />

herzurichten und bei der Feier des Totenamts am folgenden<br />

Tag zu verwenden und nichts zu veruntreuen.<br />

Am Dienstag bei Sonnenaufgang zog dann der Dekan mit<br />

seinen Kapitelsherren samt übrigen Geistlichen von Tübingen<br />

und Rottenburg zu Pferd oder Fuß in schwarzen Kleidern<br />

und Kapuzen auf den Berg, jedoch bei Strafe eines Scheffels<br />

Weizen für jeden, der seine Kapuze daheim ließ, und zu spät<br />

oder (ohne Entschuldigung) gar nicht kam. Jeder durfte auch<br />

seinen Schatten, d. h. den Mesner oder Diener mit sich nehmen.<br />

Wenn einer zu Roß kam, so stand ihm eine neue Mulde,<br />

ein Viertel Haber und ein neuer Strick zu, die sein Diener<br />

nachher heimbefördern mochte.<br />

Wenn alles bereit war, traten die Geistlichen ohne Stiefel<br />

und Sporen, in ihre Kapuzen gehüllt, um die Tumba des<br />

Stifters (der vielleicht in der Krypta begraben lag) zum<br />

Beten der Psalmen der Vigil. Der Dekan zelebrierte das Totenamt,<br />

die Kapitular gingen zum Opfer und lasen einige<br />

stille Messen. Einer verlas laut den» versammelten Volk die<br />

Der Wurmlinger Jahrtag<br />

Namen des Stifters sowie seiner Gemahlin und Kinder. Endlich<br />

wurde die Vesper mit dem Placebo und den Collecten<br />

gesungen, darauf das Testament des Stifters verlesen und<br />

schließlich öffentlich umgefragt, ob alles den Vorschriften<br />

gemäß begangen worden sei.<br />

War dies bejaht, so lädt der Kammerer die Geistlichen und<br />

übrigen Teilnehmer am Wäldchen unten, wo der Wind nicht<br />

so pfiff, zum Mahle ein. Während die hochwürdigen Herren<br />

sich in Bescheidenheit um die untersten Plätze an der aufgeschlagenen<br />

Tafel stritten, breitete er unweit davon die<br />

Haut des geschlachteten Ochsen aus und hieß die Armen und<br />

Bresthaften sich herum lagern. Dann schnitt er den Kapitularen<br />

und Gästen einen Laib Weißbrot vor und empfing<br />

von jedem eine Gabe, einen Pfennig oder mehr, die er aber<br />

gleich den armen Leuten beim Ochsenfell austeilte. Dreierlei<br />

Brot wurde von den Dienern aufgesetzt, allgemein das Tischgebet<br />

gesprochen und dann mit den drei gebratenen Sauköpfen<br />

der Anfang des Mahles gemacht. Es folgten Gänse,<br />

Hühner, Fische, Rindsbraten, Wurst, Käse, Kuchen, Trauben<br />

von der Neckarhalde, Nüsse, Aepfel, Birnen nacheinander,<br />

und die überreichen Reste samt Suppe, Fleisch und Bier<br />

wurde unter die Armen verteilt. Lediglich die gebratene<br />

Gans und in ihr ein gebratenes Hühnchen und in dem Hühnchen<br />

eine Wurst behielt jeder Gast für sich und mochte es<br />

wohl auch heimnehmen. Nach dem Essen folgte das allgemeine<br />

Dankgebet. Wieder wurde gefragt, ob alles richtig ausgeführt<br />

sei und auf das gemeinsame Ja erklärte der Dekan<br />

dem Stellvertreter des Abts von Kreuzlingen, daß er seiner<br />

Pflicht Genüge getan habe.<br />

Würde aber je die Stiftung nicht erfüllt werden, so sollten<br />

fallen alle ihre Einkünfte dem ältesten Besitzer der Burg<br />

Calw zu, der dann zu Pferd herkommen und in den Steigbügeln<br />

stehend einen Goldgulden über den Kirchturm werfen<br />

und in Zukunft für die Vollziehung der Stiftung nach eigenem<br />

Gutdünken sorgen möge.<br />

Der Stiftungsbrief dieser merkwürdigen Totenfeier ist zwar<br />

nicht mehr vorhanden, aber eine von Zeugen bestätigte Nachricht<br />

vom Jahre 1348 macht die Sache unzweifelhaft. Zur<br />

Zeit der Glaubensänderung in Württemberg 1534 wurde er<br />

noch gehalten, nur verwendete man damals dreierlei Wein<br />

statt Bier. Der lutherisch gewordene Pfarrer von Derendingen<br />

(Jak. Hegner von Ringingen) mit andern wollten sogar<br />

noch am Schmause teilnehmen, trotzdem sie keine Messe<br />

mehr lasen. In weit bescheidenerem Maße fanden sich einst<br />

auch anderwärts ähnliche Jahrtagsfeiern mit mehreren Geistlichen,<br />

einem Imbiß und Gaben an die Armen. (Nach Freibg.<br />

Diöz. Arch. Bd. 9, S. 301—303 und Note S. 267).<br />

Johannes A. Kraus.<br />

Vergleich über die Fronen in Kettenacker im Jahre 1751<br />

Als der minderjährige Marquard Carl Anton Speth im<br />

Jahre 1741 den Spei-h'schen Besitz übernahm und derselbe<br />

bis zur Volljährigkeit des Junkers von einer Vormundschaft<br />

verwaltet wurde, gab es in Kettenacker erhebliche Meinungsverschiedenheiten<br />

über den Umfang der Fronarbeiten.<br />

Strittig waren folgende Fronen:<br />

Die mgemessenen Reit-, Kutschenfronen, Befördern herrschaftlicher<br />

Bagage und Mobilien, die Weinfuhrfronen gegen<br />

Reichung vom Futter, Mahl, Stahl und Eisen; die Aufbereitung<br />

von 2 Klaftern Holz von jedem Tagwerker je Klafter zu<br />

6 Kr.; jährlich ein Tag in der Ernte von morgens bis abends<br />

6 Uhr zu schneiden; jedes zweite Jahr mit Hermentingen<br />

haben die Frauen zwei ha'be Tage Hanf zu liechen; jährlich<br />

sind 13 Mannsmahd Wiesen zu heuen, öhmden, dörren,<br />

auf- und abzuladen, auch heim in die Sennerei zu fahren;<br />

zur Residenzmahlmühle in Hettingen sind ungemessene<br />

Hand- und Mähnefronen zu leisten, ebenso sind sämtliche<br />

Baumaterialien zur Mühle auch aus der Fremde fronweise<br />

zu holen.<br />

Der aus Vertretern der Herrschaft und der Gemeinde<br />

Kettenacker bestehende Ausschuß legte für die Gemeinde<br />

Kettenacker am 19. Mai 1751 im Amtshaus in Gammertingen<br />

die Fronen folgendermaßen fest:<br />

Das Lustbergische Ackerfeld (Lusthof) mit Einschluß des<br />

mit Vesen angeblümten Stücks an der Wiese oben und unter<br />

der Egert, ungefähr 4 Jauchert und das umgerissene Stück<br />

langwegs an der Wiese am Kettenacker Weg 3 Jauchert sind<br />

in der Habersaat zu ackern, säen, eggen, brachen; einmal zu<br />

falgen, über Herbst zu säen und zu eggen. Die Herrschaft<br />

hat hierfür jeder ganzen Mlähne vor der Ernte 16 Pfund<br />

Fronbrot gegen Quittung zu reichen und folgenden 8 Einrößlern<br />

(Anton Schaden, Joseph Steinhart, Nikolaus Hanner,<br />

Felix Berner, Hansjerg Fauler, Michel Fauler, Christian<br />

Eisele, Iohann Schlaghauten) jedem 28 Kr., insgesamt 3 11 44<br />

Kr. zu geben und den Bauern und Tagwerkern 14 fl 25 Kr.<br />

an der Herbstrechnung als Frongeld abzuziehen. Das obenerwähnte<br />

Ackerfeld ist jederzeit zu schneiden und zu binden,<br />

die Garben sind auf- und abzuladen und auf den Lustberg<br />

zu fahren. Die Herrschaft hat den Schnittern morgens<br />

früh einen Haberbrei und eine Suppe, mü.ags Suppe und<br />

Milch, beide Male auf jeden Tisch mit 10 oder 11 Personen<br />

besetzten Tisch einen Laib Brot, jedem Wagen, der einführet<br />

(ob ein- oder mehrmal) 2 Pfund Brot, auf einen Karren 1<br />

Pfund Brot, den Schnittern abends mit Ausschluß des Essens<br />

jedem ein Pfund Brot ziui reichen. Die Tagwerker haben gegen<br />

Reichung des Morgen- und Mittagessens wie beim<br />

Schneiden, auch des Laibs Brot auf jeden Tisch, doch ohne<br />

Abendbrot mit Ausschluß der Bauern und Einrößler den<br />

Haber allein zu mähen. Beim Aufrechen und Binden haben<br />

letztere zu helfen. Die Bauern, Einrößler und Oechsier, die<br />

Haber einfahren, sind zum Aufrechen, Binden und Aufladen<br />

nich' verpflichtet; diese Arbeit ist von den Handfronern<br />

zu verrichten. Die Einfahrenden sind von Handfronen befreit;<br />

sie erhalten von einem mit einer ganzen Mähne bespannten<br />

Wagen 2 Pfund Brot, der Karren 1 Pfund. Die<br />

Handfroner bekommen morgens und abends je 1 Pfund Brot.<br />

Die Kettenacker haben von den Wiesen, die die Herrschaft<br />

auf ihre Kosten mähen lassen muß, Heu und Oehmd zu<br />

dörren und auf den Lustberg einzufahren. Der auf dem<br />

Lustberg erzeugte Dung ist fronweise auf die Wiesen und

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