Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein
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54 H O H E N Z O L L E N I S C H E H E I M A T<br />
das Fernmeldewesen auf die Höhe zu bringen, auf der es<br />
heute steht.<br />
Rund 50 Jahre sind es nun her, daß die gelben Postwagen<br />
ihre Fahrten durchs Killertal, Eyachtal, Starzel- und Laucherttal<br />
eingestellt haben. Nur im Postmuseum und in manchen<br />
Wirtschaften auf dem Lande sind ihre Bilder noch zu<br />
sehen. Es waren große Kutschen, bespannt mit 2, 3 oder<br />
manchmal 4 Pferden, die im Innern für vier Reisende Platz<br />
boten, im Schwarzwald teilweise für 6 Personen. Bei großem<br />
Schnee traten Schlitten an die Stelle der Wagen. Auf<br />
dem hohen Bock saß der Postillion in schmucker Uniform,<br />
Horn und Tasche umgehängt, Zügel und Peitsche in Händen.<br />
Er war der Herr der Landstraße, wenn er das Signal<br />
gab, mußte Platz gemacht werden; er hatte Vorfahrtsrecht.<br />
Nun sind auch sie, die Postillione, der Vergessenheit anheimgefallen.<br />
Nur noch einige von ihnen leben hochbetagt als<br />
Pensionäre. Es waren meistens heitere Gesellen, die trotz<br />
des schweren Dienstes und des schmalen Lohnes lustig das<br />
Horn und die Peitsche erklingen ließen. Ueberall waren sie<br />
gerne gesehen als Reisebegleiter und Ueberbringer der neuesten<br />
Nachrichten. Wenn ihr Aufenthalt in den Dörfern auch<br />
nur eine „Schoppenlänge" betrug, soi wußten sie doch den<br />
rasch herbeikommenden Dorfbewohnern stets was zu erzählen.<br />
Hatten sie mehr Zeit, so erzählten sie von ihren<br />
Fahrten in Nacht und Nebel, bei Sturm und Schnee und<br />
Großvater wanderte mit seinem Enkel durch das sonnenwarme<br />
Tal der Starzel.<br />
Als er mit ihm in die Nähe des Dorfes Killer kam, verfinsterte<br />
sich die Sonne. Denn über die Albberge stieg ein drohendes<br />
Meer von schwarzen, dicken Wolken. Gleich einem Untier<br />
grollte ein Gewitter auf - den beiden Wanderern entgegen.<br />
„Lauf, Bue!" mahnte der Großvater zur Eile, „daß mir<br />
onter Dach kommet, voar's Wetter eisetzt!"<br />
„Weards g'fährlich?" fragte der Enkel etwas ängstlich.<br />
„Noi, noi, Bue, onser Glock weard scho sorga, daß noiz<br />
bassiera ka".<br />
„Wieso, Großvattr, soll die grauß Glock helfa?"<br />
„Des will i dir jetzt saga, Bue! Die treibt die Wetterwolka<br />
auseinander — ond zwar dur iehr schös, eidringlichs Wondergläut.<br />
S'ischt grad als wenn sie a Schar Raubvögel vrjaicha tät".<br />
„Ja, Gro.. ^attr, worum saischt du vo deara Glock, sie hett<br />
a Wondergiaut?<br />
„Ha, des ischt so, Bue: Die Glock hanget seit urdenkliche<br />
Zeita z' Killer, en unserm Hoimetkirchle ond läutet so schö,<br />
Den älteren Lernen von Grosselfingen ist der „Weißputzur",<br />
d. h. der Gipser, ein wohlbekannter Begriff. Der<br />
Weil.' jtzer war ein Meister seines Handwerks und hatte<br />
auch Energie und Mut. Als der Kirchturm in Ostdotrf ein<br />
neues Gewand erhalten sollte, schreckten die Ortsväter<br />
schon vor den hohen Gerüstkosten zurück. Da machte auch<br />
unser Weißputzer ein Angebot, das nur einen Bruchteil des<br />
Voranschlags betr-.t und ihm wurde die Arbeit übertragen.<br />
Dazu brauchte er kein Gerüst. An ein langes „Wurfseil", das<br />
bekanntlich zur Spannung des „Wiesbaumes" nötig ist,<br />
machte e einen bequemen Sitz, band es oben im Turme<br />
fest und ließ sich daran an der Außenwand des Turmes<br />
herunter, höher und tiefer, so wie er es zur Ausführung<br />
seiner A beit brauchte. Zur Mittags- und Vesperzeit kletterte<br />
er dann an dem Seil empor. Zu Dutzenden, ja oft<br />
Hund ."ten standen die Ostdorfer da unten und schauten<br />
dem Wagemutigen zu, der die Arbeit tadellos zu Ende führte.<br />
Der Weißputzer aber hatte einen charakterlichen Fehler.<br />
Wenn er sich ein nettes Sümmchen verdient hatte, zog es<br />
ihn unwiderstehlich in die Krone, den Ochsen oder die Färb;<br />
..f^nn das ,Braunbier" liebte er über die Maßen So kam es,<br />
da r i er sich bis zum Abend oft einen ordentlichen Ueberschwang<br />
angetrunken hatte Darauf '.latten wir „Malefiznuben"<br />
nur gewartet. De"n ging er dann im Zickzack nach<br />
H,:use, so ließen wir auf der Straße einige Schattersteine<br />
roller., ^er MI '. imals genug umherlagen. Vor Steinen aber<br />
hatte der Weißputzer eine Höllenangst, und er sprang, so<br />
gut er es noch konnte, davon. Das machte uns einen Heidenspaß,<br />
unc wi. haben das Gaukelspiel oft wiederholt, weil<br />
wir den Maulheiden an seiner schwächsten Stelle getroffen<br />
hatten, dp'- sonst, was sein beständiger Heldenausdruck war,<br />
den Teufel nicht fürchtete.<br />
Mnmal war es aber doch anaers. Eines Abends saß er<br />
mit andern in der „Kutsche" in Weilheim und erzahlte von<br />
Die große Glocke von Killer<br />
Der Teufel und der Ziegenbock<br />
T ruang 19. s '<br />
von ihren Fahrgästen. Oft waren es bedeutende Persönlichkeiten,<br />
die mitfuhren. Das meiste Glück in dieser Hinsicht<br />
hatte der Postknecht Kästle aus Starzein, der anfangs der<br />
70iger Jahre den alten Kaiser Wilhelm I. nach Hechingen fahren<br />
durfte. Der greise Monarch stieg im „Höfle" in Starzein<br />
aus und fuhr mit Extrapost nach Hechingen weiter. Kästle<br />
erhielt die Ehrenpeitsche und war stolz darauf sein Leben<br />
lang. Ehrenpeitsche und Ehrenhorn wurden sonst nur nach<br />
langer einwandfreier Dienstzeit verliehen.<br />
Jeder Postillion mußte das Horn blasen können. Vor<br />
Abgang der Post blies er das Signal, eine Art Weckruf, um<br />
noch etwaige Reisende herbeizurufen. Bei der Einfahrt in<br />
die Städte und Dörfer mußte er wieder blasen, um seine<br />
Ankunft anzuzeigen. Mancher brachte es zu einer großen<br />
Fertigkeit im Blasen des Horns, und so kam es, daß in den<br />
Abend- und Nachtstunden, besonders in der schönen Jahreszeit<br />
Posthornklänge ertönten im Tal und auf der Höhe.<br />
Es waren zumeist schwermütige Lieder vom Abschiednehmen,<br />
von Sehnsucht und Heimweh, die dem einsamen Wanderer<br />
und dem daheim noch Wachenden Herz und Gemüt<br />
ergriffen. Kein Wunder, daß in einer solchen Stimmung zahlreiche<br />
Lieder und Gedichte entstanden, die die Post und den<br />
Postillion zum Gegenstand haben.<br />
Das war die gemütliche, die gute, alte Zeit.<br />
K. Barth, Oberpostmeister a. D.<br />
von Maria E. Flad<br />
wie du jo selber Dag für Dag hairscht. Nau oimol hot sie<br />
ausg'setzt — und des ischt igsei, wo d' Schweda dur's Ländle<br />
ond dur des Dal zoga send. Bei iehrem Eizug hot die Glock<br />
grad s'Bet g'litta. Auf des na haut sie da Glockaturm<br />
g'schtürmt, haut die Glock ag'henkt ond mitg'nomma. Die<br />
Killermer send drüber ganz onglücklich gsei. Aber was<br />
moischt, Bue, am andera Dag hot die Glock auf oimol em<br />
Glockaturm g'litta. Ja, ja, gelt Bue, do schtaunscht! Koi<br />
Mensch woiß, wie des zueganga ischt — wear die Glock<br />
wieder en da Glockaturm g'schaffet hot. Seit deara Zeit<br />
läutet se ons en fraidiga ond au en trauriga Daga. Ond sie<br />
schitzt ons voar jedem schwera Durnwetter".<br />
„Ha, wenn seil war!" seit dr Bue, „no haun i vo jetzt a en<br />
graußa Reschpekt voar iehrem schena G'läut."<br />
Unter diesem Gespräch ist der Großvater mit seinem<br />
Enkel zu Hause angekommen.<br />
Das Gewitter ai>er verzog sieb bei dem wundersamen Geläut<br />
der großen Glocke von Killer.<br />
Bearbeitet nach einer Sage von Ludwig Egler.<br />
seinen Heldentaten und besonders von seiner Furchtlosigkeit.<br />
„Ja", ief er seinen Zechkumpanen zu 1 , „ich fürchte mich<br />
selbst vor dem Teufel nicht, und wenn er jetzt leibhaftig da<br />
hereinkäme, so würde ich ihm mein Bierglas", das damals<br />
noch einen festen Handgriff hatte, „mitten auf den Kopf<br />
schlagen." So prahlte der Weißputzer.<br />
Aber alles hat einmal ein Ende, selbst das Zechen und<br />
Biertrinken, und geger Mitternacht verabschiedete sich der<br />
Weißputzer; denn er hatte noch einen weiten Weg nach<br />
Hause. Doch schon nach 10 Minuten Kam er wieder, zitterte<br />
am ganzen Leib und erzählte stotternd, daß ihm draußen<br />
vor dem Dorfe der Teufel wirklich erschienen sei. Dort<br />
stehe er in einem Garten, habe feurige Augen und zwei<br />
wirkliche Hörner; er habe sich nicht getraut, weiterzugehen,<br />
sie sollen nur kommen und es selbst sehen. Die Männer<br />
machten ernste Gesichter; nur einer lachte verschmitzt in<br />
sich hinein und Jagte: ,.So gehen wir halt vor das Dorf und<br />
schauen uns den Teufel an." Sie gingen hinaus, und richtig,<br />
dort stand der unheimliche Geselle mit glühenden Augen<br />
und zwei wirklichen Hörnern, so daß selbst die Männer ein<br />
kalter Schauer überlief. Doch der Verschmitzte sagte:<br />
„Ki'-nmt nur] Wii wollen dem Kerle zeigen, daß wir uns<br />
nicht vor ih n fürchten." Sie gingen tatsächlich auf das Ungetüm<br />
zu, A 5 sie ganz nahe waren, meckerte es ganz ziegenböckisch.<br />
Da war das Teufeisrätse 1 gelöst; denn der vermeintliche<br />
Teufel war der Ziegenbock dessen, der so versenmitzt<br />
gelacht hatte. /Ms sich der Weißputzer rühmte, er<br />
fürehtc selbst den Teufel nicht, war er ausgetreten und<br />
hatte oa er ganz nahe wohnt, seinen Ziegenbock losgebunden,<br />
und dieser war dem Weißputzer in den Weg getreten.<br />
Wenn später der Weißputzer wieder von seinen Heldentaten<br />
und seine r Furchtlosigkeit erzählte und prahlte,<br />
dann brauchte man ihn nur an den Ziegenbockteufel erinnerr<br />
Dann wurde er mäuschenstill, trank sein Bier aus und ging<br />
nach Hause. Der prahlerische Prolet war geheilt. J. Sti-bel,