Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein

Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein

hohenzollerischer.geschichtsverein.de
von hohenzollerischer.geschichtsverein.de Mehr von diesem Publisher
08.02.2013 Aufrufe

50 H O H E N Z O L L E E I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954 Als vor etwa 180 Jahren die reine Brache allmählich aus der Dreifelderwirtschaft verschwand und de: Brachesch angebaut wurde, brauchten unsere Aecker als Ersatz für die durch die Brache bedingte Ruhe- und Erholungspause eine stärkerei Düngung. Jetzt griff man auf den schon den Römern als Düngemittel bekannten Gips zurück. Eine starke Werbung für die Gipsdüngung setzte ein. Männer wie Johann Christian Schub art (1734 787), der wegen seiner Förderung des Kleeanbaues als „Edler von Kleefeld" vom Kaiser Joseph II. im Jahre 1784 in den Adelstand erhoben wurde, und Johann Friedrich Mayer aus Herbsthausen im Kreis Mergentheim, Pfarrer in Kupferzell, Kreis Oehringen, der „Gipsapostel" (1719—1798) wiesen mit allem Nachdruck auf die hohe Bedeutung des Gipses als Düngemittel hin, insbesondere für den neueingetührten Kleeanbau. Jetzt entstanden auch bei uns zahlreiche Gipsgru'oen und zwar sowohl im Muschelkalk, auf die wir schon früher hingewiesen haben (Hohenzollerische Heimat 2. Jahrgang Nr. 2, Seite 17) als auch im Gipskeuper. Die Gipsvorkommen im Muschelkalk wurden hauptsächlich in Dettingen, Glatt und Imnau ausgebeutet, jene im Gipskeuper in Empfingen, Owingen und Rangendingen. Rangendingen hatte in jener Zeit zwei Gipsmühlen. Die eine davon war am Ausgang des Dorfes gegen Hirrlingen hin im Jahre 1801 mit fürstlicher Erlaubnis an dem alten, damals noch fürstlichen Mühlgraben von der Gemeinde erbaut worden, ging aber schon im Jahre 1803 laut Kaufvertrag vom 12. Dezember 1802 um den Betrag von 1050 Gulden in Privatbesitz über und zwar in die Hände des Zimmermanns Xaver Dieringer. Später wurde ihr noch eine Säge Das Warenbergle bei Owingen angebaut. Heute steht an ihrer Stelle die neue Glaserei Widmaier. Die zweite Gipsmühle lag dem Gasthaus zur „Krone" gegenüber. Auch sie ist eingegangen, da der Kunstdünger den Gips verdrängte, und jetzt in Wohnräume umgebaut worden. Welchen Absatz die Rangendinger Gipsmühlen hatten und welch reges Leben der Gipsmühlenbetrieb in der Zeit seiner höchsten Blüte nach Rangendingen brachte, das hat Schulrat a. D. J. Wannenmacher in der „Hohenzollerischen Zeitung" (3. Dezember 1951) anschaulich geschildert. Wie sehr in jenen Jahren der Gips von den Bauern als Düngemittel geschätzt und begehrt wurde, das konnte ich vor einigen Jahren von der im Jahre 1952 verstorbenen Alt-Löwenwirtin Agnes Abt in Freudenweiler bei Neufra erfahren, die mir erzählte, daß sie als junges Mädchen oft nach Rangendingen gekommen sei, um von dort einen Korb voll Gips auf dem Kopfe nach Hause zu tragen! Aus dem benachbarten Württemberg wurde viel „würtenbergischer" Gips in Rangendingen geholt. Der Hügel, dem der meiste Gips entstammte, heißt nämlich Würtenberg. Schon 1544 wird ein „Egertenfeld uf Würtenberg" erwähnt (Katasterblatt S. W. XIV. 12.). Die Gipsgewinnung in Rangendingen hörte, wie schon erwähnt, auf, als der künstliche Dünger in den Handel kam. Ein Versuch, sie neu zu beleben, kam durch die Währungsreform vom 20. Juni 1948 zum Scheitern. Auch in Owingen begann man zu Anfang des vorigen Jahrhunderts die reichen Gipsschätze zu heben, die in den Gipskeuperhügeln zu beiden Seiten des Eyachtales verborgen lagen, und sie der gipshungerigen Landwirtschaft zuzuführen. Das Gipswerk der Gebrüder Häusel in Owingen, das

Jahrgang 1954 H O H E N Z O L L E R I S C H E N 13 H A T 51 im Jahre 1806 angelegt wurde, hat sich bis heute erhalten. Es ist das einzige Werk dieser Art nicht nur in Hohenzollern, sondern in ganz Süddeutschland, das in die alte und erste Blütezeit der Gipsgewinnung zurückreicht. Bis zum Jahre 1908 widmete es sich der Herstellung von Düngergips, dann stellte es sich auf Bau- und Putzgips um. Das Rohmaterial wird in aer stattlichen Gipsgrube nordöstlich von Owingen durch Sprengung im Tagbau gewonnen und durch Lastkraftwagen zu dem Gipswerk gebracht, das in landschaftlich schöner Lage am Austritt des Mittels- und Lützelbaches in die Talaue der Eyach, unweit der alten Owmger Weilerkirche liegt. Dort werden die größeren Gipssteine zunächst zerkleinert und dann in einem Spezialbrennverfahren 78—80 Stunden gebrannt. Der so gewonnene Baustoff kommt unter dem Namen „Häusels Zollergips" in den Handel und findet in weitem umkreis guten Absatz, der sich im Jahre auf 2000—3000 Tonnen beläuft. Das Werk beschäftigt über ein Dutzend Arbeiter. In Empfingen war die Gipsgewinnung im vorigen j'ahrhundert besonders rege. Um das Jahr 1840 arbeiteten dort sechs Gipsmünlen, die das Rohmaterial im Auchtet und auf dem Hungerbühl holten. Sie stellten Dünge- und Baugips '.er. Der besonders feine und weiße Frauengips kam in die Porzellanfabrik nach Schramberg. Aber auch in Empfingen gingen die Gipsmühlen alle ein. Vor zwei Jahren hat Johann Reich im alten Gipsgrubengelände ein neues Gipswerk angelegt. Sein Gips findet als doppelt gebrannter Baugips guten Absatz. Die Gipskeuperlandschaft besitzt nicht die hohe Fruchtbarkeit der Gäulandschatt. Wohl liegen in ihren flachen Mulden Gipssteinbruch bei Owingen ergiebige Aecker und feuchte Wiesen, aber schon an flachen Hängen fehlt auch in altbebautem Gelände der Humusboden. Selbst bei flachem Pflügen kommt immer wieder der unverwitterte Mutterboden zum Vorschein, weil offenbar die zehrende Wirkung des Gipses keine Humusbildung aufkommen läßt. Die Hänge und Hügel tragen deshalb nur magere Aecker und dürftig' Wiesen. Meist sind sie als Allmende im Besitze der Gemeinde und werden entweder als „Teile" an die Bürger vergeben oder dienen als Weiden. Die von den Ortschaften abgelegneren Gebiete und die steileren Hänge sind heute meist mit Wald bestockt. In früheren Jahrhunderten dienten die Hänge in sonnigen Lagen öfters dem Weinbau, wie uns noch Flurnamen wie Weinberg, Weinberghalde, Kelterrain, Kelterwasen zeigen, die wir im Bereiche des Gipskeupers auf den Gemarkungen Gruol, Heiligenzimmern, Owingen und Rangendingen finden. Ueber diesen alten Weinbau in der Gipskeuperlandschaft ist schon oft geschrieben worden, so brachte in dieser eitschrift (1. Jahrgang 1951, Nr. 2, Seite 31) Hauptlehrer J. Wiest einen Beitrag „Zur Geschichte des Weinbaues in Rangendingen" und Max Schaitel erzählte in der „Zollerheimat" (5. Jahrgang 1936, Nr. 6, S. 27/29) „Vom einstigen Weinbau im Stünzachtal" (Gruol und Heiligenzimmern). Heute ist der Weinbau in der hohenzollerisehen Gipskeuperlandschaft verschwunden, aber wie in den Flurnamen so haben sich seine Spuren an manchen Orten auch noch im Landschaitsbild erhalten. Alte Weinbergsmauern, künstliche Terrassen im Gelände, Kleinparzellierung, schmale Ackerund Wiesenstreifen, die an den Hängen herunterziehen, erzählen noch von ihm, aber auch manche Anekdoten sind

50 H O H E N Z O L L E E I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

Als vor etwa 180 Jahren die reine Brache allmählich aus der<br />

Dreifelderwirtschaft verschwand und de: Brachesch angebaut<br />

wurde, brauchten unsere Aecker als Ersatz für die<br />

durch die Brache bedingte Ruhe- und Erholungspause eine<br />

stärkerei Düngung. Jetzt griff man auf den schon den<br />

Römern als Düngemittel bekannten Gips zurück. Eine starke<br />

Werbung für die Gipsdüngung setzte ein. Männer wie Johann<br />

Christian Schub art (1734 787), der wegen seiner<br />

Förderung des Kleeanbaues als „Edler von Kleefeld" vom<br />

Kaiser Joseph II. im Jahre 1784 in den Adelstand erhoben<br />

wurde, und Johann Friedrich Mayer aus Herbsthausen im<br />

Kreis Mergentheim, Pfarrer in Kupferzell, Kreis Oehringen,<br />

der „Gipsapostel" (1719—1798) wiesen mit allem Nachdruck<br />

auf die hohe Bedeutung des Gipses als Düngemittel hin, insbesondere<br />

für den neueingetührten Kleeanbau. Jetzt entstanden<br />

auch bei uns zahlreiche Gipsgru'oen und zwar sowohl<br />

im Muschelkalk, auf die wir schon früher hingewiesen<br />

haben (<strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong> 2. Jahrgang Nr. 2, Seite 17)<br />

als auch im Gipskeuper. Die Gipsvorkommen im Muschelkalk<br />

wurden hauptsächlich in Dettingen, Glatt und Imnau<br />

ausgebeutet, jene im Gipskeuper in Empfingen, Owingen und<br />

Rangendingen.<br />

Rangendingen hatte in jener Zeit zwei Gipsmühlen. Die<br />

eine davon war am Ausgang des Dorfes gegen Hirrlingen<br />

hin im Jahre 1801 mit fürstlicher Erlaubnis an dem alten,<br />

damals noch fürstlichen Mühlgraben von der Gemeinde erbaut<br />

worden, ging aber schon im Jahre 1803 laut Kaufvertrag<br />

vom 12. Dezember 1802 um den Betrag von 1050 Gulden<br />

in Privatbesitz über und zwar in die Hände des Zimmermanns<br />

Xaver Dieringer. Später wurde ihr noch eine Säge<br />

Das Warenbergle bei Owingen<br />

angebaut. Heute steht an ihrer Stelle die neue Glaserei<br />

Widmaier. Die zweite Gipsmühle lag dem Gasthaus zur<br />

„Krone" gegenüber. Auch sie ist eingegangen, da der Kunstdünger<br />

den Gips verdrängte, und jetzt in Wohnräume umgebaut<br />

worden.<br />

Welchen Absatz die Rangendinger Gipsmühlen hatten und<br />

welch reges Leben der Gipsmühlenbetrieb in der Zeit seiner<br />

höchsten Blüte nach Rangendingen brachte, das hat Schulrat<br />

a. D. J. Wannenmacher in der „<strong>Hohenzollerische</strong>n Zeitung"<br />

(3. Dezember 1951) anschaulich geschildert. Wie sehr in jenen<br />

Jahren der Gips von den Bauern als Düngemittel geschätzt<br />

und begehrt wurde, das konnte ich vor einigen Jahren von<br />

der im Jahre 1952 verstorbenen Alt-Löwenwirtin Agnes Abt<br />

in Freudenweiler bei Neufra erfahren, die mir erzählte, daß<br />

sie als junges Mädchen oft nach Rangendingen gekommen<br />

sei, um von dort einen Korb voll Gips auf dem Kopfe nach<br />

Hause zu tragen! Aus dem benachbarten Württemberg wurde<br />

viel „würtenbergischer" Gips in Rangendingen geholt. Der<br />

Hügel, dem der meiste Gips entstammte, heißt nämlich Würtenberg.<br />

Schon 1544 wird ein „Egertenfeld uf Würtenberg"<br />

erwähnt (Katasterblatt S. W. XIV. 12.). Die Gipsgewinnung<br />

in Rangendingen hörte, wie schon erwähnt, auf, als der<br />

künstliche Dünger in den Handel kam. Ein Versuch, sie neu<br />

zu beleben, kam durch die Währungsreform vom 20. Juni<br />

1948 zum Scheitern.<br />

Auch in Owingen begann man zu Anfang des vorigen<br />

Jahrhunderts die reichen Gipsschätze zu heben, die in den<br />

Gipskeuperhügeln zu beiden Seiten des Eyachtales verborgen<br />

lagen, und sie der gipshungerigen Landwirtschaft zuzuführen.<br />

Das Gipswerk der Gebrüder Häusel in Owingen, das

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!