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Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein

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Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 29<br />

er kennzeichnet den Städter als Bewohner einer Burg, d. h.<br />

einer befestigten Ortschaft.<br />

Gerade in dieser Zeit beginnt wohl auch die früheste Geschichte<br />

unserer Bürgerwehr. Jeder rechtschaffene und wehrfähige<br />

Bürger hatte sich im Notfalle zu wehren und seine<br />

Stadt zu verteidigen. Wer Bürger war, war auch Wehrmann.<br />

Nicht jeder Einwohner durfte sich „Bürger" nennen. Das<br />

Bürgerrecht setzte gewisse Bedingungen voraus. Also war<br />

schon diese „Wehr der Bürger" eine Auswahl der unbescholtenen,<br />

freien Einwohner der Stadt.<br />

Die erste nähere Aufzeichnung über die „Wehrpflicht" unserer<br />

Vorfahren können wir einer Beschreibung des „Jahrgerichts"<br />

entnehmen, welches zu jener Zeit ja allerorts abgehalten<br />

wurde. Unsere Hechinger Chronik berichtet schon im<br />

Jahre 1544:<br />

„Alljährlich am Hilariatag (13. Januar), dem „Klärestag", berief<br />

der gräfliche Stadtschultheiß die städtischen Bürger zum<br />

Jahresgericht."<br />

Und aus dem Jahre 1579 finden wir folgende Beschreibung<br />

dieses Verfahrens:<br />

„Der Obervogt hielt an die Untertanen eine Ermahnungsrede,<br />

und der Untervogt (Schultheiß) las die Landesordnung<br />

vollständig vor. Darauf hatte jeder Bürger bei seinem Eid<br />

anzuzeigen, was er Rügbares wisse. Die neu aufgenommenen<br />

Bürger mußten sich in voller Ausrüstung zeigen, mit Harnisch,<br />

Sturmhaube, Hellebarde, Knobel- oder langem Spieß,<br />

Haken oder Rappier, die Schützen mit Muskete, Schützenröcklein<br />

und allem Zugehör."<br />

Diese „Burger" waren also schon damals Soldaten der<br />

Stadt, allerdings ausschließlich mit dem Zweck, Wohnung,<br />

sonstigen Besitz und ihre Familie vor Raubgesindel, Kriegsvolk,<br />

aber auch vor Feuer und sonstiger Not zu schützen.<br />

Sie griffen also nicht zu den Waffen, um in der Ferne Eroberungen<br />

zu machen oder gar politische Ziele zu verfolgen.<br />

Daß unsere Altväter mutig und entschlossen zusammenhielten,<br />

wenn es galt, die durch Not und Krieg oft klein gewordene<br />

Habe zu verteidigen, geht aus einem kleinen Bericht<br />

aus der Zeit nach dem 30jährigen Krieg hervor.<br />

Viel Not und Elend hat dieser endlose Krieg auch über<br />

unsere <strong>Heimat</strong> gebracht. Aber auch nach dem „Westfälischen<br />

Frieden" blieben die Besatzungstruppen noch zwei volle<br />

Jahre im Land. Die Burg Hohenzoilern war noch von kurbayerischen<br />

Kriegern — als Pfand für rückständige Kriegsschulden<br />

— besetzt, und sie sollen nicht viel anders als in<br />

Feindesland gehaust haben. Im Frühjahr 1649 trieben die<br />

Soldaten das am Zollerberg weidende Vieh von Hechinger<br />

Bürgern auf die Bürg. Als später zwei von ihnen einen<br />

Weideplatz wieder absuchen wollten, stießen sie in einem<br />

Hinterhalt auf 60 „bewehrte Hechinger Bürger", denen einer<br />

der Musketiere in die Hände fiel.<br />

Ihre altvererbten Rechte und Freiheiten verfochten unsere<br />

Vorfahren mit allen Mitteln. Der über eineinhalb Jahrhunderte<br />

immer wieder aufflackernde Kampf um die „Freie<br />

Pirsch" (1651—1796) wurde so verbissen geführt, daß die Bürger<br />

zu offenen Fehden gegen den Fürsten übergingen.<br />

Nach dem siebten Aufstand im Jahre 1701 befreite die<br />

„bewaffnete Bürgerschaft" gewaltsam einige gefangen gehaltene<br />

Anführer der Aufständischen, forderte die Gefängnisschlüssel<br />

und erklärte, sie würde keine Bürger verhaften<br />

lassen.<br />

Daß aber solche Ausschreitungen gegen die Obrigkeit nicht<br />

die Regel waren, beweisen folgende Ausschnitte aus den<br />

Stadtgerichtsprotokollen. Im Jahre 1751 wird dort berichtet:<br />

„Zur Geburt des Erbprinzen findet ein Festmahl statt, bei<br />

der auf Weisung des Stadtgerichts eine Anzahl wohlexerzierter<br />

Bürger mit ihren Feuergewehren 3 Salven abgeben."<br />

Die folgenden Berichte zeigen, daß die Stadtwache damals<br />

sehr genau und streng gehalten wurde und im Leben der<br />

Bürger einen nicht unwesentlichen Raum beanspruchte. Im<br />

Jahre 1757 finden wir folgende Eintragung:<br />

„Die Wache an den Toren solle man keinen halbwüchsigen<br />

Buben Uberlassen. Die Bürger sollen die Wachen selbst mit<br />

Unter- und Obergewehr am oberen und unteren Tore gewissenhaft<br />

halten, da zu dieser unsicheren Kriegszeit viel Gesindel<br />

mit falschen Pässen komme. Und wenn einer der<br />

fürstlichen Räte ein und ausgehe, solle jedesmal nach Schuldigkeit<br />

das Gewehr präsentiert werden."<br />

Und 1766 befiehlt der Stadtschultheiß den beiden Bürgermeistern<br />

folgendes genau zu besorgen:<br />

1. Zwei tüchtige Männer sollen täglich beim unteren und<br />

oberen Tore die Wache halten.<br />

2. Sie sollen einen weißen Zwilchkittel mit roten Aufschlägen<br />

tragen.<br />

3. Es sollen auch brauchbare Flinten beschafft werden und<br />

4. die Wächter allezeit, wenn Hochfürstliche Durchlaucht und<br />

Geheimde Räthe passieren, präsentieren können.<br />

Aus diesen Ausführungen ist zu ersehen, welche Aufgabe<br />

eine Bürgerwehr die ersten Jahrhunderte nach der Entstehung<br />

der Städte zu erfüllen hatte. Erst später, als die<br />

fortschreitende Technisierung und andere politische Verhältnisse<br />

eine Bürgerwehr in diesem Sinne überholt hatten, ent-<br />

Biirgergarde Hechingen Foto-Keidel, Hechingen<br />

wickelten sie sich langsam zu dem, was sie heute noch darstellen.<br />

Im 18. Jahrhundert hören wir in Hechingen zum erstenmal<br />

von einer „Bürgergard e", die bei öffentlichen<br />

Anlässen mit repräsentativem Charakter auftritt. Die Chronik<br />

unserer Stadt berichtet im Jahre 1779:<br />

„Ueber den feierlichen Einzug der am 26. Juli vermählten<br />

Braut des Grafen und nachmaligen Fürsten Hermann, der<br />

Gräfin Antonie von Waldburg-Zeil-Wurzach, sagt das städtische<br />

Audienzprotokoll unter anderem: Die Bürgerschaft hatte<br />

eine Parade von Reiterei und Fußvolk in fünf Kompanien<br />

veranstaltet. Das fürstliche Kontingent zu Fuß war unter<br />

Hauptmann von Hövel auf der Terrasse vor dem Schloß in<br />

einer Reihe zu einem Lauffeuer gerichtet. Büchsenschüsse<br />

der Jäger, Kanonendonner von der Burg ertönten."<br />

Daraus ist klar zu ersehen, daß die damalige Bürgergarde<br />

mit den regulären fürstlichen Truppen nichts zu tun hatte,<br />

sondern eine reine Sache der Bürgerschaft war, mit dem<br />

Zwecke, Feste zu verschönern und den Impulsen der Einwohnerschaft<br />

sichtbaren Ausdruck zu verleihen.<br />

Aber auch bei anderen Anlässen trat die Bürgergarde als<br />

Vertretung der Einwohnerschaft in Erscheinung. So lesen<br />

wir im Jahre 1797:<br />

„Am 28. Juli abends 8 Uhr fand die Beisetzung der Fürstin<br />

von Fürstenberg, nachdem der Leichnam zwei Tage lang in<br />

der Schloßkapelle aufgebahrt, in folgender Ordnung statt:<br />

Kammerdiener Francois, ein Offizier mit den ganzen fürstl.<br />

Kontingent, verstimmten Trommeln und Pfeifen . . . usw.<br />

Am Schluß sind genannt: Der Stadtmagistrat, die Bürgerschaft<br />

und endlich eine Bürgerkompanie."<br />

Im 19. Jahrhundert war es ein frohes Ereignis, das Anlaß<br />

gab, über das Wirken der Hechinger Bürgergarde zu berichten.<br />

Es war die Vermählung des Erbprinzen Konstantin,<br />

des letzten Fürsten von Hohenzollern-Hechingen, mit der<br />

Prinzessin Eugenie von Leuchtenberg und Eichstädt, der großen<br />

Wohltäterin unserer Stadt. Unsere Chronik berichtet<br />

darüber:<br />

„Am 3. Juni 1826 hielt das junge Paar seinen Einzug in<br />

Hechingen. Am Eingang zur Stadt in der Herrenackerstraße<br />

stand eine prächtige Ehrenpforte, auf der ein Musikkorps<br />

spielte. Berittene Förster, eine Bürgergarde zu Fuß und zu<br />

Pferde, die Behörden, die Bürgerkollegien, die Schuljugend<br />

und die übrige Einwohnerschaft bewillkommten mit Ansprachen<br />

und lautem Jubel die Neuvermählten."<br />

„Am 4. Juni fuhr unter Ehrengeleit der Bürgergarde das<br />

Erbprinzenpaar die durch lodernde Flammen erhellte obere<br />

Lindichstraße entlang zum Tore der nunmehrigen Villa<br />

Eugenia . . . ."<br />

Diese Berichte zeigen uns, daß die Zeit der letzten Hechinger<br />

Fürsten auch die Glanzzeit der Hechinger Bürgergarde<br />

war. Schon zweieinhalb Jahrzehnte später, im Jahre 1848,<br />

warf die Pariser Februarrevolution ihre Schatten auch in<br />

unsere <strong>Heimat</strong>. Aus der Bürgergarde wurde eine Bürgerwehr<br />

im Sinne der allgemeinen Volksbewaffnung. Die Bevölkerung<br />

versuchte bei dieser Gelegenheit, die noch verbliebenen<br />

Feudallasten abzuschütteln. Es kam zu großen<br />

Ausschreitungen der Landbevölkerung, die sich gegen den

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