Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein

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24 HO II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954 Ausspenderin höchster Lebensgüter. Die rechte Hand weist hin auf eine Taube, das Sinnbild des hl. Geistes, der in dieser Gestalt bei der Jordantaufe Jesu sich zeigte und mit seinem Impuls die ganze Kirche und ihre Tätigkeit belebt und durchflutet. Die linke Hand hält das Evangelienbuch und darüber ruhend die Tiara, die Krone des Papstes, die Verwendung findet bei außerordentlichen Feierlichkeiten und Anlässen und mit ihren drei Reifen hinweist auf die dreifache päpstliche Gewalt: die Priester-, Hirten- und Lehrgewalt. Ebenfalls mit der linken Hand trägt die Ekklesia statt des bischöflichen Krummstabes das päpstliche Kreuz I mit drei Querbalken, weil nach Thomas von Aquin die I Krümmung nur eine Gewalt mit Einschränkung bedeutet, der Papst aber alle geistliche Vollmacht in unbeschränktem Maße besitzt. So steht die Kirchengestalt vor uns, gezeichnet vom Kunstschöpfer mit den Abzeichen des Papsttums und des Christentums, das sichere Bewußtsein des Endsieges zur Schau tragend. Ihr Gegenstück in St. Anna: Die Synagoge (altes Testament) mit flatterndem Gürtelkleid und bedecktem Haupte ' hat immer noch eine gewisse Majestät bewahrt, obwohl ihre Macht und Würde zu Ende ist. Träumerisch geht ihr Blick | in die Ferne, und ihre Hände bieten das Wertvollste an, das sie den Menschen noch bieten kann: Die Gesetzestafel l der Gebote („ich bin nicht gekommen, Gesetz und Gebote aufzuheben, sondern zu erfüllen") und den Kelch als Sinnbild der Opferidee, die im neuen Bund in vollkommener Weise realisiert wurde. — Kein feindlicher Trennungsstrich zwischen Christentum und Judentum, wie es im Mittelalter oft vorkam, wird bei den Haigerlocher Gestalten hervorgehoben, sondern viel eher friedliche Duldung und Toleranz. Vielleicht dürfen wir einen Hinweis darin sehen, daß Fürst Joseph (1715—1769) gegen die Juden in Haigerloch duldsam war und 1745 für sie den alten Schirm- und Schutzbrief von 1640 erneuerte. Einmalig in Hohenzollern sind in Haigerloch die längst entschlummerten Gestalten der Kirche und Synagoge wieder aus dem Grabe erweckt worden. Vielleicht sind sie für uns rätselhaft und ein Fragezeichen, einstmals waren sie es nicht. Rätselbilder zu schaffen, lag niemals in der Absicht des Mittelalters und der früheren Zeit. Ein schwacher Ersatz der einst so beliebten Darstellung und zugleich eine vereinfachte Form von ihr, bestehend aus Kreuz und Gesetzestafeln, ist anzutreffen auf einigen Kanzeldeckeln in Hohenzollerischen Kirchen: genannt seien die Stiftskirche in Hechingen, die Klosterkirche in Wald, die Pfarrkirchen in Weilheim und Owingen. Foto-Weber Haigerloch Waldenspul - Melchingen. Jungingen während der großen französischen Revolution Als im Jahre 1914 der damalige Bürgermeister die alten Gemeindeakten als Altpapier verkaufte und die vielen alten Urkunden auf einem Haufen beim Gasthof zum Hirsch liegend auf den Lumpensammler warteten, rettete der längst verstorbene Christian Riester, der etwas weiter dachte, noch einige Gemeinderechnungen und sonstige Urkunden vor dem Einstampfen. Später sind sie durch Schenkung an mich übergegangen. Da diese Rechnungen in sprachlicher, orts- und familiengeschichtlicher Hinsicht oft sehr aufschlußreich sind, nahm ich mir die Mühe, sie im Wortlaut abzuschreiben, um sie einer breiteren Oeffentlichkeit zum Vergleich und zur Auswertung unterbreiten zu können. Auch die alte Feuerspritze, die ein Reutlinger geliefert hat, wie aus der Rechnung von 1809/10 hervorgeht, ging im ersten Weltkrieg wegen ein paar Pfund Kupfer und Messing den Weg alles Irdischen. Ich beginne mit den wertvollen Aufschrieben eines meiner Vorfahren, Christian Bumiller, Lehrer von hier, die mit den oben genannten Rechnungen parallel laufen und sie in vieler Hinsicht ergänzen. Es handelt sich vor allem um Aufschriebe über den damals zu Ende gehenden Wildschadenprozeß, die Truppendurchzüge und Einquartierungen während der napoleonischen Kriege, Witterungsverhältnisse und Ernte-Ergebnisse, aiuich Naturereignisse und Katastrophen. Diese Aufschriebe sind zwar schon einmal veröffentlicht worden, ich halte es aber für notwendig, sie mit einigen Ergänzungen im Hinblick auf deren Wichtigkeit in der H. H. nochmals allen Heimatfreunden zugänglich zu machen. Die Gemeinderechnung 1779/1780 folgt in den nächsten Nummern. Was der Christian Bumiller (1767—1851) über seine Erlebnisse in der Gemeinde Jungingen in eine alte Bibel geschrieben hat, soll hier als Ergänzung und zum besseren Verständnis der Junginger Gemeinderechnungen von 1799 bis 1810 vorausgeschickt werden. Christian Bumiller ist mit 17 Jahren Lehrer, dann Gemeinderechner, Heiligenpfleger, Vogt, Mesner und Kreisdelegierter gewesen. von Casimir B u m i 11 e r, Jungingen Er hatte 13 Kinder, von denen die meisten jung gestorben sind. Nur vier: Lucian, Maria Anna, Simon und Franz Josef erreichten ein höheres Alter. Die anderen starben an Blattern, Wassersucht, eines an der roten Sucht. Seine Frau war Brigitta Bumiller, geboren 1771. Am 2. Mai 1810 starb sein Vater, der „an diesem Tag (29. Mai 1810) um 63 fl. 37 Kr. in Gegenwart des H. Hofrats v. Giegling „gehaubtfahlet" wurde. Christian wurde an Stelle seines Vaters zum Richter ernannt. Seine Vorfahren gehen zunächst bis zum Jahre 1688 zurück. Von da ab fehlen die Kirchenbücher. (Siehe Anhang.) Aus seinen Aufschrieben gebe ich hiermit alles wieder, was für die Forschung von Interesse sein kann: Weil der von den Untertanen mit dem Landesfürsten bei 96 Jahre lang auf der Kaiserlichen Kammer Wetzlar geführte Prozeß einer der wichtigsten Punkte ist, so will ich auch, soviel mir davon bekannt geworden, hierher verzeichnen. Dieser Prozeß war hauptsächlich wegen dem gar vielen Gewild, da in unserer Waldung Wildschweine, Reh, Hasen, auch Fasanen und Feldhühner eine so große Menge war, daß von solchen fast gar keine Früchte mehr zu retten waren, und obwohl auf hiesiger Bahn ein Wildzaun vom Weiler Schrophen bis an den Killer Hau aufgereicht und auf Gemeindskösten unterhalten werden mußte, welcher jährlich ohne vieles Fronen dabei bis 200 fl., auch weit darüber kostete, so mußten doch zur Sommerszeit noch 6 bis 10 Hirten bei der Nacht gedungen werden, auch wenn das Korn zur Reife kam, noch jeder extra hüten mußte und doch die Frucht von den Hirschen, wo damals stets bis 400 Stück in unserer Waldung liegen, aber Wildschweine gab es hier bei 20 Jahren keine mehr, sehr verdorben. Besagter Wildzaun ist im Januar 1794 abgebrochen und an die Bürger verteilt worden. Die Beschwerden von der Jagd waren so groß, daß dieselben fast nicht zu beschreiben sind. Im Jahre 1775 erhielten die Bürger die Erlaubnis, zu jagen, mußten aber jährlich 4 Tage bei der Jagd fronen und zwei Guiden an den Fürsten bezahlen. Im Februar 1792 waren aber 97 von 150 Bürgern für Fortführung des Prozesses. Es gingen Abge-

Jahrgang 1954 H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 25 sandte nach Wetzlar, denen von den Prozessierern Geld nachgesandt werden mußte. Im Jahre 1793 warf sich der kaiserliche Rath Wunderlich, begleitet von 50 Bauern, aus dem Unterland eigenmächtig auf, so daß 150 Mann von Stuttgart in Hechingen und Bisingen eingeruckht und vier Tage auf Exekution geblieben sind. Der Notari ist aber durchgegangen und hat dem Lande einen Kosten von 6 800 fl. verursacht. Im Jahre 1794 war eine wirtembergische Comißion von Stuttgart hier und im ganzen Lande, welche die Sache gütlich beilegen wollte, aber die Bauern gingen eigenmächtig mit Gewehren hinaus, so daß im Jahre 1795 800 Soldaten mit vier Kanonen eingeruckt sind, welche den Bürgern 18 Gewehre abnahmen. Dies kostete die Gemeinde 515 fl., welche gleich bezahlten werden mußten. Als wieder keine Ruhe eintreten wollte, erhielt der Fürst im Jahre 1796 kaiserliche Soldaten als „Handstärke". Die Hauptprozesser und Wildschützen wurden gefänglich eingeführt. Einige kamen unter die Soldaten, andere auf die „Schanz" nach Philippsburg und andere auch ins Zuchthaus. Mehrere wurden aber mit harten Prügeln abgestraft. Was damals für ein Jammer und Elend im Lande war, ist nicht zu beschreiben! Am 27. Juni 1798 trat Fürst Hermann Friedrich Otto die Regierung an, und der Prozeß wurde nach fast hundertjähriger Dauer durch Vergleich beendet. Die Kosten betrugen über 100 000.— Gulden. Im Jahre 1790 beginnen die Aufzeichnungen über die Durchmärsche und Einquartierungen kaiserlicher (österreichischer) Truppen nach den Niederlanden, wo Rebellion war. Diese Aufzeichnungen setzen sich fort bis 1794. Im Jahre 1796 sind die Franzosen das erste Mal über den Rhein gefallen. Wochenlang passierten täglich hunderte von Haushaltungen mit Weib und Kind hier durch. Die Franzosen kamen bis Ingolstadt, wo sie von den Kaiserlichen wieder zurückgetrieben worden sind. Im Jahre 1797 hatte der Chronist 197 Tage lang je einen Soldaten im Quartier, wofür ihm kein Kreuzer ersetzt worden ist. 1797 lagen einmal 13 Tage lang 332 Wagen, Stuck und Kanonen hier. 1799 kamen die Franzosen wieder. Am 19. März war die Vandamsche Artillerie hier im Quartier. Dieser Krieg hatte 10 Jahre gedauert. Der Grund war, wie der Chronist zu berichten weiß, weil die Franzosen ihren König Ludwig XVI. im Jahre 1793 das Haupt abgeschlagen haben, wie auch der Königin Maria Antonie und der Prinzessin Elisabeth. Jungingen stellte im Jahre 1792 6 Rekruten, die im ganzen 1730 fl. Handgeld kosteten. 1805, als Napoleon zum Kaiser von Frankreich gekrönt wurde, ging der Krieg wieder aufs neue los. Ungeheure Summen mußten bezahlt werden, Einquartierungen und Requisitionen an Haber, Heu, Vieh und Zuschüsse zu Schanzarbeiten an der Festung Ulm mußten bezahlt werden, über 4000 Gulden. Dieser Krieg dauerte nur zwei Monate. Es lagen noch immer 60 000 Franzosen und 70 000 Kaiserliche im Reich. Im Jahre 1806 gründete Napoleon mit Bayern und Württemberg den Rheinischen Bund, welcher, wie zu hoffen, nicht lange dauern wird. Im September desselben Jahres begann der Krieg zwischen Napoleon und Preußen und Rußland wieder aufs neue. Am 30. September wurden in Hohenzollern 98 Mann Rekruten gezogen. Jungingen traf es 4 Mann, die Gemeinde zahlte einem jeden 200 Gulden, die Ledigen zahlten jeder 4 Gulden dazu, wo doch die verspielenden Bürger jeder noch 200 Gulden beisetzen mußte. Im Jahre 1807 mußte Jungingen wieder einen Mann stellen, wo Joseph Schönecker aus dem Salzburgischen gekauft wurde für 200 Gulden, nebst einem Hemd, zwei Halstüchern, Hosen und Strümpfen. 1808 mußten wieder zwei Mann gestellt werden. Josef Bumillers und Thomas Speidels 2. Sohn, welche aber beide Rekruten kauften. Die Gemeinde ersetzte jedem noch 200 Gulden, aber es kostete einen jeden noch 200 Gulden dazu und 100 Gulden in die Collektationskasse. 1809 mußten „unsere" Soldaten wieder ins Feld nach Wiesbaden abmarschieren. Es brach der Krieg zwischen Frankreich und Oesterreich wieder aus. Im September mußte wieder ein Mann gestellt werden, der in Boll gekauft wurde. Dieser kostete 300 Gulden und 100 Gulden in die Collektationskasse. Nach sechs Monaten war Oesterreich geschlagen. Die Soldaten durften aber nicht nach Hause, sondern mußten nach Spanien marschieren. Im Jahre 1810 schied sich der französische Kaiser von seiner ersten Frau und vermählte sich mit der österreichischen Prinzessin Maria Luise. „Glück zu!" (schreibt der Chronist.) 1811 wurde ein Rekrut, Bernhardt Schuller, im Abstreich angeworben. Er kostete 536 Gulden. 1812 kaufte die Gemeinde Sebastian Konstanzer aus Stein an um 525 Gulden. 1813 stiegen die Preise für Rekruten höher. Josef Bumiller und Gabriel Deckel verspielten und warben Johann Speidel für 750 Gulden und einen von „Starzein" um 875 Gulden. Die Gemeinde bewilligte jedem einen Beitrag von 300 Gulden. 1814 mußte Jungingen im ganzen 17 Mann stellen, die im Januar an den Rhein abmarschierten. Sie sind aber im Juli alle wieder glücklich angekommen, ebenso vier weitere, die in Spanien waren. Vom 25. Oktober 1813 bis 12. Januar 1814 zogen über 100 000 Mann, meistens Russen, Oesterreicher und Preußen in Hechingen durch und dies kostete „eine ungeheure Summe Geld!" Außerdem mußte der Fürst bei der Aufnahme in die große Alliance 92 000 Gulden Beitrag bewilligen. In Jungingen lagen im ganzen 176 Offiziere, 5 383 Mann und 2 749 Pferde. Das kostete die Gemeinde 11578 Gulden, 30 Kr. Als Napoleon, der von Elba geflüchtet war, wieder in Frankreich erschien, begann der Krieg aufs neue, und unsere Soldaten, 194 Mann stark, mußten wieder fortziehen. Napoleon wurde, wie bekannt, bei Waterloo „total" geschlagen. Der Chronist verzeichnet im einzelnen Einquartierungen und andere Lasten, die von größtem Interesse sind: Im Monat September wurde, der Waffenstillstand zwischen Rußland und Frankreich wieder aufgehoben; dann alliierte sich der Kaiser von Oesterreich mit Rußland. Schon im Monat Oktober wurde die rheinische Conföderation aufgehoben und die Monarchen diesseits des Rheins fielen von Frankreich ab und traten zu Oesterreich und seinen Alliierten. Die französische Armee ging nach erlittenen großen Niederlagen im November über den Rhein, und die Alliierten besetzten das diesseitige Rheinufer und deswegen ergaben sich im Lande folgende Beschwerden: 1813: Den 19. Oktobris wurde dem Lande eine Requisition nach Engen zu liefern angekündigt: An Haber 2576 Metzen, Ochsen 64 Stück, Mehl 400 Zentner, Branntwein 600 Maß. Am 24. Oktobris wurden nach Hechingen geliefert: 60 Vit. Haber. Vom 25. bis 30. Oktobris, das ist sechs Tage, lagen hier 64 Curaßier mit 67 Pferden, welche von den Bürgern mit Mundportion, auch Heu und Haber verpflegt werden mußten. Am 11. Dezember lagen hier Canonier und Stuckknechte: 87 Mann nebst 352 Pferden. Ferner: Am 12. Oktobris lagen hier Kosaken 260 Mann mit 275 Pferden. Am 14. Oktobris russische Füßilier 600 Mann mit 127 Pferden. Am 15. Oktobris Russischer Kriegskommissar, 8 Offiziere, 12 Gemeine und 28 Pferde mit Rasttag 2 Täg. Am 17. Oktobris russische Jäger, der Stab in allem 345 Mann mit 155 Pferden bis 22. Oktobris, also 5 Tage. Am 22. Oktobris russische Curaßier 268 Mann samt 285 Pferden, 1 Tag. Am 24. Oktobris wurden hier auf ein Kreuzer an der Anlag 4 Pfund Heu im Vorrat eingezogen, macht 57 Zentner und 60 Pfund, oder 480 Bund je 12 Pfund. Im Jahre 1814, den 3. Januar wurden in hiesigem Lande Rekruten ausgehoben zu der österreichischen alliierten Armee. Im ganzen zur badischen Armee 192 Mann. Hier wurden ausgehoben 17 Mann. Hiervon wurden am 12. Jänner 5 Mann als: Anton Bumiller, Bernhardt Bumiller, Joseph Bosch, Johann Schuler, und Joseph Schuler nach Pforzheim abgegeben. Am 30. Jänner wurden wieder von hier 12 Mann zur Landwehr nach Ueberlingen abgegeben. Persönlich gingen: Max, Peter und Jackob Wendel, Matheis Zanger, Joseph Müller für Joseph Speidels Sohn und Johann Schuler für Isidors Sohn. Fremde Rekruten stellten: Daniel, Rößlewirth, Thorode, Xaveri Bumiller, Xavers Vester, Augustin Schuler. Vorstehende Mannschaften sind im Monat Juli alle wieder glücklich angekommen. (Fortsetzung folgt.)

24 HO II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

Ausspenderin höchster Lebensgüter. Die rechte Hand weist<br />

hin auf eine Taube, das Sinnbild des hl. Geistes, der in<br />

dieser Gestalt bei der Jordantaufe Jesu sich zeigte und mit<br />

seinem Impuls die ganze Kirche und ihre Tätigkeit belebt<br />

und durchflutet. Die linke Hand hält das Evangelienbuch<br />

und darüber ruhend die Tiara, die Krone des Papstes, die<br />

Verwendung findet bei außerordentlichen Feierlichkeiten<br />

und Anlässen und mit ihren drei Reifen hinweist auf die<br />

dreifache päpstliche Gewalt: die Priester-, Hirten- und Lehrgewalt.<br />

Ebenfalls mit der linken Hand trägt die Ekklesia<br />

statt des bischöflichen Krummstabes das päpstliche Kreuz I<br />

mit drei Querbalken, weil nach Thomas von Aquin die I<br />

Krümmung nur eine Gewalt mit Einschränkung bedeutet,<br />

der Papst aber alle geistliche Vollmacht in unbeschränktem<br />

Maße besitzt. So steht die Kirchengestalt vor uns, gezeichnet<br />

vom Kunstschöpfer mit den Abzeichen des Papsttums<br />

und des Christentums, das sichere Bewußtsein des Endsieges<br />

zur Schau tragend.<br />

Ihr Gegenstück in St. Anna: Die Synagoge (altes Testament)<br />

mit flatterndem Gürtelkleid und bedecktem Haupte '<br />

hat immer noch eine gewisse Majestät bewahrt, obwohl ihre<br />

Macht und Würde zu Ende ist. Träumerisch geht ihr Blick<br />

|<br />

in die Ferne, und ihre Hände bieten das Wertvollste an,<br />

das sie den Menschen noch bieten kann: Die Gesetzestafel<br />

l<br />

der Gebote („ich bin nicht gekommen, Gesetz und Gebote<br />

aufzuheben, sondern zu erfüllen") und den Kelch als Sinnbild<br />

der Opferidee, die im neuen Bund in vollkommener Weise<br />

realisiert wurde. — Kein feindlicher Trennungsstrich zwischen<br />

Christentum und Judentum, wie es im Mittelalter<br />

oft vorkam, wird bei den Haigerlocher Gestalten hervorgehoben,<br />

sondern viel eher friedliche Duldung und Toleranz.<br />

Vielleicht dürfen wir einen Hinweis darin sehen, daß Fürst<br />

Joseph (1715—1769) gegen die Juden in Haigerloch duldsam<br />

war und 1745 für sie den alten Schirm- und Schutzbrief von<br />

1640 erneuerte.<br />

Einmalig in Hohenzollern sind in Haigerloch die längst<br />

entschlummerten Gestalten der Kirche und Synagoge wieder<br />

aus dem Grabe erweckt worden. Vielleicht sind sie für<br />

uns rätselhaft und ein Fragezeichen, einstmals waren sie es<br />

nicht. Rätselbilder zu schaffen, lag niemals in der Absicht<br />

des Mittelalters und der früheren Zeit. Ein schwacher Ersatz<br />

der einst so beliebten Darstellung und zugleich eine<br />

vereinfachte Form von ihr, bestehend aus Kreuz und Gesetzestafeln,<br />

ist anzutreffen auf einigen Kanzeldeckeln in<br />

<strong>Hohenzollerische</strong>n Kirchen: genannt seien die Stiftskirche in<br />

Hechingen, die Klosterkirche in Wald, die Pfarrkirchen in<br />

Weilheim und Owingen.<br />

Foto-Weber Haigerloch Waldenspul - Melchingen.<br />

Jungingen während der großen französischen Revolution<br />

Als im Jahre 1914 der damalige Bürgermeister die alten<br />

Gemeindeakten als Altpapier verkaufte und die vielen alten<br />

Urkunden auf einem Haufen beim Gasthof zum Hirsch liegend<br />

auf den Lumpensammler warteten, rettete der längst<br />

verstorbene Christian Riester, der etwas weiter dachte, noch<br />

einige Gemeinderechnungen und sonstige Urkunden vor dem<br />

Einstampfen. Später sind sie durch Schenkung an mich übergegangen.<br />

Da diese Rechnungen in sprachlicher, orts- und<br />

familiengeschichtlicher Hinsicht oft sehr aufschlußreich sind,<br />

nahm ich mir die Mühe, sie im Wortlaut abzuschreiben, um<br />

sie einer breiteren Oeffentlichkeit zum Vergleich und zur<br />

Auswertung unterbreiten zu können. Auch die alte Feuerspritze,<br />

die ein Reutlinger geliefert hat, wie aus der Rechnung<br />

von 1809/10 hervorgeht, ging im ersten Weltkrieg wegen<br />

ein paar Pfund Kupfer und Messing den Weg alles<br />

Irdischen.<br />

Ich beginne mit den wertvollen Aufschrieben eines meiner<br />

Vorfahren, Christian Bumiller, Lehrer von hier, die mit den<br />

oben genannten Rechnungen parallel laufen und sie in vieler<br />

Hinsicht ergänzen. Es handelt sich vor allem um Aufschriebe<br />

über den damals zu Ende gehenden Wildschadenprozeß, die<br />

Truppendurchzüge und Einquartierungen während der napoleonischen<br />

Kriege, Witterungsverhältnisse und Ernte-Ergebnisse,<br />

aiuich Naturereignisse und Katastrophen. Diese<br />

Aufschriebe sind zwar schon einmal veröffentlicht worden,<br />

ich halte es aber für notwendig, sie mit einigen Ergänzungen<br />

im Hinblick auf deren Wichtigkeit in der H. H. nochmals<br />

allen <strong>Heimat</strong>freunden zugänglich zu machen.<br />

Die Gemeinderechnung 1779/1780 folgt in den nächsten<br />

Nummern.<br />

Was der Christian Bumiller (1767—1851) über seine Erlebnisse<br />

in der Gemeinde Jungingen in eine alte Bibel geschrieben<br />

hat, soll hier als Ergänzung und zum besseren<br />

Verständnis der Junginger Gemeinderechnungen von 1799<br />

bis 1810 vorausgeschickt werden.<br />

Christian Bumiller ist mit 17 Jahren Lehrer, dann Gemeinderechner,<br />

Heiligenpfleger, Vogt, Mesner und Kreisdelegierter<br />

gewesen.<br />

von Casimir B u m i 11 e r, Jungingen<br />

Er hatte 13 Kinder, von denen die meisten jung gestorben<br />

sind. Nur vier: Lucian, Maria Anna, Simon und Franz Josef<br />

erreichten ein höheres Alter. Die anderen starben an Blattern,<br />

Wassersucht, eines an der roten Sucht.<br />

Seine Frau war Brigitta Bumiller, geboren 1771. Am 2.<br />

Mai 1810 starb sein Vater, der „an diesem Tag (29. Mai 1810)<br />

um 63 fl. 37 Kr. in Gegenwart des H. Hofrats v. Giegling<br />

„gehaubtfahlet" wurde. Christian wurde an Stelle seines<br />

Vaters zum Richter ernannt. Seine Vorfahren gehen zunächst<br />

bis zum Jahre 1688 zurück. Von da ab fehlen die<br />

Kirchenbücher. (Siehe Anhang.)<br />

Aus seinen Aufschrieben gebe ich hiermit alles wieder,<br />

was für die Forschung von Interesse sein kann:<br />

Weil der von den Untertanen mit dem Landesfürsten bei<br />

96 Jahre lang auf der Kaiserlichen Kammer Wetzlar geführte<br />

Prozeß einer der wichtigsten Punkte ist, so will ich<br />

auch, soviel mir davon bekannt geworden, hierher verzeichnen.<br />

Dieser Prozeß war hauptsächlich wegen dem gar<br />

vielen Gewild, da in unserer Waldung Wildschweine, Reh,<br />

Hasen, auch Fasanen und Feldhühner eine so große Menge<br />

war, daß von solchen fast gar keine Früchte mehr zu retten<br />

waren, und obwohl auf hiesiger Bahn ein Wildzaun vom<br />

Weiler Schrophen bis an den Killer Hau aufgereicht und<br />

auf Gemeindskösten unterhalten werden mußte, welcher<br />

jährlich ohne vieles Fronen dabei bis 200 fl., auch weit darüber<br />

kostete, so mußten doch zur Sommerszeit noch 6 bis 10<br />

Hirten bei der Nacht gedungen werden, auch wenn das Korn<br />

zur Reife kam, noch jeder extra hüten mußte und doch die<br />

Frucht von den Hirschen, wo damals stets bis 400 Stück in<br />

unserer Waldung liegen, aber Wildschweine gab es hier bei<br />

20 Jahren keine mehr, sehr verdorben. Besagter Wildzaun<br />

ist im Januar 1794 abgebrochen und an die Bürger verteilt<br />

worden. Die Beschwerden von der Jagd waren so groß,<br />

daß dieselben fast nicht zu beschreiben sind. Im Jahre 1775<br />

erhielten die Bürger die Erlaubnis, zu jagen, mußten aber<br />

jährlich 4 Tage bei der Jagd fronen und zwei Guiden an den<br />

Fürsten bezahlen. Im Februar 1792 waren aber 97 von 150<br />

Bürgern für Fortführung des Prozesses. Es gingen Abge-

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