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Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein

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Jahrgang 1954 H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 19<br />

Vor langer Zeit kam der Herrgott einmal auf die Berge<br />

der Schwäbischen Alb. Nahe bei Haldenbuch traf er einen<br />

Bauern, den man weitum den Langen Alfons hieß.<br />

„Wohin des Weges, guter Freund?" sprach ihn der Herrgott<br />

an.<br />

„Schnell in die warme Stube!" sagte der Lange Alfons<br />

und schüttelte unwillig die Schneeflocken aus seinem struppigen<br />

Bart. „Bei diesem Wetter sollte man keinen Hund vor<br />

die Hütte jagen! Immer nur Schnee! Der Teufel mag ihn<br />

holen, diesen Schnee!"<br />

Der Herrgott lächelte milde und sagte: „Du hast wenig<br />

Freude am Winter? Schau nur, wie schön die Flocken wirbeln,<br />

wie Sternlein aus einer anderen Welt!"<br />

„Meinetwegen!" gab der Bauer mürrisch zurück. „Aber mir<br />

gefällt ein Sträußlein Frühlingsblumen tausendmal besser<br />

als alle Winterpracht. Möcht' nur wissen, woher der Schnee<br />

in solcher Fülle kommt?"<br />

„Ich will es dir sagen: Vor Zeiten schon gab es auf Erden<br />

einen Frühling mit blühenden Wiesen, einen Sommer mit<br />

üppigem Wachstum, einen Herbst mit reifenden Früchten,<br />

aber keinen Winter mit Eis und Schnee. Zwischen Herbst<br />

und Frühling lag eine trostlose Zeit. Die Erde war schlafen<br />

gegangen, wie sie es heute noch tut, um neue Kräfte zu sammeln.<br />

Aber kein Schnee deckte das weite Land. Alles lag<br />

grau in grau — ein Bild zum Erbarmen! Das jammerte die<br />

Menschen, und Gott schuf Wandel. Er breitete ein Tuch über<br />

I die Erde und hüllte sie sorgsam ein, wie die Menschen tun,<br />

I wenn sie zur Ruhe gehen. Seither schaffen viele Engelein<br />

im großen Himmelsaal immer wieder das Winterkleid der<br />

Erde. Sie wirken Myriaden kleiner Sterne, überaus kunstvoll<br />

geformt, und wenn es Zeit ist, öffnen sie Türen und<br />

Fenster am großen Himmelsaal, und Schneeflocken wirbeln<br />

der Erde zu. Je näher sie dem Himmel liegen bleiben, desto<br />

dichter hüllen sie die Erde ein, und das Land schläft geruhsam<br />

dem sonnigen Frühling entgegen."<br />

„Das gefällt mir gut!" sagte der Lange Alfons. „Aber ein<br />

besserer Ausgleich müßte sein! Hier auf den Bergen ist der<br />

Winter viel zu lang. Herrisch und gewaltsam schmälert er<br />

die frühlingsfrohe Zeit."<br />

„Das ist wohlbedacht, guter Freund! Würden überall dieselben<br />

Berge in den Himmel ragen, dieselben Flüsse durch<br />

die Täler ziehen, die gleichen Blumen blühen und zur gleichen<br />

Zeit dieselben Früchte reifen, dann wäre die Welt ein<br />

ewiges Einerlei und nicht Gottes vielgestaltige, reich gesegnete<br />

Erde."<br />

„Da hast Du recht! Aber es sollte einen Vorfrühling geben<br />

auf der Alb wie dort am Bodensee. Auf unseren Bergen<br />

kommt der Frühling viel zu spät, und ehe er recht aufgeblüht,<br />

ist schon der Sommer da!"<br />

„Da müßte halt ein Blümlein sein, das früher blüht!"<br />

„Das ist es ja: Wie können Blumen aus der Erde kommen,<br />

die noch im Schneegestöber liegt! Das ist unmöglich!"<br />

„Ein Unmöglich gibt es beim Herrgott nicht. Man müßte<br />

ihn halt bitten, daß er Schneeblumen wachsen läßt!"<br />

„Ja", sagte der Lange Alfons traurig, „wenn man mit dem<br />

Herrgott reden könnte wie mit dir, dann würde ich ihn bit-<br />

Schneeglöckchen<br />

ten, — recht von Herzen würde ich ihn bitten: Laß' diese<br />

späten Flocken hier zu blütenweißen Blümlein werden!"<br />

Und wie der Bauer das gesagt hatte, hörte er ein Vöglein<br />

singen. Frühlingsfroh und jubilierend war die Melodie, und<br />

ihm war, als spreche jemand deutlich:<br />

Schneeflöckchen, Schneeflöckchen,<br />

werde zur Blütenzier,<br />

werde zur Blume hier,<br />

mit lieblichem Röckchen;<br />

läute den Frühling ein,<br />

blühe im Buchenhain!"<br />

Im kahlen Buchenwald segelten indessen die Schneeflocken<br />

langsam und immer größer zur Erde. Es waren lauter sechszackige<br />

Sternlein, und auf allen Spitzen brannte ein goldener<br />

Funke. Der Bauer kniete nieder, ein Sternlein näher zu bewundern.<br />

Da waren aus den sechs Zacken blütenweiße Blättlein<br />

geworden, und an jeder Spitze perlte noch der goldene<br />

Funke. Langsam wölbten sich die hauchdünnen Blütenblättlein,<br />

und es wurde ein Blumenglöcklein daraus.<br />

Der Wind strich durch die kahlen Buchen. Das Blumenglöcklein<br />

schaukelte auf seinem Stengel, es hub an zu schwingen<br />

und zu klingen, und auf einmal läutete es weithin vernehmbar<br />

hell und schön. Unaufhörlich schlugen seine sechs<br />

goldenen Schwengelchen an die weißen Blütenwände, und<br />

sie wechselten in wohlbedachter Ordnung, daß immer neue<br />

Akkorde wurden und über den Schnee hinschallten.<br />

Weitum im Buchenwald standen die weißen Glöcklein, und<br />

all ihr Läuten schmolz zusammen und wurde himmlische<br />

Melodie. Das war so schön, daß den alten, knorrigen Buchen<br />

das Herz warm wurde, und sie vergossen Tränen reiner<br />

Freude. Es troff von den struppigen Aesten und über die<br />

Stämme und fraß am weißen Schlaftuch der winterlichen<br />

Erde.<br />

Da wußte der Bauer, daß er mit dem Herrgott gesprochen<br />

hatte. Er blickte sich um, aber niemand war mehr zu sehen.<br />

In dankbarer Ehrfurcht nahm er ein Blumenglöcklein aus<br />

der Erde, um es daheim in seinem Garten einzupflanzen.<br />

„Aus einem Schneeflöckchen bist du geworden, und Schneeglöcklein<br />

sollst du heißen, heute und immerzu!" Und wie er<br />

das gesagt hatte, wurde die gefrorene Erde weich, Gräslein<br />

schauten aus dem Boden, zarte Blumenkinder hoben ihre<br />

Köpflein fürwitzig ans Licht, und der Frühling — der goldene,<br />

lachende, blühende Frühling seiner <strong>Heimat</strong> war da.<br />

Alljährlich blüht seither das Schneeglöckchen im Buchenhain<br />

und in den Gärten der Menschen und läutet den Frühling<br />

ein. Sein Läuten weckt die Blumenkinder ringsum zu<br />

neuem Leben. Einmal hat es zu früh geläutet, und alle<br />

Blümlein sind in Schnee und Eis erstorben. Da schalten die<br />

Erdenkinder: „Besser, wenn es nur blühen, aber nicht mehr<br />

läuten würde!"<br />

Von dieser Zeit an hörten es die Menschen nicht mehr<br />

läuten. Aber noch heute schaukelt es im Wind wie ehedem,<br />

es hat ein Glöcklein, wie damals am ersten Tag, und es hat<br />

sechs goldene Schwengelchen. Also muß es auch läuten, wie<br />

es ehemals geläutet hat. Aber die Menschen können es nicht<br />

mehr hören. Bruno Ewald Reiser.<br />

Der „Rausegarten" in Grosselfingen<br />

Wie die Namen entstanden sind, sich aber manchmal auch<br />

willkürlich geändert haben, zeigt uns die „Zimmer'sche<br />

Chronik." Dort wird folgendes erzählt: Von seiner Burg in<br />

Herrenzimmern ritt einst Herr Werner von Zimmern auf<br />

die Jagd. Es war sehr heiß, und der Durst quälte ihn über<br />

alle Maßen. Da kam er im Wald an einen Brunnen, und er<br />

trank in der Hitze so begierig und so viel, daß ihm bald<br />

danach ach und wehe wurde. Sofort eilte er unter großen<br />

Beschwerden nach Hause, starb aber schon am anderen<br />

Tage. Jener Brunnen wurde von da ab Wernlis- und schon<br />

einige Zeit später Berniisbrunnen genannt. Ebenso nannte<br />

man das Tal, in dem der Brunnen entsprang, Wernlis- oder<br />

Bernlistal. Aber das einfache Volk, das eine solche Historie<br />

nicht mehr weiß und auch nicht liebt, nannte es Bärental.<br />

So ist es auch mit dem Grosselfinger „Rausengarten".<br />

Dieser ist ein etwa 20 ar großer Garten im nördlichen Teil<br />

von Unterlauen, der heute zum Grosselfinger Pfarrgut gehört<br />

und auf einer flachen Senke vor dem Alten Berg liegt.<br />

Das anschließende Gelände war altes Weingutgebiet und<br />

wird Weingärtie genannt. Daß nun unser Acker mit der<br />

von Josef S t r o b e 1, Karlsruhe<br />

Wein- oder Rebpflanze zusammenhängt, das war im Laufe<br />

der Jahrhunderte ganz vergessen worden. Weil aber die<br />

Menschen gern den Ursprung der Namen wissen wollen, so<br />

nahmen sie das Nächtliegende zu Hilfe. Man sagte, der<br />

Acker heißt Rausengarten, weil in demselben ein früherer<br />

Pfarrer und Rosenliebhaber dort Rosen (die Rausen) gepflanzt<br />

habe oder weil dort viele wilde Rosen gewachsen<br />

seien. Als aber dies nicht zog, machte man den Garten zu<br />

einem Rötzgarten, in dem man den Flachs oder Hanf ausbreitete,<br />

um ihn rösch oder (mundartlich) raus, das heißt<br />

mürbe zu machen, obwohl es in diesem Fall nicht einzusehen<br />

ist, daß man das anliegende Gelände nicht auch zum<br />

Rotzen des Flachses oder Hanfes benützt hatte. Auch Reusen,<br />

das heißt Rinnen für das Abschleifen des Holzes, wurde<br />

zu Hilfe genommen, mit keineswegs durchschlagendem oder<br />

befriedigendem Grund. Ich selbst kam den Dingen erst auf<br />

die Spur, als ich das Hagen'sche Lagerbuch vom Jahre 1544<br />

zu Gesicht bekam. Dort heißt das Gelände „der Par Roßgarten".<br />

Das könnte immer noch auf einen Rötzgarten hin~<br />

weisen oder einen Garten, in welchem der damalige Pfarrer,

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