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Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein

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Hohenzollerlsche <strong>Heimat</strong><br />

Viertelj ahresblätter für Schule und Haus<br />

Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />

in Verbindung mit<br />

Schriftleitung:<br />

Josef Wiest, Gammertingen<br />

Preis halbjährlich 0.60 DM<br />

Kultur- und Landeskunde in Hohenzallern<br />

der hohenz. Lehrerschaft<br />

Druck:<br />

Buchdruckerei S. Acker, Gammertingen<br />

Nummer 2 Gammertingen, April 1954 4. Jahrgang<br />

/. Teil Aus der Geologie von Hohenzollern<br />

(9. Fortsetzung)<br />

Karstseen und Karstbäche im hohenzollerischen Unterland<br />

3. Karstbäche<br />

Von Michael Walter<br />

Karstbäche sind unterirdisch fließende Gewässer. Sie gehören<br />

zu den eigenartigsten Erscheinungen in der Natur.<br />

Es umwittert sie immer ein Geheimnis. Wir wissen oft<br />

nicht ihren Anfang, kennen nicht ihre verschlungenen Wege<br />

im Dunkel der Erde und manchmal auch nicht die Stelle,<br />

an der sie dem Schattenreiche wieder entsteigen. Darum<br />

spielen die Unterweltflüsse in der Götterlehre der heidnischen<br />

Völker, in unseren Sagen und Märchen eine große Rolle.<br />

Das Vorkommen solcher Flüsse ist immer an Gestein gebunden,<br />

das durch Wasser mehr oder weniger leicht aufgelöst<br />

werden kann, vor allem an Kalklandschaften. Manche<br />

Gegenden sind durch ihre zahlreichen und eigenartigen<br />

Karstbäche und Karstflüsse geradezu berühmt geworden,<br />

so z. B. die Landschaft östlich von Triest, eine Kalklandschaft,<br />

der Karst genannt, in der sich Dolinen, Höhlen,<br />

unterirdische Flußläufe derart häufen, daß sie das Gepräge<br />

der Landschaft bestimmen und daß man ähnliche Erscheinungen<br />

auf der ganzen Erde einfach als Karsterscheinungen<br />

zu bezeichnen pflegt. Im Karst liegt die Adelsberger<br />

Grotte, eine der merkwürdigsten Höhlen der<br />

Welt, die mit ihren Verzweigungen über 9 km mißt. Dolinen<br />

treffen wir hier, in denen Hechingen mit seiner ganzen Gemarkung<br />

Platz genug hätte. Südlich der Adelsberger Grotte<br />

entspringt der Poik, ein echter Karstfluß, der die Grotte<br />

durchfließt, als Unz wieder an die Oberfläche kommt, abermals<br />

untertaucht und schließlich als Laibach endgültig<br />

Oberflächenfluß wird. Auch „Karst"-Seen finden wir hier,<br />

so den merkwürdigen Zirknitzer See, dessen Wasserstand<br />

derart schwankend ist, daß man von ihm wie vom Eichener<br />

See bei Schopfheim in Baden sagen kann, es lasse sich<br />

in ihm im Laufe eines Jahres fischen, jagen und ernten.<br />

Eine Reihe recht interessanter Karstbäche finden wir in<br />

einigen griechischen Kalklandschaften, so im nordwestlichen<br />

Griechenland, in Epirus, den Acheron mit dem Kokytus<br />

oder in Arkadien, im nördlichen Teil der Halbinsel Peloponnes<br />

den Styx. Ueber sie mußte der Fährmann Charon<br />

die Seelen der Verstorbenen ins Totenreich führen. Für<br />

seine Arbeit erhielt er ein Fährgeld, einen Obulus, der dem<br />

Toten gleich nach dem Ableben in den Mund gesteckt<br />

wurde. Die Karstbäche galten den Griechen als Eingänge in<br />

die geheimnisvolle Unterwelt. Jeder Grieche näherte sich<br />

den Stellen, an denen ein Bach oder'Fluß vor ihren Augen<br />

in schaurige Tiefen verschwand, mit einem heiligen Schauer.<br />

Auch ich wanderte vor einigen Jahren mit einer gewissen<br />

feierlichen Stimmung der Stelle zu, an der der Styx des<br />

hohenzollerischen Unterlandes, das Laiberbächlein, in<br />

der Tiefe verschwindet. Ich hoffte, ein idyllisches Plätzchen<br />

zu finden, mit Bäumen umstellt, unter deren Schatten einige<br />

Bänkchen stehen, damit die Kurgäste des nahen Bades<br />

I m n a u „in süßer Ruh" das Naturwunder betrachten können,<br />

wie unser Styx im finsteren Orkus verschwindet. Doch<br />

von alledem wollte sich nichts zeigen. Dagegen machte sich,<br />

je mehr ich mich der mit so viel innerer Spannung gesuchten<br />

Stelle näherte, ein steigender unangenehmer Geruch bemerkbar.<br />

Das Rätsel löste sich bald. Ein „Naturfreund"<br />

aus der Umgebung hatte sich gerade die Versickerungsstelle<br />

ausgesucht, um auf ihr seine verfaulten Rüben und Kar-<br />

toffeln abzuladen. Welch eine Enttäuschung! Meine gehobene<br />

Stimmung ging jämmerlich in die Brüche. Ein Vergleich<br />

zwischen dem Naturgefühl der alten Griechen und<br />

den heutigen Germanen fiel sehr zu Gunsten der Griechen<br />

aus. Oder sollte ich mich täuschen? Wollte der „Naturfreund"<br />

durch den Gestank, mit dem er den Eingang in die<br />

Unterwelt verschloß, den dreiköpfigen Zerberus, den Höllenhund,<br />

ersetzen, der vor dem Tor in die Unterwelt Wache<br />

zu halten hatte, damit keine Seele mehr dem Schattenreiche<br />

entweiche?<br />

Das Laiber- oder Leiberbächle, das seinen Namen von<br />

dem Flur- und Waldnamen Laibe erhalten hat, kommt von<br />

den Litzelwiesen, die an der Straße von Weildorf nach Empfingen<br />

liegen. Führt das Bächlein Wasser, dann sehen wir es<br />

am Osthange des Heinzelberges in den Schichten des obersten<br />

Muschelkalkes, in dem Trigonodusdolomit, in der Erde<br />

verschwinden. Eine kleine Verwerfungsspalte scheint ihm<br />

den Weg in die Tiefe geöffnet zu haben. Wir wandern das<br />

Laibertal abwärts, das nur dann an der Oberfläche Wasser<br />

führt, wenn der Versickerungstrichter das Wasser nicht mehr<br />

zu schlucken vermag. Nach halbstündiger Wanderung sehen<br />

wir das versunkene Wasser unterhalb der Saatschule wieder<br />

kristallklar hervor sprudeln. Munter plätschernd, als<br />

freue es sich, glücklich der düsteren Unterwelt entronnen<br />

zu sein, fließt das wiedergeborene Bächlein in dem idyllischen<br />

Laibertäle, in dem sich Wasser, Wald und Wiese in<br />

einem harmonischen Dreiklang vereinen, der Eyach zu, die<br />

es unweit des Bahnhofes von Imnau aufnimmt. Das Laiberbächlein<br />

bietet uns im Gegensatz zu manchem anderen<br />

Karstgewässern wenig Rätsel. Sein Anfang und sein Ende<br />

liegen klar vor unseren Augen. Nur den Weg, den das Bächlein<br />

im Innern der Erde macht, kennen wir nicht. Auch die<br />

Zeit ist noch nicht bestimmt worden, die das Wasser braucht,<br />

um den unterirdischen Weg zurückzulegen. Färbungen des<br />

Wassers könnten uns näheren Aufschluß geben. Wir wüßten<br />

dann, ob das Bächlein seinen Weg unter der Erde ohne<br />

Hemmungen durchfließt oder ob eingeschaltete Weiher oder<br />

Wasserfälle und Umwege seinen Durchfluß verzögern.<br />

Einen anderen Karstbach im Muschelkalk haben wir schon<br />

auf dem Lindach von Rangendingen kennen gelernt.<br />

Von ihm wissen wir aber weder Beginn noch Ende.<br />

Nur zwei Dolinen und drei Mulden auf der Erdoberfläche<br />

lassen uns sein Dasein und seinen Weg ahnen.<br />

Aber auch andere Gegenden Hohenzollerns haben Karstbäche,<br />

vor allem die Juralandschaft; denn auch sie ist eine<br />

Kalklandschaft mit Höhlen und Dolinen, mit Karstquellen<br />

und unterirdischen Wasserläufen. Für heute begnügen wir<br />

uns mit einigen kurzen Hinweisen, da wir die Kalklandschaft<br />

des Jura erst später betrachten wollen. In dem stillen<br />

unteren F e h 1 a t a 1, wo noch keine Lokomotive pfeift und<br />

noch kein Auto den wohltuenden Waldesfrieden stört, da<br />

versickert das klare Fehlawasser unterhalb des Alten Schlosses<br />

derart, daß das ganze Tal bis hinunter zu den Fischteichen<br />

oberhalb der Mündung der Fehla in die Lauchert in<br />

manchem Sommer vollständig trocken liegt. Wo das versickerte<br />

Wasser wieder herauskommt, wissen wir nicht. Man<br />

hat schon vermutet, daß der gewaltige Quelltopf des Gallus-

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