Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein
Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein
Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong><br />
Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />
Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />
in Verbindung mit<br />
Schriftleitung:<br />
Josef Wiest, Gammertingen<br />
Preis halbjährlich 0.60 DM<br />
Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />
der hohenz. Lehrerschaft<br />
Druck:<br />
Buchdruckerei S. Acker, Gammertingen<br />
Nummer 1 Gammertingen, Januar 1954 I 4. Jahrgang<br />
?um T7euiat)r 1954: Jn (Ütottes Hamm fahren tuir,<br />
auf feine Tköftung ¿offen toir.<br />
2 HO II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />
Man spricht heute so viel von <strong>Heimat</strong>tagen, von innerem<br />
Erleben der <strong>Heimat</strong>. Ein <strong>Heimat</strong>abend am „Bodenlosen See",<br />
bei dem Goethes „Fischer", Lenaus „Auf dem Teich", Annette<br />
von Droste-Hülshoffs „Weiher" und ähnliche Gedichte<br />
mit feinem Empfinden vorgetragen werden, ergänzt durch<br />
Vorlesung von Maria Flads kleiner Erzählung und umrahmt<br />
von einigen stimmungsvollen Liedern, wäre sicher für manchen<br />
ein Erlebnis von tiefem Eindruck und eine bleibende<br />
Erinnerung an die schöne <strong>Heimat</strong>, zugleich aber auch ein<br />
wertvolles Beispiel für die kostbaren Schätze, die in der <strong>Heimat</strong>landschaft<br />
auch nach der gemütvollen Seite hin stecken.<br />
Sie müssen nur mit Liebe und Verständnis von kundiger<br />
Seite gehoben werden.<br />
Fast will es uns nach diesen Ausführungen trocken und<br />
nüchtern erscheinen, wenn wir noch einige sachlichen Angaben<br />
hinzufügen. Zunächst sei bemerkt, daß es eine kleine<br />
Uebertreibung ist, die aber auch bei anderen Seen vorkommt,<br />
wenn der See als bodenlos bezeichnet wird. Bürgermeister<br />
Lugebühl hat seine Tiefe vor zwei Jahrzehnten zu ergründen<br />
versucht, indem er ihn während des Winters, als er eine Eisdecke<br />
trug, mit Stangen auslotete und dabei Tiefen bis zu<br />
neun Metern feststellte. Er ist also etwas tiefer als dir Tteiligengrub<br />
beim Kremensee und kommt dieser an Wasserfläche<br />
etwa gleich, wenn sie ihren höchsten Wasserstand<br />
hat, aber sein Wasserstand ist keinen großen Schwankungen<br />
unterworfen. Der Bodenlose See liegt 530 m über dem Meeresspiegel,<br />
während die Heiligengrub eine Meereshöhe von<br />
482 m hat. Beide liegen in den gleichen geologischen Schichten.<br />
Diese fallen also vom Bodenlosen See bis zur Heiligengrub<br />
um 48 m. Dieses Gefälle entspricht im allgemeinen dem<br />
Einfallen der geologischen Schichten in der Richtung von<br />
Nordwesten nach Südosten. Es verteilt sich in der Luftlinie<br />
auf 8V2 Kilometer. Die Verbindungslinie von beiden Seen<br />
geht über Bad Imnau, und zwar liegt der Bodenlose See in<br />
der Luftlinie 5 km westlich und die Heiligengrub 3V2 km<br />
östlich vom Bad Imnau entfernt, so daß die Badegäste leicht<br />
beide Seen besuchen können.<br />
Von den altmodischen Ofen in der Bauernstube<br />
Mit besonderer Berücksichtigung Straßbergs<br />
Von Nikolaus M a i e r, Dekan<br />
In dieser kalten Jahreszeit ziemt es sich, daß die Leser<br />
der <strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Heimat</strong> demjenigen Gegenstand in der<br />
Stube einmal ihre Aufmerksamkeit etwas zuwenden, der die<br />
behagliche Wärme ausstrahlt, dem Ofen.<br />
diese Zeilen dem gußeisernen Ofen.<br />
Und zwar gelten<br />
In der Bauernstube ist er oft ein Erbstück aus alter Zeit,<br />
meistens leider das einzige- Alles haben die „Kunsthändler""<br />
den Bauern abgeschwätzt: dit alten Statuen aus der Tischecke,<br />
und die Unterglasbilder (wenn sie nicht noch hinter dem<br />
„Trog" (Truhe) in der Kammer vt borgen und vergessen<br />
liegen) und das alte Porzellangeschirr aus dem „Stubenkasten"<br />
und die Zinnteller, ja seibst die Uhr und der schöngeschmjpuete<br />
Pfannenknecht und das „Kerzenscnerle" —<br />
eben aiies, was nicht angenagelt war, ist verschwunden.<br />
Manchmal sagte man dem Bauern noch, er könne froh sein,<br />
für das alte Zeug jetzt etwas Neues zu bekommen. Leider<br />
hatten aber auch Besitzer die Achtung vor dem Erbstück<br />
verloren und tauschten es gern in der Stadt um klingende<br />
Münze, ja in der Inflationszeit um einen Papierschein ein.<br />
Auch manch neumodische junge Frau mag schuld sein, daß<br />
das Alte aus der Stube und aus dem Hause kam.<br />
Doch, der auf dem Dorf meist gußeiserne Ofen blieb der<br />
Stube treu, selbst wenn er den Besitzern heut manchmal<br />
zu behäbig und breit dasteht und sogar wie mancher Mann<br />
„auf der Unwerte" ist. Aber darf er nicht mehr Platz beanspruchen<br />
als so ein modernes Fabrikstück? Er sah deinen<br />
Vater, deinen Großvater, deinen Urgroßvater schon als Kinder<br />
in der Stube spielen. Er kannte noch die Leute, deren<br />
Grabsteine längst verschwunden sind, in der alten malerischen<br />
Tracht. Geschlechter kamen und gingen. Er blieb. Er<br />
war Zeuge glücklicher Stunden. Aber auch Unglück und<br />
Krankheit haben sich manchmal Hausrecht bei ihm in der<br />
Stube angeeignet. Manchen Sarg hat man am Ofen vorbeigetragen.<br />
Für die Familie kamen schwere Zeiten. Schulden<br />
drückten die junge Witwe. Der Wucherer kam oft ins Haus,<br />
damals, als es noch keine Spat- und Leihkasse gab. (Die<br />
vielen, mit einem Faden zusammen gehefteten Zettel in der<br />
Schublade im alten „Kästle" sind noch aus jener Zeit.) Der<br />
Ofen weiß das alles noch gut. Er konnte aber auch ein Lied<br />
singen vom Gottvertrauen deiner Vorfahren. Er hörte ja die<br />
Gespräche, er hörte jeden Tag den Chor der täglichen Gebete,<br />
bei denen alt und jung vor dem Herrgottswinkel stand<br />
und andächtig mitmachte. Er hörte, wie an den Winterabenden<br />
aus der dicken Legende von einem Schulkind das Heiilgenleben<br />
vom folgenden Tag vorgelesen wurde, während<br />
die Frauen stickten oder das Spinnrädle schnurren ließen<br />
und ab und zu einen gedörrten Apfelschnitz in den M jnd<br />
nahmen. (Nur wenn ein Rädle nicht „geschnürt" war, verstand<br />
man die klare Kindesstimme nicht gut.) Ein armseliges<br />
„Aempele" erhellte die „Lichtstube" notdürftig. Euer<br />
Ofen weiß auch viel von den Sorgen und Aengsten des<br />
Krieges. Wie spannend hat der Urgroßvater, in dem „Ohrenstuhl"<br />
sitzend, den Kindern erzählt, was er mit. seinen<br />
Kameraden auf den Eisfeldern Rußlands mitgemacht hat.<br />
Und sind in jenen Zeiten nicht gar oft Truppen durchmarschiert,<br />
bald Oesterreicher, bald Franzosen? Und als 1813<br />
gar lie Kosaken kamen. Bei Nacht wars. Mutter und Kinder<br />
hatten Todesangst. Man ging nicnt ins Bett. Das brennende<br />
Licht stellten sie ins Ofenröhrle, daß der Schein nicht<br />
auf der Straße zu sehen war. Und das traurige Hungerjahr<br />
1817 sah der Ofen. Er weiß auch noch von der Aufregung<br />
im Revolutionsjähr 1848. Ja, was hat denn dein Stubenofen<br />
nicht schon alles erlebt. Immer als treuer Freund deiner<br />
Voreltern. Er verdient darum, mit einer Art Ehrfurcht angeschaut<br />
zu werden.<br />
handeln.<br />
Mit Liebe und Schonung ist er zu be-<br />
Sicher hast du dir diese Platten schon als kleiner Bub angeschaut.<br />
Als du dir die .Füße wärmtest nach dem Schlitt-<br />
:nuhfahren. Weißt du aber auch, was diese Figuren bedeuten?<br />
Es Oietet sich uns natürlich keine erstklassige<br />
Kunst für gewöhnlich dar. Meist aber sind die Stücke doch<br />
eine Zierde der Stube. Drei Platten sind nötig für den Heizraum<br />
des Ofens, der von der Küche aus mit Hoiz gespeist<br />
wird. Die schmaiere Stirnplatte hat meist ein Wappen, die<br />
^eitenpiatie gewöhnlich ;ine Szene oder ein Ornament. Der<br />
Tragstein der Platten ist oft kunstvoll behauen. Zuweilen<br />
erfüllen aber zwei eiserne Stützen diesen Dienst oder ein<br />
Mauers' besonders wenn nach altem Brauch der Wohnort<br />
der Turteltaube unter dem Ofen war.<br />
Ueber die Herkunft der Platten schreibt Konservator Dr.<br />
Karl Gröber, München (in einem Aufsatz: Die Ofenwand<br />
im altwürttbg. Schwarzwaid): „Die Eisenplatten lieferten die<br />
einheimischen Gießereien und bei der Haltbarkeit des Materials<br />
werden bei neuen Ofenbauten meist die alten Platten<br />
wieder verwendet. Vom 16. Jahrhundert bis herauf ins<br />
Ii- waren es die Erzeugnisse der Hütten des Brenztales in<br />
Württemberg, besonders der Gießereien der ehemaligen Abtei<br />
Königsbronn, die Schwaben bis ins Allgäu versorgten.<br />
Irr 19. Jahrhundert verdrängen die Erzeugnisse der Wasseralfinger<br />
Gießerei allmählich alles andere. Die Platten des<br />
17. Jahrhunderts zeigen meist Szenen biblischen Inhalts oder<br />
die Wappen der Herrschaften, für deren Gebiet sie bestimmt<br />
waren. Damit wurde es allerdings nie sehr genau genommen,<br />
denn das wohl am meisten hergestellte Wappen des<br />
Hauses Württemberg findet sich öfters in Teilen Oberschwabens,<br />
die erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts württembergisch<br />
wurden. Im 19. Jahrhundert treten an die Stelle der<br />
Wappen meist klassizistische Szenen, Bauern, bei der Ar-<br />
Arbeit, Jäger, Tiere usw. Die Modelle dieses allbekannten Reliefs,<br />
die jetzt losgelöst vom Fond als Neugüsse in den Handel<br />
kommen, fertigten Künstler vom Range eines G. K. Weitbrecht<br />
(1796—1836) und Christian Plock (1809—1Ö82) für das<br />
Wasseralfinger Hüttenwerk".<br />
Unsere Gegend wurde auch vom Laucherttaler-Hüttenwerk<br />
versorgt (mitgeteilt von H. Dr. Hebeisen, Sigmaringen),<br />
wo 1708 der Schmelzofen neu erbaut wurde, und wohl auch<br />
von Tiergarten, wo das Hüttenwerk 1671 vom Fürstl. Fürstenbergischen<br />
Haus in Betrieb gesetzt wurde (Stehle, Hohenzollern,<br />
434 und 450). In Straßberg kenne ich nur einen<br />
Ofen mit biblischen Szenen. Er steht in der großen Stube<br />
auf dem Schloß und trägt die Jahreszahl 1695, ein Kreuz<br />
und auf der andern Platte die hl. Familie auf der Wanderung.<br />
Der Ofen soll übrig'ens vom Hettinger Schloß stammen.<br />
In Kaiseringen zeigt ebenfalls ein Ofen das Kreuz.<br />
(In Ringingen ist auf einer Piatte die Hochzeit von<br />
Kana. Sie soll vom Kloster Stetten im Gnadental stammen.)<br />
Besonders bei der Jugend beliebt sind die Szenen der<br />
spielenden Kinder, Jagabilaer usw., die gewöhnlich an den
Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 3<br />
beiden Seitenplatten zu sehen sind. Entwürfe, die auf Figürliches<br />
verzichten und nur Rokoko- oder Empireornamente<br />
anbrachten, gefallen weniger. Fast ganz ratlos stehen wir<br />
aber oft dem Wappen an der Stirnseite des Ofens<br />
gegenüber. Zur Erleichterung des Verständnisses sei einmal<br />
versucht, die einzelnen Zeichen zu erklären. Da meist auch<br />
bei uns auffallenderweise württembergische Wappen<br />
sind, sei mit diesen begonnen. Meist zeigen sie nur<br />
einen Schild. Gelegentlich dabei noch die sogenannte<br />
Helmzier, und aus der Zeit des Königreiches sah ich<br />
Ofenwappen mit den schildhaltenden Tieren.<br />
Der älteste Teil des württ. Schildes, die 3 Hirschgeweihe<br />
unter einander, ist auf allen Wappenbildern vertreten.<br />
Er stammt übrigens von den Grafen von Veringen.<br />
Durch die Erwerbung Mömpelgards kamen 2 Barben (Fische)<br />
ins Wappen, etwa seit 1450. Seit dem Jahr 1495 führt Graf<br />
Eberhard im Bart nach der Belehmung durch Kaiser Maximilian<br />
die „W ecken" von Teck (schwarz und goldgeweckter<br />
Schild, Rhombusformen) und die Reichssturmf<br />
a h n e mit dem Adler. Württemberg war berechtigt, im<br />
Krieg und bei besonderen Anlässen diese Fahne voranzutragen.<br />
1693 kam in den Titel und das Wappen der „Herr in<br />
H e i d e n h e i m", das Brustbild eines bärtigen Mannes mit<br />
gestülpter Mütze. Nun wurden die Hirschstangen, also das<br />
Stammwappen in die Mitte der vier andern Wappen gelegt,<br />
d. h. zum Herzschild gemacht.<br />
Gelegentlich finden wir über diesem Schild die „Helraz<br />
i e r" dieser Wappenteile: Hiefhorn (Jagdhorn), Weibrumpf<br />
mit den Barben statt der Arme, Adler und „Heide". Ich kann<br />
mich nicht erinnern, auf Oefen ausführlichere Wappen gesehen<br />
zu haben. Da aber da oder dort doch vielleicht auch<br />
solche Exemplare vorhanden sind, seien auch die späteren<br />
Wappenteile genannt.<br />
1751 kam Justingen, 1782 Limpurg, 1784 Bönningheim an<br />
Württemberg. Ersteres hat einen Schrägbalken von<br />
links oben nach rechts unten und als Helmschmuck: S c h w anenrumpf<br />
mit Pfauenspiegeln. — Limpurg ist geviert; 1<br />
und 4 zeigen die „fränkischen Heerspitze n", 2 und 3 die<br />
Streitkolben der Grafen von Limburg. Als Zierde oben<br />
2 Büffelhörner.<br />
Bönnigheim zeigt die Mondsichel an.<br />
1803 wurde Herzog Friedrich 2. Kurfürst, Die Erwerbungen<br />
vom Reichsdeputationshauptschluß kamen ins Wappen.<br />
Probstei Ellwangen (Bischofsmütze), Hall (Kreuz oben,<br />
Schwurhand unten), Reichsstädte (schwarzer Adler).<br />
1806 war die Erhebung zum Königtum. Herzschiid: links<br />
(vom Beschauer) 3 Hirschstangen, rechts 3 schwarze Löwen<br />
übereinander. Das ist das Wappen der staufischen Herzöge<br />
von Schwaben, wegen des Erwerbs der großen obetschwäbischen<br />
Gebiete. Das Feld ist viermal geteilt: 1. Teck und<br />
Tübingen (Kirchenfahne), 2. Ellwangen und Mompelgard. 3.<br />
Reich^sturmfahne und Justingen, 4. Limpurg, Heidenheim,<br />
Bönnigheim, Hall und Reichsstädte.<br />
Als Schildhalter: bekrönter Löwe und Hirsch, je das<br />
Reichsbanner tragend.<br />
Von 1817 an finden wir nur noch i_,öwe und Hirsch als<br />
Schildhalter und je 3 Hirschstangen und 3 Löwen als Wappen.<br />
Diese Art ist noch auf vielen Oefen zu finden.<br />
Die lateinischen Buchstaben über dem Wappen bedeuten<br />
den damaligen Herzog zu Württemberg. Sie seien hier auch<br />
angeführt.<br />
Friedrich Karl 1677—1693<br />
Eberhard Ludwig 1693—1733<br />
Carl Alexander 1733—1737<br />
Carl Eugen 1737—1793<br />
Ludwig Eugen 1793—1795<br />
Friedrich Eugen 1795—1797<br />
Kurfürst und König Friedrich 1797—1816<br />
König Wilhelm 1816—1864<br />
(Vergl. v. Alberti Württ. Adels- und Wappenbuch.)<br />
Es sei noch bemerkt, daß gelegentlich die Zahlen nicht genau<br />
mit den Herrschernamen stimmen. Ob dabei den Ofenfabrikanten<br />
ein Irrtum unterlief oder ob Geschäftsinteressen<br />
eine Rolle spielten, wird schwer zu entscheiden sein.<br />
2. Das <strong>Hohenzollerische</strong> Wappen fand ich seltener auf<br />
Oefen vertreten. Es besteht aus dem in Silber (weiß) und<br />
Schwarz viergeteilten Zollerschild, der auf den mir bekannten<br />
Oefen immer die 1. und 4. Stelle einnimmt. Die Felder<br />
2 und 3 nimmt der Sigmaringer Hirsch ein. Das Herzwappen,<br />
in der Mitte dieser 4 Schilde, sind die 2 kreuzweis übereinander<br />
gelegten Zepter. Im Jahre 1505 erhielt nämlich Graf<br />
Eitel Friedrich das Erb-Kämmeramt mit diesem Wappenschild.<br />
Zum vollständigen fürstlich-hohenzollerischen Wappen gehört<br />
außerdem der Nürnberger schwarze Löwe in goldenem<br />
Schild mit rotweiß gestickter Einfassung. — Haigerloch, silber<br />
(weiß) und rot quergeteilter Schild. — Veringen, drei rote<br />
Hirschstangen in Gold. — Grafschaft Berg (kam 1781 an Hohenzollern-Sigmaringen)<br />
roter Löwe in silbernem Schild. Auf<br />
dem schwarzen Rand 11 goldene Kugeln. Das Wappen halten<br />
die beiden Bracken (Hunde). (Näheres bei Zingeler, das<br />
Fürstl. Hohenz. Wappen.)<br />
3. In einem Haus hier sah ich als Ofenwappen: einköpfigen,<br />
gekrönten Adler als Wappentier. Auf dem 1. und 4.<br />
Feld ist die Werdenberger Fahne, die im 2. und 3. Feld dreimal<br />
stufenweise gebrochenen Schrägbalken bedeuten die<br />
Grafschaft Heiligenberg. Es ist das Fürstenberger Wappen,<br />
stammt also von Tiergarten.<br />
4. Von Zizenhausen stammend weist sich laut Inschrift ein<br />
anderer Ofen aus, den je ein Hirsch und ein Löwe im<br />
Walde schmücken.<br />
Es ist selbstverständlich, daß hier kaum alle Ofenfirmen,<br />
die für unsere Gegend in Betracht kommen, genannt sind.<br />
In andern Gemeinden werden, entsprechend oft ihrer Geschichte,<br />
wohl auch noch andere Wappen vorkommen. Nur<br />
wenn man anfangt, die Aufmerksamkeit auf diese oft verachteten<br />
Stücke zu richten und das, was man findet, bekannt<br />
macht, kann eine Uebersicht gewonnen werden.<br />
Mit einer kleinen Anregung möchte ich schließen. Ich fand<br />
derartige Ofenplatten schon öfters in Museen, und das mit<br />
Recht; ich fand sie aber auch schon vor Stallungen über —<br />
Jauchegruben. Ich moine, wenn man sc^on den Ofen außer<br />
Dienst setzen muß dann könnten die Platten in der Stube<br />
irgendwo an der Wand befestigt werden und gäben da, immer<br />
gut geschwärzt und geglänzt, nicht nur einen würdigen<br />
Wandschmuck, sondern auch einen Anschauungsunterricht<br />
für die Jugend, Jie <strong>Heimat</strong> und das Ererbte zu lieben, das<br />
Alte und das Alter zu achten und zu ehren.<br />
Die Schlange mit der goldenen Krone<br />
Vor langer Zeit stand über der Vehla die iolze Burg eines<br />
gewaltigen Raubritters, der Kunibert hieß und über die<br />
Maßen reich war. Keine StralJe war vor ihm sicher, und<br />
all :n Reichtum hatte er gestohlen. Seine Burg zierten fünf<br />
Türme, und auf dem höchsten saß ein Hahn, der sprechen<br />
und über sieben Berge sehen konnte. Kunibert hatte ihn um<br />
seinen Sohn von einer Hexe eingehandelt und wußte nicht,<br />
wie sehr sie ihn betrogen hatte. In Wirklichkeit war der<br />
Hahn nämlich ein verzauberter Jüngling, und niemand anders<br />
als Kuniberts eigen Fleisch und Blut. Dieser Wächter<br />
war mit Gold nicht aufzuwiegen; er verriet alles, was sich<br />
auf ien Straßen tat, und Kunibert zog mit seinen Streitgeselien<br />
dorthin, wo ihm reiche Beute sicher war.<br />
Diewef mußte seine Tochter, die schöne Walburga, den<br />
goldenen Schate getreulich hüten. Mit den Wachhunden ihres<br />
Vaters saß sie in den tiefen Kellern; sie war so schön, daß<br />
aller Glanz und Reichtum neben ihr verolaßte.<br />
Eines Tages karr ein Königssohn und wollte die Prinzessin<br />
sehen. Walburga hütete den Schatz und ließ ihm sagen, daß<br />
Bruno Ewald Reiser<br />
er sich gedulden möge. Der Königssohn hörte aber nicht auf<br />
zu bitten. Da zog sie ihre schönsten Kleider an und ging ihm<br />
frohgemut entgegen. Sie gefiel ihm auf den ersten Blick; er<br />
neigte sich tief vor ihrer Schönheit, setzte ein goldenes<br />
Kröniein auf ihr Haupt, und sie freute sich, seine Königin<br />
zu sein.<br />
Da hatten sich zwei Menschenkinder gefunden und liebten<br />
sich und glaubten, sie wären allein auf der Welt. Eng umschlungen<br />
gingen sie im Burggarten auf und nieder. Walburga<br />
hatte 'vrgessen, ihren Schatz zu hüten, und der<br />
Königssohn achtet nicht mehr der Gefahr.<br />
Da '.'am der böse Kunibert von einem Raubzug heim und<br />
sah die beiden und das goldene Krönlein auf Walburgas<br />
schwarzen Locken. „Balm Teufel", brummte er, „wie ist das<br />
zugegangen? Geht da mein einzig Kind mit einem fremden<br />
Manne und trägt ein goldenes Krönlein auf dem Haupt. Das<br />
wird ^us meinem Schatze stammen, den ich zui hüten ihr geboten!"<br />
Er sah, wie sich die beiden küßten ohne Unterlaß.<br />
„Du Schlange, Du erbärmliche!" fluchte er in wildem Zorn,
4 HO II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />
zückte sein blutiges Schwert und stieß es dem Königssohn so<br />
tief in den Rücken, daß er zusammenbrach und auf der<br />
Stelle tot war. Walburga kniete zu ihm nieder, und als der<br />
rohe Vater das Schwert abermals erhob, ging sein Fluch an<br />
ihr in Erfüllung. Da lag sie nun am Boden und war eine<br />
Schlange mit giftgrünen Augen und zischelnder Zunge. Auf<br />
ihrem Haupt war noch das Krönlein, und das Gold strahlte<br />
wie die Sonne, weil Blut um eine Liebe floß, die ohne Erfüllung<br />
blieb.<br />
Die Wachhunde vor den Schatzkammern rochen das Blut.<br />
Sie kamen, fielen über Kunibert her und rissen ihn in<br />
Stücke. Da war die alte Burg ausgestorben; nur der Hahn,<br />
der auf dem höchsten Turme saß und die Schlange, die ein<br />
Krönlein trug, waren noch am Leben.<br />
In diesen Tagen kamen die Feinde Kuniberts zu Haufen.<br />
Sie verwüsteten die schönen Gärten und zerstörten die feste<br />
Burg; aber der goldene Schatz blieb ihnen verborgen. Er<br />
liegt heute noch tief unter dem zerfallenen Gemäuer. Kunibert,<br />
der leben und nicht sterben darf, muß ihn hüten und<br />
seine gebannten Kinder helfen ihm dabei.<br />
Düster dräuende Wacholderstauden wachsen seither in<br />
diesem Land und trauern um die längst entschwundene Pracht.<br />
Wenn sommertags die Sonne darüber glastet, dann leuchten<br />
sie in dunklem Grün. Das ist die Hoffnung der Verwunschenen,<br />
die immer noch auf die Erlösung warten, die ihnen nur<br />
ein Kind vom Vehlatale bringen kann.<br />
Fällt man im Bannkreis der zerfallenen Burg zuweilen<br />
eine Tanne, aus der ein Kinderwieglein wird, dann kommt<br />
ein Jubelschrei von ihren Wurzeln her, so freut sich da die<br />
Schlange. Sie glaubt, daß jetzt das Kind geboren sei, das sie<br />
vom Bann erlösen werde. Und wer in solcher Wiege lag,<br />
wird irgendwann in seinem Leben die Schlange mit der goldenen<br />
Krone sehen und mit ihr sprechen wie mit einem<br />
Menschenkind.<br />
An einem sonnig hellen Tag — grad sind es zehnmal hundert<br />
Jahr — lag einst die arme Schlange auf einem Stein im<br />
Vehlatal. Da kam ein junger Mann gegangen und wunderte<br />
sich sehr: „Was trägst du auf dem Haupt für eine Krone?"<br />
Und die Schlange sprach:<br />
„Walburga werde ich genannt,<br />
ein böser Fluch hat mich gebannt;<br />
tust Du mich dreimal küssen,<br />
dann ist der Bann zerrissen."<br />
Da kniete der junge Mann auf die Erde. Er nahm den<br />
Kopf der Schlange in beide Hände und küßte sie, und die<br />
Schlange lachte dazu und küßte ihn auch. Und es wurde ihm<br />
warm ums Herz und er meinte, heiße Lippen eines jungen<br />
Menschenkindes hätten ihn berührt. Und dann küßte er zum<br />
andernmal, und es krähte ein heiserer Hahn und eine zornige<br />
Männerstimme schrie: „Du Schlange, Du erbärmliche!"<br />
Da wackelte das Krönlein auf dem Kopf der Schlange; das<br />
Gold strahlte wie eine Sonne, und die Edelsteine funkelten<br />
wie Blut; ihre Augen blitzten giftgrün, aus ihrem Mund kam<br />
blauer Odem, und ihr Zünglein zischelte: „Küsse mich! —<br />
Küsse mich!"<br />
Da packte den jungen Mann helles Entsetzen. Er hob die<br />
Schlange empor und schleuderte sie weit in den Wald hinein.<br />
Da kroch sie still und traurig unter eine dicke Wurzel. Ganz<br />
heiser krähte irgend woi ein Hahn, und eine wehe Männerstimme<br />
sagte traurig: „Mein armes Kind!"<br />
Seither wartet die verwunschene Schlange auf den dritten<br />
Kuß. Aber nur alle hundert Jahre gibt es einen Tag, an dem<br />
man sie erlösen kann. Es fielen ungezählte Tannen dort<br />
im Wald, und viele Wiegen wurden schon gezimmert, und die<br />
Verwunschene tat manchen Jubelschrei. Seither ist die<br />
Schlange manchesmal erschienen, wenn jemand einsam im<br />
Vehlatal wanderte; aber niemand fand den Mut, sie wie ein<br />
Menschenkind zu küssen.<br />
Bald sind die hundert Jahre wieder um. Dann wird vielleicht<br />
ein stolzer Jüngling kommen, die Schlange mit der goldenen<br />
Krone küssen, und sie entbannen wiederum zum<br />
Menschenkind. Sie wird ihn mit dem goldenen Schatz, mit<br />
ihrer hohen Lieb' belohnen.<br />
Dann aber wird im Vehlatal kein heiserer Hahn mehr<br />
krähen, wenn eine Tanne fällt, kein Jubelschrei wird mehr<br />
erschallen, kein Ritter Kunibert wird mehr nach seinem<br />
Kinde fragen, und die Schlange mit der goldenen Krone wird<br />
nimmermehr auf heißem Fels zu sehen sein.<br />
Dann wird die Sage traurig aus dem Tale wandern, und<br />
wenn sie fortgegangen ist, werden die Menschen so arm<br />
sein, daß sie gerne den goldenen Schatz und mehr darum<br />
geben wollten, wenn sie wiederkäme.<br />
Höhlen und Höhlenbildung der Alb<br />
Unsere Alb besitzt eine Menge Höhlen, mehr als mancher<br />
Alhbewohner zu ahnen vermag. Außer den bekannten,<br />
äußerlich wahrnehmbaren, sind noch weit mehr Höhlen im<br />
Innern der Erde vorhanden lie noch kein menschliches Auge<br />
sah und noch kein menschlicher Fuß betreten hat. ^ie alle<br />
sind auf die zersetzende und auflösende Kraft des Wassers<br />
zurückzuführen. Bekanntlich besteht unsere ganze Hochalb<br />
aus den Schichtenreihen des „Weißen Jura". Das Gestein<br />
bildet keine feste Masse, sondern ¿st schicntenweise gelagert.<br />
Jeder Steinbruch zeigt klüftige, zerrüttete Kalkfelsen. Häulig<br />
finden wir tonige Zwischenschichten innerhalb der Kalkbänke<br />
eingelagert. In einem solchen Kalkgebirge muß alles<br />
Wasser versinken. Bei jedem Regen, beim Schmelzen des<br />
Schnees, bei Reif und Tau dringt eine Menge Wasser in<br />
die Erde ein und sickert durch die zahlreichen Ritzen,<br />
Sprünge und Klüfte im Kalkgestein. Im Bereich der verwesenden<br />
Massen von Gras, Waldlaub und Modererde nimmt<br />
das in den Boden versinkende Wasser stets Kohlensäure auf.<br />
Die Kohlensäure verleiht dem Wasser eine erhöhte Lösunj; -<br />
kraft. Der Jurakalk gehört zu denjenigen Gesteinsarten die<br />
am leichtesten löslich sind. So löst das kohlensäurereiche<br />
Wasser im Berginnern bei der Durchsickerung des Gesteins<br />
beständig Kalk auf und erweitert die Ritze zur Spalte und<br />
die Spalte zur Kluft, bis es, tief drinnen im Berg, auf eine<br />
tonige und deshalb wasserdichte Schicht kommt. Hier wird<br />
die Wanderung gehemmt und die Einwirkung auf das Nebengestein<br />
erhöht. Es bilden sich langsam Hohlräume, die<br />
sich solange weiterführen und erweitern, als Wasserzuzuig<br />
da und kein Abfluß vorhanden ist. Endlich schafft und findet<br />
das Wasser einen Abfluß, meistens nach unten, und die entstandene<br />
Höhle ist entwässert. Dieser Höhlenbildungsprozeß<br />
geht freilich sehr langsam und allmählich vor sich, denn<br />
über tausend Teile kohlensäurehaltiges Wasser sind nötig,<br />
um nur einen Teil Kalkstein zui lösen; aber was tut das!<br />
Das Wasser hat ja viel Zeit zur Verfügung, und seine Mengen<br />
sind so sehr betrachtlich. Der Geologe rechnet bei diesen<br />
Vorgängen nicht mit Monaten und Jahren, sondern zieht ruhig<br />
Jahrhunderte und Jahrtausende in Betracht, und in<br />
einem Jahrhundert fließt gar viel Wasser aus unseren Alb-<br />
tälern. Alle unsere zutagetretenden Aibhöhlen sind ehemalige,<br />
unterirdische, früher unzulängliche Höhlungen, die in<br />
ihrer Bildung unabhängig von ihrer jetzigen Oeffnung sind.<br />
Durch oberflächliche Abwaschung des Gebirgsrandes oder<br />
durch die Talbildung wurden sie angeschnitten und geöffnet.<br />
Daher finden wir sie alle an schroffen, felsigen Talgehängen.<br />
Das Innere ist unregelmäßig, bald hoch, bald niedrig, bald<br />
schmal, bald breit, oft mit den wunderbarsten Tropfsteinbiidungen<br />
geziert. Die Tropfsteine sind bekanntlich Niederschläge<br />
von kristallinischem kohlensaurem Kalk, gebildet<br />
aus an Wänden nerabrinnendem oder an Vorsprüngen herabtropfendem<br />
Wasser. Dasselbe Wasser, das als Regenwasser<br />
beim Durchsickern der Spalten Kalk auflöste, gibt von diesem<br />
Kaiic wieder geringe Spuren ab, sobald es mit der Luft<br />
in Berührung kommt und ein wenig verdunsten kann. So<br />
wachsen allmählich von der Decke abwärts Zackengebilde,<br />
die der Geologe „Stalaktiten" nennt, während ihnen vom<br />
Höhlenboden die Stalagmiten entgegen wachsen, bis schließlich<br />
beide vereinigt eine schöne Tropfsteinsäule darstellen.<br />
Solche zugängliche Tropfsteinhöhlen hat Honenzollern allerdings<br />
nicht aufzuweisen; in allernächster Nähe jedoch, in der<br />
Bären- und Nebelhöhle und in den Höhlen des Echatztales<br />
finden wir eine unendliche Mannigfaltigkeit dieser Bildungen.<br />
In Hohenzollern weist die meisten Höhlen das Laucherttal<br />
auf. Diese Höhlen haben keine Tropfsteingebilde, weil<br />
das Gestein zu tonhaltig ist. Es zerbröckelt, ehe sich Stalaktiten<br />
bilden können. Das Wasser hat hier zu leichte Arbeit<br />
und sickert zu rasch durch. Nicht selten gelangt man durch<br />
eine kleine Oeffnung, oft auch nur durch ein Loch oder eine<br />
enge Spalte in eine zweite Höhle, auf die manchmal in derselben<br />
Weise eine dritte folgt. Veringenstadt hat wohl die<br />
meisten Höhlen. Die St. Nikolaushöhle liegt am linken Lauchertabhang,<br />
ist ca. 25 Meter lang, 10 Meter breit und 3--5<br />
Meter hoch. Kleiner, aber zahlreich sind die andern Höhlen<br />
um Veringenstadt. Klein ist auch das Hexenloch bei Jungnau.<br />
Bei Hermentingen ist das Durbeleshäusle in einem Felsen<br />
links vor dem Dorfe. Hettingen hat verschiedene kleine Höhlen,<br />
z. B. das Kachelstüble. Bei Gammertingen sind das<br />
Eulenloch und die Weihhöhle und bei Neufra das Bualoch
Jahrgang 1954 H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T<br />
und das Nagloch. Der Eingang des Bröllers bei Hausen a. d.<br />
Laudiert mündet in eine langgezogene, schlundartige Höhle,<br />
die im Hintergrund wasserführend ist und zu einem gewaltigen<br />
unterirdischen Wasserbecken führt, dessen Wasser<br />
wohl sich, wie anfangs beschrieben, einen unterirdischen Abfluß<br />
geschaffen hat, bei reichem Wasserzufluß, d. h. in starken<br />
Regenperioden sich aber füllt und dann durch diesen<br />
Höhleneingang den Ueberfluß abgibt. Jahrelang kann hier<br />
kein Tropfen Wasser herauskommen, da auf einmal heißt es:<br />
„Der Hungerbrunnen läuft". In Feldhausen liegt mitten im<br />
Dorfe die Hüle. Bei starken Niederschlägen kann diese nicht<br />
alles Wasser aufnehmen. Das überfließende Wasser strömt<br />
dem nahe gelegenen „Höllenlöchle" zu, wo es gurgelnd in<br />
unbekannter Richtung in die Tiefe stürzt. Es gibt wohl keine<br />
Gemeinde auf der Alb, die nicht auf ihrer Gemarkung kleine<br />
oder größere Höhlen aufzuweisen hat. Sicherlich sind viele<br />
davon einst größer gewesen. Steingeröll, Laub und tierische<br />
Ueberreste haben sie im Laufe der Zeit verkleinert. Füchse<br />
I. 142: Infolge der neuen Lehre ist es dazu kommen, daß<br />
der gemeine Mann keine Obrigkeit mehr haben wollte und<br />
dem Adel nicht mehr dienstbar und Untertan sein mochte. Es<br />
haben sich die Bauern zusammengerottet und unter einander<br />
verbunden wider ihre Herrschaft und sind gegen solche mit<br />
großer Macht in das Feld gezogen. Sie haben denselben großen<br />
Schaden zugefügt, ihre Schlösser eingenommen und verbrannt<br />
und die Gotteshäuser zerstört. Dieser Bauernkrieg<br />
hat im Jahr 1525 angefangen und länger als ein Jahr<br />
gedauert. In dieser Zeit (1525) sind wir mitten unter ihnen<br />
gewesen, denn ober uns ist ein großer Haufe gestanden und<br />
unter uns über 100 000 Mann, welche täglich auf und ab zogen<br />
hart an unserm Kloster vorüber. Darum standen wir in<br />
großer Sorge, denn wir wußten nicht wo wir hinfliehen<br />
sollten und hatten eine gar harte Fasten (-zeit. 1. März bis<br />
15. April). Alle Tage brachte man uns neue Schrecken; also<br />
flehneten (flüchteten) wir unsere besten Sachen in das Gewölbe<br />
und inneren Kuchelkeller und vermauerten solchen<br />
selber. Es kamen aber so trübe Zeitungen (Nachrichten), daß<br />
wir das Gev/ölb wieder aufbrachen und die Briefe (Urkunden),<br />
das Silbergeschirr und andere kostbare Sachen unseres<br />
Klosters nach Sigmaringen führten. Da hatten wir aber neue<br />
Angst, denn die Truchen waren schon alt und so waren die<br />
kostbaren Sachen und Brief nit wohl darin versorgt. Und<br />
als man solches i ch Sigmaringen in das Schloß gebracht,<br />
mußte sie unser Knecht zu oberst unter das Dach tragen.<br />
Auch schickten wir in Fässern in das Schloß unsere besten<br />
Bücher, Gesang und Betbücher, waren aber in großer Angst<br />
und Unruhe, die Schriften und das Silbergeschirr wären vor<br />
dem Feuer nit versorgt, weil sie nit in einem Gewölb<br />
waren. Wir hätte: - viel geben, daß wir gleich anfangs des<br />
Krieges alles nach Ueberhngen geschickt hätten. Wir flehneten<br />
(flüchteten) auch Korn und Wein nach Sigmaringen in<br />
unser gnäd Herren Graf Felix (von Werdenberg) Behältnis.<br />
Viel unterschiedliche Dinge haben wir in das Gewölb und<br />
Kuchelkeller vermauert. Wer es. aber gesehen hat, gab uns<br />
schlechten Trost, daß es vor dem Feind versichert sei. Wir<br />
waren trotz aller Angst entschlossen, beieinander leben und<br />
sterben zu wollen. Wir waren auch so verlassen, daß wir<br />
'icht gewußl '-rtten wohin fliehen, wenn man uns aus dem<br />
Kloster vertrieben hätte.<br />
Auch die Bauern im hiesigen Dorf wollten sich zu den<br />
Rebellen schlagen, und verlangten, daß wir mit ihnen halten<br />
sollten. Aber der größte Teil des Konvents war Willens, eher<br />
das Gotteshaus zerstören zu lassen, als sich gegen den<br />
Bekanntlich drangen die Alamarmen, zu denen die Schwaben<br />
gehörten, von Nordwesten her ums Jahr 213 n. Chr. über<br />
den ömischen Grenzwall in aas sog. Dekumatenland, unsere<br />
heutige Gegend, ein und hatten nach wiederholten Angriffen<br />
gegen den römischen Machthaber um 260 den größten Teil<br />
des Gebietes in ihrer Gewalt. Die Ortsnamen auf ingen<br />
stammen aus ener Zeit. Trotz einer Niederlage des urwüchsigen<br />
germanischen Stammes durch Kaiser Probus, der aie<br />
schon ins Elsaß vorgestoßenen Eindringlinge über Rhein und<br />
JSeckar und teils über die schwäbische Alb zurückwarf, bildeten<br />
in Zukunft Rhein—Bodensee—Argen—Tller—Donau die<br />
Grenze gegen das Römer reich, das Gebiet östlich und nörd-<br />
Vom Bauernkrieg<br />
(Aus der Chronik des Klosters Inzigkofen.)<br />
Von unseren Vorfahren<br />
und Dachse suchen darin Unterschlupf und Schutz gegen ihre<br />
Verfolger.<br />
Ehemals, als der Mensch die Kunst des Bauens noch nicht<br />
kannte, als er noch an kein Heim gebunden war und als<br />
ruheloser Jäger die Wälder durchstreifte und dem Wilde<br />
nachging, da dienten ihm die Höhlen als Unterschlupf und<br />
Wohnstätte. Leicht war sein Dasein freilich nicht. Galt es<br />
doch den Kampf mit der damaligen Tierwelt aufzunehmen,<br />
die ihm den Besitz der Höhle vielfach streitig machte. Die<br />
Albhöhlen sind als Wohnstätten längst verlassen. Der Mensch<br />
wurde seßhaft und baute sich Häuser. Oft aber brausten<br />
Gewitterstürme des Krieges durch das Land und fegten die<br />
menschlichen Wohnstätten hinweg Die Menschen flohen in<br />
die Wälder, in die Klüfte und Höhlen des Gebirges und<br />
suchten wieder Schutz daselbst. Wie oft das geschehen sein<br />
mag! Wie oft auch ein Einzelner hier Unterschlupf gesucht<br />
haben mag! Das kann niemand sagen. Niemand hat es aufgeschrieben.<br />
Schutzherrn (Graf Felix von Werdenberg zu Sigmaringen)<br />
aufzulehnen. In der Osterwoche am Freitag (21. April 1525)<br />
kamen bei dreißig Bauern ZIUI uns und begehrten Wein und<br />
Brot, was ihnen auch gegeben wurde, mehr als sie begehrt<br />
haben. Man hat ihnen auch solches mit unsern Knechten und<br />
Rossen nach Engelswies geführt. Unser Schirmherr, Graf<br />
Felix von Werdenberg, bei dem wir anfragten, was wir zu<br />
tun hätten, schickte den Bauern gleich seine Soldaten und<br />
reisigen Knechte nach, welche sie zu Engelswies im Wirtshaus<br />
antrafen. Da war nun ein starkes Fechten und Schießen<br />
von beiden Seiten uind kamen zwei Bauern ums Leben. I n<br />
derselben Nacht verbrannte unser gnädiger<br />
Herr Vilsingen, denn etliche Bauern waren von dort,<br />
die bei uns gewesen sind. Nun stieg unsere Angst noch höher<br />
denn man drohte, kein Stein soll von unserm Kloster auf<br />
dem andern bleiben, worauf Graf Felix ohne unser Wissen<br />
allenthalben stärkere Wachen ausgesetzt hat. (Damals in<br />
Engelswies hat unser lieber Herr den Konrad, unsern Fuhrknecht<br />
und den Hans, unsern Herrenknecht behütet, daß<br />
ihnen nichts geschehen, ob sie schon mitten unter den Schützen<br />
gewest, ohne Gewehr. Desgleichen ist unsern Pferden<br />
nichts geschehen.) Aber was für großen Schrecken und Jammer<br />
wir untereinander gehabt, kann nit beschrieben werden.<br />
In Zukunft mußte das Dorf und insere Knechte täglich<br />
wachen, viel Wochen lang und hat Graf Feiix oft Wächter<br />
zu dem Gotteshaus (Kloster) geschickt, daß wir nichts davon<br />
gewußt, weil wir schliefen. Er empfand es auch sehr hart,<br />
daß ihm die Bauern an dem liebsten Ort, so er hatte, zu Inzigkofen<br />
angegriffen haben, wie er es dann an allen abgestraft<br />
und sie büßen lassen, die zu uns gekommen und uns<br />
erschreckt haben.<br />
Man sagt uns nachher, es sei rühmlich gewesen, daß wir<br />
nicht zu den Bauern abgefallen seien. Unsre Lb. Herr und<br />
Hausvater, die Mutter der Barmherzigkeit und das Gebet<br />
vieler unschuldiger frommer Seelen haben uns Hilf und Gnad<br />
erlangt, daß wir väterlich beschirmt und behütet wurden<br />
und daß kein merklicher Schaden geschehen, weder an Leib<br />
noch Gut. Darum sollen wir unserm 'ieben Herrn ewig Lob,<br />
Ehr und Dank sagen. Denn durch diesen Krieg sind viel in<br />
Armut kommen und unzählige Witwen und Waisen geworden,<br />
dieweii mehr als 100 000 Bauern umgekommen und ohne<br />
Zahl geköpft und gehenkt worden, desgleichen viel Geistliche<br />
und Ordensperscnen ums Leben kamen".<br />
(Nach S. Lochers Manuskript im fürstl. Archiv Sigmaring. K.)<br />
lich davon aber gehörte den Germanen. Von weiteren Vorstößen<br />
sei nur die Eroberung des Elsaßes im Jahre 454 genannt.<br />
Die große Schicksalsschlacht im Kampf mit den Franken<br />
kostete die Alamannen um 496 oder 506 nicht nur ihr Königtum,<br />
sondern auch ihre Macht und Selbständigkeit. Ihr Gebiet<br />
wurde in der Folge unter die drei Nachbarreiche aufgeteilt.<br />
Der Sieger Tnlodwig, der zum katholischen Christentum<br />
übertrat, erhielt den Löwenanteil: die Gaue im Eisaß,<br />
i'falz Baden, Württemberg und Hchenzollern. Das weiter<br />
östliche Gebiet stellte sich freiwillig unter Theoderich den<br />
Großen, das südliche kam unter burgundische Herrschaft.<br />
I
ti H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T • T ahrgpr-g ltí54<br />
In die Pfalz, nördliches Baden und Württemberg scheint<br />
dann eine starke bäuerliche Einwanderung der Franken<br />
stattgefunden zu haben, vor der viele Alamannen nach Süden<br />
abzogen.<br />
Schon im Jahre 526 war jedoch das gesamte Alamannengebiet<br />
unter der Frankenherrschaft vereinigt. König Theudebert,<br />
der in Metz seinen Sitz hatte, organisierte 534 bis 48<br />
das Herzogtum jenes Stammes neu, gewährte ihnen eigenes<br />
Heer mit einheimischen Führern, nationales Recht und nationalen<br />
Glauben. Dieser aber bestand im Festhalten an<br />
ihren heidnischen Ansichten und Gebräuchen. Das Christentum<br />
hatte bisher lediglich in den ehemals römischen Städten,<br />
wie Konstanz, Rottweil, Rottenburg, Fuß gefaßt und erhielt<br />
sich jetzt unter der neuen Herrschaft nur kümmerlich. Bald<br />
erblickten die Frankenkönige in der Bekehrung ihrer Untertanen<br />
zum Christentum das beste Mittel, um auf die<br />
Alamannen politischen Einfluß zu gewinnen. Sie vermieden<br />
jedoch die Gewalt, ließen vielmehr schon bald nach der Besitzergreifung<br />
auf ihrem Krongut christliche Kirchen bauen<br />
und durch fränkische Priester Gottesdienst halten für ihre<br />
Heeresabteilungen und Verwaltungsbeamten. Krongut war<br />
das von ihnen angeeignete meist vormals römische Siedlungsgebiet.<br />
Diese königlichen Eigenkirchen liegen daher<br />
sehr oft an römischen Straßen und sind durchweg dem fränkischen<br />
Nationalheiligen Martinus von Tours geweiht. Doch<br />
bildeten sie nur Oasen des Christentums ohne viel werbende<br />
Kraft für die Masse des übrigen Volkes. Das gleiche darf<br />
man sagen von den Eigenkirchen, die eingewanderte fränkische<br />
Grundherrn auf ihren Gütern für Angehörige und<br />
Untergebene errichtet haben. Noch ums Jahr 575 berichtet<br />
der oströmische Geschichtsschreiber Agathias, daß Alamannien<br />
noch überwiegend heidnisch sei. Man verehre dort<br />
Bäume, Flüsse, Berge und Schluchten und bringe Tieropfer<br />
dar. Erst die Vernünftigeren seien durch Umgang mit den<br />
Franken für das Christentum gewonnen.<br />
Als erste namentlich bezeugte christlichen Missionare sind<br />
Gallus und Kolumban in der Bodenseegegend um 609 bekannt,<br />
als Konstanz bereits Bischofssitz war für das südlichere<br />
Gebiet. Die vom ersten errichtete Gallenzelle (St.<br />
Gallen) blieb jedoch im ganzen 7. Jahrhundert noch wesentlich<br />
Einsiedelei. Der christliche Herzog Gunzo hatte 613<br />
seinen Sitz zu Ueberlingen am See. Doch ist der Einfluß des<br />
Christentums im ältesten Gesetzbuch der Alamannen, das<br />
um 640—50 entstand, noch ziemlich gering. Nur eine Stelle<br />
zeugt vielleicht von ihm, dort wo bestimmt ist, daß die Freilassung<br />
von Sklaven nicht nur vor dem Heere sondern auch<br />
in der ecclesia = Kirche erfolgen könne. Demnach waren<br />
Kirchengebäude wohl etwas Bekanntes. Die Klöster St. Trudpert<br />
im Breisgau, Säckingen am Rhein blühten empor und<br />
wurden zu Missionsmittelpunkten. Zu den urfränkischen<br />
Martinskirchen gesellten sich langsam solche der hl. Michael<br />
und Stephan (angeblich gern an ehemaligen Opferstätten<br />
errichtet), Peter- und Paulskirchen (an Dingstätten), während<br />
Taufkirchen dem hl. Johannes geweiht worden seien.<br />
U. E. hat man jedoch in allen Pfarrkirchen getauft. Zu Kirchen<br />
der fortschreitenden fränkischen Mission rechnet man<br />
die der hl. Remigius, Hilarius, Arnulf, Desiderius, Dionysius,<br />
Germanus, Leodegar (z. B. Gammertingen) und Medardus. Im<br />
8. Jahrh. entstanden dann klösterliche Eigenkirchen zu Ehren<br />
besonderer Heiliger. Das unter Herzog Landfried um 719<br />
entstandene zweite Gesetzbuch der Alamannen steht ganz<br />
unter dem Einfluß des bereits starken Christentums. Das<br />
Asylrecht der Kirche ist anerkannt, deren Vermögen unveräußerlich.<br />
Vergehen gegen den Bischof werden geahndet wie<br />
solche gegen den Herzog, für den Pfarrer wird ein dreifaches<br />
Wergeid, für den Diakon und Mönch ein doppeltes<br />
festgesetzt und die Sonntagsruhe eingeschärft. (Wergeid<br />
Bußgeld bei Tötung eines Mannes).<br />
=<br />
Das im Jahre 724 von Pirmin gegründete Inselkloster Reichenau,<br />
sowie das schon genannte Skt. Gallen, zu denen sich<br />
noch Lorsch an der Bergstraße gesellte, gelangten bald in<br />
Blüte, reich beschenkt im weiten Land von edeldenkenden<br />
Alamannen. Seit Ende des 6. Jahrhunderts war das uralte<br />
Konstanz Bischofssitz des Alamannengebiets und blieb es<br />
bis 1821. Doch haben sich die Grenzen der riesigen Diözese,<br />
die vom großen Skt. Bernhard bis Stuttgart, vom Rhein bis an<br />
die Iiier reichte, erst nach und nach gebildet bis Mitte des<br />
8. Jahrhunderts. Kraus.<br />
Silvesterabend vor 50 Jahren im alten Jungingen<br />
Ein Jahr versinkt, ein kurzer Traum,<br />
ein welkes Blatt am Lebensbaum,<br />
ein Tropfen in dem Meer der Zeit.<br />
Ein leiser Hauch der Ewigkeit,<br />
so zeichnet Max Dreyer das Bild des Jahres vom Standpunkt<br />
der Ewigkeit aus.<br />
Aber für den Menschen, der noch im Strom der Zeitlichkeit<br />
schwimmt, ist ein Jahr ein wichtiger Zeitabschnitt. Und für<br />
all' die Menschen, die vor 50 Jahren in ihr verschneites Killertal<br />
zurückkehrten, waren die Tage zwischen Weihnachten<br />
und Neujahr eine Zeit der Einkehr bei sich und bei guten<br />
Freunden.<br />
Die Hausierer, die während der Zeit der Feiertage ihrer<br />
Arbeit draußen ja doch nicht nachgehen konnten, benutzten<br />
sie, nun ihre Kinder zu sehen und gleichzeitig mit ihren Lieferanten<br />
abzurechnen.<br />
So sah man überall — in wohlgeheizten Stuben, auf der<br />
Dorfstraße und in den Wirtshäusern — Bekannte sich begrüßen<br />
und ihre Erlebnisse austauschen. Alle sind sauber gskleidet,<br />
um auch nach außen hin zu zeigen, daß sie draußen mit<br />
Erfolg gearbeitet haben.<br />
Füi lie Gemeinde Jungingen aber hat der letzte Tag im<br />
Jahr, der dem heiligen Silvester geweiht ist, noch eine besondere<br />
Bedeutung. Denn dieser Heilige ist der Schutzpatron<br />
3 sr Gemeinde — und soi fällt das Kirchenpatrozmium mit der<br />
Jahresschlußfeier zusammen. Es wird auch in aller Herzlichkeit<br />
begangen, weil die Koffer, Kisten und Schachteln der<br />
Weihnachtsurlauber für den baldigen Abschied schon wieder<br />
gepackt sind.<br />
Arn Nachmittag des Festes finden sich die Hausierer auf<br />
der „Post" mit ihren Geschäftsreisenden zusammen, um<br />
deren Warenproben gründlich zu mustern und gleichzeitig<br />
abgesetzte Ware zu verrechnen. Wenn dann die Geschäfte erledigt<br />
sind, ist es guter Brauch, ein Glas Wein mit einander<br />
zu trinken und sich des hart erkämpften Erfolges zu freuen.<br />
Im „Bierthedor" sitzen die Bauern, Holzhauer und Jäger<br />
zusammen, rauchen ihren Knaster und erzählen sich absonderliche<br />
Geschichten, die auf 2 Fremde, die mit am Tisch<br />
jtzen, zugeschnitten sind. Der Waldschütz berichtet von<br />
Kreuzungsergebnissen, die sich in seinem Stall zwischen der<br />
Hauskatze und seinen Kaninchen ergeben haben. Die seien<br />
wie Gift auf die Ratten; er hätte keine Maus mehr im gan-<br />
zen Haus. Die Tischrunde zweifelt erst, stimmt aber dann,<br />
durch Beispiele belehrt, überzeugt zu. Einer der beiden Fremden<br />
will ein Pärchen kaufen, erhält aber den Bescheid, am<br />
Werktag mit einer soliden kleinen Holzkiste wieder zu kommen,<br />
weil die Nager jeden Rucksack durchbeißen.<br />
Des Abends, schon um 7 Uhr, sammeln sich die Hausiererfamilien<br />
im „Adler" zu einer Abschiedsfeier. Gute Freunde<br />
und Bekannte finden sich bei ihnen ein, und die geräumige<br />
Gaststube füllt sich langsam mit Gästen, die noch einmal<br />
fröhlich und guter Dinge sein wollen, bevor sie ihre Grätzen<br />
wieder von Hof zu Hof tragen. — Eifrig bedient der Adlerwirt<br />
seine Gäste, die sich, so wie sie kommen, an den Tischen<br />
zusammen finden. Nur für die Dorfhonorationen bleibt<br />
— nach altem Brauch — der runde Tisch am Ofen frei.<br />
Am Silvesterabend wild repräsentiert; familienweise und<br />
einzeln. Die Männer sind in bester Form —, und auch die<br />
Frauen haben sich gut herausgemacht. Schon ist, durch den<br />
Wein angeregt, die allgemeine Unterhaltung im Gang. Es<br />
wird nicht in kleinen Gruppen getuschelt, sondern von Tisch<br />
zu Tisch Rede und Gegenrede getauscht.<br />
Jetzt haben sie den Waldschütz vor, dessen Kreuzungsversuche<br />
sich rasch im Dorf verbreitet haben. Die ersten Bestellungen<br />
gehen ein. Als sich aber weitere Liebhaber melden,<br />
muß auf den nächsten Wurf vertröstet werden. Auch<br />
das Fangen der jungen , Rattenbeißer" sei nicht so einfach,<br />
denn die Luder säßen entweder unter der Futterkrippe —<br />
oder sie gehen an der Obertennenleiter hoch. Und vom Tisch<br />
der Waldläufer kommt der Zuruf: „Weil se halt am Relling<br />
noschlaget!" —<br />
Nun finden sich auch die Gruppen der Ledigen ein, die den<br />
ganzen Ort abgestreift haben, bis sie sich nach Wunsch zusammengefunden<br />
haben.<br />
Ein Lied wird von den Ledigen angestimmt: Dann fallen<br />
auch die Alten ein. Glockenrein klingen die Mädchenstimmen:<br />
Drum sag ichs nocheinmal -— schön sind die Jugendjahr!<br />
Schön ist die Jugend — sie kommt nicht mehr! —<br />
Auch der „Posthalter" hat seinen hellen Tenor erklingen<br />
lassen — und vor ihm angeregt, rundet der volle Baß des<br />
Schmieds den Refrain ab.<br />
Nun suchen die Augen von Tisch zu Tisch: Auf einen Wink<br />
des Provisors findet sich am Ecktisch ein Quartett zusammen.<br />
— Eine Stimmgabel wimmert leise .,,
Tahreang 195¿ H O F E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 7<br />
Die Unterhaltung verstummt. Vorsichtiges Proben der<br />
Stimmlage: ein ermunternder Augenaufschlag des Dirigenten<br />
— und nun rollt majestätisch und stufenweise ansteigend<br />
der Baß des Schmieds durch den Raum:<br />
Wem bring ich wohl das erste Glas?<br />
Und des Posthalters Tenor fällt ein:<br />
Wer lehrt mich das?<br />
Und dann alle vier:<br />
Das erste Glas dem großen Geist,<br />
Der Trost im Wein uns finden heißt;<br />
Der uns're Welt so schön gemacht;<br />
Ihm sei das erste Glas gebracht'<br />
Ais in Einzeiwiederholungen — und dann in melodischem<br />
Zusammenklang der erste Vers beendet ist, herrscht weihevolle<br />
Stille! —<br />
Nur einer, vom klingenden Tenor hingerissen, packt sein<br />
Glas: „Prost Posthalter".<br />
Aber der, im geheiligten Dienst der hohen Kunst, nimmt<br />
keinerlei Notiz. Seine Augen sind beim Schmied, dessen Baß<br />
in diesem Augenblick zum zweitenmal anrollt:<br />
Wem bring ich wohl aas zweite Glas?<br />
Wer lehrt mich das?<br />
Das zweite Glas dem Vaterland,<br />
Wo meiner Kindheit Wiege stand,<br />
Wo Muttersorgen mich bewacht.<br />
Ihm sei das zweite Glas gebracht!<br />
Kein Laut! — kein Beifall!<br />
Die dritte Strophe klingt an:<br />
Wem bring ich wohl aas dritte G:as?<br />
Wer lehrt mich das?<br />
Das dritte Glas dem treuen Weib,<br />
Das mein gehört, mit SeeJ und Leib;<br />
In dessen Blick mir Liebe lacht:<br />
Ihm sei das dritte Glas gebracht!<br />
Nun bricht dankbarer Beifall durch und von allen Tischen<br />
lohnt Zuruf und Zutrunk die Sänger. —<br />
Nach einer angemessenen Pause, die lebhafter Unterhaltung<br />
gewidmet ist, melden sicn die Ledigen wieder.<br />
Langsam, getragen und feierlich stimmen die Mädel an:<br />
„Wie die Blümiein draußen zittern,<br />
wenn die Abendwindo wehn —"<br />
Und die Burschen fallen ein:<br />
„Und du willst mir s' Herz verbittern,<br />
willst schon wieder von mir genn".<br />
Und alle:<br />
„Ach bleib bei mir und geh' nicht fort,<br />
An meinem Herzen ist der schönste Ort."<br />
Ais aie letzte Stropne verklungen ist, rüsten die einen zum<br />
Aufbruch — Die andern sammeln sich um das Quartett, das<br />
sich zum Leiblied des Schmieds noch einmal zusammengefunden<br />
hat.<br />
Am Neujahrstag weht ein anderer Wind. Nicht nur der<br />
scharfe Nord-Ost, der durchs Tal fegte, sondern auch die<br />
Sorgen des Packens und des Abschiednehmens.<br />
Noch ein letzter Abend in der Familie. Dann — noch mitten<br />
in der Nacht — werden die schweren Rucksäcke umgehängt<br />
und die prall verschnürten Schachteln aufgenommen:<br />
rüstig schreiten die genagelten Stiefel auf der hart gefrorenen<br />
Straße fürbaß, denn es gilt, den Frühzug in Hecningen<br />
zu erreichen, der guten Anschluß nach dem Schwarzwaia hat.<br />
Ein halb Jahrhundert ist verstrichen<br />
Was einst geblüht — ist lang verblichen —<br />
Gewichen einer neuen Zeit! —<br />
Doch neue Zeit bringt alte Sorgen<br />
Nur wer sich rüstet, ist wohlgeborgen<br />
Drum: Augen auf und seid bereit!<br />
Bumiller-Sigmaringen.<br />
Volkstrachten — ein Stück heimatliche Tradition<br />
Noch entsinne ich mich meiner Jugendjahre, als ich zum<br />
erstenmal Zeuge des Lebens und Treibens auf einem Markt<br />
sein durfte. Es war in Rosenfeld, einer Gemeinde des Kleinen<br />
Heubergs. Wie es so* ist, wurde ich auch auf verschiedene<br />
Leute mit einer gar eigenartigen, aber schönen Kleidung<br />
aufmerksam, und immer wieder blieben meine Blicke haften<br />
an den Häubchen der Frauen, den langen Röcken, an den<br />
eigenartigen Hüten, Jacken und Hosen der Bauern des Kleinen<br />
Heube r gs. Natürlich hörte man dann auch in der Volksschule<br />
ir <strong>Heimat</strong>kunde und Geographie über Menschen,<br />
Sitten und Gebräuche unserer schwäbischen <strong>Heimat</strong>, hörte<br />
hier besonders über die schönen alten Volkstrachten des<br />
Kleinen Heuberges, des Schwarzwaldes, des Allgäus und<br />
nicht zuletzt Hohenzollerns. Diese Trachten sind ein lebendiges<br />
Stück heimatlicher Tradition und versinnbilden die<br />
Liebe zur <strong>Heimat</strong>, zum angestammten Grund und Boden.<br />
Oft wurde nach dem Kriege die Meinung geäußert, daß<br />
die Trachten nunmehr endgültig überlebt seien, und binnen<br />
kurzem würden die letzten Exemplare im höchsten Falle<br />
noch in den Museen zu finden sein. Tatsächlich aber erleben<br />
wir, wenigstens hier im hohenz. Unterlande, wo ein urwüchsiges<br />
Bauerntum noch stark an seinem Boden hängt,<br />
daß die Freude an den überkommenen Trachten wieder auflebt<br />
und stärker wird. Diese Tatsache hat siel, in den letzten<br />
2 Jahren besonders bei den großen Trachtenfesten in Dettingen,<br />
Oberndorf, Betra und Trillfingen bewiesen. Auch<br />
anderweitig haben Trachtengruppen und Landjugendgruppen<br />
in ihrer kleidsamen schönen Tracht den ungeteilten Beifall<br />
des Volkes gefunden.<br />
Natürlich sind wir nun keineswegs der Meinung, daß man<br />
die alten Trachten wieder zur aligemeinen bäuerlichen Klei-<br />
Von Josef Schneider - Gruol<br />
dung macnen soll. Wohl aber meinen wir, daß es etwas<br />
Schönes und Wertvolles ist, wenn bei festlichen Anlässen<br />
alte und junge Menscnen ihren Stolz darein setzen und ihre<br />
Freude daran haben, die traditionellen Trachten als Zeichen<br />
der engen Verbundenheit mit der <strong>Heimat</strong> und dem Erbe der<br />
Väter zu tragen. Ja, es wäre sehr wohl zu überlegen, ob<br />
der von den Landjugendgruppen beschrittene Weg, eine<br />
Kleidung zu schaffen, die mit diesen alten Trachten viel Gemeinsames<br />
hat, nicht weiter gegangen wird. Denn man hat<br />
' ei den genannten Festen und auch beim vorjährigen Gruoier<br />
<strong>Heimat</strong>spiel von der Lorettokapelle feststellen können,<br />
daß die ländlichen, zeitentsprechenden Trachtenkleider, wie<br />
sie z. B. in der Haigerlocher Webschule gefertigt werden,<br />
eine große Resonanz im Volke finden. Deshalb dürfte es<br />
J.n überaus glücklicher Gedanke sein, die zeitlos gültigen<br />
Werte der Tracht, das Echte und Gediegene und <strong>Heimat</strong>verbundene<br />
in eine neuzuschaftende ländliche Kleidung für<br />
Feiertage und Alltag geschmackvoll zu übertragen.<br />
Trachten sind ein lebendiges Stück <strong>Heimat</strong>, ein wesentlicher<br />
Bestandteil alten Volkstums, dessen Erhaltung und<br />
Pflege unser aller Anliegen sein möge. Heute, wo soviel<br />
sinnvolles bäuerliches Brauchtum verflacht und verloren<br />
geht, müßten die Herze" des Volkes für diese Ideale wieder<br />
mehr geöffnet werden. Und hier muß begonnen werden mit<br />
dem Standesgemäßen und <strong>Heimat</strong>verbundenen, für das in<br />
Hohenzollern noch viel Idealismus vorhanden ist. Er bildet<br />
die Voraussetzung, daß wir auf äiesem Gebiet weiterkommen.<br />
Sitte una Brauchtum sind eine starke Substanz der<br />
ländlichen Lebensart, deren Erhaltung von außerordentlicher<br />
Bedeutung ist.<br />
Von sämtlichen bis jetzt erschienenen Nummern der „Hohenzoilerischen <strong>Heimat</strong>" ist noch ein<br />
kleiner Vorrat vorhanden. Für 30 Pfennig pro Stück können sie bezogen werden von der<br />
Buchdruckerei S. Acker in Gammertingen.
8<br />
HO II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />
Die ehemalige Papierfabrik Kaiseringen<br />
Es war um 1800, als in Frankreich und England die ersten<br />
Papiermaschinen zur Aufstellung kamen. Bis diese Erfindung<br />
auch in Deutschland Eingang fand, vergingen nochmals<br />
zwei Jahrzehnte Dem vordrängenden Maschinenbetrieb, der<br />
mit jeder Vervollkommnung der Papiermaschine leistungsfähiger<br />
wurde, konnten auf die Dauer die alten Papiermühlen<br />
nicht standhalten und mußten früher oder später zum<br />
Erliegen kommen. Dies erkannte aucn der Papierer J o -<br />
harne; Lang, der in Laufen a. d. Eyach mit seinem<br />
Bruder Christian die vom Vater Andreas Lang übernommene<br />
Handp'piermühle betrieb 1 ). Johannes faßte daher den<br />
J ian, sich selbständig zu machen, eine neue Mühle zu errichten<br />
und darin eine Papiermaschine aufzustellen. Bei der<br />
Ui schau nach einem geeigneten Gelände entschied er sich<br />
für Kriseringen 2 ) im Fürstentum, heute Kreis Sigmaringen,<br />
wo die vorbeifließende Schmeie 3 ) die nötige Wasserkraft liefern<br />
sollte.<br />
Unter dem 2. März 1838 richtet Lang an die fürstl. Regierung<br />
zu Sigmaringen eine entsprechende Eingabe und ersucht<br />
um die behördliche Genehmigung zur Errichtung einer<br />
„Fabrik für endloses Papier"! Er verfehlte nicht, darauf hinzuweisen,<br />
daß er in seinem Unternehmen dauernd 40—50<br />
Personen beschäftigen werde und daß dadurch der „armen<br />
Bevölkerung des Straßberger Bezirks" eine gute Verdienstmöglichkeit<br />
geboten werde. Ueber seine beruflicnen Fähigkeiten,<br />
sowie über sein Vermögen könne er jederzeit die gewünschten<br />
Zeugnisse vorlegen. Im übrigen bittet er um die<br />
gleichen Rechte hinsichtlich der Pachtung des Lumpensammler-Bestandes,<br />
wie solche den Untertanen zuständen. In ihrer<br />
Antwort weist die fürstl. hohenz. Regierung darauf hin, daß<br />
der Papiermacher Stähle in Gammertingen bis zum 31. März<br />
1840 das ausschließliche Recht zur Papierherstellung im Fürstentum<br />
besitze. Das Recht zum Lumpensammein sei ein Regal<br />
und werde von den Rentämtern auf bestimmte Zeiträume<br />
verpachtet. Es sei jedermann freigestellt, bei der<br />
Verpacl .*ung mitzusteigern, solange der Zollverein besiehe.<br />
Sfflfc 'dieser einmal zu bestehen aufhören, so könne Lang<br />
für eine im Sig'maringer Territorium zu erbauende Papiermühle<br />
das gleiche Recht wie den Landesangehörigen zuerkann'<br />
werden. Der Erteilung der Konzession zum Bau und<br />
Betriebe einer Papierfabrik dürfte kaum etwas im Wege<br />
stehen, wenn der Antragsteller sich über seine Person und<br />
sein Vermögen hinreichend ausweisen könne. Der Gemeinderat<br />
von Laufen bescheinigt hierauf, daß Lang noch unbestraft<br />
und ein* biederer Mann" sei, auch ein „hinlängliches<br />
Vermögen" besitze, un: das geplante Werk aufführen zu können.<br />
Der Papierer selbst bittet nun um die Bauerlaubnis,<br />
denn "jis der Betrieb eröffnet werden könne, sei Stähle's<br />
Privilegium abgelaufen. Unter dem 29. 11. 38 teilt die Regierung<br />
in Sigmaringen dem Oberamt Straßberg mit, daß<br />
'em Johannes u,ang die erbetene Konzession zu erteilen sei,<br />
daß diese jedoch erst ab 1. 4. 1840 ausgeübt werden dürfe,<br />
sotern der Gesuchsteller mit dem bis dahin privilegierten<br />
•apierer Stähle wegen früherer Eröffnung der Fabrik keine<br />
Einigung erzielen sollte. Am 9. März 1839 legt Lang dem<br />
Oberamt Straßberg einen Lageplan, ein Nivellement der<br />
Schmeie von der interen Mühle Straßberg bis zur Mühle<br />
StoIdingen und den Vertrag mit den Wasserberechtigten<br />
vor 1 ) Aber nochmais vergingen 5 Monate, bis am 14. 8. 39<br />
di-: Maurer- und Zimmererarbeiten zum Fabrikgebäude vergebt<br />
i werden konnten. Am 12. März des folgenden Jahres<br />
wirri nochmals eine Vergebung von Maurerarbeiten ausgeschrieben.<br />
Im Dezember 1840 konnte dann der Betrieb mit<br />
zwei Holländern (Maschinen zum Zerkleinern der Lumpen)<br />
efÖfihei werden. Die Anzeige im „Schwäbischen Merkur"<br />
vom 18. Dezember 1840, Seite 1379, hat folgenden Wortlaut:<br />
„Ich beehre mich hier ii . die ergebene Anzeige zu machen,<br />
daß ich au. hiesigem Platze eine Papieri^bri . welche lede<br />
ueliebige öorte i i endlosem Druck-, schreib- und i-ostpapier<br />
liefert, b< rundet habe. Mich stets bestrebend, die<br />
volle Zufriedenheit meiner verehrlichen Abnehmer zu erwerben,<br />
empfehle ich mich noch besonders den Herren Buchhändlern<br />
und Kaufleuten.<br />
Kaiseringen (Sigmaringen), im Dezember 1840<br />
Johannes Lang, Papierfabrikant."<br />
Auch in den folgenden Jahren wurden immer wieder bauliche<br />
Veränderungen oder Erweiterungen vorgenommen. Das<br />
Geschäft blühte rasch auf, und seine Erzeugnisse an alien<br />
gängigen Papiersorten wurden laufend abgenommen. Aus<br />
einem Bericht des Oberamtmanns in Straßberg ist zu entnehmen,<br />
daß das verfertigte Papier einen guten Absatz fand,<br />
so daß Lang gar nicht in der Lage war, die verlangten Mengen<br />
herzustellen und aiie Aufträge zu erfüllen, Es wurden<br />
Von M. Schaitel<br />
denn auch bald zwei weitere Holländer in einem Nebenwerk<br />
aufgestellt, um die Leistungsfähigkeit der Fabrik zu steigern.<br />
Um diese Zeit dürften etwa 30 Personen im Betriebe Arbeit<br />
und Brot gefunden haben. Gelegentlich einer Zählung der<br />
evangelischen Bevölkerung Hohenzollerns vom Mai 1 352<br />
werden unter Kaiseringen neben der Familie Lang noch 18<br />
Arbeiter namentlich aufgeführt, die aus den umliegenden<br />
Ortschaften Württembergs stammen 5 ). Da wohl mit Sicherheit<br />
angenommen werden darf, daß auch Leute aus Kaiseringen<br />
oder dem nahen Straßberg in der Papierfabrik Beschäftigung<br />
fanden, so dürfte die genannte Zahl nicht überschätzt<br />
sein. Was den Fabrikbetrieb zweifellos ungünstig beeinflußte,<br />
das war die geringe Wassermenge, die die Scnmeie<br />
in den Sommermonaten, vor allem in trockenen Jahren, lieferte.<br />
So ist es auch erklärlich, wenn in dem schon genannten<br />
Bericht gesagt wird, daß zwei Holländer fast immer still<br />
lägen. Lang erkannte auch bald, daß ein gleichmäßiger und<br />
ungestörter Antrieb der Papiermaschine nur durch °ine<br />
Dampfmaschine gewährleistet werde. Da deren Anschaffung<br />
aber über seine finanziellen Kräfte ging, machte er im Jahre<br />
1858 über die Regierung in Sigmaringen an da Kgl. Preuß.<br />
Ministerium für Handei, Gewerbe und öffentliche Arbeiten<br />
in Berlin eine Eingabe, ihm aus staatlichen Mitteln eine<br />
Dampfmaschine von etwa 24 Pferdekräften zur Verfügung zu<br />
stellen. Das Ministerium habe schon so viele Beweise für<br />
das Emporbringen gewerblicher Etablissements in den Hohenzollernschen<br />
Landen geliefert, daß auch er lie untertänigste<br />
Bitte einreiche, um seinen Betrieb durchhalten und<br />
ausdehnen zu können. Bei einer Familie nit 10 Kindern<br />
habe er jetzt für den Ankauf der rötigen Grundstücke, für<br />
den Bau der Geoäulichkeiten und die Ausstattung der Fabrik<br />
bereits 100 000 Gulden aufgewendet. Mit einer ausführlichen<br />
Aeußerung über die ganzen Verhältnisse, über die<br />
Persönlichkeit und gewerbliche Tüchtigkeit des Bittstellers,<br />
wurde dann Oberamtmann Stehle beauftragt. Der Bericht<br />
datiert vom 1. April 1858 und bezeichnet Lang in seinem<br />
Fache als ungemein tüchtig. Leider sei er viel abwesend und<br />
müsse seine Geschäfte fremden Leuten anvertrauen. Bis<br />
zum Tode seiner Ehefrau im Jahre 1846 habe der Betrieb<br />
nur Aufschwung genommen, seitdem gehe es aber langsam<br />
bergab. Den Kindern, die keine Aufsicht haben, fehle die<br />
Mutterhand, der älteste Sohn Jakob sei ein Taugenichts und<br />
schon mit dem Strafgesetz in Konflikt gekommer. jas Fabrikgebäude<br />
sei zu 40 000 fl brandversichert, der Wert der<br />
Güter betrage 5000 fl, während an Schulden 20 000 fl ausgewiesen<br />
würden. Welche Kapitalien -vorhanden seien, wäre<br />
unbekannt! Zweifellos würde durch die unzureichende Wasserkraft<br />
der Schmeie dem Betriebe schwerer Schaden z (gefügt,<br />
aber auch die persönlichen Verhältnisse würden ihren<br />
Teil dazu beitragen, das Geschäft langsam zu Grunde zu<br />
richten. Sollte dem Gesuche Längs entsprochen werden, so<br />
wäre der Papiermacher verpflichtet, mehr Arbeiter aus honenzollerischen<br />
Gemeinden einzustellen. Bis heute würden<br />
fast nur Württemberger beschäftigt! Mit Schreiben vom 22.<br />
4. 1858 ging der Sigmaringer Regierung aus Berlin der Bescheid<br />
zu, das Gesuch des Papierfabrikanten abzulehnen.<br />
Diesem gelang es nicht mehr, die nötigen Mittel zur Anschaffung<br />
einer Dampfmaschine 6 ) aufzubringen; sein Betrieb blieb<br />
weiterhin von der unzulänglichen Wasserkraft der Schmeie<br />
abhängig und konnte somit nie voll ausgenützt werden. Inzwischen<br />
war das Jahr 1866 gekommen, in dem bekanntlich<br />
Preußen und Oesterreich um die Vorherrschaft in Deutschland<br />
rangen. Württemberg, mit dem Lang hauptsächlich in<br />
Geschäftsverbindung stand, hielt mit den übrigen süddeutschen<br />
Staaten am Deutschen Bunde und Oesterreich fest,<br />
mußte aber infolge des unglücklichen Ausgangs der Kampfhandlungen<br />
8 Millionen Kriegsentschädigung an Preußen
Tahreang 195¿ H O F E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 9<br />
zahlen. Wie immer in Kriegszeiten, so blieb auch diesmal das<br />
Wirtschaftsleben nicht ohne Erschütterungen. Die Zahlungen<br />
gingen schlecht ein, die Gläubiger kündigten ihre Guthaben,<br />
Geld war nur schwer und zu hohen Zinssätzen zu bekommen.<br />
Von besonderem Nachteil für Lang war, daß sein Bankier<br />
7 ) unerwartet starb und die Erben auf der Eintreibung<br />
der Außenstände beharrten. Die auf die Stuttgarter Bank<br />
gezogenen Wechsel wurden nicht mehr akzeptiert, so daß<br />
Lang nach seinen eigenen Worten geradezu von einer „Flut<br />
von Wechselklagen überschüttet" wurde. Zwar gelang es ihm<br />
nochmals, durch Ausstellung von Hypotheken einen Teil seiner<br />
Gläubiger zu beruhigen, die finanzielle Lage des Betriebes<br />
blieb nach wie vor äußerst gespannt und unsicher.<br />
Alle Bemühungen Lang's, von Privatleuten oder Geldinstituten<br />
neues Betriebskapital zu erhalten, schlugen fehl, er<br />
versuchte es daher noch einmal, den preuß. Staat um Hilfe<br />
anzugehen. Mit Eingabe vom 26. 2. 1867 bittet Lang um die<br />
Gewährung eines Darlehens in Höhe von 20 000 fl, die er mit<br />
5 °/o verzinsen will. Die Sigmaringer Regierung gibt jedoch<br />
das Gesuch gar nicht weiter, weil sie sich auf Grund der<br />
Richtlinien für die Gewährung von Staatsbeihilfen für gewerbliche<br />
Zwecke höheren Orts keinen Erfolg verspricht.<br />
Lang's Kredit ist erschüttert, der Betrieb steht vor dem<br />
finanziellen Ruin! Auf Antrag der Erben des Stuttgarter<br />
Bankiers wird am 15. 7. 1868 die Subhastation, d. h. das<br />
Konkursverfahren eingeleitet. Glücklicherweise hatte Lang<br />
seinen Kindern schon vor Jahren ein Voraus von 10 000 fl<br />
sicherstellen lassen. J. C. Streich und Krimmal-Zeller in<br />
Ebingen, vermutlich Gläubiger, erstanden das Anwesen mit<br />
allem Zubehör 8 ). Vier Jahre später verkauft Wilhelm Krimmel<br />
die ehemaligen Lang'schen Liegenschaften in Kaiseringen,<br />
bestehend aus Wohnhaus mit Keller, Scheuer mit Stallungen,<br />
Waschbaus, Holzschopf, Fabrik- und Holländergebäude<br />
nebst einigen Aeckern und Wiesen an den Manchesterfabrikanten<br />
Johannes Kaufmann in Ebingen um den<br />
Preis von 5 000 fl 9 ) ' Das bereits in den Jahren 1880—90 erweiterte<br />
und umgebaute Gebäude ist im Laufe der Jahre<br />
modernen Fabrikgebäulichkeiten gewichen und heute Hauptwerk<br />
der Firma: J. C. Kauffmann Sohn K.G., Sammetfabrik<br />
Kaiseringen/Hohenzollern 10 ).<br />
Wenn die Erzeugnisse der Papiermühle Laufen a. d. Eyach,<br />
wo Lang's Vater und Bruder und er selbst aus der Bütte<br />
schöpften, durch ihre Wasserzeichen bekannt sind, so weisen<br />
die Papiere der Papierfabrik Kaiseringen, wie alle Erzeugnisse<br />
der ersten Papiermaschinen, keinerlei Wasserzeichen<br />
oder Meistermarken auf. Indessen wissen wir aus der Anzeige<br />
zur Geschäftseröffnung, daß Lang mit seiner Maschine<br />
all< Sorten "er gebräuchlichsten Papiere herstellte. So soll<br />
auch der „Schwarzwälder Bote'' in Oberndorf a. N. einige<br />
Jahre sein Zeitungspapier aus Kaiseringen bezogen haben.<br />
Johannes Lang "var am 15. 4. 1799 in Laufen a. d. Eyach<br />
als Sohn des Papierers Andreas Lang und seiner Ehefrau<br />
Anna Katharina, geb. Krimmel geboren. Die Kunst, wie die<br />
Handpapiermacher ihr Handwerk nannten, hat er bei seinem<br />
Vater erlernt und sich dann in fremden Betrieben weiter<br />
ausgebildet. Arr 11. 5. 1827 reichte er der Maria Magdalena<br />
"Verner, geb. 20. 8. Oft, Tochter des Hopfenhändlers Jakob<br />
Vcrncr und dessen Ehefrau Regina, geb. Storz, in Ebingen<br />
die Hand zum Lebensbunde und trat als Teilhaber in die<br />
väterliche Papiermühle ein. Der Ehe entsprossen 14 Kinder,<br />
von denen 3 in Ebingen, 8 in Laufen und 3 in Kaiseringen<br />
geboren wurden. Während vier Kinder in frühester Jugend<br />
starben, überiebten die übrigen 10, 5 Buben und 5 Mädchen,<br />
die Eltern. Die Tochter Anna Katharina, geb. 2. 9. 1837 in<br />
Laufen, heiratete am 27. 8. 1861 den Witwer Johannes Kauf-<br />
mann in Ebingen, der 1872, wie bereits erwähnt, die Gebäulichkeiten<br />
der ehemaligen Papierfabrik erwarb und einen<br />
Betrieb zur Herstellung von Manchesterstoffen errichtete.<br />
Dieser Ehe entsproß der spätere Firmen-Inhaber Johann<br />
Caspar Kaufmann, geb. 1871 und gest. 1930. Johannes Lang<br />
lebte später teils in Ebingen, teils in Kaiseringen, wo er im<br />
Alter von 82 Jahren starb und auf dem Kaiseringer Friedhof<br />
neben seiner Ehefrau beigesetzt wurde. Die Grabstätte ist<br />
noch erhalten, desgleichen der in zwei Felder geteilte Grabstein.<br />
Die Inschrift des rechten Feldes lautet: Hier ruht die<br />
Hülle der Maria Magdalena, geb. Werner, Gattin des Papierfabrikanten<br />
Lang hier, geb. in Ebingen 20. 8. 08, gest. 23. 6.<br />
1846. Der trauernde Gatte und 10 unversorgte Kinder! Auf<br />
der linken Seite des Steines ist zu lesen: Johannes Lang,<br />
Papierfabrikant, geb. zu Laufen 15. 4. 1799, gest. 28. 3. 81.<br />
Ruhe sanft!<br />
Lang war, wie uns allseitig bestätigt wird, ein Meister<br />
seines Faches. Er war klug genug, rechtzeitig erkannt zu<br />
haben, daß die Zukunft auch auf dem Gebiete der Papierherstellung<br />
der Maschine gehöre und führte den Plan der Umstellung<br />
durch. Daß ihm von einer großen Kinderschar die<br />
Gattin und Mutter allzu früh wegstarb und seine finanziellen<br />
Kräfte es ihm nicht erlaubten, die unzulängliche Wasserkraft<br />
der Schmeie durch Dampfkraft zu ersetzen, war das<br />
tragische Verhängnis. — Immerhin ist es von kulturgeschichtlichem<br />
Interesse, daß in Hohenzollern neben den Papiermühlen<br />
von Weilheim bei Hechingen und Gammertingen,<br />
in Kaiseringen eine Papierfabrik stand. (Eine Papiermühle<br />
bei Weilheim bei Hechingen von M. Schaitel in „<strong>Hohenzollerische</strong><br />
Blätter" Nr. 220, vom 19. 9. 1942 und Die privilegierte<br />
Papiermühle zu Gammertingen von M. Schaitel in<br />
„Der Papierfabrikant, Wochenblatt für Papierfabrikation",<br />
Heft 5, Mai 1944).<br />
Quellen:<br />
Akten „Preuß. Regierung f. d. Hohenz. Lande, 1—6 Nr. 892" im<br />
Staatsarchiv Sigmaringen.<br />
Anmerkungen:<br />
1) Württ. Papiergeschichte von Fr. v. Hössle, Biberach .'Riß.<br />
2) Laufen a. d. Eyach liegt an der Eisenbahnlinie Balingen—Ebingen<br />
im Krs. Balingen und Kaiseringen an derselben Strecke<br />
halbwegs Ebingen—Sigmaringen, Krs. Sigmaringen.<br />
3) Die Schmie oder Schmiecha entspringt auf der Flur Geififze<br />
der Gemarkung Onstmettingen, nimmt im Dorf beim Rathaus<br />
einen zweiten Quellfluß auf, berührt auf ihrem T=uf Tailfingen,<br />
Truchtelfingen, Ebingen, Straßberg, Kaiseringen. Ober- unc Unterschmeien<br />
und mündet unfern der Bahnstation Inzigkofen in<br />
die Donau.<br />
4) Der Situations- oder Lageplan wurde vom Feldmesser Bantle in<br />
Straßberg, das Nivellement von Geometer Falkenstein in Balingen<br />
gefertigt.<br />
5) Buchhalter johannn Martin K-^uzberger von Talheim, OA. Rotte.."iurg;<br />
Emanuel und Vn ia Link von Tie' ngen; Johann Stotz,<br />
Johann Merz und Jakob ' /izemann von Laufen a. d. Eyach; Jakob<br />
Leibfritz, Jakob Schauer und Gottlieb Lebherz von Bitz;<br />
Johann Ringwald und Anna Single von Pfeffingen; Ursula<br />
Schöller, Anna Maria Dez und Barbara Kern von Tailfingen;<br />
Michael Faigle und Gottlieb Lang von Truchtelfingen; Jakob<br />
Kißling und Karl Kissinger von Winterlingen.<br />
6) Im Jahre 1873 baute die Nachfolgerfirma I. C. Kaufmann Sohn<br />
einen Dampfkessel ein.<br />
') J. G. Schaible in Stuttgart.<br />
8) Die Käufer hatten zu zahlen: 3 743 f a- Jakob Lob und 2 263 fl<br />
an Lazaru T ,ü'u, bei" in Hechingen; 2 433 " an Wi ire J. J. Engel<br />
und 1 479 fl an G. Kißling, beide in Ebingen; 746 fl an die<br />
^rben Schaible in Stuttgart und 308 fl an Pfarrei 'jng in Dürrwangen<br />
bei Balingen.<br />
») Der K ufvÄfr ag datiert _ .. !9. 4. 1872. Die Firma J. C. 'Cauffmann<br />
Sohn konnte den Betrieb in Kaiseringen am 30. Januar<br />
1873 eröffnen.<br />
10) „Kaufmann 'amt seit 1840", Festschrift zum 110jährigen Jubiläum<br />
der Firma J. C. Kauffmann Sohn K.G. in Kaiseringen-<br />
Hohenzollern 1950.<br />
In Hechingen anno 1622 wegen Falschmünzerei zum<br />
Feuertode verurteilt<br />
Auf der S"che nach unveröffentlichten Nachrichten zum<br />
V/nenzoll. Münzwesen fand icn im Sommer 1953 im Fürstl.<br />
Hohenz, Domänenarchiv, Abtlg. Hechingen, i. d. Rubrik 117<br />
die Unterlagen zu einem Malefizprozeß wegen Falschmünzerei,<br />
der in Hechingen durchgeführt wurde.<br />
Zunächst ergibt sich aus mehreren gut und schlecht geschriebenen<br />
Blättern mit Verhörsergebnissen folgendes:<br />
„gue'u u. peinliches Geständnis des Caspar Füchsiin<br />
von H-^hingen vom 29. Juli 1622 über Vorgänge vor<br />
sieben Jahren" also- 1615).<br />
Er Füxlin habe von Muni Halder, Bürger zu Rottenburg,<br />
und Georg Lamparter wissentlicn falsche Münzen zu underschiedlichen<br />
Malen angenommen, selbige in Hechingen und<br />
anderorts ausgegeben und die Leut damit betrogen.<br />
Für diese Taten sei er bestraft worden: drei Janre mit<br />
Weib und Kind des Landes verwiesen.<br />
Nach Ablau:" dieser Zeit habe der Graf ihn in Gnaden<br />
wieder ins Land gelassen.<br />
Nun folgen die Angaben über die neuen Vergehen:<br />
Er habe sich jetzt eingelassen mit dem Bösewicht Hans<br />
Weyler von Gültlingen, dem Zimmermann: er habe von dem<br />
Weyler ganze kupferne und mit bezüglicher kalter Versilberung<br />
angemac-V te Sechs-Bätzner für Fadensilber und<br />
Blei erhalten. Er habe die Stück« für echt ausgegeben. Er<br />
habe Gnadiger Herrschaft Münzprägestöck diebischer Weise<br />
an sich genommen und zum Münzen mißbraucnt. Er Füxlin<br />
und der Mühlmeister haben das gemacht. Er : leugne nicht,<br />
und es sei bekannt, daß er in einer Nacht dem Mühimeiäter
10 H O II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />
in dem Büchsenschützenhaus allhier die 200 Stück falsche<br />
6 = Bätzner, die sich, wann sie gerechter Prob waren, in<br />
die 80 Gulden belaufen thäten,<br />
machen.<br />
helfen zurichten und zu<br />
Genannt werden dann die in der Münze gestohlenen und<br />
die sonst gefälschten Prägeisen und eiserne Gießlöffel.<br />
Bei seiner, Füxlins Behausung, habe er eine große Anzahl<br />
der falschen geprägten kupfernen Sechsbätzner zusammen<br />
mit einem geschnittenen Prägeisen solange im Wasser verborgen<br />
gehalten, bis selbige aus sonderbarer Schickung Gottes<br />
durch Jungen, zum Teil noch unmündige Kinder, an das<br />
Tageslicht kamen.<br />
Es folgt nun das Blatt mit dem Urteil:<br />
„Dieweil beklagter Füxlin, der vor sieben Jahren<br />
falsche Münzen von sich gegeben (dafür Landesverweisung<br />
und dann Begnadigung), diese Gnade übel betrachtet<br />
und in den Wind geschlagen, sonderlich aber<br />
mit Zutun des jüngst ausgewiesenen Bösewichtes Mr.<br />
Hanns Weylen von Gültlingen sich abermals eine namhafte<br />
Summe falschen Geldes der kupfernen 6-Bätzner ..<br />
usw. nach der rechten Reichs und Peinlichen Halsgerichtsordnung<br />
zuwider gehandelt und sich höchlich versündigt.<br />
Derowegen Er Füxlin dem Nachrichter in seine<br />
Handt und Bandt geliefert und anderen zu einem abscheulichen<br />
Exempel mit dem Feuer vom Leben<br />
Todt gerichtet werden solle."<br />
Und das alles von Rechts wegen."<br />
Die Rückseite dieses Blattes trägt die Beschriftung:<br />
„Urteil<br />
in Criminal u. Peinlichen Malefizsachen —<br />
contra<br />
Caspar Füxlin von Hechingen<br />
Falschmünzerei betr.<br />
Publiziert Frey tag den 29. Juli 1622<br />
zum<br />
Ist zum Schwert begnadigt und der<br />
auf dem Kirchhof begraben worden."<br />
Leichnam<br />
Bei den Akten liegt noch ein ioses Blatt, auf dem zunächst<br />
vermerkt ist, es sei festgestellt, daß Mr. Johannes<br />
Pfister, der Prägemeister von Tübingen, den Meister<br />
Hanns der Zimmermann (das ist der im Verfahren gegen<br />
Füxlin genannte Mittäter) das Versilbern gelehrt. Ueber das<br />
„Warum" gibt Meister Pfister folgenden Bericht:<br />
Bei einer Trinkung mehrerer Tübinger habe Meister<br />
Hanns der Zimmermann gesagt, er möchte die kalte<br />
Versilberung wohl können. Zimmermann sei auch hernach<br />
etlichemal zu ihm, dem Prägeschneider, gekommen<br />
und habe gebeten, ihn solches zu lehren. Er habe Zimmermann<br />
für einen ehrlichen Meister gehalten und ihm<br />
gesagt: man braucht Salz und Weinstein, und Scheidewasser<br />
dazu. Auf solches der Zimmermann das Scheidewasser<br />
beim Goldschmied allhier geholt, vermelte drei<br />
Materien zusammengetan, ein Silbern Ringlein darin geworfen,<br />
das Wasser abgeseihet und die verbliebene Materia<br />
mit den Fingern zerrieben, sei ein weiß Sälblein<br />
daraus geworden, so der Zimmermann auf ein Kupfern<br />
Blechlin gestrichen und deren gestalt die kalte Versilberung<br />
gelernet. Er, Prägeschneider, habe sich damals<br />
nit besorgt, daß der Zimmermann unredlich damit werde<br />
umgehen, sonsten ihm solches nit wollte gelehrt haben.<br />
Manchem unter uns mag das Urteil „Tod durch Feuer" unmenschlich<br />
erscheinen. Man beachte aber dabei drei Umstände:<br />
1. Die Vorstrafe wegen Münzverbrechens, mit anschließender<br />
Mißachtung der landesherrlichen Gnade.<br />
2. Das Münzrecht war eines der sorgsamst gehüteten Vorrechte<br />
der Regierenden.<br />
3. Man konnte es sich aus wirtschaftlichen Gründen nicht<br />
leisten, die' schon recht minderwertige Landeswährung<br />
durch eine gar ganz silberfreie Legierung des Schrötlings<br />
der Sechsbätzner vollends zu Grunde zu richten.<br />
Ein abschreckendes Urteil war also wohl angebracht.<br />
Ich glaube, in meiner Sammlung ein Stück dieser ganzkupfernen<br />
falschen Sechsbätzner zu besitzen. Die ganze unordentliche<br />
Ausführung der Prägung und Merkmale am Prägebild<br />
lassen darauf schließen. Die schlechten amtlichen<br />
Stücke, die in der Kipperzeit in Umlauf kamen, besaßen<br />
immerhin noch eine Silberlegierung, wenn auch nur eine geringhaltige.<br />
Ein Sechsbätzner hatte etwa 29 mm Durchmesser<br />
und einen Wert von fast 1 ii Taler. Es galt 1 Batzen = 4<br />
Kreuzer, 6 Batzen = 24 Kreuzer, 1 Gulden = 15 Batzen = 60<br />
Kreuzer, 1 Taler = 24 Batzen = 92 Kreuzer, sodaß 1 Taler<br />
etwa IV2 Gulden galt. H. Fassbenaer, Hechingen.<br />
Der Melchinger Kirchenbau 1767 - 69<br />
In vorwiegend landwirtschaftlichen Gemeinden dürfte ein<br />
Kirchenbau zu allen Zeiten eine schwierige Sache gewesen<br />
sein. Auch die alten Melchinger hatten ihren Aerger damit.<br />
Schon im Jahre 1744 melden die Donaueschinger Akten,<br />
Schultheiß Christian Hirlinger habe eine Eingabe an den<br />
Fürsten von Fürstenberg gemacht, worin es heißt' Die Melchinger<br />
Kirche sei viel zu klein, habe nur 20 Schub (zu je<br />
^0.36 ~m) Innenbreite. Angeblich sei sie ursprünglich eine<br />
Kapelle gewesen und vor Zeiten Filiale des jetzt lutherischen<br />
Willmandingen. (Das müßte schon vor 1275 gewesen<br />
sein, was schwer glaubhaft klingt. Allerdings bezog der Pfarrer<br />
manche Einkünfte aus dieser Nachbargemeinde, wie ein<br />
altes Pergamentverzeichnis vor 1500 ausweist; im Pfarrarchiv).<br />
Di>- Christenlehrpflichtigen allein seien so zahlreich,<br />
daß sie die Kirche füllen. Die andern Leute blieben aus Verdrießlichkeit<br />
daheim, denn sie wollten nicht jeder Sonntag<br />
nie gleichen Händel und Streitigkeiten um die Plätze im<br />
Gotteshaus haben. Ein Neubau sei unumgänglich, die Gemeinde<br />
wolle gern die Baufron mit Händen und Gespannen<br />
leisten. — Aliem der gute Wille unserer Vorfahren bekam<br />
durch die nüchterne Antwort der Hofkammer eine arge<br />
Dämpfung. Denn da hieß es, man müsse erst mit Württemberg<br />
vernandein, das den Großen Zehnten als Nachfolger<br />
der Martinspflege Ebingen und der Klöster Pfullingen und<br />
Off^nhausen einnahm. Die Kirche sei doch noch in gutem<br />
Stand Württemberg, das ja protestantisch war, werde wanrscneinhcn<br />
nichts geben, es habe vor etwas über 20 Jahren<br />
zum Steinhiiber Kirchenbau aucn nicht einen<br />
Groschen beigesteuert. Da war nun guter Rat teuer. Das<br />
ganze Kirchenvermögen dahier in M. bestand nämlich in<br />
4256 Gulden '(= 17024 Goldmark).<br />
Aus einer bei den Akten liegenden Skizze sieht man die<br />
ungefähre Form des alten, wohl gotis~hei Baues. Er war<br />
einfach, rechteckig, in dessen Innerem die Chorbogenmauern<br />
hereinsprangen (bei gleicher Breite des Chors) und den beiden<br />
Seitenaltären Rückwände bildeten. Der Turm stand hinten,<br />
wie noch jetzt, und bildete den Haupteingang Die inner*»<br />
Breite maß genau 20,5 Schuh (nürbg. zu je 30,36 cm),<br />
die Lange des Schiffes von den SeitenaJtären an 45 Schuh.<br />
Der Chor maß 20 Breite zu 15 Länge; der Turm war ein<br />
Quadrat von 20 zu 20 Schuh, was der heutigen Breite von<br />
u,14 m ziemlich genau entspricht, da er im unteren Teil<br />
ja stehen blieb.<br />
E r damals vom fürstenbergischen Hofballier ausgearbeitete<br />
Plan eines Neubaus wurde als zu klein verworfen.<br />
Im Jahre 1749 lesen wir, man brenne in M. seit 3 Jahren<br />
ein Ewiges Licht. Obervogt Geppert bezeichnet das<br />
Kircbljin als zu klein und baufällig. Die HeiligenfabriK<br />
fFond) sei arm, man müsse unbedingt den Großzehntherrn<br />
Württemberg angehen. Auch der Schultheiß meldete sich<br />
wieder: Es seien doch 700 Seelen am Ort, aber die Hälfte<br />
müssp außerhs^ der Kirche stehen. Zehntberechtigl seien<br />
iie Klöster Offu»-.hausen und Pfullingen und Martinspflege<br />
Ebingen. Von ihnen, bezw. deren Besitzer Württemberg,<br />
habe man bisher nichts erreicht.<br />
Auf Befehl der bischöfliche)" Behörde in Konstanz mußte<br />
Dekan Christian Döbele von Weiiheim eine Inspektion vornehmen,<br />
die die Richtigkeit der traurigen Zustande nur bestätigen<br />
konnte. Zwei Jahre darauf bleibt eine Bittschrift<br />
des Ortsvorstehers Franz Maichle ebenfalls erfolglos. Die<br />
Melchinger hatten einen Grund, die Sonn-<br />
• agsmesse zu versäumen vorab ind^r kalten<br />
Jahreszeit, und so blieb es 10 Jahre. Die Akten schweigen,<br />
aber die Leute werden umso lauter und unzufriedener<br />
geredet haben!<br />
Im Jahre 1761 hören wir vom Obervogt Hirriinger zu<br />
Trochtelfingen, schon 18 Jahre bettle man an Württemberg<br />
herum, aber es wolle seinen Säckel nicht auftun. Der Ortsheiiige<br />
könne höchstens "2000 Gulden zum Bau zuschießen.<br />
Nach Beschluß des Konzils von Trient (Sitzung 21, cap. 7 de<br />
reformatione) und allgemeiner Uebung nach habe doch derjenige<br />
die Baulast zu tragen, der die Einkünfte oder Zehnten<br />
beziehe, falls die Heiligenfabrik nicht bei Kräften sei.<br />
Der Zehnt sei im 15. Jahrhundert an die bekannten Pfründen<br />
verkauft worden und stehe jetzt Württemberg zu<br />
Aber was kümmere sich dieses um die Konziisbeschlüsse,<br />
dem es wie alle Protestanten ferngeblieben war! Vom<br />
Schultheiß Jakob Löffler. der 1765 verzichten mußte, erfänrt
Tahreang 195¿ H O F E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 11<br />
man ferner von einer Renovation der Zehntbezugsurkunden<br />
Württembergs vor 8 Jahren. Dabei habe man einen mit Siegel<br />
bewahrten Pergamentbrief vorgelesen, worin es hieß,<br />
derselbe Zehnt zu M. sei samt dem halben Kirchensatz an<br />
die St. Martinspfründe in Ebingen durch einen Herrn von<br />
Melchingen verkauft worden. Die Zehntbezieher seien bekanntermaßen<br />
schuldig, das Pfarrhaus zu bauen und zu unterhalten,<br />
ein Kirchenbau aber sei scheinbar seit jenem Zeitpunkt<br />
(15. Jahrhundert) nicht mehr getätigt worden. (Der<br />
bisherige Bau muß also schon weiter zurückgereicht haben.)<br />
Schon 1755 hatte Württemberg geantwortet, in seinen Akten<br />
stehe nichts von einer Baupflicht zur Kirche, wohl aber<br />
zum Pfarrhaus.<br />
Es sollte aber noch mehr Aktenstaub aufgewirbelt werden,<br />
ehe man tatsächlich Baustaub sah! 1765 erging eine neue<br />
Bitte der Gemeinde und des Amts, man möge doch die<br />
Zehntherren angehen, die Kirche sei in Einsturzgefahr, der<br />
Dachstuhl der Sakristei sei schon teilweis herabgebrochen.<br />
Wieder verging ein Winter. Im Mai 1766 erging eine weitere<br />
Eingabe, am 27. August eine zweite. Fürstenberg forderte<br />
nochmal von Amts wegen die Akten ein und schrieb am 17.<br />
Sept. an seinen Nachbar Württemberg: Es möge als Zehntherr<br />
das tragen, was über die Kräfte des Heiligen gehe. Der<br />
Einsturz stehe bevor. Allein es blieb bei der Antwort, in den<br />
Urkunden sei nur die Rede von Baupflicht zum Pfarrhaus.<br />
Hierauf mußte sich das Amt Trochtelfingen in Stetten u.<br />
Holstein erkundigen, wie es dort stehe, da Hechingen die<br />
Nomination, Württemberg die Präsentation des Pfarrers besitze.<br />
Pfarrer Laurenz Mayer antwortet, vor 39 Jahren sei<br />
die Pfarrkirche in Stetten neu hergerichtet worden.<br />
Württemberg beziehe drei Viertel des Gesamtzehntens des<br />
Dorfes und noch darüber, habe jedoch zum Kirchenbau<br />
nichts beigesteuert, sondern nur zum Pfarrhaus. Man riet<br />
hin und her, was zu tun sei. Ein ganz Schlauer riet, das eben<br />
im nahen Talheim feilgebotene e he malige Nonnenkloster<br />
zu kaufen, das für 4—500 Gulden zu haben<br />
sei, aber Eichenholz für wohl 1000 Gulden enthalte. Allein<br />
Fürstenberg riet ab, das meiste Holz sei doch gewöhnlich<br />
unbrauchbar. Auch seien die Transportkosten die Talheimer<br />
Staig herauf viel zu hoch, dazu käme noch der Zoll über die<br />
Landesgrenze, übrigens müßte man das Holz dann in Melchingen<br />
irgendwo unterbringen, sonst verfaule es vollends.<br />
Eine Rechnungsprüfung des Melchinger Heiligen ergab<br />
nach Jahren strengster Sparsamkeit ein Vermögen von 8900<br />
Gulden. Nach Bericht des Obervogts lagen bereits 3 Pläne<br />
vor: 1.) von den Trochteiiinger Maurern Anton Schiffer und<br />
Martin Dietmann, 2.) von Christian Großbayer von Haigerloch,<br />
3.) von Tiberius Moßbrucker von Marchtal; letztere<br />
2 waren renommierte Baumeister. Da der Neubau auf etwa<br />
5000 Gulden zu stehen komme, wagte man nicht, von Württemberg<br />
noch etwas zu erhoffen.<br />
Am 6. August 1767 genehmigte die fürstenbergische Landesregierung<br />
den Plan von Tiberius Moßbrucker,<br />
dessen Ausführung auf 4700 Gulden veranschlagt war, ohne<br />
das von der alten Kirche noch zu übernehmende Brauchbare.<br />
Christian Großbayer von Haigerloch übernahm die<br />
Arbeit um 4500 Gulden am 20. August 1767. Er sollte „die<br />
Kirche nach dem Plan (mit kleinen Abänderungen) in Länge<br />
von 115 Schuh, in Breite von 54 Schuh und in der Höhe von<br />
Grund an bis unters Dach 36 Schuh herstellen. Der Chor<br />
solle eine, das Scniff zwei Kuppeln mit Holz und Latten erhalten,<br />
im Schiff mit Quadratur und Gipsarbeit versehen.<br />
Arn Turm soll der hölzerne Stock abgetragen und ein Achtquadraterstock<br />
von aichenem Holz hinaufgemacht, darauf<br />
eine Kuppel mit Helm oder Stiefel, Ziegei und Grätziegeln<br />
nebst einem Knopf von Kupfer, ob diesem ein Kreuz von<br />
Eisen befestigt werden. Der ganze Turm soll verputzt wer-<br />
den und unter dem Achteck die Mauer an den Ecken abgeschnitten.<br />
Im Innern waren 2 Chor- und 2 Beichtstühle,<br />
Kommunikantengatter und ein Taufstein zu fertigen, das<br />
Material zu beschaffen und die Handwerker zu entlohnen.<br />
So wurde dann 1768 sofort im Frühjahr begonnen. Fürstenberg<br />
schenkte als Landesherr 30 Gerüststangen. Alles<br />
schritt rüstig voran, Kirche und Turm konnten vor Winter<br />
unter Dach gestellt werden. Bereits im Februar 1769 forderte<br />
Großbayer noch weitere 1540 Gulden mit den Begründungen:<br />
a) die Lebensmittel seien teurer geworden, b) er<br />
habe die Bausteine aus Württemberg holen und dafür noch<br />
Zoll zahlen müssen, c) Fundamente und Mauern seien der<br />
Sicherheit halber verstärkt worden, d) über den Akkord<br />
hinaus habe man die 10 Fensteröffnungen, desgleichen auf<br />
dem um 30 Schuh höher aufgeführten Turm die gebrochenen<br />
Eck, ferner je vier große und kleine Schallöcher in gehauenen<br />
Quadern gemacht; e) habe er die Kirche um der<br />
Symmetrie willen etwas länger gemacht, als vorgesehen. Er<br />
selbst habe meist persönlich die Arbeiten geleitet. Obervogt<br />
Hirrlinger billigte die Nachforderung, da das Heiligenvermögen<br />
ja bis Beginn des Baues auf 10 000 Gulden angewachsen<br />
sei.<br />
Die übrigen Gerüststangen hatte die Gemeinde gestellt, da<br />
zu täglich vier Froner und alle Fuhrfronen. Großbayer selbst<br />
mußte 2000 Gulden Kaution stellen, die seine <strong>Heimat</strong>stadt<br />
Haigerloch übernahm. Die Sandsteine bezog man von Wendelsheim<br />
bei Rottenburg, die Ziegelwaren von Trochtelfingen,<br />
Erpfingen und Großengstingen. Die Gemeindedienste<br />
regelte Schultheiß Josef Reinhardt. Pfarrer Klaus wird sich<br />
gefreut haben, als der Bau fertig war. Aber auch dann<br />
fehlte noch manches.<br />
Den Orgelakkord mit Josef Martin von Hayingen hat<br />
die Regierung 1780 nicht genehmigt, da doch niemand die<br />
Orgel schlagen könne; die Gemeinde soll für das Geld lieber<br />
einen Schulfond gründen. Der Ortsvorsteher Konrad Braun<br />
gestand, daß tatsächlich nie eine Orgel dagewesen sei, aber<br />
es habe jemand dazu 200 Gulden gestiftet, eine solche von<br />
10 Register käme auf 400 fl. •— An den Altären fehlte es<br />
übrigens auch noch. Sie werden 1785 als ganz elendig bezeichnet.<br />
Schreiner Joh. Glockner von Hechingen soll neue<br />
fertigen, wozu 780 fl gestiftet sind. 1787 konnte der Hochaltar<br />
von Ambros Reiser von Gammertingen gemalt<br />
werden für 140 fl. Die Nebenaltäre haben bis 1789 die Trochtelfinger<br />
Schreiner Franz und Josef Herter nach Plänen obigen<br />
Glockers erstellt. Erst vier Jahre drauf sollten sie von<br />
den Brüdern Ambros und Anton Reiser, Maler von<br />
Gammertingen, gefaßt werden. Aber da diese nicht immer<br />
schöne Arbeit leisteten, wurden sie dem Hofmaler Konrad<br />
Zoller von Möhringen übertragen, der auch 1793<br />
beide Altarblätter malen sollte.<br />
Noch 1803 bat Pfarrer Straßer um Erlaubnis, eine Orgel<br />
anschaffen zu dürfen. Die Gemeinde woiie einen Organisten<br />
ausbilden lassen. Voranschläge von drei Orgelbauern lagen<br />
bereits vor: Anton Hechinger von Hayingen verlangte 400,<br />
Konrad Köpner von Hechingen 400, und Alois Engelhard von<br />
Mühringen 500 fl. Man hatte aber erst 170 Gulden gesammelt,<br />
weswegen die Bitte abgeschlagen wurde. 1804<br />
mußte man den Kirchturm reparieren für 47 fl 52 kr. Im<br />
Jahre 1795 hielt der hiesige Bürger Jose.' Ott während der<br />
Krankheit des Lehrers Sebastian Faigle die gesamte Werktags-,<br />
Sonn- und Feiertagsschule um 55 Gulden jährlich.<br />
1802 übertrug man ihm aüch die Mesnerei, die er bis zu<br />
seinem Tod 1833 behielt. Das Mesnergehalt betrug zuletzt<br />
ganze 10 Gulden im Jahr, das des damals dann vorhandenen<br />
Organisten aber 12 Gulden. Beide Dienste sollten<br />
werden (Archiv Donaueschingen).<br />
vereinigt<br />
Ueber die kleine Bernhardskapelle zu Melchingen haben<br />
wir schon im Jahrgang 1952 S. 31 berichtet. J. A. K r a u s.<br />
Die Flurnamen der Gemarkung Hausen a. A.<br />
Die Flurnamen sind etwas Persönliches und Charakteristisches<br />
i r jedes Dorf, sind Ausdruck und Niederschlag von<br />
zur Geschichte des Dorfes beziehungsreichen Erscheinungen<br />
aus ^ei Ar hängen bis in unsere Zeit. Die Fülle und Vielgestaltigkeit<br />
ier Flurnamen ist es, die auch dem Dorf und<br />
der Gemarkung Hausen a. A. sein besonders eigentümliches<br />
üftd interessantes Gepräge geben. Viele Flurnamen sind in<br />
den letzten zwei Jahrhunderten verschwunden. Diese sind,<br />
soweit sie nicht nach den Dorfbüchern, Urbarien und Urkunden<br />
noch zu ermitteln sind, unten zusammengestellt. Die<br />
folgende Darstellung mit einer Erklärung oder versuchten<br />
Deutung der Fiurbezeicnnungen beschränkt sich auf die Flurnamen,<br />
die heute noch gebräuchlich sind.<br />
von J. Mühlebach<br />
•'indelsbach. Der \ndelsbaoh ist nach M. Buck und<br />
Otto Sfinger der Bach des Andolf. Letzter mag in der spätalemannischen<br />
Zeit Besitzer des Baches gewesen sein oder<br />
an diesem umfangreichen oder besondere Rechte gehabt<br />
haben.<br />
'.nnenhofer. Das sind die Aecker, die zum Annenhof<br />
/der Annagut gehört haben. Der "".ehensinhaber, später wohl<br />
der Eigentümer des Gutes, war der Annenhofer. Der Annahof<br />
gehörte ebenso wie das St. Klara-Gut einem benachbarten<br />
Frauenkloster.<br />
Band. Das Bant., aufgeteilt in ein inneres, mittleres und<br />
und äußeres Band, ist ms Bann, Bannet entstanden. Mit<br />
Bann oder Band sind Flur- und Waidteile, auch Wege be-
12 HO E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />
zeichnet worden, die für die allgemeine Nutzung, für die<br />
Weide und dergl. verboten, „gebannt" waren.<br />
Beschießäcker. Alte Schreibweise Bescheußäcker und<br />
Bescheyßäcker Zwei Pfarrherren von Hausen im 18. Jahrhundert,<br />
Bambser und Hollenstein, beklagen sich bitter darüber,<br />
daß sie bei der Entrichtung des Kleinzehnten durch<br />
die Abgabepflichtigen immer wieder hintergangen und betrogen<br />
werden. Auch den zehntberechtigten Patronatsherren<br />
würde es in dieser Hinsicht nicht besser ergehen. Man kann<br />
annehmen, daß die heutigen Beschießäcker wegen ihrer Lage<br />
nahe dem Dorf — beim südöstlichen Ortsausgang — ihren<br />
Bewirtschaftern das „Bescheißen" (Betrügen) bei Entrichtung<br />
des Groß- und Kleinzehnten — der Zehnte wurde bekanntlich<br />
auf den Feldern ausgezählt — erleichterten und<br />
daß sie sich daher durch dieses Charakteristikum ausgezeichnet<br />
haben.<br />
B i z a i n e heißen Gartengrundstücke im „Winkel" links<br />
der Dorfstraße nach Ettisweiler. Das als Bizaine bezeichnete<br />
Gelände ist auch anderwärts meistens nahe dem Dorfe gelegen,<br />
war in der Regel eingezäuntes Gartenland und vielfach<br />
mit Hackfrüchten, Hanf und Flachs angebaut. Unmittelbar<br />
neben der Bizaine auf unserer Gemarkung liegen die<br />
Hanfgärten.<br />
Bohlgrube. Eine kleine Geländeerhebung mit einer<br />
muldenartigen Vertiefung, einer breiten Grube, an ihrem<br />
Südhang. Bohl ist abzuleiten von ahd. buhil, bol und ist<br />
stammverwandt mit Bühl • Hügel.<br />
Breite, früher häufig auch Breitie, ist die Bezeichnung<br />
für ein ebenes, ausgedehntes Ackerland zu beiden Seiten<br />
der äußeren Triebgasse.<br />
Der Brühl, rechts des Andelsbaches, oberhalb der<br />
Mühle zeigt die gleichen Merkmale, wie sie anderwärts die<br />
Brühlwiesen auch haben: feuchte, äußerst fette und ergiebige<br />
Wiesen nahe dem Bach und in unmittelbarer Nähe des<br />
Dorfes. Die Brühlwiesen waren früher vielfach Viehweide.<br />
Der Brühl war im allgemeinen Wiesenland, das die Grundherrschaft<br />
zu ihrem eigenen Bedarf aus der Acht ausgeschieden<br />
hatte. Unser Brühl wird schon in einer Urkunde<br />
vom 4. 4. 1295 genannt. Nach dieser Urkunde verkauft Burcard<br />
von Kunibach den Brühl zu H. dem Spital Pfullendorf<br />
um 24 Konstanzer Pfund.<br />
Die Bruinnadern werden schon im Urbar des Klosters<br />
Habsthal von 1420 genannt. Der westlich der Krauchenwieser-Straße<br />
liegende Flurteil war früher mit Quellbrünnlein<br />
durchzogen. Am Fuße des Hanges entspringen<br />
heute noch mehrere kleine Quellen.<br />
De r Dreispitz östlich der Rulfinger-Straße entlang<br />
dem Weithart deutet auf eine Dreiecksform hin, die das<br />
Gelände früher, wohl durch einen vorspringenden Waldteil,<br />
gehabt hat. Vielfach hat der Dreispitz, die im Mittelalter gebräuchliche<br />
Kopfbedeckung, den Namen für diese Flurbezeichnung<br />
hergegeben.<br />
Der Egelsee, eine breit hingelagerte, muldenartige<br />
Senkung auf der südlichen Feldgemarkung, etwa 28 Morgen<br />
groß, war bis ins 19. Jahrhundert hineir äin stehendes, 1 bis<br />
8 Fuß tiefes Gewässer, ein Dorado für Blutegel, Frösche und<br />
sonstige Weichtiere. Noch in der letzten Zeit seines Besteh<br />
-ns werden daraus Blutegel in die Apotheken der be<br />
nachbarten Städte geliefert. Mit seiner Trockenlegung hat<br />
sich das Ortsgericht schon um 1835 befaßt, aber erst nach<br />
jahrzehntelangem Planen und umfangreichen Verhandlungen<br />
kam es 1874 bis 1867 zur Trockenlegung. Die Kultivierung<br />
des versumpften und verschilften Bodens war mühsam;<br />
selbst heute noch ist der Graswuchs struppig, aber<br />
langsam und stetig wandelt sich der Grund in ertragreiches<br />
Ackerland und brauchbare Wiesen.<br />
Die Embdwiese (Oehmdwiese) im Dorftal zwischen<br />
Ober- und Unterdorf ist die Wiese, auf der zur Zeit des<br />
Flurzwanges geöhmaet, also ein zweiter Schnitt gemacht<br />
werden durfte. Im allgemeinen waren die Wiesen damals<br />
einmähdig, d. h. es durfte auf ihnen nur e i n Schnitt gemacht<br />
werden.<br />
Die Fahnenäcker leiten ihren Namen vom mhd.<br />
fane = Farn ab. Der Wald, der früher vom Hohholz (Hoehholz)<br />
her bis zu diesem Flurteil vorgestoßen ist. mag nach<br />
seiner Rodung noch lang Gestrüpp mit Farnbeständen hinterlassen<br />
haben.<br />
Frauenberg. Auf dem Berg, auf dem in der Römerzeit<br />
ein römischer Gutshof gestanden hat, war nach den<br />
Aufzeichnungen in der Pfarrchronik einst — man kann dafür<br />
ungefähr die Zeit vom 14. bis 16. Jahrhundert annehmen<br />
— ein kleines Heiligtum erbaut, das Unserer Lieben<br />
Frau geweiht war. Das Kirchlein oder die Kapelle mit einem<br />
Muttergottesbild sei eine weit und breit berühmte Wallfahrtsstätte<br />
gewesen. Der Berg mit der Kapelle zu Unserer<br />
Lieben Frauen war im Volksmund der Liebfrauenberg und<br />
ist später zum Frauenberg geworden.<br />
Die Fretzwiesen leiten ihren Namen von fretzen,<br />
frezen = weiden, abweiden ab. Sie waren mit dem Weiderecht<br />
ausgestattet und durften daher abgeweidet werden,<br />
während die Wiesen ohne Weiderecht gemäht wurden.<br />
Gerenhag oder Gerenäcker. Ackerland zwischen<br />
der Krauchenwieser-Straße und dem oberen Teil des Sengelstales.<br />
Ger ist die Kennzeichnung für ein langgezogenes,<br />
dreieckiges Stück Land, einen Zwickel. Der heute mit Gerenhag<br />
— früher häufig auch mit Gairenhag und Gährenhag<br />
— bezeichnete Flurteil hat seine ursprüngliche Dreiecksform<br />
durch die Flurbereinigung um 1900 verloren.<br />
Greize oder Graize. Man kommt der Deutung dieses<br />
sonst seltenen Flurnamens am nächsten, wenn man iuf<br />
die alte Schreibweise „auf der Gräzen" und „Gräzenhalae",<br />
später auch „Graizenhalde" zurückgeht. Krätze oder Grätze<br />
ist ein geflochtener Rückenkorb. Ursprünglich mag Halde<br />
und Bergrücken, also der „Buickel", mit Gräze bezeichnet<br />
worden sein. Man denke auch an das bei den Kindern beliebte<br />
„Buckelgräzen". Später hat sich der zunächst nur dem<br />
Bergrücken eigene Namen auch auf die Felder, die sich<br />
von seiner Höhe aus zur Hochfläche hinziehen, ausgedehnt,<br />
so daß wir heute eine innere, mittlere und äußere Graize<br />
haben.<br />
G u p f e n ist ein schwer zu deutender Flurname. Gupfen<br />
von Gupf = Kuppe, Bergkopf, ahd. chupp, abzuleiten, wäre<br />
für unseren Flurteil fehl am Platze, weil dieser ein kleines,<br />
topfebenes Stück Wiesengelände im Tal nahe dem Andelsbach<br />
ist. Vielleicht könnte man an Guppe = Juppe (Kleidungsstück)<br />
denken. 1666 findet sich die Schreibweise „auf<br />
der Kufen". Die Entstehung des Flurnamens aus Guppe oder<br />
Kufe kann auf einer Zufälligkeit beruhen. Kufe ist nach<br />
dem Schwäb. Wörterbuch gleich Stande. Will man der alten<br />
Schreibweise „Kufen" folgen, so wäre an die zahlreichen<br />
Haus- und landwirtschaftlichen Geräte zu denken, die häufig<br />
ihren Namen einer Flur geliehen haben, z. B. Rechen,<br />
Gabel, Wagen u. a. Diese Erklärungen sind allerdings so<br />
unbefriedigend, daß man geneigt ist, gupfen nach dem<br />
Schwäbischen Wörterbuch als Osterspiel der Kinder mit<br />
Eiern zu deuten. Noch bis zum ersten Weltkrieg war das<br />
Eierwerfen in den Ostertagen eine beliebte spielerische Betätigung<br />
der Kinder. Dieses Spiel mit den Ostereiern wurde<br />
immer auf einer Wiese in unmittelbarer Nähe der Häuser<br />
betrieben. Was ist näherliegend, als die Annahme, daß dieses<br />
Osterspiel früher auf einem bestimmten Wiesengelände nahe<br />
beim Dorf geübt wurde? Man möchte also doch dieser Deutung<br />
den Vorzug geben. Schon allein deshalb, weil die<br />
Gupfen-Wiese so schön eben ist und sich deshalb für das<br />
Spiel besonders gut eignete und weil die Wiese so nahe bei<br />
den Häusern liegt.<br />
Hau ist ein ausgehauener Waldteil, im Forstbetrieb eine<br />
Schonung, Unweit vom Hau, rechts der Straße nach Rulfingen<br />
am Wald gegen den Dreispitz, liegt das Kreuzhäule,<br />
ein kleiner Hau, bei dem ein Feldkreuz gestanden hat.<br />
Hippen tunk, früher Hippendunk und Hippendung.<br />
Dunk bedeutet Erdhügel, Erderhöhung. Hipp ist ein bekannter<br />
Familienname.<br />
Hoppenzarren, ob dem Fuchsbühl und Sengelstal gegen<br />
den Wald geht vermutlich auf einen Personennamen zurück.<br />
128Ö hat ein Berthold Hoppe, Bärger zu Pfullendorf,<br />
sein ihm gehörendes Gut zu Hausen dem Kloster Habsthal<br />
gestiftet. Wollte man die Ableitung von dem Personennamen<br />
nicht gelten lassen, so könnte man den Flurnamen mit Hoppen<br />
als der Bezeichnung einer mit Gras oder Grasbüschen<br />
bewachsenen Erderhöhung in Verbindung bringen. Für die<br />
zweite Worthälfte „zarren", früher häufig „zahren' 4 ist<br />
schwer eine Deutung zu finden.<br />
Dife Hofäcker, zwischen der Straße nach Schwäbiishausen<br />
und dem äußeren Brühlweg — nahe dem Steinbruch<br />
— verweisen zusammen mit Breite und Brühl auf ein<br />
ehemaliges herrschaftliches Gut, möglicherweise auf das Gut<br />
des Ortsadiigen.<br />
Die Hölle, Bezeichnung einer Häusergruppe im Unterdori,<br />
kann man kaum mit der sonst häufigen Bedeutung als<br />
Schlucht in Verbindung bringen, vielmehr ist der Name hier<br />
von hehlen, ahd. helan = verbergen, verhüllen abzuleiten.<br />
Dieses ist die Bezeichnung für einen abseits liegenden Ortsoder<br />
Fiurteil. Die Häusergrupne im Unterdorf zwischen<br />
Hauptstraße und Embdwiese bildet einen kleinen abseitigen<br />
Ortsteil, der sich dem freien Blickfeld innerhalb des Dorfes<br />
entzieht,<br />
Hürste. früher „auf der langen Hürsten", Hurst und<br />
Hürst, Mehrzahl Hürste, bedeutet Hecke, Gebüsch. Busch-<br />
•" T sld und ist verwandt mit Horst. HecKen und Gebüsch sind<br />
if'ng-st verschwunden, nur die der Ostseite entlang führende<br />
Triebgasse und die Westseite der Hürste sind teilweise noch<br />
vor Büschen gesäumt. Einen Hürsten- (Kirsten-) Esch "ab<br />
es bis ins 18. Jahrhundert auch auf der nördlichen Feldgemarkung<br />
beim Gehrenhag. (Fortsetzung folgt!)
Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 13<br />
Feldkreuze und Bildstöcke in und um Jungingen<br />
Im Pfarrarchiv Jungingen fand sich eine Zusammenstellung<br />
der Feldkreuze und Bildstöcke vom Jahre 1790, die der<br />
damalige von Hechingen gebürtige Pfarrer Johann Konrad<br />
Lukas Vitalowitz aufgezeichnet hat. Da zu den einzelnen<br />
Kreuzen und Bildstöcken spätere Nachträge gemacht wurden,<br />
können Ort und Stelle wohl unschwer vom heutigen Ortschronisten<br />
bestimmt und darüber gelegentlich berichtet werden.<br />
Der Wortlaut des Aufschriebs ist folgender:<br />
Beschreibung über die Bilden-Stöcklein und Creüz, so in<br />
Jungingen in dem Dorf und in dem Feld stehen und auf<br />
Kosten der Gemeind zu unterhalten schuldig, als (im Jahre<br />
1790):<br />
1. Ein Kreüz bei der Set. Anna Kapell (1790) (1796: Ist abgegangen!)<br />
(heute steht am Chor der Annakapelle ein Steinbildstock,<br />
etwa 1,90 m hoch, hinter der vergitterten Nische<br />
eine kleine Herzjesustatue und darunter die Inschrift:<br />
Denkmal des Joseph Schuler von hier, gestorben zu Bohlsbach<br />
(wohl bei Offenburg?) im Jahr 1804.)<br />
2. Ein Kreüz im Heüweeg bei der Schies Maur (1796: Jetzo<br />
in der Reite vom Jahre 1810).<br />
3. Ein Kreüz unter der Lehr am Mesmer Aeckerle (1796:<br />
1810 wieder ganz neu errichtet). Es ist dies wohl das an<br />
der Abzweigung der alten Landstraße von der heutigen<br />
etwas unterhalb des Ortseingangs von Schlatt her noch<br />
stehende Feldkreuz.<br />
4. Ein Bildenstock bei der Pfarr Scheür (1796: abgegangen).<br />
5. Ein Bildenstock an Conrad Haissen Haus (1796: abgegangen).<br />
6. Ein Bildenstock bei Michel Riesters Haus.<br />
7. Ein Bildenstock auf Aigenspott.<br />
8. Ein Bildenstock hinter dem Birgle oder Bronnen Aeckerlein.<br />
von F. St.<br />
Zum Jahre 1842 sind folgende Kreuze und Bildstöcke verzeichnet:<br />
1. Ein Kreüz in der Raithe an Nikiaus Bumillers Wies; neu<br />
errichtet im Jahre 1868.<br />
2. Ein Kreüz unter der Lehr an Johann Speidels Acker; neu<br />
errichtet am 10. Mai 1857. Es wird dies wohl das unter<br />
obiger Nr. 3 aufgeführte Kreuz sein.<br />
3. Ein Kreüz beim Weilerhof an der Gaß. Wohl das sog.<br />
Rote Kreuz, das vor Jahren am Weilerschrofen stand und<br />
sich heute im Pfarrgarten befindet. Da es an seinem alten<br />
Platz umgestürzt war, ließ es Möns. Kramer in jener<br />
stürmischen Zeit im Pfarrgarten wieder errichten.<br />
4. Ein Bildenstcck bei Jung Kristian Bumillers Haus; neu<br />
von Stein errichtet 1863.<br />
5. Ein Bildenstock bei Nikiaus und Sebastian Riesters Haus;<br />
neu von Stein errichtet 1863.<br />
6. Ein Bildenstock auf Eigenspott auf der Mesmerwies, abgegangen.<br />
7. Ein Bildenstock hinter dem Bürgle in Brunnen, abgegangen.<br />
Dabei steht der Name Bosch, wohl Vogt, der wohl damit<br />
die Unterhaltspflicht der Gemeinde anerkannte.<br />
Ob das Kreuz vom Jahre 1935, das dem Fabrikgebäude<br />
Bosch und Speidel gegenüber steht, dort einen Vorgänger<br />
hatte, entzieht sich unserer Kenntnis. Weitere Kreuze stehen<br />
u. W. an der Straße nach Killer, dabei der Flurname „Weilerkreuz",<br />
beim Wasserreservoir und ein Bildstock an der<br />
Bahnlinie nach Killer, zwischen dieser und der alten Landstraße,<br />
heute Feldweg. Doch darüber möge uns der Chronist<br />
berichten und damit einen dankenswerten Beitrag liefern,<br />
damit auch spätere Generationen um den frommen Sinn ihrer<br />
Ahnen wissen.<br />
Ein Fuchs mit einem staatspolitischen Schwanz<br />
In dem „Land und Leute verderblichen Streit sämtlicher<br />
Untertanen der Grafschaft Hohenzollern-Hechingen wider<br />
ihren allergnädigsten Landesherrn" um die freie Birsch und<br />
die andern zahlreichen Dienste und Lasten stand im untern<br />
Teil der Herrschaft neben Rangendingen, Grosselfingen und<br />
Bisingen die Gemeinde Owingen mit in vorderster Front.<br />
Der Konflikt hatte schon Ende des 16. Jahrhunderts hier<br />
begonnen, als i. J. 1584 die Einwohner sich auf althergebrachte<br />
Freiheiten berufend, die Verhaftung ihres Mitbürgers<br />
Georg Fritz verhinderten und, einem herrschaftlichen<br />
Strafkommando ausweichend, „austraten" d. h. über die<br />
naheliegende Grenze gingen. Von dieser Zeit an schwelte die<br />
heimliche Glut der Zwietracht unter leichter Decke weiter,<br />
flammte bei der erstbesten Gelegenheit zu offener Revolte<br />
auf, erlosch scheinbar wieder, um dann einige Jahrzehnte<br />
später mit den andern Gemeinden zusammen in den ein<br />
Jahrhundert dauernden Prozeß auszumünden, der bald vor<br />
dem Reichskammergericht in Wetzlar, bald vor dem Reichshofrat<br />
in Wien sich endlos hinzog und ungeheure Summen<br />
verschlang. Bis zum Jahr 1729 sollen sich die Prozeßkosten<br />
bereits auf mehrere 100 000 Gulden belaufen haben. Erst in<br />
den Jahren 1795/98 fand der fette Prozeß in einem mageren<br />
Stadt- und Landesvergleich ein unrühmliches Ende. Ei starb<br />
wohl an Auszehrung, aber nicht der Richter. Vielleicht wußten<br />
die Enkel schon nicht mehr so genau, um was eigentlich<br />
ihre Urgroßväter gestritten hatten.<br />
Dazwischen hinein spielten noch verschiedene kleinere<br />
„Spenn und Irrungen" zwischen dem „allverehrten und<br />
höchlichst geliebten Landesvater" und „seinen allzeit getrewen<br />
Landtskindern". Diese hatten aber vielfach nur persönlichen<br />
oder lokalen Charakter, zum Teil schlugen allerdings<br />
auch sie ihre Wellen bis nach Wetzlar. Von einem<br />
dieser Zwischenakte sei hier die Rede. Sein siegreicher Ausgang<br />
war für die Owinger bedeutsam genug, daß sie den<br />
Tag zu einem richtigen Feiertag, dem sogenannten Fuchsfeiertag<br />
machten, der sich in der Ueberlieferung fast bis in<br />
die Gegenwart herein erhalten hat.<br />
Wie für die meisten andern Differenzen zwischen Herrschaft<br />
und Untertanen war auch in unserm Falle die drükkende<br />
Last der Frondienste verschiedener Art als Ausfluß<br />
der Leibeigenschaft der Ausgangspunkt des Streites. Es<br />
mag richtig sein, daß es im 15. Jahrhundert in der Grafschaft<br />
Hoiienzollern-Hechingen nur noch wenige Einwohner<br />
gab, die keinem Herrn „mit dem Leibe verwandt" waren.<br />
von J. R i e g g e r, Pfarrer<br />
Daß es aber schon um diese Zeit nur noch „Herren und<br />
Knechte" gegeben habe, diese Behauptung dürfte ebenso<br />
überspitzt sein wie die andere, daß diese „Ungenossen"<br />
ihre Freiheit leichten Herzens oder gar auf eigenen Wunsch<br />
preisgegeben hätten. Wissen wir doch wie vielfältig und<br />
nachhaltig die Lock- und Druckmittel waren, mit denen<br />
eine landesväterliche Fürsorge alle Bedenken gegen einen<br />
solchen Schritt überwinden half. Sicher ist, daß keine dieser<br />
Zwangsmaßnahmen verschmäht wurde, sicher ist auch,<br />
daß dabei nicht in erster Linie das Allgemeinwohl oder der<br />
Schutz des Einzelnen die Hauptrolle spielte, sicher ist endlich,<br />
daß bei den in die Leibeigenschaft Gepreßten die Erinnerung<br />
an die einstige Freiheit noch Generationen hindurch<br />
lebendig blieb. Daß die Leibeigenschaft meist von zwei<br />
Uebeln das kleinere war, befreit sie nicht von dem Brandmal<br />
einer menschenunwürdigen Einrichtung. Entbehrte doch<br />
sogar die Sklaverei nicht gewisser Vorteile.<br />
So hatten auch viele Owinger im 16. Jahrhundert noch<br />
nicht ganz vergessen, daß ihre Ahnen sich einst größerer<br />
Freiheiten erfreuten. Biiligerweise konnte man es ihnen<br />
kaum verdenken, daß sie wenigstens noch einen letzten<br />
kümmerlichen Rest solcher Freiheiten retten wollten. Bald<br />
beriefen sie sich dafür auf „uralten Brauch und Herkommen",<br />
bald auf zweifelhafte Schriftstücke, die man höheren<br />
Orts als „Hosensackbriefe" verspottete. Vielleicht mag ihnen,<br />
die erst spät i. J. 1539 an Zollern verkauft wurden, das<br />
Joch der Leibeigenschaft noch fühlbarer gewesen sein als<br />
jenen, die es schon länger trugen. Tatsache ist jedenfalls,<br />
daß es gerade in dieser Gemeinde immer wieder zu Mißhelligkeiten<br />
kam wegen der drückenden Lasten des Fronens,<br />
Hagen und Jagens.<br />
Um diesen Streitigkeiten ein Ende zu machen, erklärten<br />
sich Graf Eitel Friedrich i. J. 1596 auf ihr „flehentliches<br />
Pitten" bereit, in einem feierlichen Vertrag einer Art ADlösung<br />
zuzustimmen. "Bo kam der „Aubinger Frohno-ief"<br />
zustande, der am 20. Mai 1596 zwischen den beiden Parteien<br />
in aller Form geschlossen und vor dem kaiserlichen Hofgericht<br />
in Rottweil" an den Stab angegeben und konfirmiert<br />
wurde, damit fürohin alle Unrichtigkeit, Irrungen<br />
undt Müßverständ verhütet undt vermitten pleiben auch<br />
beyderseits Erben undt Nachkommen dieser Sach vorgewißt<br />
seyen." Der Vertrag sollte von jedem nachfolgenden<br />
Standesherrn bestätigt werden und hatte folgenden Inhalt:
14 HO II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />
1. Wenn an dem Stammhaus und Schloß Hohenzollern<br />
etwas notwendig zu bauen oder in Kriegsläuften Flehnen<br />
und damahls Früchten oder anderes hinaufführen sollten,<br />
darzu sollen sie mit ihrem Leib, Roß undt Wagen zu frohnen<br />
verbunden seyn.<br />
2. Sie sollten wie zuvor die Rüden jederzeit in ihren Kosten<br />
erhalten und, sooft sie darmit erfordert, wohin sie dann<br />
jederzeit beschaiden, ohnweigerlich erscheinen. Sonsten aber<br />
sollten sie aller Frohndienste mit dem Leib und mit den<br />
Roßen außer jetzt vermelten pv.ncten gantz befreyet seyn.<br />
Dargegen sollen sie dreyhundert dreyzehn Gulden jährlich<br />
Frohngeld geben und zwar in vier Ziehlen auf Georgii,<br />
Johannes des Täufers, Michaelis und Johannis des Evangelisten<br />
Tag jedesmal 78 Gulden und 15 Kreutzer. Diese Vergleichung<br />
solle vestiglich wehren und verbleiben, so lang<br />
wir und unser Sohn, welcher die Grafschaft besitzen würdet<br />
und seine Mannliche Leibs-Erben seyend. „So aber der<br />
Stammen und Nahmen der Grafen v. Zollern gar absterben<br />
/: daß doch der allmächtige Gott nach seinem göttl. Willen<br />
gnädig lang verhüetten wolle :/ und also die Grafschafft<br />
oder der Flecken Owingen in andere Händ kommen sollte,<br />
sollen sie keiner Herrschaft mehr weder mit dem Leib noch<br />
Roßen ohne genugsameBelohnung zu frohnen schuldig seyn."<br />
Zugleich wurden für diesen Fall auch die andern Lasten<br />
z. B. die Abgaben für den „Ainspenningen" aufgehoben. „Es<br />
sollen auch unsere Nachkommen vestiglich dahin verbunden<br />
seyn, wann sie die Erbhuldigung von den Unterthanen erfordern,<br />
daß sie ihnen diesen Frohn Brief und Befreiung<br />
von neyem Confirmieren sollen oder die Unterthanen sollen<br />
zu huldigen nit schuldig seyn."<br />
Geben und beschehen den zwanzigsten Monaths Tag Maii<br />
nach Christi unseres Erlösers und Seligmachers Geburth gezehlt<br />
fünffzehen hundert neunzig und sechs Jahr.<br />
E. Friedrich Graf zue Zollern m. p.<br />
Es folgte noch die Anerkennung durch den Bevollmächtigten<br />
des andern Vertragspartners und die Bestätigung<br />
durch den öffentlichen Notar M. Achacius Sturmius beim<br />
Kaiserl. Hofgericht in Rottweil.<br />
Diese Abmachung scheint ein Jahrhundert lang unangefochten<br />
in Kraft gewesen zu sein und hat offenbar gute<br />
Dienste geleistet. Zweifellos sind dadurch manche Streitigkeiten<br />
zwischen Herrschaft und Untertanen vermieden worden.<br />
Dieser schiedlich friedliche Zustand dauerte bis zum<br />
Ende des Jahres 1699. Am 8. Oktober dieses Jahres jagte<br />
der Fürst Friedrich Wilhelm mit Gefolge in den Wäldern<br />
unweit Owingen. Da verschloff sich ein Fuchs in seinen Bau,<br />
und der hohe Herr schickte seinen Reitknecht Christian<br />
Sultzer von Grosselfingen nach Owingen hinein mit dem<br />
Auftrag, es sollten zwei Mann mit „Schauffeien und Bikelen"<br />
von dort holen, daß sie den Fuchs ausgraben. Die<br />
meisten Männer waren zu der Zeit in Untergangs-Sachen zu<br />
einem Augenschein auf dem Feld. Die wenigen Zurückgebliebenen<br />
befürchteten eine Beeinträchtigung ihrer Fronund<br />
Jagdfreiheiten und weigerten sich, der Aufforderung<br />
des Landesherrn zu folgen. Der Reitknecht meldete seinen<br />
Mißerfolg, und darauf erschien der Landvogt im Flecken<br />
und verlangte von der Vogtin in Abwesenheit ihres Mannes,<br />
daß sie zwei „Buben" schicke, um den Fuchs auszugraben.<br />
Diese schickte ihren eigenen und des Schultheißen Sohn mit,<br />
aber unterwegs riet ihnen der Reitknecht — es war wie<br />
gesagt ein Grosselfinger — sie sollten sich verdrücken, was<br />
auch prompt geschah. Nun ritt der Landvogt zum Wirtshaus<br />
und forderte den Wirt auf, mitzugehen. Nach anfänglichem<br />
Zaudern ging der schließlich mit. Unterwegs rief ihm ein<br />
Weib aus dem Fenster zu, er solle nicht gehen, sonst müßten<br />
sie wieder „jagen." Als dann der Reitweg sich vom Fußweg<br />
trennte, gab der Wirt vor, er wolle den letzteren gehen und<br />
verschwand ebenfalls. Am Abend nach der Jagd erschien Se.<br />
Hoheit selbst vor dem Wirtshaus und wollte wissen, warum<br />
„er Wirt" nicht mitgegangen sei. Der stammelte etwas von<br />
keine Zeit gehabt, worauf der Fürst drohend ausgerufen:<br />
„Wartet ihr Schelmen, wo andere Flecken einmahl jagen,<br />
müßt ihr dreimahl jagen." Am andern Tag, den 9. Oktober<br />
erschien der Landrichter auf dem Rathaus in Owingen und<br />
gebot der männlichen Einwohnerschaft, bei „Leib- und Lebensstrafe"<br />
dorthin zu kommen. Zuerst schalt er sie als<br />
„Meinaidige und aydtbrüchige Leuth, die ihrem Herrn weder<br />
underthänig noch gehorsamb weren, da sie ihme doch<br />
mit Guth, Leib und Bluth untergeben seyen. Dann verhörte<br />
er jeden einzeln und schickte sie wieder nach Haus. Die<br />
sieben aber, die sich geweigert hatten samt dem Weib, das<br />
ihnen abgeraten hatte, behielt er auf dem Rathaus und ließ<br />
inzwischen von Grosselfingen Soldaten herbeiholen. Als die<br />
bewaffnete Macht angekommen war, wurden diese acht mit<br />
auf den Rücken gebundenen Händen als Gefangene nach<br />
Hechingen abgeführt und „allda auff zwey Thürme in Verhafft<br />
gesetzt." (Fortsetzung folgt.)<br />
Edelfrau Anna von Freiberg zu Ringingen<br />
In den Konstanzer Investiturprotokollen des Erzb. Archivs<br />
Freiburg fand sich zum Jahr 1464 (Ha 106, Anhang S. 90)<br />
folgender Eintrag:<br />
„Am 15. April 1464 wurde Erlaubnis gegeben zum Zelebrieren<br />
auf einem beweglichen Altar, der .'rau Anna von<br />
F r e i b e r g, Witwe, in der Kirche Ringmgpr ausschließlich<br />
für sie zum Halter der Exequien". (Die XV. ¿.prilis 1464<br />
dat.e sunt iicentie celebrandi in ara mobili domine Anne de<br />
Friberg vidue in ecciesia Ringingen solum sibi pro exequiis<br />
peragendis.)<br />
Unter Exequien versteht man die kirchlichen Nachhaitungen<br />
bei Todesfällen, also: Totenoffizium, Requiemsinessen,<br />
Tumbagebete, Aussegnung, Bee -ligung, und die Totenmessen<br />
am 3., 7. und 30 Tag. Ein beweglicher Mtar<br />
ist ein Tragaltar (portatiie), oder A 11 a r s t e i n, der benötigt<br />
wird, wenn kein konsekrierter fester Altar vorhanden<br />
ist, oder vorhandene nicht ausreichen.<br />
Wer war nun diese Anna von Freiberg, der die<br />
Zelebrationseriaubnis für den Geistlichen zuteil wurde, und<br />
welches Ringingen ist gemeint?<br />
Es kann niemand anders sein als die Witwe unseres<br />
bekannten Ringinger Sch1oßgeistes Kleinhans<br />
Schweiher, der 1453 tot war und von dem die<br />
Zimmerische Chronik (1566^ so merkwürdige Dinge zu erzählen<br />
weiß. Er habe nämlich seine Untertanen so arg gequält<br />
und übervorteilt (Felder verwüstet, Marken "ersetzt,<br />
gemeinsame Backküche erzwungen, eine Kälberweide sich<br />
angeeignet), daß er nach seinem Tod keine Ruhe gefunden,<br />
sondern als unrüebiger Geist umherfahren mußte in großer<br />
Pein und Marter. Immer wieder wollte er seine Witwe,<br />
^eren Namen der Chronist nicht kannte, durch Quälereien<br />
bewegen, seine Ungerechtigkeiten gutzumachen. Er rumorte<br />
!.n Schloß, sperrte die Seinen in überheizte Stuben, ließ die<br />
Speisen am Herd verbrennen, versteckte ein andermal wieder<br />
alles Holz, und schließlich sprengte er gegen Morgen die<br />
Tür zum Schlafgemach, packte seine Frau samt dem Leinlach,<br />
knünfte di- vier Zipfel mit ihr zusammen und hängte<br />
sie vor den Laden hinaus an einem „hiizenen Nagel" Da<br />
versprach die Stolze in ihrer Todesnot die geforderte Wiedergutmachung.<br />
„Man hat ihm in der Kirche allerlei naeh-<br />
geton, wie er es begehrt hat. Und wie die Priester auf dem<br />
Kirchhof zu Ringingen das „De profundis" gesprochen, ist<br />
er ihnen sic'ntbarlich erschienen, hat sich getreulich bedankt<br />
mit Anzaig, daß ihm jetzo geholfen sei und er aller Pein erledigt"<br />
(Hohenz. <strong>Heimat</strong> 1951 S. 18).<br />
Mag sein, wie dem wolle, Furcht vor Geistern<br />
war jedenfalls vorhanden und das Bewußtsein, man könne<br />
sie durch Gebete und Schadenersatz erlösen. Es fragt sich<br />
nur, ob diese obige Notiz auf die Frau selbst und ihre<br />
künftigen Exequien zu bezieh2n sei, was immerhin möglich,<br />
aber doch recht ungewöhnlich wäre! Oder wollte die<br />
Witwe eben die Exequien ihres verstorbenen und an ;e'j-<br />
11 c h noch herumgeisternden Mannes n o c h m a I nachholen<br />
lassen? Wer kann das entscheiden?<br />
Merkwürdigerweise steht auch nicht da „Pfarrkirche", sondern<br />
einfach K i r c ne in Ringingen, was wiederum auffällig<br />
ist, da bei Pfarrkirchen die genaue Angabe kaum zu<br />
fehlen pflegt. So muß man unwillkürlich an die zu Ringingen<br />
seit dem 13. Jahrhundert anzunehmende St. Galluskirche<br />
denken, bei der sich 1661 tatsächlich auch der<br />
Friedhof befand (Zolierheimat 1941 S. 1—3). Vermutlich<br />
sollten in ehr Geistliche als Zeiebranten zugezogen werden<br />
als Altäre vorhanden waren. An die Burgkapelle braucht<br />
man wohl nicht zu denken.<br />
Immerhin haben wir den bisher noch fehlenden klaren<br />
Beweis, daß Anna von Freiberg zu Ringingen<br />
wohnte, die Burg auf dem Nehberg also noch<br />
nicht zerstört war. 1466 findet man dann an der<br />
Galluskirche einen Kaplan oder Frühmesser, vielleicht auch<br />
auf die fromme Stiftung der Schwelher hin. Die Kaplanei<br />
wurde 1535 mit der Pfarrei vereinigt. Anna dürfte auch in<br />
Ringingen beerdigt worden sein. Vgl. die Sage in Gedientform<br />
in Zollerheimat 1931 S. 9—11, und die „Schwelher" in<br />
Hoihenz. Jahreshefte 1938 S. 109—136.<br />
Annas Verwandter, Ludwig von Freiberg, ist 1444 als<br />
Domnerr zu Konstanz und 1474—79 als Bischof daselbst<br />
nachzuweisen, von dem sie wohl die Erlaubnis erlangt nat.<br />
Die Familie stammt nach Alberti von Freyoerg im O.A. Biberach.<br />
Johannes A. Kraus.
Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 15<br />
Kurznachrichten<br />
Heiligenzimmern. Als dieses Frühjahr unsere <strong>Heimat</strong><br />
mehrmals von Hochwasserkatastrophen heimgesucht wurde,<br />
erwähnten die Zeitungsberichte über die Ueberschwemmung<br />
im Stunzachtal wiederholt den „Dambach", einen linken Zufluß<br />
der Stunzach. Die Einwohner von Heiligenzimmern<br />
nennen das Bächlein „Da(n)bach", wobei das „a" gedehnt<br />
ausgesprochen wird und das „n" kaum hörbar ist. So hat<br />
Geometer Wittner, der 1840/41 die ersten Gemarkungskarten<br />
von Heiligenzimmern anlegte, den Bach kurzerhand<br />
„Dabach" genannt und in dieser Schreibweise in das Kartenwerk<br />
aufgenommen. — Unser Bachname hat mit Dam,<br />
Damm oder Dame natürlich nichts zu tun, sondern leitet<br />
sich her vom althochdeutschen Worte „tan", das soviel wie<br />
Wald bedeutet. In der gleichen Sprache der Dichter ist das<br />
Wort Tann heute noch eine bekannte Bezeichnung für<br />
Wald: Der Tann! Als Stammwort findet sich das alte Wort<br />
„tan, tann, dutzendmale in Ortsnamen, und in Flurnamen<br />
gleich unzähligemal. Unser Tannbach kommt aus den<br />
Waldgebieten Hintertann und Im Loch, fließt in west-östlicher<br />
Richtung dem Dorfe zu, durchschneidet die Dorfstraße<br />
und mündet vor dem Mühlkanal in die Stunzach. Die Hänge<br />
linker Hand bis zum Friedhof heißen im Volksmund „Danderoa",<br />
gleichbedeutend mit Tannenrain, und die meist zum<br />
Pfarrgut gehörenden Aecker östlich des Friedhofs sind die<br />
Tannäcker. Der Tannbach wird auch Weiherbach genannt,<br />
da er einst den großen Fischweiher des Klosters Kirchberg<br />
unterhalb des Friedhofs speiste. Das ehemalige Stauwehr<br />
des Weihers ist als mächtige Bodenwelle oder starker Erdaufwurf<br />
im Wiesenstück des Aegidius Schrenk ohne weiteres<br />
zu erkennen. Weiher wird heute auch die Flur vom Dorf<br />
bis zum Weg auf den Birkenwasen genannt, während der<br />
Tannbach dem Ortsteil südlich der Tannbachbrücke seinen<br />
Namen gegeben hat. Man wohnt im Tannbach oder geht in<br />
den Tannbach und die Bewohner dieses Ortsteils sind eben<br />
die „Da(n)bächer"! Der Name unseres Baches ist übrigens<br />
schon in der Dorfordnung des Jahres 1473 urkundlich belegt,<br />
wo er richtig Tannbach geschrieben ist (Hohenz. Jahreshefte<br />
1952, S. 128). — Die Bezeichnung „tan, tann" als Grundwort<br />
eines Flurnamens kommt dann nochmals an der Gemarkungsgrenze<br />
vor. Wer von Heiligenzimmern auf kürze-<br />
-tem Wege nach dem nahen Binsdorf gehen will, der benützt<br />
der alten, allerdings steilen Weg durch den Binsdorfer Stadtwald,<br />
die „Da(n)stoag". M. Sch.<br />
J. G. Weggenmann — Meinrad v. Au<br />
•ls geht uns heute nicht um ihre Kunst, sondern um ihre<br />
Namen, genauer gesagt um die Schreibweise ihrer Namen.<br />
Es ist bekannt, daß noch im 18 Jahrhundert die Schreibweist<br />
der Familiennamen ziemlich willkürlich genandliabt<br />
wuMe. Erst ; m 19. Jahrhundert wurde jedermann, insbesondere<br />
jeoe- Steuerzahler, auf die eine oder aridere Schreibart<br />
seines Namens festgelegt. Da erst trennten sicti endgültig<br />
die Mfffer von den Muliern und die Meier von<br />
Mayern. " 'ich die offiziellen Standesbücher machten von<br />
d.^ser Willküi in 1er Schreibweise keine Ausnahme.<br />
Das hat zur Folge, daß heute noch Menschen jener Zeit es<br />
sich gefallen lassen müssen, ihren Namen bald so, baid anders<br />
geschrieben zu bekommen. Am ehesten dürfte man<br />
hier zu einer Einheitlichkeit kommen, wenn man den Namen<br />
so schreibt, wie ihn der Träger selbst geschrieben hat, wobei<br />
a) Erdings noch zu untersuchen wäre, ob er selbst wenigstens<br />
seinen Namen immer in der gleichen Form gebracht nat.<br />
Im Pfarrarchiv Owingen finden sich zwei Originaiquit-<br />
Lur en von den oben genannten Künstlern, in denen sie<br />
deutlich Joh. Georg Weggenmann und Ivleinrad v. Au unterschrieben<br />
haben. Falls sich die beiden Träger dieser Namen<br />
im—er an diese Schreibart gehalten haben, dann dürfte es<br />
richtig sein, daß auch wir Spätgeborene ihren Willen respektieren.<br />
rr.<br />
Zur Geschichte von Straßberg<br />
<strong>Heimat</strong>freunde werden auf die gedruckten „Regesten der<br />
Bischöfe von Konstanz" (bis 1476t Hingewiesen. Uarin finden<br />
sich folge de Daten bezüglich Straßberg (vgl. Hohenzoll.<br />
<strong>Heimat</strong> 195£ 3. 62).<br />
Im ,i'hre .399 am 3. November inkorporierte Papst Bonifaz<br />
IX. dem Benediktinerkloster St. Georgii in Stein<br />
am R h e i n die Pfarrkirchen von Burg bei Ebingen<br />
(Q. h. Straßberg), Schwenningen bei Tennenbronn, und<br />
Ratzfelden (Schweiz), wo überali das Kloster schon bisher<br />
das Patrc" atsrecht besaß und zusammen 21 Mark Silber<br />
Einkünfte 'lezog (a. a. O. 7618). Burg, unser heutiges Straßberg,<br />
gehörte zum Kl. Stein seit Kaiser Heinrich II., der<br />
das Patronatsrecht ihm gescnenkt hatte.<br />
1418 1. Juli. Ruf von Reischach zu Straßberg gesessen<br />
(8861)<br />
1423 3. Sept. Abt Johann vom Kl. Stein a. Rh. präsentiert<br />
dem Bischof Otto von Konstanz auf die Pfarrei Burg, die<br />
durch den Tod des Heinrich Hainugstain vakant<br />
geworden, den Priester Stephan Uebelherr aus der<br />
Stadt Aibingen oder Oubingen = Ebingen (a. a. O.<br />
9005). Uebelherr oder Uebelhör war also nicht erst 1470<br />
bis 72 hier Pfarrer!<br />
1438 im April schrieb der Konstanzer Generalvikar ans<br />
Dekanat Rottweil, wozu Straßberg-Burg gehörte: Der Kirchherr<br />
der Kirche in Burg (darüber geschrieben: Conrad<br />
Pistor, jetzt Kirchherr in Tuslingen), hat die Erstfrüchte<br />
seiner Pfründe nicht bezahlt. Er wird zur Zahlung gemahnt<br />
und Strafe angedroht (a. a. O. Nr. 10128 nach Conceptb. Y<br />
fol. 184).<br />
1445 der Generalvikar von Konstanz an die Geistlichkeit:<br />
Priester Heinrich Tutlinger klagt, als er alt und kränklich<br />
die Leutepriesterei zu Burg nicht mehr versehen konnte,<br />
wurde zwischen dem verstorb. Abt Johann von Stein a. R<br />
und dem Kirchherr Johannes Vogler von Burg vereinbart,<br />
Heinrich soll in die Hand des Generalvikars auf<br />
die Stelle verzichten und der Kirchherr für seinen Unterhalt<br />
aufkommen. Nun weigert sich dieser jedoch. Daher<br />
werden seine Güter mit Arrest belegt, wenn er die Weigerung<br />
nicht aufgibt (a. a. O. 11 003 nach Conceptbuch B fol.<br />
182 v. im Erzb. Archiv Freiburg).<br />
1470 29. Juni. Papst Paul II. bestätigt dem St. Georgenkloster<br />
zu Stein am Rhein alle Freiheiten und Besitzungen,<br />
besonders die inkorporierten Pfarreien zu Schwaningen,<br />
Burg bei Ebingen und Ratzfelden a. a. O.<br />
Nr. 1 37 33).<br />
Es ist darauf zu achten, daß es auch eine Pfarrei Burg<br />
in unmittelbarer Nähe des Klosters Stein am Rhein auf<br />
dem Schweizer Ufer gab, die jedoch dem Kloster Ein siedeln<br />
inkorporiert war, und so leicht zu unterscheiden<br />
ist.<br />
Pfr. Johannes Cabas 1600—1615 zu Straßberg, stammte<br />
aus Scheer.<br />
Flurnamen Amschlatt in Rangendingen. Wenn man den<br />
Feldweg von Rangendingen nach Hart geht, kommt man<br />
nahe an einer Quelle vorbei, die in trockenen Zeiten beinahe<br />
versiegt. Sie quillt aus einem Quellhorizont der Lettenkohlenschicht.<br />
Bei starker Bodenfei.'chtigkeit drück a: "h<br />
im Weg das Wasser an die Oberfläche. Einstens muß die<br />
Quelle stärker gewesen sein, denn heute noch heißt die<br />
ganze Zeige „Wetzenbach". Nordöstlich dieser Quelle liegt<br />
ein ganz versumpfter Acker, welcher zur Heiligenpflege<br />
Rangendingen gehört und mit Weiden und der Rohrbinse<br />
Heleocharis palustris bewachsen ist. Im Mittelhochdeutschen<br />
wurde diese Binse Slate genannt; hiervon erhielt der ganze<br />
Gewandteil den Namen Amschlatt.<br />
Vor 100 Jahren. Durch königliche Verordnung am 18. Jan.<br />
1854 wurde Hohenzollern in folgende 7 Oberamtsbezirke eingeteilt:<br />
Haigerloch, Hechingen, Trochtelfingen,<br />
gen, Sigmaringen, Ostrach und "Wald.<br />
Gammertin-<br />
An das<br />
in<br />
Postamt
16<br />
Klage der Gemeinde Beuren gegen den Pfarrer von<br />
Hechingen beim Bischof. Durchleuchtigster Fürst, Gnädigster<br />
Fürst und Herr, Herr, daß bei Euer hochtürstlichen<br />
Durchlaucht wir untertänigst klagend einkommen, treibt uns<br />
die höchste Necessität (Notwendigkeit). Es hat der Herr<br />
Pfarrer zu Hechingen nit allein den Heu-, Blut- und Kleinzehnten,<br />
so jährlich ein namhaftes ertraget, sondern auch<br />
andere pfärrliche Genüß von uns Untertanen zu Beuren<br />
einzunehmen und zu erheben. Dabei aber solle er verpflichtet<br />
sein, was seine Vorgänger fleißig beobachteten, alle 14<br />
Tage einen Kaplan zu uns herauf schicken, der den Gottesdienst<br />
und die Kinderlehr haltet und versieht. Da aber solches<br />
eine Zeit lang liederlich und bisweilen gar nicht beschehen,<br />
hingegen bei uns nunmehr der Kinder und Leut<br />
viel sind, die in den Glaubensartikeln schlecht unterrichtet<br />
und hierdurch des Gottesdienstes beraubt, zumal auch viele<br />
hl. Messen zurückbleiben. Also ist an Ew. Hochfürstliche<br />
Durchlaucht unser untertänigste und fußfällige Bitte, diesorts<br />
gnädigst abzuhelfen und Verfügung zu tun, daß der<br />
alten Ordnung nach der Gottesdienst wieder zu des Allerhöchsten<br />
Ehr und des Menschen Ufferbaulichkeit bei uns<br />
gehalten und vollbracht möcht werden. Diese hohe fürstliche<br />
Gnad wird Gott der allmächtige erkennen, wir aber<br />
durch unser allgemeines Gebet untertänigs abverdienen.<br />
Ewer hochfürstlichen Durchlaucht untertänigst getreue und<br />
gehorsambste Untertanen, Vogt, Gericht und ganze Gemeind<br />
des Dorfes Beuren. Datum 29. August 1699. Kr.<br />
Ein Rudolf von Sigmaringen und seine Frau Judentha<br />
schenkten im Jahr 1279 zu ihrem Seelenheil, da die Stunde<br />
des Todes ungewiß sei, alle liegenden und fahrenden Güter<br />
samt dem Haus, das sie neulich von den Frauen des Klosters<br />
Wald kauften, den Minderbrüdern zu<br />
Ueberlingen, bezw. deren Prokuratoren, den beiden<br />
Ueberlinger Bürgern Ulrich genannt Wint und Kunrad genannt<br />
An dem Orte. Doch sollen 10 Pfund von den beweglichen<br />
Gütern dem kleinen Mädchen, Methildis, dem Töchterchen<br />
des Bruders von Rudolf zukommen. Sie verpflichten<br />
sich je auf Martini den Zins dieser Güter, nämlich einen<br />
Denar (Schilling?), den genannten Pflegern zu bezahlen,<br />
ohne Wissen des Quardians und der Pfleger nichts davon zu<br />
veräußern. Sollte das Mädchen noch zu Lebzeiten der Schenker<br />
sterben, dann fallen diese 10 Pfund ebenfalls den Minderbrüdern<br />
zu. Geschehen zu Ueberlingen ¡m Jahr 127? in<br />
Gegenwart folgender Personen: H Monetarii; Andreai; Willehelm<br />
der Sohn des Vogt; Egiloif der Sohn des Abilin; H.<br />
Fasoris; Ulrich Vogt (advocati); Ulrich der Sohn des Ministers<br />
(Amtmanns?); Martin genannt Moro; Liutfned der jüngere<br />
und Jakob Monetarii (Münzer). Im Jahr, da die Stadt<br />
zum größten Teil durch Feuersbrunst zerstört<br />
war. Siegel der Stadt Ueberlingen: Dreieckschild mit<br />
Adler und Umschrift „S. UNIVERSITATIS (eivium in Leberling<br />
EN f". (Erzb. Archiv Freiburg, U. H 290.) Ueber diesen<br />
Rudolf, den man schon als Grafen von Montfort ansprechen<br />
wollte, ist wohl nichts weiteres bekannt? Wo das Haus stand,<br />
ist nicht gesagt, vermutlich Ueberlingen. Interessant auch<br />
die dortige Feuersbrunst! Kr.<br />
BESTELLSCHEIN<br />
zum Bezug der „<strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Heimat</strong>"<br />
Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug durch<br />
die Post Stück „<strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong> - ', Verlagspostamt<br />
Gammertingen, zum halbjährlichen Bezugspreis<br />
von 60 Pfennig.<br />
Vor- und Zuname<br />
Genaue Anschrift<br />
Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bezw. Nachbestellungen<br />
der nächsten Poststelle aufzugeben. Um deutliche<br />
Schrift wird gebeten.<br />
H O II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />
Ruinen Eineck-Ringelstein. Durch die Mitteilung in „Hohenzoll.<br />
<strong>Heimat</strong>" 1953, S. 45, könnte der Eindruck entstehen,<br />
daß die Ruinen Eineck und Ringelstein gleichzeitig abgegangen<br />
sind. Nach den vorliegenden Befunden ist das jedoch nicnt anzunehmen.<br />
Die auf Eineck in stark gestörter Lage aufgeiundene<br />
Keramik ist vorläufig vor lzoO anzusetzen. Exakt datierte<br />
Zeitmarken, die diesen Gefäßen entsprachen, sind mir z. Zt.<br />
nicnt bekannt. Ruine Ringelstein wurde nach den keramischen<br />
Befunden in der 2. Hälfte des 13. Janrnunderts zerstört.<br />
Die Datierung beider Ruinen stützt sich auf den Zerstörungshorizont<br />
von Honenjungingen/Jungingen (Hechingen)<br />
aus dem Jahre 1311. Lauer.<br />
<strong>Heimat</strong>literatur<br />
Der deutsche Südwesten in seiner territorialstaatlichen<br />
Entwicklung fand in K. Siegiried Bader, dem nacn Mainz<br />
berufenen Freiburger Rechtsiehrer und Generaistaatsanwalt,<br />
einen Bearbeiter (i950, 202 S., Verlag K. F. Koenier in<br />
Stuttgart, 14.50 DM). Er schildert seit der Staufenzeit die<br />
Entwicklung des Herzogtums Schwaben, die Zeit des Interregnums,<br />
die Habsburger Politik durch die Janrhunderte,<br />
die verschiedenen Zersplitterungen und Staatsneubildung,<br />
wie des Herzogtums Württemberg, Badens, Fürstenbergs,<br />
der <strong>Hohenzollerische</strong>n Grafschaften und der andern weitlichen<br />
Gebilde, auch geistlichen Herrschaften und Klöster.<br />
Das Buch gilt als „wichtigste Veröffentlichung der letzten<br />
Zeit auf dem Gebiet der Landesgeschichtsforschung."<br />
Studr. Benedikt Welser beschreibt in einem handlichen<br />
Büchlein die Geschichte von 76 Wallfahrtsstätten im<br />
Schwabenland (123 S., 23 Tafeln, Verl. L. Feger in<br />
Ehingen a. d. D., 4.50 DM) von Aggenhausen über Beuron,<br />
Bussen, Birnau, Ensmad, Haigerloch, Heiligenbronn,<br />
Jungingen, Mengen, Rottweil, Spaichingen, Weggental,<br />
Weingarten, Wurmlinger Kapelle, Zell a. A. bis Zwiefalten,<br />
um nur einige zu nennen. Es ist ein bunter Strauß aus Blüten<br />
der Verehrung und Liebe des kath. Volkes, sowohl in<br />
vergangenen Jahrhunderten als auch unserer Tage.<br />
Die Entstehung der Dekanate hat Jos, Ahlhaus (Landdekanate<br />
des Bistums Konstanz 1929, S. 34—53) ins 12. Jahrhundert<br />
versetzt. Hat er recht, so bleibt das grenzmäßige Zusammenfallen<br />
dieser relativ jungen Dekanate mit den alten<br />
Gauen der Karolingerzeit ein ungelöstes Rätsel, das z. B.<br />
beim Kapitel Trochtelfingen und dem Burichingagau tatsächlich<br />
vorläge. Nun berichtet neuestens Prof. G. Meersseman<br />
in Freiburg i. Schweiz in einem Aufsatz übel „Die Klerikervereine<br />
von Karl d Gr. bis innozens III. (Zeitschrift für<br />
Schweiz. Kirchengeschichte 1952, S, 1 ff) von der Dekanateinteilung<br />
im fränkischen Reich nach den Kapitularien des<br />
Hinkmar von Reims bereits im 8. und 9. Jahrhundert. Er<br />
sagt, erst gegen I;nde des 11. Jahrhunderts seien einige Diözesen<br />
in eine kleine Zahl von Archidiakonate eingeteilt<br />
worden, deren jedes mehrere Deitanate (die also weiteroestanden!)<br />
umfaßte. Trotz der spärlichen und späten Nachweise<br />
der Dekanate bei uns scheint diese These viel für sich<br />
zu haben. Vielleicht waren die Archipresbyterate vor 1100<br />
andere Namen für die Dekanate. Krs.<br />
Am 20. Mai 023 erhielt der Dekali des Kap. Mengen den<br />
A' Etrag, den Verzicht des Kaplans Laurentius Knuß<br />
(Knaus) auf den Altar der Annakapelle der Stadt<br />
Jungnau (verschrieben Mugnow) in der Pfarrei Veringen<br />
ei^gegenzunehmer (Erzb. Arch. Ha 111, S. 66). Knaus war<br />
schon im J. 1494 Kaplan in Jungnau (FDA 25, 123). Nach<br />
Krebs (investiturprotok S. 429) wurde er schon am 12. Okt.<br />
1473 auf die Stelle investiert. Dort sind auch ältere Kap^ne<br />
angeführt und die Annakapelle erstmals 1436 im Schlo ß.<br />
(castrum) Jungnow erwähnt, die aber damals noch nicnt dotiert<br />
war. Kr..<br />
Bericntigung zu Hohenz. Jahreshefte 1953. S. 121, Zeile 4<br />
ist statt 1430 natürlich 1 3 5 0 und zwei Zeilen weiter statt<br />
„etwa" richtig „angeblich" zu setzen. Auch macht mich Studienrat<br />
Stettner von Ebingen darauf aufmerksam daß S. 176<br />
Mitte statt „ze Bingen" des Originals vermutlich ,,z'Ebingen"<br />
zu deuten sei, da Koni ad Matz tatsächlich 1402—1410 in 1 hingen<br />
als Schultheiß nachzuweisen ist, während Bingen damals<br />
vielleicht noch keinen hatte. Die Schrift dieser nachträglichen<br />
Zeile kann für etwa 1400 passen! Krs.<br />
Zur Beachtung: Unsere Zeitschrift kann nur bei der Post:<br />
bestellt werden. Bei unregelmäßiger Zustellung wende man;<br />
sicn an das zuständige Postamt.<br />
Di° Verfasser tragen für die eingesandten Abhandlungen,<br />
die Verantwortung. Nachdruck der Originalartikel ohne:<br />
Quellenangabe verboten! <strong>Heimat</strong>freunde! Werbt bitte in<br />
Eurem Bekanntenkreis für neue Bezieher. Der Verlag stelle<br />
Probeexemplare zur Verfügung.
Hohenzollerlsche <strong>Heimat</strong><br />
Viertelj ahresblätter für Schule und Haus<br />
Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />
in Verbindung mit<br />
Schriftleitung:<br />
Josef Wiest, Gammertingen<br />
Preis halbjährlich 0.60 DM<br />
Kultur- und Landeskunde in Hohenzallern<br />
der hohenz. Lehrerschaft<br />
Druck:<br />
Buchdruckerei S. Acker, Gammertingen<br />
Nummer 2 Gammertingen, April 1954 4. Jahrgang<br />
/. Teil Aus der Geologie von Hohenzollern<br />
(9. Fortsetzung)<br />
Karstseen und Karstbäche im hohenzollerischen Unterland<br />
3. Karstbäche<br />
Von Michael Walter<br />
Karstbäche sind unterirdisch fließende Gewässer. Sie gehören<br />
zu den eigenartigsten Erscheinungen in der Natur.<br />
Es umwittert sie immer ein Geheimnis. Wir wissen oft<br />
nicht ihren Anfang, kennen nicht ihre verschlungenen Wege<br />
im Dunkel der Erde und manchmal auch nicht die Stelle,<br />
an der sie dem Schattenreiche wieder entsteigen. Darum<br />
spielen die Unterweltflüsse in der Götterlehre der heidnischen<br />
Völker, in unseren Sagen und Märchen eine große Rolle.<br />
Das Vorkommen solcher Flüsse ist immer an Gestein gebunden,<br />
das durch Wasser mehr oder weniger leicht aufgelöst<br />
werden kann, vor allem an Kalklandschaften. Manche<br />
Gegenden sind durch ihre zahlreichen und eigenartigen<br />
Karstbäche und Karstflüsse geradezu berühmt geworden,<br />
so z. B. die Landschaft östlich von Triest, eine Kalklandschaft,<br />
der Karst genannt, in der sich Dolinen, Höhlen,<br />
unterirdische Flußläufe derart häufen, daß sie das Gepräge<br />
der Landschaft bestimmen und daß man ähnliche Erscheinungen<br />
auf der ganzen Erde einfach als Karsterscheinungen<br />
zu bezeichnen pflegt. Im Karst liegt die Adelsberger<br />
Grotte, eine der merkwürdigsten Höhlen der<br />
Welt, die mit ihren Verzweigungen über 9 km mißt. Dolinen<br />
treffen wir hier, in denen Hechingen mit seiner ganzen Gemarkung<br />
Platz genug hätte. Südlich der Adelsberger Grotte<br />
entspringt der Poik, ein echter Karstfluß, der die Grotte<br />
durchfließt, als Unz wieder an die Oberfläche kommt, abermals<br />
untertaucht und schließlich als Laibach endgültig<br />
Oberflächenfluß wird. Auch „Karst"-Seen finden wir hier,<br />
so den merkwürdigen Zirknitzer See, dessen Wasserstand<br />
derart schwankend ist, daß man von ihm wie vom Eichener<br />
See bei Schopfheim in Baden sagen kann, es lasse sich<br />
in ihm im Laufe eines Jahres fischen, jagen und ernten.<br />
Eine Reihe recht interessanter Karstbäche finden wir in<br />
einigen griechischen Kalklandschaften, so im nordwestlichen<br />
Griechenland, in Epirus, den Acheron mit dem Kokytus<br />
oder in Arkadien, im nördlichen Teil der Halbinsel Peloponnes<br />
den Styx. Ueber sie mußte der Fährmann Charon<br />
die Seelen der Verstorbenen ins Totenreich führen. Für<br />
seine Arbeit erhielt er ein Fährgeld, einen Obulus, der dem<br />
Toten gleich nach dem Ableben in den Mund gesteckt<br />
wurde. Die Karstbäche galten den Griechen als Eingänge in<br />
die geheimnisvolle Unterwelt. Jeder Grieche näherte sich<br />
den Stellen, an denen ein Bach oder'Fluß vor ihren Augen<br />
in schaurige Tiefen verschwand, mit einem heiligen Schauer.<br />
Auch ich wanderte vor einigen Jahren mit einer gewissen<br />
feierlichen Stimmung der Stelle zu, an der der Styx des<br />
hohenzollerischen Unterlandes, das Laiberbächlein, in<br />
der Tiefe verschwindet. Ich hoffte, ein idyllisches Plätzchen<br />
zu finden, mit Bäumen umstellt, unter deren Schatten einige<br />
Bänkchen stehen, damit die Kurgäste des nahen Bades<br />
I m n a u „in süßer Ruh" das Naturwunder betrachten können,<br />
wie unser Styx im finsteren Orkus verschwindet. Doch<br />
von alledem wollte sich nichts zeigen. Dagegen machte sich,<br />
je mehr ich mich der mit so viel innerer Spannung gesuchten<br />
Stelle näherte, ein steigender unangenehmer Geruch bemerkbar.<br />
Das Rätsel löste sich bald. Ein „Naturfreund"<br />
aus der Umgebung hatte sich gerade die Versickerungsstelle<br />
ausgesucht, um auf ihr seine verfaulten Rüben und Kar-<br />
toffeln abzuladen. Welch eine Enttäuschung! Meine gehobene<br />
Stimmung ging jämmerlich in die Brüche. Ein Vergleich<br />
zwischen dem Naturgefühl der alten Griechen und<br />
den heutigen Germanen fiel sehr zu Gunsten der Griechen<br />
aus. Oder sollte ich mich täuschen? Wollte der „Naturfreund"<br />
durch den Gestank, mit dem er den Eingang in die<br />
Unterwelt verschloß, den dreiköpfigen Zerberus, den Höllenhund,<br />
ersetzen, der vor dem Tor in die Unterwelt Wache<br />
zu halten hatte, damit keine Seele mehr dem Schattenreiche<br />
entweiche?<br />
Das Laiber- oder Leiberbächle, das seinen Namen von<br />
dem Flur- und Waldnamen Laibe erhalten hat, kommt von<br />
den Litzelwiesen, die an der Straße von Weildorf nach Empfingen<br />
liegen. Führt das Bächlein Wasser, dann sehen wir es<br />
am Osthange des Heinzelberges in den Schichten des obersten<br />
Muschelkalkes, in dem Trigonodusdolomit, in der Erde<br />
verschwinden. Eine kleine Verwerfungsspalte scheint ihm<br />
den Weg in die Tiefe geöffnet zu haben. Wir wandern das<br />
Laibertal abwärts, das nur dann an der Oberfläche Wasser<br />
führt, wenn der Versickerungstrichter das Wasser nicht mehr<br />
zu schlucken vermag. Nach halbstündiger Wanderung sehen<br />
wir das versunkene Wasser unterhalb der Saatschule wieder<br />
kristallklar hervor sprudeln. Munter plätschernd, als<br />
freue es sich, glücklich der düsteren Unterwelt entronnen<br />
zu sein, fließt das wiedergeborene Bächlein in dem idyllischen<br />
Laibertäle, in dem sich Wasser, Wald und Wiese in<br />
einem harmonischen Dreiklang vereinen, der Eyach zu, die<br />
es unweit des Bahnhofes von Imnau aufnimmt. Das Laiberbächlein<br />
bietet uns im Gegensatz zu manchem anderen<br />
Karstgewässern wenig Rätsel. Sein Anfang und sein Ende<br />
liegen klar vor unseren Augen. Nur den Weg, den das Bächlein<br />
im Innern der Erde macht, kennen wir nicht. Auch die<br />
Zeit ist noch nicht bestimmt worden, die das Wasser braucht,<br />
um den unterirdischen Weg zurückzulegen. Färbungen des<br />
Wassers könnten uns näheren Aufschluß geben. Wir wüßten<br />
dann, ob das Bächlein seinen Weg unter der Erde ohne<br />
Hemmungen durchfließt oder ob eingeschaltete Weiher oder<br />
Wasserfälle und Umwege seinen Durchfluß verzögern.<br />
Einen anderen Karstbach im Muschelkalk haben wir schon<br />
auf dem Lindach von Rangendingen kennen gelernt.<br />
Von ihm wissen wir aber weder Beginn noch Ende.<br />
Nur zwei Dolinen und drei Mulden auf der Erdoberfläche<br />
lassen uns sein Dasein und seinen Weg ahnen.<br />
Aber auch andere Gegenden Hohenzollerns haben Karstbäche,<br />
vor allem die Juralandschaft; denn auch sie ist eine<br />
Kalklandschaft mit Höhlen und Dolinen, mit Karstquellen<br />
und unterirdischen Wasserläufen. Für heute begnügen wir<br />
uns mit einigen kurzen Hinweisen, da wir die Kalklandschaft<br />
des Jura erst später betrachten wollen. In dem stillen<br />
unteren F e h 1 a t a 1, wo noch keine Lokomotive pfeift und<br />
noch kein Auto den wohltuenden Waldesfrieden stört, da<br />
versickert das klare Fehlawasser unterhalb des Alten Schlosses<br />
derart, daß das ganze Tal bis hinunter zu den Fischteichen<br />
oberhalb der Mündung der Fehla in die Lauchert in<br />
manchem Sommer vollständig trocken liegt. Wo das versickerte<br />
Wasser wieder herauskommt, wissen wir nicht. Man<br />
hat schon vermutet, daß der gewaltige Quelltopf des Gallus-
18 H O I I E N Z O L L K R I S C H K H E I M A T Jahrgang 1954<br />
brunnens in Hermentingen, der anderthalb Kilometer südlich<br />
der Endstelle der Versickerung der Fehle mit gewaltigen<br />
Wassermassen der Erde entquillt, die wiedererstandene<br />
Fehla sei. Doch die Untersuchungen, die im Oktober 1952<br />
durch Färbung des versickernden Fehlawassers angestellt<br />
wurden, haben die Vermutungen nicht bestätigt. Das Fehlarätsel<br />
ist vorerst nicht gelöst, so wenig wie das des Annabächleins<br />
in der hohenzollerischen Exklave Igelsw<br />
i e s. Klarer liegen die Dinge bei der Donauversikk<br />
e r u n g bei Immendingen und dem Wiedererscheinen der<br />
versunkenen Donau in dem Aachtopf bei Aach im Hegau.<br />
Doch davon vielleicht später.<br />
Wir müssen nun von dem Muschelkalk Abschied nehmen<br />
und uns der Keuperlandschaft zuwenden. Bevor wir aber Abschied<br />
nehmen, sei noch erwähnt, daß der Wasserhunger in<br />
der Muschelkalklandschaft vor bald 400 Jahren beinahe zu<br />
einem Kriege um eine Quelle im Mittleren Muschelkalk geführt<br />
hätte. Im Engenstall bei Dießen, dessen Wasserreichtum<br />
durch Pump- und Widderanlage und Fischteiche<br />
genügend gekennzeichnet ist, hatten um die Mitte des 16.<br />
Jahrhunderts die Herren von Neuneck, die damals das<br />
„obere Dorf" von Dürrenmettstetten inne hatten, und<br />
das Kloster Alpirsbach, das Herr des „unteren Dorfes" war,<br />
in aller Stille ein kunstvolles Brunnenwerk geschaffen, um<br />
das stets „dürre" Dorf mit dem nötigen Naß zu versorgen.<br />
Als aber der neue Herr von Dießen, Hans Wilhelm von<br />
Wernau, dies erfuhr, verlangte er Abbruch des Brunnenhauses;<br />
denn er brauchte das Wasser dringend für seine<br />
neuangelegte Schäferei auf dem Heidenhof. Ein heftiger<br />
Streit und jahrelanger Prozeß entstand, der viel Geld verschlang.<br />
Endlich entschloß man sich zu einem Vergleich, der<br />
am 24. Mai 1574 den teuren Prozeß vorläufig beendete. Die<br />
Brunnenanlage durfte bleiben. Das Abwasser aber wurde<br />
sorgfältig in Trögen gesammelt und Tränkstellen für das<br />
Vieh und die Schafe auf dem Heidenhof hergerichtet. Ganz<br />
ist der Streit um das kostbare Wasser im Engenstall nie<br />
erloschen. Mit diesem kulturgeschichtlich so interessanten<br />
Prozeß wollen wir uns vom Muschelkalk verabschieden, dem<br />
Hohenzollern so viel zu verdanken hat, und der es einem<br />
aufgeschlossenen Leser und einem geschickten Lehrer ermöglicht,<br />
von der <strong>Heimat</strong> aus so wertvolle Fäden zu spinnen,<br />
die uns zurückführen in vergangene Zeiten und hinausführen<br />
in ferne Räume, aber immer mit dem Bewußtsein,<br />
daß auch die <strong>Heimat</strong> schön, eigenartig und wertvoll ist.<br />
Ausschnitt aus der Lenau-Novelle „Wissende Geige"<br />
Vor dem ersten Haus einer kleinen Schenke steht die<br />
gelbe Postkutsche bereit. Eben tritt der Postillion aus ihrer<br />
Tür und rüstet die Rosse zum weiteren Trab. Plötzlich erkennt<br />
er den Fahrgast, den er im vorigen Lenz durch schwäbische<br />
Gaue führte: „I säh doch recht?" ruft er in freudigem<br />
Staunen, „send Sie net dr Herr Baron von Strehlenau?"<br />
„Der bin ich!" erwidert ihm Lenau mit traurigem Lächeln.<br />
Drauf rollt das Mitleid aus Peters frischem Gesicht: „Gähts<br />
ehne net guet? Sie send so mager und sähet so käsig aus!"<br />
„Es ist nichts", lügt Lenau fein, „nur die Folgen der Reise<br />
über den großen Teich hängen mir noch an." ....<br />
Während des Gesprächs steigt Lenau als einziger Fahrgast<br />
mit in die Postkutsche ein. Peter, der Postillion, brütet still<br />
vor sich hin, indes Lenaus Geist nach Erinnerungen flieht.<br />
Eines frühen Morgens aber setzt Peter das Posthorn an<br />
die Lippen. Er grüßt seine <strong>Heimat</strong>. Festlich hallen die Klänge<br />
durch das sonntägliche Tal der Starzel. Und wie auf tönernen<br />
Füßen kommt vom Dorfkirchlein das Geläute der Glocken<br />
gegangen. Sie wecken das Leben zum feiernden Tag. Bald<br />
trägt die Straße das müßige Völkchen des Dorfes. In schmucker<br />
Gewandung schreitet es aus. Voll Wehmut schaut Lenau ihm<br />
nach, wie es in den Pforten des Gotteshauses entschwindet:<br />
„Diese Glücklichen", sinnt er, „hegen den Glauben, der mir<br />
zum Leben versagt!"<br />
Wie in Mitleid äugen die eben verlassenen Hütten auf ihn.<br />
Die feurigen Geranienblüten aber, die vor ihren Fenstern<br />
spielen, fordern den Bedrückten zur Freude. Und, als wüßte<br />
der Hahn von seiner traurigen Seele, kräht er ihm lustig<br />
sein „Kikeriki".<br />
Peter bläst die Hymne an den Morgen und schaut in Andacht<br />
nach den Bergen auf, deren Triften sich eben in Sonne<br />
baden. Barhäuptig nimmt die Schlatter Wand die erste<br />
Wärme auf. Und hügeliges Land drängt gierig aus dem<br />
Schatten. Die stolze Burg der Zollern entgleitet ihren Nebeln.<br />
Sie greift mit ihren Zinnen das Sonnennetz und wirft<br />
es über, gleich wie die Königin ihr Goldgewand. Peter fährt<br />
ihr huldigend entgegen. Am Wiesenrand, im flatternden<br />
Silber der Starzel, unken fröhliche Fischlein. Und schaffende<br />
Bienen fliegen von Blüte zu Blüte, den Honigseim erntend.<br />
Lenaus Seele tritt aus dem Dunkel ihrer Nacht. Er neigt<br />
sich zu Peter in heiterster Laune. Er pfeift und trillert mit<br />
der Lerche am Weg. Die ihm wohlbekannten schwäbischen<br />
Gaue dünken ihn jetzt wie ein Eden auf Erden. Er hebt<br />
seine Geige ins goldene Licht: „Singe, klinge. Schwesterlein<br />
Geige! Sieh doch, wie schön diese Welt!" Drauf streicht<br />
er den Bogen, erst zart und leise. Dann schwellen die Laute<br />
zu vollen Akkorden übers träumende Feld. Es ist ihm, als<br />
müßte er die Kinder der Scholle zu schnellerem Wachstum<br />
zwingen. —<br />
Ob dem launigen Spiel wird dem Peter ganz eigen zu<br />
Mut. Er lenkt sein Gefährt nach Südwest — einem biederen<br />
Städtchen zu. In der ihm besonderen Ruhe und Gelassenheit<br />
wechselt er beim Posthaus die ermüdeten Rosse. Derweil<br />
begrüßt Lenau einen Freund, der sich eben zur Reise schickt.<br />
Der alte, dickleibige Dekan mit seinem gemütvollen Blick<br />
läßt sich in freudiges Staunen aus. Und so; innig und warm<br />
drückt er die Freundeshand, daß es dem Unsteten bis in die<br />
Seele dringt. Ein guter Trunk fesselt die Beiden zur Stunde.<br />
von Maria E. F 1 a d<br />
Sie tauschen ihr reiches Erleben. Daß der Abend sie leise<br />
berührt, merken sie nicht. Erst als der Postillion zum Einsteigen<br />
mahnt, kuscheln sie sich in die Postkutsche ein.<br />
Sicher lenkt Peter das Gefährt über lehmige Erde zur<br />
Nacht. Freundlich lächelnd nimmt sie die Einsamen auf.<br />
Mondlichte Wellen fallen in tausend Strahlen über den<br />
gelben Wagen und lassen ihn golden erscheinen. Nachtfalter<br />
hängen kreisend im Licht. Die Peitsche knallt den beiden<br />
Rossepaaren um die Ohren. Das Posthorn schallt — und<br />
hallt lustig von den nahen Bergen wider. Peters Helmbusch<br />
fängt neckisch der Wind. Blüten schlummern am Weg. Heimlich<br />
schleicht ein Bächlein zwischen ihnen, als wäre es bange,<br />
sie zu wecken. Im Schatten des winzigen Abteils aber<br />
schauen die beiden Freunde voll Wehmut den scheidenden<br />
Frühling. —<br />
Ein plötzlicher Ruck — der Wagen hält.<br />
„Was ist dir, Peter?" rufen die Herren wie aus einem<br />
Munde.<br />
„Mir send beim Kirchhof!" entgegnete der Gefragte mit<br />
kläglicher Stimme, „do mueß i Halt macha. I will gschwend<br />
meim Kamerada, den ma en dr voriga Woch vergraba hot,<br />
sei Leiblied blosa!"<br />
Drauf werden die Beiden ganz still.<br />
Peter aber setzt traurig sein Horn an die Lippen Da springen<br />
die Töne den Berg hinan, hüpfen fast froh über die<br />
bleiche Mauer und sammeln sich auf einem frischen Hügel<br />
zum Brudergruß. Zugleich vernimmt das in der Nähe ragende<br />
Kreuzesbild seine Bitte um Gnade für den toten<br />
Freund. Das Lied verstummt. Die Rosse ziehen an und eilen<br />
mit der Kutsche durch die Nacht.<br />
Im Wageninnern geht das Schweigen um. Leise kommt<br />
die Muse gegangen und flüstert dem Dichter Worte neuen<br />
Erlebens ins Ohr:<br />
„Lieblich war die Maiennacht,<br />
Silberwölklein flogen,<br />
Ob der holden Frühlingspracht<br />
freudig hingezogen."<br />
Schwesterlein Geige hält den Atem an. Sieben Verse klingen<br />
in die Kinderseligkeit des Frühlings. Des Dichters Herz ist<br />
jubelndes Empfinden. — Mit einem Mal fällt in das Blütenland<br />
der Freude die Trauer ein. Der Dichter verspürt<br />
den Schmerz um den toten Postillion. Schwer ringt die Muse<br />
mit des Dichters Seele, als sie singt:<br />
„Mitten in dem Maienglück<br />
lag ein Kirchhof innen,<br />
der den raschen Wanderblick<br />
hielt zu ernstem Sinnen.<br />
Hingelehnt an Bergesrand<br />
lag die bleiche Mauer,<br />
und das Kreuzbild Gottes stand<br />
hoch, in stummer Trauer.<br />
Halten muß hier Roß und Rad! •<br />
Mags euch nicht gefährden.<br />
Drüben liegt mein Kamerad<br />
in der kühlen Erden!<br />
Nach dem neunten Vers der Trauer enteilt die Muse leis,<br />
wie sie gekommen. Lenau fällt erleichtert, gleich seinem<br />
alten Freund, dem Schlummer in die Arme
Jahrgang 1954 H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 19<br />
Vor langer Zeit kam der Herrgott einmal auf die Berge<br />
der Schwäbischen Alb. Nahe bei Haldenbuch traf er einen<br />
Bauern, den man weitum den Langen Alfons hieß.<br />
„Wohin des Weges, guter Freund?" sprach ihn der Herrgott<br />
an.<br />
„Schnell in die warme Stube!" sagte der Lange Alfons<br />
und schüttelte unwillig die Schneeflocken aus seinem struppigen<br />
Bart. „Bei diesem Wetter sollte man keinen Hund vor<br />
die Hütte jagen! Immer nur Schnee! Der Teufel mag ihn<br />
holen, diesen Schnee!"<br />
Der Herrgott lächelte milde und sagte: „Du hast wenig<br />
Freude am Winter? Schau nur, wie schön die Flocken wirbeln,<br />
wie Sternlein aus einer anderen Welt!"<br />
„Meinetwegen!" gab der Bauer mürrisch zurück. „Aber mir<br />
gefällt ein Sträußlein Frühlingsblumen tausendmal besser<br />
als alle Winterpracht. Möcht' nur wissen, woher der Schnee<br />
in solcher Fülle kommt?"<br />
„Ich will es dir sagen: Vor Zeiten schon gab es auf Erden<br />
einen Frühling mit blühenden Wiesen, einen Sommer mit<br />
üppigem Wachstum, einen Herbst mit reifenden Früchten,<br />
aber keinen Winter mit Eis und Schnee. Zwischen Herbst<br />
und Frühling lag eine trostlose Zeit. Die Erde war schlafen<br />
gegangen, wie sie es heute noch tut, um neue Kräfte zu sammeln.<br />
Aber kein Schnee deckte das weite Land. Alles lag<br />
grau in grau — ein Bild zum Erbarmen! Das jammerte die<br />
Menschen, und Gott schuf Wandel. Er breitete ein Tuch über<br />
I die Erde und hüllte sie sorgsam ein, wie die Menschen tun,<br />
I wenn sie zur Ruhe gehen. Seither schaffen viele Engelein<br />
im großen Himmelsaal immer wieder das Winterkleid der<br />
Erde. Sie wirken Myriaden kleiner Sterne, überaus kunstvoll<br />
geformt, und wenn es Zeit ist, öffnen sie Türen und<br />
Fenster am großen Himmelsaal, und Schneeflocken wirbeln<br />
der Erde zu. Je näher sie dem Himmel liegen bleiben, desto<br />
dichter hüllen sie die Erde ein, und das Land schläft geruhsam<br />
dem sonnigen Frühling entgegen."<br />
„Das gefällt mir gut!" sagte der Lange Alfons. „Aber ein<br />
besserer Ausgleich müßte sein! Hier auf den Bergen ist der<br />
Winter viel zu lang. Herrisch und gewaltsam schmälert er<br />
die frühlingsfrohe Zeit."<br />
„Das ist wohlbedacht, guter Freund! Würden überall dieselben<br />
Berge in den Himmel ragen, dieselben Flüsse durch<br />
die Täler ziehen, die gleichen Blumen blühen und zur gleichen<br />
Zeit dieselben Früchte reifen, dann wäre die Welt ein<br />
ewiges Einerlei und nicht Gottes vielgestaltige, reich gesegnete<br />
Erde."<br />
„Da hast Du recht! Aber es sollte einen Vorfrühling geben<br />
auf der Alb wie dort am Bodensee. Auf unseren Bergen<br />
kommt der Frühling viel zu spät, und ehe er recht aufgeblüht,<br />
ist schon der Sommer da!"<br />
„Da müßte halt ein Blümlein sein, das früher blüht!"<br />
„Das ist es ja: Wie können Blumen aus der Erde kommen,<br />
die noch im Schneegestöber liegt! Das ist unmöglich!"<br />
„Ein Unmöglich gibt es beim Herrgott nicht. Man müßte<br />
ihn halt bitten, daß er Schneeblumen wachsen läßt!"<br />
„Ja", sagte der Lange Alfons traurig, „wenn man mit dem<br />
Herrgott reden könnte wie mit dir, dann würde ich ihn bit-<br />
Schneeglöckchen<br />
ten, — recht von Herzen würde ich ihn bitten: Laß' diese<br />
späten Flocken hier zu blütenweißen Blümlein werden!"<br />
Und wie der Bauer das gesagt hatte, hörte er ein Vöglein<br />
singen. Frühlingsfroh und jubilierend war die Melodie, und<br />
ihm war, als spreche jemand deutlich:<br />
Schneeflöckchen, Schneeflöckchen,<br />
werde zur Blütenzier,<br />
werde zur Blume hier,<br />
mit lieblichem Röckchen;<br />
läute den Frühling ein,<br />
blühe im Buchenhain!"<br />
Im kahlen Buchenwald segelten indessen die Schneeflocken<br />
langsam und immer größer zur Erde. Es waren lauter sechszackige<br />
Sternlein, und auf allen Spitzen brannte ein goldener<br />
Funke. Der Bauer kniete nieder, ein Sternlein näher zu bewundern.<br />
Da waren aus den sechs Zacken blütenweiße Blättlein<br />
geworden, und an jeder Spitze perlte noch der goldene<br />
Funke. Langsam wölbten sich die hauchdünnen Blütenblättlein,<br />
und es wurde ein Blumenglöcklein daraus.<br />
Der Wind strich durch die kahlen Buchen. Das Blumenglöcklein<br />
schaukelte auf seinem Stengel, es hub an zu schwingen<br />
und zu klingen, und auf einmal läutete es weithin vernehmbar<br />
hell und schön. Unaufhörlich schlugen seine sechs<br />
goldenen Schwengelchen an die weißen Blütenwände, und<br />
sie wechselten in wohlbedachter Ordnung, daß immer neue<br />
Akkorde wurden und über den Schnee hinschallten.<br />
Weitum im Buchenwald standen die weißen Glöcklein, und<br />
all ihr Läuten schmolz zusammen und wurde himmlische<br />
Melodie. Das war so schön, daß den alten, knorrigen Buchen<br />
das Herz warm wurde, und sie vergossen Tränen reiner<br />
Freude. Es troff von den struppigen Aesten und über die<br />
Stämme und fraß am weißen Schlaftuch der winterlichen<br />
Erde.<br />
Da wußte der Bauer, daß er mit dem Herrgott gesprochen<br />
hatte. Er blickte sich um, aber niemand war mehr zu sehen.<br />
In dankbarer Ehrfurcht nahm er ein Blumenglöcklein aus<br />
der Erde, um es daheim in seinem Garten einzupflanzen.<br />
„Aus einem Schneeflöckchen bist du geworden, und Schneeglöcklein<br />
sollst du heißen, heute und immerzu!" Und wie er<br />
das gesagt hatte, wurde die gefrorene Erde weich, Gräslein<br />
schauten aus dem Boden, zarte Blumenkinder hoben ihre<br />
Köpflein fürwitzig ans Licht, und der Frühling — der goldene,<br />
lachende, blühende Frühling seiner <strong>Heimat</strong> war da.<br />
Alljährlich blüht seither das Schneeglöckchen im Buchenhain<br />
und in den Gärten der Menschen und läutet den Frühling<br />
ein. Sein Läuten weckt die Blumenkinder ringsum zu<br />
neuem Leben. Einmal hat es zu früh geläutet, und alle<br />
Blümlein sind in Schnee und Eis erstorben. Da schalten die<br />
Erdenkinder: „Besser, wenn es nur blühen, aber nicht mehr<br />
läuten würde!"<br />
Von dieser Zeit an hörten es die Menschen nicht mehr<br />
läuten. Aber noch heute schaukelt es im Wind wie ehedem,<br />
es hat ein Glöcklein, wie damals am ersten Tag, und es hat<br />
sechs goldene Schwengelchen. Also muß es auch läuten, wie<br />
es ehemals geläutet hat. Aber die Menschen können es nicht<br />
mehr hören. Bruno Ewald Reiser.<br />
Der „Rausegarten" in Grosselfingen<br />
Wie die Namen entstanden sind, sich aber manchmal auch<br />
willkürlich geändert haben, zeigt uns die „Zimmer'sche<br />
Chronik." Dort wird folgendes erzählt: Von seiner Burg in<br />
Herrenzimmern ritt einst Herr Werner von Zimmern auf<br />
die Jagd. Es war sehr heiß, und der Durst quälte ihn über<br />
alle Maßen. Da kam er im Wald an einen Brunnen, und er<br />
trank in der Hitze so begierig und so viel, daß ihm bald<br />
danach ach und wehe wurde. Sofort eilte er unter großen<br />
Beschwerden nach Hause, starb aber schon am anderen<br />
Tage. Jener Brunnen wurde von da ab Wernlis- und schon<br />
einige Zeit später Berniisbrunnen genannt. Ebenso nannte<br />
man das Tal, in dem der Brunnen entsprang, Wernlis- oder<br />
Bernlistal. Aber das einfache Volk, das eine solche Historie<br />
nicht mehr weiß und auch nicht liebt, nannte es Bärental.<br />
So ist es auch mit dem Grosselfinger „Rausengarten".<br />
Dieser ist ein etwa 20 ar großer Garten im nördlichen Teil<br />
von Unterlauen, der heute zum Grosselfinger Pfarrgut gehört<br />
und auf einer flachen Senke vor dem Alten Berg liegt.<br />
Das anschließende Gelände war altes Weingutgebiet und<br />
wird Weingärtie genannt. Daß nun unser Acker mit der<br />
von Josef S t r o b e 1, Karlsruhe<br />
Wein- oder Rebpflanze zusammenhängt, das war im Laufe<br />
der Jahrhunderte ganz vergessen worden. Weil aber die<br />
Menschen gern den Ursprung der Namen wissen wollen, so<br />
nahmen sie das Nächtliegende zu Hilfe. Man sagte, der<br />
Acker heißt Rausengarten, weil in demselben ein früherer<br />
Pfarrer und Rosenliebhaber dort Rosen (die Rausen) gepflanzt<br />
habe oder weil dort viele wilde Rosen gewachsen<br />
seien. Als aber dies nicht zog, machte man den Garten zu<br />
einem Rötzgarten, in dem man den Flachs oder Hanf ausbreitete,<br />
um ihn rösch oder (mundartlich) raus, das heißt<br />
mürbe zu machen, obwohl es in diesem Fall nicht einzusehen<br />
ist, daß man das anliegende Gelände nicht auch zum<br />
Rotzen des Flachses oder Hanfes benützt hatte. Auch Reusen,<br />
das heißt Rinnen für das Abschleifen des Holzes, wurde<br />
zu Hilfe genommen, mit keineswegs durchschlagendem oder<br />
befriedigendem Grund. Ich selbst kam den Dingen erst auf<br />
die Spur, als ich das Hagen'sche Lagerbuch vom Jahre 1544<br />
zu Gesicht bekam. Dort heißt das Gelände „der Par Roßgarten".<br />
Das könnte immer noch auf einen Rötzgarten hin~<br />
weisen oder einen Garten, in welchem der damalige Pfarrer,
20 H O II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T<br />
der ja auch die Landwirtschaft betrieb, eine Weide für seine<br />
Rosse unterhielt. Aber alle diese Deutungen sinken in sich<br />
zusammen, wenn man den Garten im Zusammenhang mit<br />
dem anliegenden Gelände Weingärtie als einen Weingarten<br />
ansieht, und das war er auch. Das Gelände war vermöge<br />
seiner Lage am Südabhange eines Berges, geschützt vor dem<br />
Nord- und Ostwind, dem Weinbau überaus günstig. Außerdem<br />
erhöht der Laubwald das an ihm liegende Gelände in<br />
seiner Temperatur ganz beträchtlich. Daher hat vor vielen<br />
Jahren der „Käsperle" seinen ebenfalls dort liegenden Acker<br />
mit Zwetschgenbäumen bepflanzt und jedes Jahr eine reiche<br />
Ernte gehabt; nur hat er die Zwetschgen verkauft, anstatt<br />
sie selbst zu brennen.<br />
Der Par Roßgarten war also unzweifelhaft ein Weingarten.<br />
Aber der Pfarrer war offenbar auch ein Liebhaber<br />
eines besonders guten Tropfens und fortschrittlich gesinnt.<br />
Daher baute er in seinem Weinberg den in Württemberg<br />
damals besonders beliebten Roßwager Wein, dem die Rolle<br />
eines Festweines zukam, wie es vielfach aus den Kellerrechnungen<br />
des württbg. Hofes hervorgeht (siehe Fischer, Schwäbisches<br />
Wörterbuch V Seite 414). Die schönen Roßwager<br />
Trauben stachen natürlich besonders in die Augen, und das<br />
Volk nannte des Pfarrers Weingarten „den Par Roßgarten",<br />
wobei, da es immer darauf ausgeht, einer Sache die kürzeste<br />
Form zu geben, weil es Zeit spart und auch das Mundwerk<br />
nicht zu sehr belastet, des Parrs Roßwagergarten einfach<br />
des Parrs Roßgarten nannte. Diesen gekürzten Volksausdruck<br />
hat dann auch Hagen in sein Lagerbuch aufgenommen.<br />
Das war in einer Zeit, wo das „o" noch nicht zu „au"<br />
diphtongiert war, also vor 1400. Damals wurde noch Win<br />
statt Wein gesprochen, wie noch heute im Markgräflerland.<br />
Ebenso sagte man noch groß statt grauß, Owingen statt Aubingen,<br />
Rose statt Rause usw. Nur Most und Obst und<br />
einige andere Worte widerstanden der Diphtongierung.<br />
Die Roßwager Rebe wurde auch Trollinger genannt, weil<br />
sie aus Tirol bezw. aus dem Gebiet des Meraner Schlosses<br />
Trol bei uns eingeführt wurde. Bei dem Worte Trol lag der<br />
Akzent auf dem „O", das also lang gesprochen wurde. Erst<br />
später wurde das „o" kurz gesprochen, in volketymologischer<br />
Angleichung an das Wort troll = plump und Dralle =<br />
Tölpel.<br />
Die Trollinger Traube, also der Roßwager Weinstock, hat den<br />
Kreisjugendpfleger H. Haiber von Hausen hatte in der<br />
Zeitung ums Jahr 1934 über das ehemalige Jägerhäusle auf<br />
Schnait berichtet und sich dabei auf Ueberlieferungen der<br />
Leute berufen. Schon die Zollerische Landtafel von Merian<br />
vom Jahre 1622 enthält das Häuslein, und in der Anmerkung<br />
dazu sagt der fleißige Kupferstecher, es seien 12 derartige<br />
Tiergartenhäuslein gewesen. Über die Jagdliebhabereien der<br />
zollerischen Grafen und Fürsten braucht man nur J. Cramers<br />
Buch über die Grafschaft Hohenzollern und besonders<br />
seinen Abschnitt über die freie Pirsch zu lesen. (Vgl. dazu<br />
„Freibirsch und zollerischer Forst" in Hohenz. Jahreshefte<br />
1940. S, 1—56). Sicher ist, daß der Landesherr selbst sich<br />
bei dem Jagdvergnügen auch jeweils in den Wildhütten<br />
aufgehalten hat. Das Forsthaus auf dem Schwandel sei nach<br />
Burladinger Ueberlieferung um 1820 abgebrannt.<br />
In hohem Maße war meine Neugier durch Haibers Bemerkung<br />
angeregt worden, daß auf dem Haubenberg südlich<br />
von Hausen Spuren einer menschlichen Wohnstätte vorhanden<br />
seien, und so lockte denn damals ein schöner Herbstnachmittag<br />
mich hinaus in die Gegend um Fehla und Starzelquelle,<br />
und hier möge der Bericht darüber folgen:<br />
Die Schornsteine der Buirladinger Fabriken rauchten<br />
um die Wette, Sonnenschein lag auf Tal und Bergen, wenn<br />
er auch die kühle Herbstluft nicht mehr richtig erwärmen<br />
konnte. Die Wälder unserer Halden hatten den schönsten<br />
Farbenschmuck angelegt in hellstem Gelb einer Schwefelkarte<br />
bis zum tiefsten Rot und Braun meines Farbenkastens.<br />
Ich strebte nach Süden am Delisberg und Gießhübel vorbei.<br />
Von Westen her grüßte die Schnaiter Ebene oberhalb Hausen<br />
und darüber her von fern der Raichbergturm des Albvereins.<br />
Vor mir die Schlichte und Wasserscheide und gleichsam<br />
als Wächter dabei nach Mitternacht der Hausener Kapf<br />
mit seinem spitzen Kegel und den spärlichen Resten einer<br />
Burg. Da, wo die Straße sich ins Killertal senkt, stand einst<br />
in grauen Zeiten das feste Kastell der Römer und nur etwa<br />
50 Meter darunter entspringt der Neubrunnen, eine der vielen<br />
Starzelquellen. Gerade rechts an der Straße, wo jetzt<br />
das Feldkreuz sich erhebt, muß einst auch die bekannte<br />
Schlichtekapelle gestanden haben, deren eines Dachtrauf<br />
sich zur Fehla und das andere sich zur Starzel entleerte.<br />
Oben genannter Merian berichtet auch, die beiden Quellen<br />
Zwischen Fehla und Starzel<br />
Jahrgang 1954<br />
botanischen Namen Vitis vinifera macrocarpa. Sie ist, wie der<br />
Name schon sagt, eine großfrüchtige, saftige und blaue, aber<br />
spät reifende Traube, deren Anbau gerade deswegen wahrscheinlich<br />
von den damaligen Einwohnern verschmäht wurde.<br />
Die Menschen wollen eben möglichst früh ernten und trinken.<br />
Am Neckar war sie weit verbreitet und wurde auch<br />
Bammerer, Hüttler, Welsche und Schwarzwelsche genannt,<br />
denn Tirol rechnete man damals noch zum Welschland. Gegenwärtig<br />
baut sie noch der Weingutsbesitzer Johann<br />
L ä m m 1 e auf seinem Weingut in Stuttgart-Feuerbach,<br />
Diese Adresse verdanke ich dem Herrn Major von<br />
Westhoven in Sigmaringen, der mein Manuskript über<br />
Grosselfinger Flurnamen eingesehen und mir eine Etikette<br />
mit vorliegendem Namen in das Heft gelegt hat. Als ich<br />
kürzlich in Tübingen in der Bahnhofwirtschaft einkehrte,<br />
sah ich auf der Weinkarte auch den Namen „Roßwager".<br />
Es ist selbstverständlich, daß ich mir davon ein Glas geben<br />
ließ, und ich muß schon sagen, er hat mir ebensogut gemundet<br />
wie der Feuerbacher aus der Pfalz oder der Waldulmer<br />
oder Zeller Roter aus dem Badischen oder der Kälterer<br />
See aus Tirol.<br />
Dazu noch etwas Allgemeines: Die neuere Siedlungsforschung<br />
und Deutung der Flurnamen hat vielfach zu ganz<br />
anderen Ergebnissen geführt, als die Sprachgelehrten bisher<br />
darzutun sich bemüht haben. Die Orts- und Flurnamen<br />
hängen vielfach mit dem Leben der Menschen, mit ihren gewerblichen<br />
Tätigkeiten, mit der natürlichen Beschaffenheit<br />
des Geländes, aber auch mit politischen Gewohnheiten mehr<br />
zusammen, als man bisher glaubte. Die Anlehnung an mysteriöse<br />
Persönlichkeiten, z. B. Freistett = Stätte des Frego,<br />
Willstett = Stätte des Willo, Magenbuch = Bühel des Mago,<br />
Wittelbach = Bach des Wittilo, Roggenbach = Bach des<br />
Roggo, Wonnental = Tal der Wonne, Friedingen = bei den<br />
Angehörigen des Frido oder Eberbach = Bach oder Tal, in<br />
dem viele Eber vorgekommen sein sollen, Eppelheim Heim<br />
des Ebbelo und viele andere, ist abwegig und manche erweisen<br />
sich bei näherem Zusehen als alte Thing- und Zufluchts-<br />
oder Opferstätten. Darüber darf man sich auch nicht<br />
durch alte oder älteste Schreibweisen irre führen lassen.<br />
Man hat noch ältere Namen oft mit Gewalt beseitigt, weil<br />
man den Hang des Volkes zu seinen altheidnischen Dingen<br />
und Gebräuchen eben mit Stumpf und Stil ausrotten wollte.<br />
der angeführten Bäche seien nur eine Viertelstunde von<br />
einander entfernt. Im Jahre 1744 machte die Gemeinde Hausen<br />
an den Hechinger Fürsten das Bittgesuch um die Erlaubnis,<br />
die sehr ruinöse Kapelle auf Schlichten, die m e h rtail<br />
auf ihrem Zwing und Bann stehe, abzubrechen<br />
und das Material zur Renovierung ihrer fast baufälligen<br />
Pfarrkirche des Hl. Nikolaus nehmen zu dürfen.<br />
Dabei sollte den Burladingern freigestellt sein, näher gegen<br />
ihren Ort eine eigene kleine Kapelle zu bauen. Zwei Jahre<br />
darauf scheint dieser Bitte stattgegeben worden zu sein. Unsere<br />
heutige Schlichtekapelle steht also nicht mehr auf der<br />
Europäischen Wasserscheide Donau-Neckar! Was wohl die<br />
Hausener damals aus dem altehrwürdigen Hause noch<br />
Brauchbares für ihre Kirche herausgebracht haben? Es ist<br />
sicher herzlich wenig gewesen!<br />
Ich bin inzwischen auf der Höhe des „Forsts" angelangt<br />
und pirsche am Wald entlang dem Bernstein zu. Ein verlassener<br />
Feldstall mit riesigem Dach will fast vor Altersschwäche<br />
und Einsamkeit zusammenbrechen, da die Neuzeit<br />
keine Schafe und also auch keine Verwendung mehr für ihn<br />
hat. „Undankbares Geschlecht, dessen Vorfahren ich durch<br />
Jahrzehnte treu gedient! Jetzt schaut mich kaum mehr einer<br />
an und wenn nicht wenigstens hie und da eine Zigeunerfamilie<br />
sich hier ausruhte..." Der Rest des Klageliedes<br />
ging im Rauschen des Waldes unter. Aber Recht mußte ich<br />
dem Schafstall geben! (Kurz darauf ist er abgerissen worden.)<br />
Ich machte einen kleinen Umweg um den Tannenwald<br />
herum, trotzdem ein schöner Weg geradeaus auf den<br />
Haubenweg zuführt. Schon tauchen die Dächer von Hermannsdorf<br />
hinter dem Hügel auf; ich halte mich rechts<br />
am Waldrand, schneide den Zipfel der Gemarkung dieses<br />
Weilers ab (der bald damals zur Muttermarkung Burladingen<br />
zurückkehrte) und siehe: in dem winterlichen Waldeinschnitt<br />
liegt Schnee, richtiger Schnee. Ich bin in 870 m Höhe.<br />
Bald spürt man an den Füßen, daß der Winter ein harter<br />
und kalter Mann ist, der schnell die Vorherrschaft antreten<br />
wird und nicht mehr mit sich spassen läßt. Vor mir liegt der<br />
gesuchte Hohenberg; der im Volksmund Haubenberg heißt<br />
(zum hauba Bearg"). 928,5 m lese ich auf der Karte. Vor<br />
kurzem noch hielt man ihn für den höchsten Berg Hohenzollerns.<br />
Aber der nordöstlich nur 1500 Meter entfernte<br />
T
Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 21<br />
Riedersberg auf Markuing Burladingen ist noch<br />
etwa 2 m höher! Ein rothalbierter Stein zeigt an, daß<br />
jetzt der Hausener Bann beginnt. Nur der Berg vor mir gehört<br />
ihm jedoch an, denn unweit verläuft die Landesgrenze<br />
Württembergs. Eigenartig, wie dieses spitze Waldstück sich<br />
zwischen Burladinger und Neuweiler Gebiet einzwängt! Die<br />
nördlich an der Wegkreuzung eingezeichnete Felsgruppe enttäuscht:<br />
nur ein paar Steinbrocken liegen an der Halde umher,<br />
Aufwärts gehts über die 900 Metergrenze. Nichts Auffälliges<br />
zeigt sich. Eine kleine Ebene mit etlichen Haufen<br />
Kleinsteinen, das ist alles. Der Gipfel muß sich doch endlich<br />
zeigen! Richtig! Mäßig ansteigend erreicht man den höchsten<br />
Punkt: die vielen Unebenheiten verraten künstliche Zurichtung<br />
und langsames Verfallen des Menschenwerkes. Kein<br />
Zweifel, hier stand ehemals ein Gebäude. Rechteckige Grundmauern,<br />
aber nur etwa 6 Schritt lang und 4Va Schritt breit,<br />
lassen sich unschwer erkennen, der Signalstein dazwischen.<br />
Warum ist auf der Karte: 1 : 25 000 nichts vermerkt?<br />
Nach dem Westen gegen das Weilertal liegt ein etwa 1 m<br />
breiter Platz, dann ein mäßig hoher abschüssiger Fels, der<br />
zur Not eine Ritterburg genügend gesichert hätte. Aber dies<br />
nur auf der einen Seite. Alle andern verlaufen flach und<br />
zeigen nicht die kleinste Befestigung. Nur nach Süden, Bitz<br />
zu, verläuft als Fortsetzung der Felswand ein eigenartiger<br />
Steinriegel. Ob die Brocken einst zu einer Mauer geschichtet<br />
waren? Nach Osten in 30 Schritt Entfernung liegen kleine<br />
Haufen von Lesesteinen, als hätte man einst ein Feldstück<br />
hergerichtet. Die kleine Hülbe in der Nähe, von der Haiber<br />
schreibt und die Leute erzählen, fand ich nicht. Der Baumbestand<br />
ist hoch und versperrt alle Aussicht. Früher wird<br />
dies kaum so gewesen sein. Aus dem genannten Steinriegel<br />
läßt sich vorerst nichts entnehmen, und das kleine Gebäude<br />
mit kaum 50 cm dicken Mauern kann höchstens ein Häus-<br />
Ichen gebildet haben mit der Tür nach Norden. Römisch oder<br />
gar frühgeschichtlich ist hier nichts zu sehen. Die Fundamente<br />
sehen sogar sehr neu aus, kaum vor 100 Jahren zerfallen.<br />
Sollte man an diesem ausgezeichnet geeigneten Punkt<br />
nicht eine neuere einfache Wildhütte vermuten dürfen?<br />
Ich strebe weiter nach Süden, wo der Storren auf Nachbargebiet<br />
Württembergs 945 Meter aufragt. Hart an der<br />
Grenze wieder eigenartig erscheinende Steinhaufen, doch<br />
so ganz unmotiviert aufgeschüttet. Ob nicht unter einem<br />
oder andern sich ein altes Hügelgrab verbirgt? Das in dieser<br />
Beziehung reiche Degerfeld ist nicht weit. Ich überschreite<br />
die Grenze ohne Paß. (Heute ist sie sowieso hinfällig!) Die<br />
Aussicht vom Storren aus enttäuscht vollständig, da die<br />
Bäume alle Sicht versperren. Nur der Riedersberg mit seiner<br />
Waldkappe ist erkennbar. Durch eine schneebedeckte<br />
Schneise gehts schräg abwärts: Richtung Pumpwerk im Weilertal,<br />
„Schmauselhöhle" steht auf der Karte. Tatsächlich<br />
zeigt sich an einem neu gemachten Waldweg, der nach Südwesten<br />
zieht, ein fast senkrechtes, enges Loch unvermutet in<br />
der gar nicht felsig scheinenden Halde, ganz wie eine Erzspalte<br />
in den heimatlichen Wäldern. Gähnend glotzt der<br />
Schlund mich an. Allein ist kein Einstieg ratsam, sonst<br />
könnte einem das Schicksal des am Hangenden Stein eingedrungenen<br />
Mannes zuteil werden, der vor Jahren erst nach<br />
Monaten in Verwesung aufgefunden wurde. Weiter geht es<br />
nördlich dem Tannenwald und dem Tale zu, das den eigenartigen<br />
Namen U e s t trägt. Parallel zu meiner Fährte<br />
streicht das W e i 1 e r t a 1. Gerade gegenüber muß der Brunnen<br />
sein, an dessen Stelle einst eine Mühle mit riesigem<br />
oberschlächtigen Rad stand. Darüber auf der Bergnase, wo<br />
auf der Karte fälschlich „Schanze" steht, findet man die<br />
trauernden Trümmer einer einst stolzen Ritterfeste: Die<br />
Weilersburg. Im Jahr 1383 wird ein Wildmann von<br />
Weilersburg als Kirchherr zu Hechingen und Chorherr zu<br />
Stuttgart genannt. Auch Heinrich der alte, Agnes, Burkart<br />
selig und ein anderer Heinrich kommen in derselben Urkunde<br />
vor, durch die zu Ebingen eine Kapelle gestiftet wird.<br />
Während Burg und Geschlecht vergingen und kaum die Einheimischen<br />
noch die Stelle wissen, hat diese fromme Stiftung<br />
allein das Andenken des edlen Geschlechtes bewahrt.<br />
Als Wappen führte es einen Gemsenkopf. An der Burgstelle<br />
sind noch verschiedene Gräben und wenige Mauerreste, besonders<br />
vom vorgeschobenen Berglried Zeugen vergangener<br />
Herrlichkeit. Das Weilertal selbst gehört ohne Zweifel zu<br />
den wenigst gekannten, aber landschaftlich keineswegs zu<br />
den geringsten Landstrichen. Doch ist für heute ein Besuch<br />
verwehrt.<br />
Nordwärts locken zwei Waldkuppen, die von ferne und<br />
auch im Kartenbild verdächtig aussehen, aber die höhere<br />
enttäuscht ganz, und auf der niederen ist es ein Steinbruch,,<br />
der von weitem als künstliche Befestigung erscheint. Statt:<br />
nun weiter die Fohlensteige hinabzuwandern, wenden wir<br />
uns nach rechts gegen den alten Brunnen zu, der in Hermannsdorf<br />
Üsterbrunn, in Hausen aber Wolfsbrunn<br />
genannt wird. Ein weltabgeschiedenes Tälchen mit viel<br />
Schafweide an den Hängen muß ehedem bei dichterer Verwachsung<br />
ganz unheimlich gewirkt haben, zumal der Weg<br />
nach unten immer schluchtartiger wird. Hier trieb darum<br />
einst ein fürchterlicher Geist sein Unwesen, der Bockfüße,<br />
aber keinen Kopf hatte und darum ein Vorbeigehen nach<br />
Betzeit ganz ungeraten erscheinen ließ. Der Brunnen selbst<br />
wird durch ein uraltes Gewölbe — so scheint es wenigstens<br />
— hart am Weg und Waldrand gebildet, auf dem sich<br />
prächtige Tannen angesiedelt haben.Blitzend helles Quellwasser<br />
funkelt im Schatten des Gewölbes der Brunnenstube<br />
und der dunklen Tannen. Der Holztrog ist längst verschwunden,<br />
und das Ueberreich sucht sich einen Weg an der Halde,<br />
verschwindet wieder, um weiter unten als murmelndes<br />
Bächlein einen riesigen V förmigen Graben auszunagen. Wie<br />
ein mächtiger Wächter am Ausgang der Schlucht und des<br />
Weilertals, das nach einem uralten und dann wieder neuerstandenen<br />
Weiler genannt ist, erhebt sich vorne<br />
der H o i r i c h, der im Jahre 1544 Heinrichsberg hieß. U e s t,<br />
selbst dürfte von Huest oder Hurst „Waldiges Gebüsch" abzuleiten<br />
sein. Der Hoirich hätte in früherer Zeit ohne Mauer<br />
und Wälle eine wuchtige und uneinnehmbare Festung für<br />
Leut und Vieh gebildet; für eine Ritterburg war er zu steil<br />
und abgelegen, die obere Fläche auch vermutlich zu groß.<br />
Schade, daß durch den Baumbestand die Aussicht vom obersten<br />
Rand behindert ist. Kaum ein Berg in der Runde bietet<br />
diese Schönheit dar, die sich hier vor dem Auge entrollt.<br />
Vor uns das Weilertal mit seinen Waldschluchten und dem<br />
Schwarzbrunnnenbach, den Unwissende gar „die Killer" taufen<br />
wollten, links der Haubenberg, von dem wir kommen,<br />
und das Uestertal, weiter rechts die Höhen um die Linkenboldshöhle,<br />
Ehresfeld, Holmershorn, Göckeleswald, Schnait<br />
und weiter Kuppe an Kuppe und Feld an Wald. Tief unter<br />
uns das Tal mit dem Weilertal- oder Schwarzbrunnenbach<br />
und dem Dorf Hausen im Killertal, weil ehemals zur Pfarrei<br />
Killer gehörig. Halb ist es verdeckt vom Beinzenb<br />
e r g. Und wenn wir dem Berggrat folgen und hie und<br />
da zwischen den Bäumen hinauslugen, erschließt sich uns:<br />
das Killertal mit seinen Dörfern, die wie eine Perlkette aufgereiht<br />
erscheinen, dann die nördlichen Höhen gegen Ringingen<br />
und dem Heufeld, Oberberg, Kapf, Mettenberg bis hinüber<br />
zu Burladingen und seiner neuen Fideliskirche, die<br />
sich so prächtig präsentiert (jetzt umsäumt von riesigen<br />
Schornsteinen). Wir steigen zutal, denn der Abend naht,<br />
während schon die Häuser rauchen und allmählich dämmerliche<br />
Kühle uns umfängt, bis wir die ersten Häuser Burladingens<br />
erreichen. J. A. Kraus.<br />
Altes Brauchtum in Stetten bei Haigerloch<br />
„Man braucht nirgends Bräuche hinbringen, überall sind<br />
solche vorhanden", sagt ein altes Sprichwort. Leider sind in<br />
den letzten Jahrzehnten viele der alten, schönen Bräuche,<br />
die den Menschen von der Wiege bis zum Grab begleiteten,<br />
in Vergessenheit geraten.<br />
Besonders um die Hochzeiten wanden sich sinnige Bräuche.<br />
Bereits Wochen vor der Hochzeit fand der sogenannte Heiratstag<br />
statt. Von den Eltern und nächsten Verwandten des Brautpaares<br />
wurde vereinbart, was jede Ehehälfte an Grund und<br />
Boden, Vieh, Frucht und Geld in die Ehe mitbringt. Nicht<br />
vergessen wurde dabei, einen sogenannten „Rückfall" auszuhandeln,<br />
eine Summe Geld, die beim Tode eines der jungen<br />
Eheleute, ohne Leibeserben zu hinterlassen an die Eltern des<br />
Verstorbenen zurückzuerstatten war. Zur Bekräftigung wurde<br />
von Andreas E d e 1 e<br />
dieses auf dem Rathaus schriftlich festgelegt und mit einer<br />
kleinen Feier in der Wirtschaft beschlossen.<br />
Einige Tage vor der Hochzeit war der Umzug. Die Altersgenossinnen<br />
halfen dabei der Braut, ihre Ausstattung in das<br />
neue Heim zu bringen. Anders aber, wenn die Braut nach<br />
einem Nachbardorf heiratete. Da wurde der sogenannte Brautwagen,<br />
ein reichgeschmückter Leiterwagen, mit sämtlichen<br />
Ausstattungsgegenständen und Möbeln beladen. Der Dorf=<br />
schreiner verfertigte die Möbel in einfacher Ausführung aus<br />
Tannenholz. Nur wenn der Brautvater vor Jahren einen<br />
Bim- oder Kirschbaum umgehauen hatte und diesen zu<br />
brauchbaren Brettern sägen ließ, wurden einzelne Möbelstücke<br />
aus diesen gearbeitet, die sich dann durch Generationen<br />
vererbten. Der Großvater erzählte dann den Enkeln, wo
22 H O H E N Z O L L E E I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />
das Holz zum Familientisch gewachsen sei. Heute kauft man<br />
hochglanzpolierte Möbel, deren Holz z. T, aus Uebersee<br />
stammt.<br />
Der Fuhrmann und seine Pferde waren ebenfalls mit Bändern<br />
und Rosetten geschmückt, die Messingteile der Pferdegeschirre<br />
glänzten, und das Dachsfell am linken Kummet<br />
war sauber gebürstet. So ging es dann mit Peitschenknall<br />
der neuen <strong>Heimat</strong> entgegen. Meist aber gab es noch ein Hindernis.<br />
Plötzlich wurde der Brautwagen durch ein über die<br />
Straße gespanntes starkes Seil aufgehalten. Junge Burschen<br />
verweigerten den Auszug mit den Worten: „Mein lieber<br />
Freund, ich sage dir, diese Braut kommt nicht von hier;<br />
wenn du bezahlst ein Lösgeld fein, so fahre hin, die Braut ist<br />
dein" oder „Und die Weinstöck tragen Reben, und die Reben<br />
tragen Wein; hast du Gold und hast du Silber und die Braut,<br />
die ist jetzt dein." Durch ein Lösegeld des Hochzeiters konnte<br />
dann die Sperre beseitigt werden.<br />
Anders, wenn die Braut aus dem Nachbardorf stammte.<br />
Mit zwei oder mehr Reitern und ein oder zwei Leiterwagen,<br />
die mit Sitzen versehen waren, alles mit Bändern und Tannengrün<br />
geschmückt, zogen am Hochzeitstage in aller Frühe<br />
die Altersgenossen und ledigen Burschen aus, die Braut „einzuholen".<br />
Mit Gesang wurde im Dorf der Braut eingezogen.<br />
Wenn vor dem Hause der Braut einer der Reiter seinen<br />
Spruch vorgebracht hatte, ging die ganze Gesellschaft, bis<br />
die Braut zur Abfahrt bereit war, in die Wirtschaft. Die<br />
Zeche hatte der Brautvater zu begleichen! Dann ging es, die<br />
Kutsche mit Braut und „Gespiel" voraus, zurück ins <strong>Heimat</strong>dorf<br />
zur Morgensuppe, deren Namen früher wohl berechtigt<br />
war, als der Kaffee noch nicht bekannt war. Heute gibt es<br />
Kaffee mit Kuchen und Weißbrot, auch Kirsch'» und andere<br />
Wässer. Mit Begleitung der Blechmusik gingen Brautpaar<br />
und Hochzeitsgäste zur Kirche und nach Beendigung des Gottesdienstes<br />
in die Wirtschaft, wo die Gäste unter Händedruck,<br />
wie auch heute noch, vom Brautpaar und den Eltern<br />
begrüßt wurden. „Ich wünsche viel Glück zum Ehrentag"<br />
grüßte der Gast, während die Geehrten mit „Freut mich die<br />
Ehre •—" dankten. Heute gratuliert man! Nun begann der<br />
Ehrentanz, die ersten drei Tänze für Brautleute und nächsten<br />
Anverwandten.<br />
An diesen Ehrentanz, bei dem früher bis mittags 12 Uhr<br />
nur Wein geschenkt wurde, schloß sich das Mittagessen, die<br />
„Zeche", mit mehreren Gängen an, an der auch die Verwandten<br />
teilnahmen. Die Hochzeitsmusik spielte über den Mittag<br />
an verschiedenen Plätzen des Dorfes, begleitet vom „Gsell"<br />
mit Weinkanne und Weinglas, der den ihm auf der Straße<br />
begegnenden Personen einen Trank anbot.<br />
An jeder Hochzeit nahm das ganze Dorf teil. Bis am späten<br />
Abend der „Kehra", ein Galoppwalzer, erklang, blieb alles<br />
bei Schmaus und Tanz zusammen. Selten hört man heute<br />
die früher viel gesungenen, schönen, alten Volkslieder.<br />
Als Tage für Hochzeiten galten früher nur Dienstag und<br />
Donnerstag, allenfalls noch Kirbe- oder Fastnachtsmontag.<br />
Heute will man durch Hochzeiten an Werktagen keinen Verdienstausfall<br />
haben. Die jungen Paare heiraten vielfach am<br />
Sonntag und verzichten auf die segenspendenden Gebete der<br />
Hochzeitsmesse.<br />
Die Wässerwiesen in den Tälern der Alb<br />
Langsam und träge fließen in den Tälern der Alb die<br />
Bäche der Donau zu. Die Wiesen des Talgrundes sind von<br />
einem Netz uralter kleiner und größerer Gräben durchzogen,<br />
durch die das Wasser zur Berieselung der Wiesenflächen geleitet<br />
wird. Der Untergrund der meisten Talwiesen besteht<br />
aus dem wasserdurchlässigen Tuff, auf dem ein brauner,<br />
mooriger Boden lagert. Von dem Bach wird das Wasser in<br />
lange Hauptgräben geleitet, von denen kleinere Seitengräben<br />
in das Wiesengelände abzweigen. Von diesen Seitengräben<br />
führen in jede Wiesenparzelle Kleingräben mit vielen Seitenausläufern.<br />
Ueberall erblickt man Staufallen, mit denen<br />
dem Wasser der Weg versperrt und eine andere Richtung<br />
gegeben wird. Das Wasser fließt in die Kleingräben jeder<br />
Wiese hinein und sättigt den durstigen Untergrund. Im<br />
Spätherbst und Frühjahr reinigen die Wiesenbesitzer das<br />
ausgedehnte Grabensystem, damit ein ungestörter Wasserdurchfluß<br />
möglich ist. Die Hauptwässerung wird im Frühjahr<br />
zur Zeit der Schneeschmelze durchgeführt, da hier die Bäche<br />
reichlich Wasser spenden. Auch nach der Heuernte findet<br />
eine Berieselung statt, doch scheitert sie oft an dem geringen<br />
Wasserstand der Bäche. Wenn im Frühjahr die Schmelzwasser<br />
des Schnees von den Seitenhängen dem Talgrund<br />
Vom Lehnswesen<br />
zuströmen und viele feine Bodenteilchen mitführen, dann<br />
öffnet der Wässermeister den Hauptgraben, der bis dahin<br />
trocken lag. Bald wird der Lauf des Wassers durch eine<br />
Hauptfalle gehemmt, und es strömt in Seitengraben und von<br />
hier aus auf eine ausgedehnte Fläche des Wiesengrundes.<br />
Mehrere Tage lang wird die Berieselung durchgeführt; dann<br />
wird die Hauptfalle des Hauptgrabens wieder hochgezogen,<br />
und das Wasser strömt in demselben bis zur nächsten Falle,<br />
die bereits heruntergelassen ist. In wenigen Tagen ist auch<br />
der nächste Wiesenabschnitt berieselt. Nach und nach sind<br />
alle Wiesen mit Wasser gesättigt, und der Wässermeister<br />
kann dann den Hauptgraben an seinem Beginn wieder schließen.<br />
Der Landwirt braucht die Talwiesen nicht düngen, da<br />
das Wasser reichlich Nährstoffe (Kalk und feinste Ackerkrume)<br />
mitbringt. Der Futterertrag der berieselten Wiesen<br />
ist auch in Trockenzeiten stets reichlich, jedoch ist die Güte<br />
des Futters durch die vielen Sauergräser herabgemindert.<br />
Die vielen Gräben erschweren auch das Mähen des Grases;<br />
die Mähmaschinen können nur in beschränktem Maße verwendet<br />
werden. Doch weiß der Landwirt, daß ihn seine Talwiesen<br />
selbst in den regenärmsten Zeiten nicht im Stiche<br />
lassen.<br />
(Erklärung von Wörtern, die in unserer Zeitung wiederholt vorkommen.)<br />
Lehen: Übertragung (Leihen eines Landes, Hofes, Grundstückes,<br />
Amtes oder Rechtes, die Nutzen und Einkommen<br />
gewähren, für geleistete Dienste oder gegen jährliche<br />
Abgaben. Die Verleihung (Belehnung) erfolgte meist<br />
auf Lebenszeit.<br />
Lehnsherr: Person, die das Lehen ausleiht.<br />
Lehnsmann (oder Vasall): Empfänger und Inhaber des Lehens.<br />
Belehnung: Sie erfolgte durch eine symbolische Handlung,<br />
durch Ueberreichung eines Gegenstandes bezw. Ausstellung<br />
eines Lehenbriefes.<br />
Afterlehen: vom Leheninhaber einem dritten weitergegebenes<br />
Lehen.<br />
Burglehen: Der Belehnte mußte dem Lehnsherrn bei der<br />
Verteidigung einer Burg helfen.<br />
Erblehen: Das Lehen vererbt sich in der Familie (meist auf<br />
den Sohn). (Gesetz Kaiser Konrads II. i. J. 1037).<br />
Fall-Lehen: Lehen, das beim Tod oder Wegzug des Inhabers<br />
wieder an den Lehnherrn zurückfällt.<br />
Herrgottslehen (Sonnenlehen): der freie Bauernhof.<br />
Mannlehen (Schwert- oder Axtlehen): Lehen nur im männlichen<br />
Stamme vererbbar.<br />
Kriegslehen: Inhaber war zum Kriegsdienst für den Lehnsherrn<br />
verpflichtet.<br />
Schupflehen: das Lehensgut konnte jederzeit vom Lehnsherrn<br />
zurückgezogen und einer andern Person zugeschoben<br />
(geschupft) werden.<br />
Weiber-, Kunkel- oder Spindellehen: an weibliche Nachkommen<br />
vererbbar, falls keine männlichen vorhanden<br />
waren.<br />
Lehensgerichtsbarkeit: regelte Streitigkeiten über Lehen.<br />
Gült (Gelt, Gilt:): Naturalabgaben aus einem Lehensgut. (Ein<br />
Hof giltet soundsoviel Vesen, Dinkel, Haber, Eier, Speckseiten,<br />
Schultern.)<br />
Heiligen-, Pfarr-, Herrschaftslehen: Von dem Heiligen (d. i.<br />
Kirchenfond), Pfarrfond, Herrschaft ausgeliehene Güter.<br />
Muten: Bitte um Wiederverleihung eines Lehens, z. B. der<br />
hohen Gerichtsbarkeit.<br />
Lehenrevers: schriftliche Bescheinigung des Lehenempfängers<br />
für den Empfang.<br />
Handlohn: Abgabe des Lehenempfängers beim „Aufzug" auf<br />
den Hof (Auffahrt).<br />
Weglösin: Abgabe des bisherigen Lehenträgers, wenn er<br />
vom Hof abzieht, sei es durch Tod oder durch Wegzug.<br />
Erschatz: Abgabe bei jedem Wechsel des Lehnsherrn oder<br />
Lehnsmannes (meist besonders festgesetzt).<br />
Lehensmaier: Lehensmann.<br />
Schildlehen: Verpflichtung zum Waffendienst.
Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 23<br />
Altes und Neues Testament in Haigerloch<br />
Was die Wieskirche für Oberbayern und die Klosterkirche<br />
von Ottobeuren für das Bayrisch-Schwäbische Grenzland<br />
und das Gotteshaus Zwiefalten für das Württembergische<br />
Donautal bedeutet, das ist für uns in Hohenzollern St. Anna<br />
in Haigerloch; jedesmal ist es barocke Kunstgestaltung im<br />
Kulminationspunkt. Schwellende Kaskaden von Motiven und<br />
Bewegungen und Farben fallen vibrierend auf Geist und<br />
Auge wie Frühlingsmusi! und frisches Blättergrün. — Wir<br />
bleiben bei St. Anna und versuchen, uns einzubohren in die<br />
Ideen und Inspirationen, welche die schaffenden Künstler zu<br />
ihrem fürstlichen Wunderwerk der Farben und Formen<br />
drängten, die alle Mittel ihrer Kunst so spielend und virtuos<br />
handhabten, als schüttelten sie alles gleichsam nur aus dem<br />
Aermel. Aber nicht dem Hochaltar gilt unser Interesse, wo<br />
das alte Gnadenbild aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts<br />
wie in einem säulengeschmückten Gehäuse thront, sondern<br />
„zwei weiblichen Figuren (Holz, weiß gelackt) stehend auf<br />
bogigen Türdurchlässen, die das „Alte und das Neue Testament"<br />
symbolisieren. (Die Kunstdenkmäler Hohenzollerns<br />
Band I. S. 131.) Die Personifikationen des Alten und Neuen<br />
Testaments sind in der Kunstgeschichte auch eingeführt unter<br />
den Namen: „Synagoge und Kirche". Viele Jahrhunderte<br />
hindurch ist man nicht müde geworden, diese beiden Gestalten<br />
wiederzugeben, bald in Verbindung mit dem Kreuzbild<br />
oder der Weltgerichtsdarstellung, bald auch selbständig<br />
als Portal-, Kirchen- und Buchschmuck.<br />
Wie kam eigentlich die Kunst dazu, die Kirche unter<br />
der Gestalt einer Frau darzustellen? Im Hohenliede Salomons<br />
mit seiner Brautmystik sieht eine ganze Reihe von Bibelerklärern<br />
eine Verherrlichung des Verhältnisses Christi zu seiner<br />
Braut: der Kirche, vorgebildet; außerdem spricht St.<br />
Paulus mehrmals von einem geheimnisvollen Ehebund zwischen<br />
der Kirche und Christus und nennt sie „Christi Braut".<br />
Diesen Paulinischen Gedanken haben die alten Schriftsteller<br />
weiter verfolgt in seinem Gehalte: und die Kunst hat ihn<br />
aufgegriffen, nachdem die kirchenfeindlichen Staatsfesseln<br />
unter Konstantin gefallen waren. Im „Hirt des Hermas" (geschrieben<br />
um 150 n. Chr.) erscheint die Kirche im ersten Gesicht<br />
als alte Frau und mahnt zur Buße, und dann im vierten<br />
Gesicht als „Jungfrau, wie sie aus dem Brautgemach kam,<br />
ganz in Weiß gekleidet". Und in den folgenden Väterschriften<br />
kehrt oftmals und stets unverändert das Motiv wieder: „Die<br />
Kirche als Frau", besonders bei Melito von Sardes, Augustinus<br />
und Albertus Magnus. Dieses literarischen Bildes hat<br />
sich die christliche Kunst schon frühzeitig angenommen und<br />
hat im Fortschritt der Zeit dieses Bild mehr und mehr entwickelt<br />
und mit allerlei Beigaben bereichert. Die Kirche<br />
Foto-Weber Haigerloch<br />
(„Synagoge und Kirche")<br />
wird dargestellt als vornehme Frau, königlich gekleidet und<br />
geschmückt, und trägt als Zeichen ihrer Würde Krone und<br />
Nimbus, die Siegesfahne und den Kreuzstab in der Hand,<br />
oft auch einen Kelch oder ein Buch.<br />
Auch für die Schaffung des Synagogenbildes („Altes<br />
Testament) haben die frühchristlichen Schriftsteller die<br />
Grundzüge gezeichnet und dargetan, wie die alte Heilsordnung<br />
aufgehoben sei und die Verstocktheit der Juden und<br />
die Abkehr ihres Geistes von Christus herausgestellt werden<br />
müsse. Sie stützten sich dabei auf zahlreiche Bibelverse. In<br />
den Klageliedern heißt es: „Gefallen ist die Krone von unserem<br />
Haupte, wehe uns, weil wir gefehlt haben; darob ist<br />
schwach geworden unser Herz, darum ist verdunkelt unser<br />
Auige." So ist es leicht zu erklären, wie die Synagogengestalt<br />
im Gegensatz zur frischentwickelten Jugendschönheit der<br />
Kirche als alte, mit Runzeln versehene Frau wiedergegeben<br />
wird, oftmals mit einer Binde vor den Augen, um die Erlösungstat<br />
Christi und den Anbruch einer neuen Zeit nicht<br />
sghen zu müssen; mit traurigem Gesicht, mit gesenktem<br />
Haupte; die Krane der einstigen Würde entfällt ihr oder<br />
liegt schon am Boden. Während der Scepterstab der Kirche<br />
oftmals in einem Kreuze endigt, geht die Bannerspitze der<br />
Synagoge in einer Lanze aus, deren Schaft gebrochen ist.<br />
In zahlreichen Fällen hält sie die Gesetzestafeln in der<br />
Hand, manchmal auch einen Kelch, doch mit der Schale<br />
nach unten.<br />
Schon frühe treten die beiden Symbolgestalten in den<br />
christlichen Bilderschatz ein. Zeugnis dafür sind 2 Mosaikbilder<br />
mit Unterschrift in der römischen Kirche St. Sabina<br />
(um 430) und ein reich illustrierter Drogo-Sakramentar (um<br />
850). Vom zwölften Jahrhundert an gehören sie zum notwendigen<br />
Figurenbestand in Glasfenstern und Portalausstattungen<br />
französischer und deutscher Dome. Sie stehen im<br />
ersten Jahrtausend friedlich beieinander, da altes und neues<br />
Testament zusammengehören. Um die Wende des Jahrtausends<br />
tritt ein großer Umschwung ein in der Behandlung<br />
der Juden; ihre eigentliche Leidenszeit beginnt mit den<br />
Kreuzzügen, wo man den Tod Christi an ihnen rächen wollte<br />
und eine feindselige Einstellung gegen sie den Anfang nahm<br />
in Schrift und Wort und Tat. Das färbte sich auch ab in<br />
der Kunst, die alle Mittel anwendet, um die Gestalt der<br />
Kirche immer mehr zu verherrlichen, und die Synagoge<br />
mehr und mehr herabzudrücken und verächtlich zu machen,<br />
bis sie schließlich an dem Punkt angelangt ist, wo die Kirche<br />
triumphierend und siegend über ihrer unterlegenen Gegnerin<br />
dasteht. Im Anfang des 16. Jahrhunderts verschwinden<br />
die beiden Gestalten im Kunstleben der Kirche, um<br />
später vereinzelt und in veränderter Form wieder zu erstehen.<br />
Ein Beispiel dafür haben wir in St. Anna in Haigerloch.<br />
II.<br />
In diesem fürstlichen Prunktempel auf den seitlichen Torbogen<br />
des Hochaltars präsentiert sich: auf der Epistelseite in<br />
Lebensgröße die Gestalt des Neuen Testamentes (die Kirche)<br />
und auf der Evangelienseite das symbolisierte Alte Testament<br />
(die Synagoge), beide einst geschaffen von dem Haigerlocher<br />
Bildhauer Joh. Georg Weggenmann. Doch verbietet<br />
schon ein flüchtiger Blick, beide Bildwerke ein und derselben<br />
Hand zuzueignen. Das Rätsel wird gelöst durch eine Angabe<br />
im Hodlerwerk über das Oberamt Haigerloch: „Die<br />
Statue auf der Evangelienseite ist im Anfang des 20. Jahrhunderts<br />
heruntergestürzt und zerfallen. Die an ihre Stelle<br />
getretene Figur stammt aus der kirchlichen Kunstwerkstätte<br />
Marmon in Sigmaringen". (S. 532.) Wie die Zollerheiligen der<br />
Nebenaltäre, St. Meinrad und Fidelis, in kühnem Wettbewerb<br />
mit den geschnitzten Engelkindern in reinstem Blütenweiß<br />
aufleuchten und milde kontrastieren mit Stuckmarmor<br />
und Gold der Umgebung und den wasserhellen Fenstern,<br />
so schimmern auch die Symbolgestalten zu beiden Seiten<br />
des Hochaltars mit den schwellenden Engelkörperchen im<br />
Halbschatten in blendendem Weiß, im Schlaglicht aber zart<br />
getönt wie Elfenbein. Verhaltenes und wohldiszipliniertes<br />
Siegesbewußtsein strahlt die schlanke E k k 1 e s i a (Kirche,<br />
Neues Testament) aus. Ein Symbol nur ist sie, darum trägt<br />
ihr nach oben gewandtes Angesicht keine persönlichen Charakterzüge.<br />
Der zurückgeschlagene Mantel läßt sichtbar werden,<br />
wie die Gewandfalten in gleichlaufenden Bahnen und<br />
Röhren bodenwärts fließen und wie durch den betonten<br />
Vertikalismus die Spannung des inneren Lebens gesteigert<br />
wird. Um den Hals ist die Stola gelegt mit ihren kreuzgeschmückten<br />
Enden, die nur getragen werden darf bei priesterlicher<br />
Gnadenspendung und Segensvermittlung. Dadurch<br />
wird die Kirche dokumentiert als Hüterin und legitimierte
24 HO II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />
Ausspenderin höchster Lebensgüter. Die rechte Hand weist<br />
hin auf eine Taube, das Sinnbild des hl. Geistes, der in<br />
dieser Gestalt bei der Jordantaufe Jesu sich zeigte und mit<br />
seinem Impuls die ganze Kirche und ihre Tätigkeit belebt<br />
und durchflutet. Die linke Hand hält das Evangelienbuch<br />
und darüber ruhend die Tiara, die Krone des Papstes, die<br />
Verwendung findet bei außerordentlichen Feierlichkeiten<br />
und Anlässen und mit ihren drei Reifen hinweist auf die<br />
dreifache päpstliche Gewalt: die Priester-, Hirten- und Lehrgewalt.<br />
Ebenfalls mit der linken Hand trägt die Ekklesia<br />
statt des bischöflichen Krummstabes das päpstliche Kreuz I<br />
mit drei Querbalken, weil nach Thomas von Aquin die I<br />
Krümmung nur eine Gewalt mit Einschränkung bedeutet,<br />
der Papst aber alle geistliche Vollmacht in unbeschränktem<br />
Maße besitzt. So steht die Kirchengestalt vor uns, gezeichnet<br />
vom Kunstschöpfer mit den Abzeichen des Papsttums<br />
und des Christentums, das sichere Bewußtsein des Endsieges<br />
zur Schau tragend.<br />
Ihr Gegenstück in St. Anna: Die Synagoge (altes Testament)<br />
mit flatterndem Gürtelkleid und bedecktem Haupte '<br />
hat immer noch eine gewisse Majestät bewahrt, obwohl ihre<br />
Macht und Würde zu Ende ist. Träumerisch geht ihr Blick<br />
|<br />
in die Ferne, und ihre Hände bieten das Wertvollste an,<br />
das sie den Menschen noch bieten kann: Die Gesetzestafel<br />
l<br />
der Gebote („ich bin nicht gekommen, Gesetz und Gebote<br />
aufzuheben, sondern zu erfüllen") und den Kelch als Sinnbild<br />
der Opferidee, die im neuen Bund in vollkommener Weise<br />
realisiert wurde. — Kein feindlicher Trennungsstrich zwischen<br />
Christentum und Judentum, wie es im Mittelalter<br />
oft vorkam, wird bei den Haigerlocher Gestalten hervorgehoben,<br />
sondern viel eher friedliche Duldung und Toleranz.<br />
Vielleicht dürfen wir einen Hinweis darin sehen, daß Fürst<br />
Joseph (1715—1769) gegen die Juden in Haigerloch duldsam<br />
war und 1745 für sie den alten Schirm- und Schutzbrief von<br />
1640 erneuerte.<br />
Einmalig in Hohenzollern sind in Haigerloch die längst<br />
entschlummerten Gestalten der Kirche und Synagoge wieder<br />
aus dem Grabe erweckt worden. Vielleicht sind sie für<br />
uns rätselhaft und ein Fragezeichen, einstmals waren sie es<br />
nicht. Rätselbilder zu schaffen, lag niemals in der Absicht<br />
des Mittelalters und der früheren Zeit. Ein schwacher Ersatz<br />
der einst so beliebten Darstellung und zugleich eine<br />
vereinfachte Form von ihr, bestehend aus Kreuz und Gesetzestafeln,<br />
ist anzutreffen auf einigen Kanzeldeckeln in<br />
<strong>Hohenzollerische</strong>n Kirchen: genannt seien die Stiftskirche in<br />
Hechingen, die Klosterkirche in Wald, die Pfarrkirchen in<br />
Weilheim und Owingen.<br />
Foto-Weber Haigerloch Waldenspul - Melchingen.<br />
Jungingen während der großen französischen Revolution<br />
Als im Jahre 1914 der damalige Bürgermeister die alten<br />
Gemeindeakten als Altpapier verkaufte und die vielen alten<br />
Urkunden auf einem Haufen beim Gasthof zum Hirsch liegend<br />
auf den Lumpensammler warteten, rettete der längst<br />
verstorbene Christian Riester, der etwas weiter dachte, noch<br />
einige Gemeinderechnungen und sonstige Urkunden vor dem<br />
Einstampfen. Später sind sie durch Schenkung an mich übergegangen.<br />
Da diese Rechnungen in sprachlicher, orts- und<br />
familiengeschichtlicher Hinsicht oft sehr aufschlußreich sind,<br />
nahm ich mir die Mühe, sie im Wortlaut abzuschreiben, um<br />
sie einer breiteren Oeffentlichkeit zum Vergleich und zur<br />
Auswertung unterbreiten zu können. Auch die alte Feuerspritze,<br />
die ein Reutlinger geliefert hat, wie aus der Rechnung<br />
von 1809/10 hervorgeht, ging im ersten Weltkrieg wegen<br />
ein paar Pfund Kupfer und Messing den Weg alles<br />
Irdischen.<br />
Ich beginne mit den wertvollen Aufschrieben eines meiner<br />
Vorfahren, Christian Bumiller, Lehrer von hier, die mit den<br />
oben genannten Rechnungen parallel laufen und sie in vieler<br />
Hinsicht ergänzen. Es handelt sich vor allem um Aufschriebe<br />
über den damals zu Ende gehenden Wildschadenprozeß, die<br />
Truppendurchzüge und Einquartierungen während der napoleonischen<br />
Kriege, Witterungsverhältnisse und Ernte-Ergebnisse,<br />
aiuich Naturereignisse und Katastrophen. Diese<br />
Aufschriebe sind zwar schon einmal veröffentlicht worden,<br />
ich halte es aber für notwendig, sie mit einigen Ergänzungen<br />
im Hinblick auf deren Wichtigkeit in der H. H. nochmals<br />
allen <strong>Heimat</strong>freunden zugänglich zu machen.<br />
Die Gemeinderechnung 1779/1780 folgt in den nächsten<br />
Nummern.<br />
Was der Christian Bumiller (1767—1851) über seine Erlebnisse<br />
in der Gemeinde Jungingen in eine alte Bibel geschrieben<br />
hat, soll hier als Ergänzung und zum besseren<br />
Verständnis der Junginger Gemeinderechnungen von 1799<br />
bis 1810 vorausgeschickt werden.<br />
Christian Bumiller ist mit 17 Jahren Lehrer, dann Gemeinderechner,<br />
Heiligenpfleger, Vogt, Mesner und Kreisdelegierter<br />
gewesen.<br />
von Casimir B u m i 11 e r, Jungingen<br />
Er hatte 13 Kinder, von denen die meisten jung gestorben<br />
sind. Nur vier: Lucian, Maria Anna, Simon und Franz Josef<br />
erreichten ein höheres Alter. Die anderen starben an Blattern,<br />
Wassersucht, eines an der roten Sucht.<br />
Seine Frau war Brigitta Bumiller, geboren 1771. Am 2.<br />
Mai 1810 starb sein Vater, der „an diesem Tag (29. Mai 1810)<br />
um 63 fl. 37 Kr. in Gegenwart des H. Hofrats v. Giegling<br />
„gehaubtfahlet" wurde. Christian wurde an Stelle seines<br />
Vaters zum Richter ernannt. Seine Vorfahren gehen zunächst<br />
bis zum Jahre 1688 zurück. Von da ab fehlen die<br />
Kirchenbücher. (Siehe Anhang.)<br />
Aus seinen Aufschrieben gebe ich hiermit alles wieder,<br />
was für die Forschung von Interesse sein kann:<br />
Weil der von den Untertanen mit dem Landesfürsten bei<br />
96 Jahre lang auf der Kaiserlichen Kammer Wetzlar geführte<br />
Prozeß einer der wichtigsten Punkte ist, so will ich<br />
auch, soviel mir davon bekannt geworden, hierher verzeichnen.<br />
Dieser Prozeß war hauptsächlich wegen dem gar<br />
vielen Gewild, da in unserer Waldung Wildschweine, Reh,<br />
Hasen, auch Fasanen und Feldhühner eine so große Menge<br />
war, daß von solchen fast gar keine Früchte mehr zu retten<br />
waren, und obwohl auf hiesiger Bahn ein Wildzaun vom<br />
Weiler Schrophen bis an den Killer Hau aufgereicht und<br />
auf Gemeindskösten unterhalten werden mußte, welcher<br />
jährlich ohne vieles Fronen dabei bis 200 fl., auch weit darüber<br />
kostete, so mußten doch zur Sommerszeit noch 6 bis 10<br />
Hirten bei der Nacht gedungen werden, auch wenn das Korn<br />
zur Reife kam, noch jeder extra hüten mußte und doch die<br />
Frucht von den Hirschen, wo damals stets bis 400 Stück in<br />
unserer Waldung liegen, aber Wildschweine gab es hier bei<br />
20 Jahren keine mehr, sehr verdorben. Besagter Wildzaun<br />
ist im Januar 1794 abgebrochen und an die Bürger verteilt<br />
worden. Die Beschwerden von der Jagd waren so groß,<br />
daß dieselben fast nicht zu beschreiben sind. Im Jahre 1775<br />
erhielten die Bürger die Erlaubnis, zu jagen, mußten aber<br />
jährlich 4 Tage bei der Jagd fronen und zwei Guiden an den<br />
Fürsten bezahlen. Im Februar 1792 waren aber 97 von 150<br />
Bürgern für Fortführung des Prozesses. Es gingen Abge-
Jahrgang 1954 H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 25<br />
sandte nach Wetzlar, denen von den Prozessierern Geld<br />
nachgesandt werden mußte. Im Jahre 1793 warf sich der<br />
kaiserliche Rath Wunderlich, begleitet von 50 Bauern, aus<br />
dem Unterland eigenmächtig auf, so daß 150 Mann von<br />
Stuttgart in Hechingen und Bisingen eingeruckht und vier<br />
Tage auf Exekution geblieben sind. Der Notari ist aber<br />
durchgegangen und hat dem Lande einen Kosten von 6 800<br />
fl. verursacht. Im Jahre 1794 war eine wirtembergische Comißion<br />
von Stuttgart hier und im ganzen Lande, welche die<br />
Sache gütlich beilegen wollte, aber die Bauern gingen eigenmächtig<br />
mit Gewehren hinaus, so daß im Jahre 1795 800<br />
Soldaten mit vier Kanonen eingeruckt sind, welche den Bürgern<br />
18 Gewehre abnahmen. Dies kostete die Gemeinde 515<br />
fl., welche gleich bezahlten werden mußten. Als wieder<br />
keine Ruhe eintreten wollte, erhielt der Fürst im Jahre 1796<br />
kaiserliche Soldaten als „Handstärke". Die Hauptprozesser<br />
und Wildschützen wurden gefänglich eingeführt. Einige kamen<br />
unter die Soldaten, andere auf die „Schanz" nach Philippsburg<br />
und andere auch ins Zuchthaus. Mehrere wurden<br />
aber mit harten Prügeln abgestraft. Was damals für ein<br />
Jammer und Elend im Lande war, ist nicht zu beschreiben!<br />
Am 27. Juni 1798 trat Fürst Hermann Friedrich Otto die<br />
Regierung an, und der Prozeß wurde nach fast hundertjähriger<br />
Dauer durch Vergleich beendet. Die Kosten betrugen<br />
über 100 000.— Gulden.<br />
Im Jahre 1790 beginnen die Aufzeichnungen über die<br />
Durchmärsche und Einquartierungen kaiserlicher (österreichischer)<br />
Truppen nach den Niederlanden, wo Rebellion war.<br />
Diese Aufzeichnungen setzen sich fort bis 1794. Im Jahre<br />
1796 sind die Franzosen das erste Mal über den Rhein gefallen.<br />
Wochenlang passierten täglich hunderte von Haushaltungen<br />
mit Weib und Kind hier durch. Die Franzosen<br />
kamen bis Ingolstadt, wo sie von den Kaiserlichen wieder<br />
zurückgetrieben worden sind. Im Jahre 1797 hatte der Chronist<br />
197 Tage lang je einen Soldaten im Quartier, wofür ihm<br />
kein Kreuzer ersetzt worden ist. 1797 lagen einmal 13 Tage<br />
lang 332 Wagen, Stuck und Kanonen hier. 1799 kamen die<br />
Franzosen wieder. Am 19. März war die Vandamsche Artillerie<br />
hier im Quartier. Dieser Krieg hatte 10 Jahre gedauert.<br />
Der Grund war, wie der Chronist zu berichten weiß,<br />
weil die Franzosen ihren König Ludwig XVI. im Jahre 1793<br />
das Haupt abgeschlagen haben, wie auch der Königin Maria<br />
Antonie und der Prinzessin Elisabeth.<br />
Jungingen stellte im Jahre 1792 6 Rekruten, die im ganzen<br />
1730 fl. Handgeld kosteten.<br />
1805, als Napoleon zum Kaiser von Frankreich gekrönt<br />
wurde, ging der Krieg wieder aufs neue los. Ungeheure<br />
Summen mußten bezahlt werden, Einquartierungen und Requisitionen<br />
an Haber, Heu, Vieh und Zuschüsse zu Schanzarbeiten<br />
an der Festung Ulm mußten bezahlt werden, über<br />
4000 Gulden. Dieser Krieg dauerte nur zwei Monate. Es<br />
lagen noch immer 60 000 Franzosen und 70 000 Kaiserliche<br />
im Reich.<br />
Im Jahre 1806 gründete Napoleon mit Bayern und Württemberg<br />
den Rheinischen Bund, welcher, wie zu hoffen,<br />
nicht lange dauern wird. Im September desselben Jahres<br />
begann der Krieg zwischen Napoleon und Preußen und<br />
Rußland wieder aufs neue. Am 30. September wurden in<br />
Hohenzollern 98 Mann Rekruten gezogen. Jungingen traf es<br />
4 Mann, die Gemeinde zahlte einem jeden 200 Gulden, die<br />
Ledigen zahlten jeder 4 Gulden dazu, wo doch die verspielenden<br />
Bürger jeder noch 200 Gulden beisetzen mußte.<br />
Im Jahre 1807 mußte Jungingen wieder einen Mann stellen,<br />
wo Joseph Schönecker aus dem Salzburgischen gekauft<br />
wurde für 200 Gulden, nebst einem Hemd, zwei Halstüchern,<br />
Hosen und Strümpfen.<br />
1808 mußten wieder zwei Mann gestellt werden. Josef Bumillers<br />
und Thomas Speidels 2. Sohn, welche aber beide Rekruten<br />
kauften. Die Gemeinde ersetzte jedem noch 200<br />
Gulden, aber es kostete einen jeden noch 200 Gulden dazu<br />
und 100 Gulden in die Collektationskasse.<br />
1809 mußten „unsere" Soldaten wieder ins Feld nach Wiesbaden<br />
abmarschieren. Es brach der Krieg zwischen Frankreich<br />
und Oesterreich wieder aus. Im September mußte<br />
wieder ein Mann gestellt werden, der in Boll gekauft wurde.<br />
Dieser kostete 300 Gulden und 100 Gulden in die Collektationskasse.<br />
Nach sechs Monaten war Oesterreich geschlagen. Die Soldaten<br />
durften aber nicht nach Hause, sondern mußten nach<br />
Spanien marschieren. Im Jahre 1810 schied sich der französische<br />
Kaiser von seiner ersten Frau und vermählte sich<br />
mit der österreichischen Prinzessin Maria Luise. „Glück zu!"<br />
(schreibt der Chronist.)<br />
1811 wurde ein Rekrut, Bernhardt Schuller, im Abstreich<br />
angeworben. Er kostete 536 Gulden.<br />
1812 kaufte die Gemeinde Sebastian Konstanzer aus Stein<br />
an um 525 Gulden.<br />
1813 stiegen die Preise für Rekruten höher. Josef Bumiller<br />
und Gabriel Deckel verspielten und warben Johann<br />
Speidel für 750 Gulden und einen von „Starzein" um 875<br />
Gulden. Die Gemeinde bewilligte jedem einen Beitrag von<br />
300 Gulden.<br />
1814 mußte Jungingen im ganzen 17 Mann stellen, die im<br />
Januar an den Rhein abmarschierten. Sie sind aber im Juli<br />
alle wieder glücklich angekommen, ebenso vier weitere, die<br />
in Spanien waren.<br />
Vom 25. Oktober 1813 bis 12. Januar 1814 zogen über<br />
100 000 Mann, meistens Russen, Oesterreicher und Preußen<br />
in Hechingen durch und dies kostete „eine ungeheure<br />
Summe Geld!" Außerdem mußte der Fürst bei der Aufnahme<br />
in die große Alliance 92 000 Gulden Beitrag bewilligen.<br />
In Jungingen lagen im ganzen 176 Offiziere, 5 383<br />
Mann und 2 749 Pferde. Das kostete die Gemeinde 11578<br />
Gulden, 30 Kr.<br />
Als Napoleon, der von Elba geflüchtet war, wieder in<br />
Frankreich erschien, begann der Krieg aufs neue, und unsere<br />
Soldaten, 194 Mann stark, mußten wieder fortziehen.<br />
Napoleon wurde, wie bekannt, bei Waterloo „total" geschlagen.<br />
Der Chronist verzeichnet im einzelnen Einquartierungen<br />
und andere Lasten, die von größtem Interesse sind:<br />
Im Monat September wurde, der Waffenstillstand zwischen<br />
Rußland und Frankreich wieder aufgehoben; dann alliierte<br />
sich der Kaiser von Oesterreich mit Rußland. Schon im Monat<br />
Oktober wurde die rheinische Conföderation aufgehoben<br />
und die Monarchen diesseits des Rheins fielen von<br />
Frankreich ab und traten zu Oesterreich und seinen Alliierten.<br />
Die französische Armee ging nach erlittenen großen<br />
Niederlagen im November über den Rhein, und die Alliierten<br />
besetzten das diesseitige Rheinufer und deswegen ergaben<br />
sich im Lande folgende Beschwerden:<br />
1813: Den 19. Oktobris wurde dem Lande eine Requisition<br />
nach Engen zu liefern angekündigt: An Haber 2576 Metzen,<br />
Ochsen 64 Stück, Mehl 400 Zentner, Branntwein 600 Maß.<br />
Am 24. Oktobris wurden nach Hechingen geliefert: 60 Vit.<br />
Haber. Vom 25. bis 30. Oktobris, das ist sechs Tage, lagen<br />
hier 64 Curaßier mit 67 Pferden, welche von den Bürgern<br />
mit Mundportion, auch Heu und Haber verpflegt werden<br />
mußten.<br />
Am 11. Dezember lagen hier Canonier und Stuckknechte:<br />
87 Mann nebst 352 Pferden.<br />
Ferner: Am 12. Oktobris lagen hier Kosaken 260 Mann<br />
mit 275 Pferden.<br />
Am 14. Oktobris russische Füßilier 600 Mann mit 127<br />
Pferden.<br />
Am 15. Oktobris Russischer Kriegskommissar, 8 Offiziere,<br />
12 Gemeine und 28 Pferde mit Rasttag 2 Täg.<br />
Am 17. Oktobris russische Jäger, der Stab in allem 345<br />
Mann mit 155 Pferden bis 22. Oktobris, also 5 Tage.<br />
Am 22. Oktobris russische Curaßier 268 Mann samt 285<br />
Pferden, 1 Tag.<br />
Am 24. Oktobris wurden hier auf ein Kreuzer an der<br />
Anlag 4 Pfund Heu im Vorrat eingezogen, macht 57 Zentner<br />
und 60 Pfund, oder 480 Bund je 12 Pfund.<br />
Im Jahre 1814, den 3. Januar wurden in hiesigem Lande<br />
Rekruten ausgehoben zu der österreichischen alliierten<br />
Armee. Im ganzen zur badischen Armee 192 Mann. Hier<br />
wurden ausgehoben 17 Mann. Hiervon wurden am 12. Jänner<br />
5 Mann als: Anton Bumiller, Bernhardt Bumiller, Joseph<br />
Bosch, Johann Schuler, und Joseph Schuler nach Pforzheim<br />
abgegeben.<br />
Am 30. Jänner wurden wieder von hier 12 Mann zur<br />
Landwehr nach Ueberlingen abgegeben. Persönlich gingen:<br />
Max, Peter und Jackob Wendel, Matheis Zanger, Joseph<br />
Müller für Joseph Speidels Sohn und Johann Schuler für<br />
Isidors Sohn. Fremde Rekruten stellten: Daniel, Rößlewirth,<br />
Thorode, Xaveri Bumiller, Xavers Vester, Augustin Schuler.<br />
Vorstehende Mannschaften sind im Monat Juli alle wieder<br />
glücklich angekommen. (Fortsetzung folgt.)
26 H O H I N Z O L L E 1T I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />
Die Flurnamen der Gemarkung Hausen a. A.<br />
Jauchert oder Fünf-Jauchert am Habstalerweg verdankt<br />
seinen Namen dem alten bekannten Geländeflächenmaß.<br />
Kieferbühl. Die Anhöhe, an deren Fuß auf der Südseite<br />
entlang die Dorfstraße (Schmalzgasse) verläuft, ist der<br />
Kieferbühl. Von allen Hängen in und um Hausen hat diese<br />
Anhöhe die meisten rutschenden Geröllstellen mit lockerem<br />
Kies und Sand, mit Nagelfluhbrocken, mit Letten und Mergel.<br />
Die heutige Form des Hanges läßt deutlich erkenen, daß<br />
im Laufe der Zeiten an ihm größere Abbrüche erfolgt sind.<br />
Die letzte große Erdrutschung war am 24. Juni 1906 bei<br />
einem furchtbaren Hagelwetter mit reißenden Ueberschwemmungswassern,<br />
die in den kiesigen und sandigen Steilhang<br />
oberhalb des Schulhauses eine tiefe Einbuchtung gerissen<br />
haben. Gerölle werden — nach dem Schwäbischen Wörterbuch<br />
4, 365 — im Schwäbischen gelegentlich mit Kiefer bezeichnet,<br />
und so haben wir hier im Kieferbühl ein typisches,<br />
sonst seltenes Beispiel für einen solchen Bühl mit Geröllhang.<br />
Mit gleicher Berechtigung kann man „Kieferbühl" von<br />
kifern = abnagen ableiten.<br />
Knopfwiesen. Knopf ist die Bezeichnung für Kaulquappe,<br />
Froschlarve. In den Knopfwiesen waren also früher<br />
kleine Wassertümpel mit Kaulquappen.<br />
Die Krähenwiesen führen ihren Namen auf die<br />
Krähe (Vögel) zurück. In alten Aufzeichnungen begegnet man<br />
häufig den Krainenwiesen, den Kreenwiesen und den Krägenbächlein.<br />
Man kann aber auch an den Familiennamen Krä<br />
denken, der früher in unserer Gegend vorgekommen ist<br />
(Habsthaler Urbar).<br />
Lachen ist die Bezeichnung der Höhe auf der östlichen<br />
Feldgemarkung nahe dem Weithart. Lache, mhd., bedeutet<br />
Zeichen, Grenzmarke, Markierungspunkt. Der Lachen kennzeichnet<br />
hier die Grenze des Weithart. Feldwärts mag es<br />
auch Grenzzeichen des früher wohl bis dahin reichenden<br />
Flurteiles „Band" = Bann (siehe oben) gewesen sein.<br />
Am alten Landsträßle. Die alte Landstraße führte<br />
vom Oberdorf in südlicher Richtung ein kurzes Stück durch<br />
die Triebgasse, bog dann rechts ab und setzte sich oberhalb<br />
der „Halden", immer auf der Höhe bleibend, südwärts in<br />
Richtung Schwäbiishausen fort. Sie war ein Teilstück der<br />
Hauptverkehrsstraße — besonders für Weinfahrten — Mengen—Hausen—Pfullendorf—Ueberlingen.<br />
Von ihr ist den anliegenden<br />
Aeckern die Bezeichnung „Am alten Landsträßle"<br />
geblieben. Auf der Schwäblishauser Gemarkung ist diese<br />
Straße noch in einer Karte zum Urbar von 1764 (Fürstl.<br />
Fürstenberg. Archiv, Donaueschingen) eingezeichnet. Die Talstraße<br />
Hausen-Schwäblishausen ist erst 1785 unter Fürst Anton<br />
Alois von Sigmaringen ausgebaut worden. Damit hatte<br />
die Straße über die Höhe wegen ihres Umweges vom Unterdorf<br />
aus und wegen ihrer Steigerung ihre Bedeutung als<br />
Landstraße verloren.<br />
Die Lohwiesen, ältere Schreibweise Loowiesen, sind<br />
Wiesen mit sumpfigen Stellen, mit Moorwasser. Loh ist verwandt<br />
mit Gerberlohe und hier die Bezeichnung für beizenden<br />
Moorsumpf.<br />
Der Mönchsacker, führt seinen Namen wohl auf den<br />
Umstand zurück, daß er früher den Mönchen des Klosters<br />
Salem gehört hat. Im Gemeindeurbar von 1730 ist als einziges,<br />
dem „Reichsgotteshaus Salmenschweill" gehörendes<br />
Grundstück eine einmähdige, „in Minacker" gelegene Wiese<br />
genannt deren Lage nach der Beschreibung auf den heutigen<br />
Mönchsacker deutet. Der Mönchs-„Acker" ist also eine Wiese.<br />
Man ist versucht, anzunehmen, daß es sich bei dem Grundstück<br />
um die Wiese handelt, die, der „Acker" genannt, 1297<br />
von Hartnid von Ettisweiler an das Kloster Salem verkauft<br />
worden ist.<br />
Die Mushäberwiesen bringt man wohl am besten<br />
mit Mushaber, aus dem man das Habermus gemacht hat, in<br />
Verbindung.<br />
Paradies, früher häufig Baredeis oder Paradeis geschrieben,<br />
ist der Flurname eines Gewannes links der Krauchenwieserstraße<br />
mit gutem, zarten Boden.<br />
R a i t e 1 n, von Raitel = Prügel, Zaunstecken, sind Wiesen<br />
links des Ettisweiler-Weges, die mit Prügeln oder Pflöcken<br />
abgesteckt waren. Möglicherweise hat auch ein Gebüschstreifen,<br />
eine Raitelhecke, die Wiesen gesäumt.<br />
Rauergeten (Rauh-Ergeten) Egart, Egert, oder Erget,<br />
war unfruchtbares, auf gewisse Zeiten umgebrochenes und<br />
zum Anbau verwendets Grasland. Rauhergeten kennzeichnet<br />
das Wiesengelände als Oedland, das wohl überwiegend<br />
als Weide diente.<br />
von J. Mühlebach<br />
(Fortsetzung und Schluß)<br />
Der Rottelweg führt von der Schmalzgasse durch den<br />
unteren Teil der Embdwiese nach dem Nordhang des Frauenberges<br />
und dann diesem entlang zur Kirche. Die Embdwiese<br />
war früher stark sumpfig und wässerig; noch heute ist sie<br />
von kleinen Quellwassern durchzogen. Rot bedeutet Sumpf.<br />
Der Rottelweg ist also der Weg, der durch den Sumpf oder<br />
diesem entlang führte. Er wird schon in Aufzeichnungen im<br />
15. und 16. Jahrhundert genannt.<br />
Rosengarten. Dieser Flurname ist erst in der zweiten<br />
Hälfte des 18. Jahrhunderts nachweisbar. Im Gemeindeurbar<br />
von 1730 kommt er noch nicht vor. Nach einer im Fürstl.<br />
Hohenz. Archiv befindlichen Flurkarte aus der Zeit um 1750<br />
war das Gelände des heutigen Rosengartens damals noch<br />
Wald. Der Name Rosengarten ist abzuleiten von dem Wort<br />
Röse, Rösse oder Rosse, mhd. rozze = Lache, in der Flachs<br />
gewässert, gerozzelt, d. i. zum Faulen gebracht wird. Dieses<br />
ehemals wässerige Gelände war wegen seiner unmittelbaren<br />
Nachbarschaft zum Egelsee vor dessen Trockenlegung zum<br />
Flachswässern besonders geeignet.<br />
Die Schafäcker auf der südlichen Feldgemarkung<br />
erinnern an die Schafweide, die noch im vorigen Jahrhundert<br />
von der Gemeinde betrieben wurde.<br />
Die Schelmengärten zwischen dem Brühlweg und<br />
der Dorfstraße unweit des Gasthofes zum Adler leiten ihren<br />
Namen von scalmo, das Aas, der Leichnam, ab. Es war dies<br />
früher der Platz, wo verendetes Vieh verscharrt wurde.<br />
Die Schmalzgasse, die Verbindungsstraße zwischen<br />
Oberdorf und Unterdorf, hat im Vergleich zu anderen Dorfstraßen<br />
ihren Vorzug in der sonnseitigen Lage. Gemüse- und<br />
Obstgärten, von kalten Winden geschützt, sind besonders<br />
ertragreich, die Wohnungen behaglich und warm. Wie anderswo<br />
bei Flurbezeichnungen das Schmalz die Kennzeichnung<br />
für solche Vorzüge gegeben hat, so auch bei unserer<br />
Schmalzgasse.<br />
Sengeisthal ist das westlich der Straße nach Rulfingen<br />
von der Hochfläche absinkende Tal bis zur Krauchenwieser<br />
Straße. In Aufzeichnungen im 17. und 18. Jahrhundert finden<br />
sich wechselnd die Bezeichnungen Engelsthal und Sengelsthal.<br />
Man geht wohl nicht fehl, wenn man das Wort vom<br />
Personennamen Engel ableitet. Das Sengeisthal ist des Engels<br />
Tal oder 's Engels Tal. Talbezeichnungen sind häufig mit<br />
Personennamen verbunden. Die heutige Bezeichnung „Sängersthal",<br />
oder gar „Singersthal" ist eine Mißbildung und<br />
findet aus der geschichtlichen Schau keine Stütze.<br />
Die S u i e ist ein sehr seltener und daher schwer zu<br />
deutender Flurname. Wenn man der Flurkarte von Hausen<br />
rechtgeben will, die das im Volksmund allgemein als Suie<br />
benannte Ackergelände als Säuen bezeichnet, müßte man an<br />
einen Zusammenhang mit Sau denken. Dabei konnte sowohl<br />
ein Sau-Gehege als auch —• und dem kommt größere Wahrscheinlichkeit<br />
zu — ein von Wildsäuen, die es früher nachweislich<br />
im nahen Weithart gegeben hat, häufig aufgesuchtes<br />
Ackergelände gemeint sein. Alte Aufzeichnungen nennen<br />
häufig Sayen, Suhe, Suchen und Suchenbühl. Suhe ist nach<br />
dem Schw. Wh. ein kleines Ackerland. Such bedeutet — nach<br />
Buck — einen Weidebezirk. Da die Suie kein kleines, sondern<br />
ein weitgedehntes Ackerland ist, möchte man einer Ableitung<br />
des Wortes von Such = Weidebezirk die größere Berechtigung<br />
zuschreiben. Nicht ausgeschlossen wäre auch die<br />
Deutung des Namens Suhe = Sumpf. Jedenfalls verdient<br />
aber die heute gebräuchliche Form „Suie" gegenüber der in<br />
neuen katasteramtlichen Flurkarten genannten Gewannbezeichnung<br />
„Säuen" den Vorzug.<br />
Die Steinwiesen im oberen Ried rechts der Straße<br />
nach Schwäbiishausen verdanken ihren Namen dem nahen<br />
ehemals großen Steinbruch.<br />
Stockäcker sind wie vielerorts Ackergrundstücke, die<br />
ehemals Wald und nach dessen Abholzung mit Baumstrünken<br />
bestockt waren.<br />
Das Täschle ist eine flache, heute kaum mehr wahrnehmbare<br />
Bodensenkung, die sich von den höher gelegenen<br />
Grabenäckern dem Egelsee zuneigt.<br />
Die Tafeläcker ob dem Kieferbühl, heute mit diesem<br />
Namen kaum mehr genannt, sind die Aecker, bei denen einst<br />
ein Bildstock mit einer Bildtafel gestanden hat.<br />
Das Taubried ist das taube Ried. Taub, mhd. töb, hat<br />
hier den Sinn von öde, feucht, schimmelig, unkultiviert.<br />
Durch die Triebgasse<br />
Weide getrieben.<br />
wurde früher das Vieh auf die
Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 27<br />
Der Volmisgrundim Tal beim Zaunhölzle links der<br />
Krauchenwieser Straße ist ein Flurname, der mit Wahrscheinlichkeit<br />
auf den Personennamen Volmer zurückgeht.<br />
Weingarten. Man weiß, daß im Mittelalter an der<br />
Donau zwischen ihrem oberen Lauf und Ulm Weinbau betrieben<br />
wurde. Das benachbarte Levertsweiler hatte einen<br />
schon im Mittelalter erwähnten „Weinberg". Auf dem Gelände<br />
unseres Weingartens sind früher Reben und Kürbis<br />
angebaut worden.<br />
Die Wolfäcker am Hau erinnern an die Zeiten, in<br />
denen in unseren Wäldern der Wolf heimisch war.<br />
W e i t h a r t. Hart ist der Wald, in den man das Vieh und<br />
die Rosse zur Weide trieb. Uralt ist der Name Wit und Weit<br />
gleich Holz oder Wald. Dem Volke war wohl die Bedeutung<br />
des Wortes Weit schon nicht mehr bekannt, als es bei der<br />
Zusammenfügung der beiden Worte zu Weithart einen „Waldwald"<br />
gemacht hat. Vielleicht hat dabei aber die Tatsache<br />
mitgewirkt, daß der Weithart kein Waldstück im landläufigen<br />
Sinne ist, sondern wegen seiner ungewöhnlich großen Ausdehnung<br />
— von Mengen bis über Mottschieß hinaus vor<br />
Pfullendorf — die Doppelbezeichnung Wald-Wald mit Recht<br />
verdient.<br />
Beim Zaunhölzle, das zwar auf Krauchenwieser<br />
Gemarkung liegt, aber, weil es an unserer Gemarkung angrenzt<br />
und in alten Aufzeichnungen über Hausen häufig genannt<br />
wird, im Rahmen dieser Darstellung eine Anführung<br />
verdient, mag man zunächst an einen mit einem Zaun umgebenen<br />
Wald denken; doch will diese Erklärung nicht recht<br />
befriedigen, wenn man auf die alte Schreibweise Saunhöhle<br />
zurückgeht. Das Schwäbische Wörterbuch setzt<br />
Saunholz gleich Saumholz. Das Saunhölzle, hier ein schmaler,<br />
langgestreckter, zungenförmiger Wald, wäre also der Wald<br />
mit einem langen Saum oder der fast in seinem ganzen Umfang<br />
gesäumte Wald.<br />
Die Flurnamen Bäumlesweg, beim Bild, am Lausheimerweg,<br />
Birkwiesen, Fuchsbühl, Grabenäcker, Hinter den Gru-<br />
ben, Hagelschlagäcker, Halden, Hanfßärten, Hohlgasse, Krautland,<br />
Mittelfeld (unweit des Habsthaler Weges), im Moos,<br />
Moosgraben, Mühlhalden, Mühlwiesen, Riedwiesen, Sägwiesen,<br />
an der Staig, ob dem Steinbruch, im Thal (hier die Fortsetzung<br />
des Dorftales über das Oberdorf hinaus), Waldwiesen,<br />
am Habsthalerweg, am Lausheimerweg, am Levertsweilerweg,<br />
bedürfen keiner Erklärung. Ihre Deutung ergibt sich<br />
von selbst aus dem Sinn der Namen.<br />
Abgegangene Flurnamen: Aichgasse, Aichgreithle,<br />
Aispen (Gemeinde-Aispen), am langen Au (= weg, im Menger<br />
Esch), Auchtert, (hier wurde das Weidevieh zur Nachtzeit<br />
oder beim Morgengrauen zusammengetrieben), Auergeten,<br />
Braunäcker, Breugelwiesen (Breuchelwiesen), Breunenweg,<br />
Bauäcker, Friedhag, in dem Gabler, in dem kurzen Glend, im<br />
vorderen und hinteren Grund, Hirtenwiese (die Wiese, die dem<br />
Dorfhirten als Naturallohn zur freien Nutzung überlassen<br />
wurde), Kirchenäcker, Kreuzburgäcker, (rechts der Rulfinger-<br />
Straße, bei den Band-Aeckern), Kreuzgäßle, Kreuzwegäcker<br />
(im Menger-Esch), Kreuzwiesen, Kreuzader, Krumenäcker (am<br />
Band), am Laagwasser oder Langenwasser (bei der ehemaligen<br />
Säge), Lättenäcker (Läthenäcker), im Mayenkräutle,<br />
Meyenesch, Metzgerwiese, Kleinmösle, Raithle (Reithle),<br />
Reinenäcker, Rettlen, Rosenwiesle, Roßengräntz, Scheible(n)<br />
Aecker und bei dem Scheible (nahe der Triebgasse), Scheuttele-Aecker,<br />
Schreteleäcker, Schrotteläcker, in der Seerz,<br />
Seerzbach, Senenbächle, Stoffeläcker (am Habsthaler Weg),<br />
die Stelle (Sammel- und Lagerplatz für das Weidevieh),<br />
Stählgätter (Stahlgätter), Steinreße (Steinröße), Underwasser<br />
(Unterwasser im Taubried), Weyhengärten (Weihengärten<br />
links der Straße nach Ettisweiler, hinter den Häusern Mauch-<br />
Frick, Wagner, Kernler und Seßler), Zwerchgöhrenhag<br />
(Ueberzwerchgöhrenhag).<br />
* *<br />
Anmerkung: Der Verfasser ist dankbar für Hinweise<br />
auf Zweifel behebende Deutungen der Flurnamen. Wer immer<br />
sich um die Erklärung von Flurnamen bemüht, wird<br />
sich bewußt sein, daß das schwierige Gebiet der Flurnamenforschung<br />
leicht Irrtümern unterworfen ist.<br />
Ein Fuchs mit einem staatspolitischen Schwanz<br />
„Am 12. Oktober kam von Hechingen der Befehl, daß der<br />
Vogt, das Gericht und der Ausschuß am 14. des Monats morgens<br />
um 8 Uhr in der Kanzlei zu erscheinen habe. Sie hätten<br />
den Fronbrief „worauff sie sich gesteiffet, in original" mitzubringen.<br />
Da wurde ihnen der Fronbrief abgenommen und<br />
auf den 21. Oktober die ganze Gemeinde d. h. alle über 14<br />
Jahre alten Leute aufs neue nach Hechingen beordert. Dort<br />
fanden sie ein großes Aufgebot von Soldaten mit „gewehrter<br />
Hand in Bereitschafft, auch den Scharfrichter sambt seinem<br />
Knecht und sollten ihre alten Fronbrief als ungültig erklären<br />
und einen neuen anerkennen und das alles „freiwillig und ohngezwungen."<br />
„Die junge Pursch" ließ man am selben Vormittag<br />
nach Hause gehen, die Verheirateten wurden bis auf den<br />
andern Abend im Rathaus eingesperrt. Da sie sich zu der<br />
verlangten Erklärung nicht bereit fanden, wurden die Gerichtspersonen<br />
unter Bedeckung von 14 Soldaten auf Hohenzollern<br />
gefänglich abgeführt und an „drey absonderliche"<br />
Orte verlegt. Den Schreiber des Gerichts, Jakob Sinz, der<br />
Sprecher der Gemeinde war, habe der Leutnant Sartori JS<br />
folgendermaßen apostrophiert: Gehe hervor, du Schneider!<br />
Bist du der geschlachtet Gesell aus den Reihen hervorzutreten!<br />
Und der Landrichter fügte hinzu: Dein Kopf schmeckt<br />
dir nach dem Galgen; wir wollen dir den andern Fuß auch<br />
noch krumm machen. Dann wurde auch er in den Turm gelegt.<br />
Die im Hechinger Rathaus Inhaftierten wurden inzwischen<br />
bearbeitet, auf das Ansinnen des Fürsten einzugehen.<br />
Damit hatte man keinen Erfolg. Nun wurden sie befragt, ob<br />
sie die Schlichtung der ganzen Angelegenheit den auf dem<br />
Zoller gefangenen Gerichtsmännern anheimgeben wollten.<br />
Ein Teil stimmte zu und blieb zunächst in der freieren Rathaushaft.<br />
Der andere Teil, 34 an der Zahl, verweigerte dieser<br />
Vollmacht die Zustimmung und wurden in die Türme eingelegt<br />
und durch ..Musquetirer" bewacht. Ihnen wurde am folgenden<br />
Tag eröffnet, daß, wenn sie bei ihrer Meinung beharrten,<br />
sie auch auf die Festung kämen und daß „allemahl<br />
ihrer zehn miteinander spielen und einer davon hangen<br />
müßte. Dann verbrachte man diese 34 auf den Zoller und<br />
hielt zusammen mit den Gerichtsmännern im Schloßhof unter<br />
den Gewehren der Garnison eine gemeinsame Beratung<br />
ab. Das Ergebnis war, daß „man gleichwohlen zu Entgehung<br />
größerer besorglicher Gewalt und zu ihrer allerseitigen Be-<br />
von J. R i e g g e r, Pfarrer<br />
(Fortsetzung und Schluß)<br />
freyung dermahlen der Herrschaft in ihrem beschwerlichen<br />
Ansinnen willfahren und nach der Handt zusehen sollte, wie<br />
man etwa der Sach abhelfen mögte." Nach dieser Entschließung<br />
brachte man sie vom Zoller wieder nach Hechingen,<br />
sperrte sie noch eine Nacht ein, ließ am nächsten Tag auch<br />
die Jungen wieder von Owingen kommen zu einer neuen<br />
Huldigung und nun mußten sie unter diesem Druck einen<br />
neuen Fronbrief unterschreiben, der nicht mehr auf freier<br />
Vereinbarung beruhte, sondern vom Landesherrn diktiert<br />
wurde. Sämtliche Unkosten für Verpflegung der Gefangenen,<br />
des Militärs, des Landrichters, Scharfrichters und aller andern<br />
Beamten gingen zu Lasten der Unterlegenen. Am<br />
schlimmsten erging es dem Weib, das den Wirt durch ihren<br />
Zuruf stutzig und von der Arbeit abspenstig gemacht hatte.<br />
Sie wurde geholt, „über Nacht in den tiefsten Thurm gelegt,<br />
folgenden Tags auff den Pranger gestellt, mit Ruthen empfindlich<br />
hinausgestrichen und anbey des Landts auff ewig<br />
verwiesen".<br />
In dem neuen Fronbrief tut der Fürst „jedermänniglich<br />
kundt, demnach wider unsere hohe Persohn unsere Leibaigenen<br />
Underthanen des Fleckhens Owingen sich boßhaffter<br />
Weiße höchststräflich vergrifen. daß sie sich understanden,<br />
auff der Jagt unß nur mit zway Underthanen nicht an<br />
Händen zu gehen, sondern recht widersetziglich solches abzuschlagen<br />
.... undt unß gantz wohl erinerlichen, daß Sie<br />
Oebinger zu der in anno 1619 entstandenen General Rebellion<br />
eben auch dieße Freiheits Sach verlaidet hat... Wegen<br />
dieses verübten Aufstandes und Widersetzlichkeit werden sie<br />
auf ewige Zeiten ihrer Freiheiten beraubt, der alte Fronbrief<br />
wird kassiert, sie selbst gleich den andern Untertanen zu<br />
allem Fronen und Jagen verpflichtet und obendrein mußten<br />
sie die 313 Gulden nach dem alten Fronbrief bezahlen. Die<br />
Lasten des früheren Fronbriefs blieben also bestehen und<br />
hinzu kamen jährlich 8 Tage Frondienst mit Leib, Roßen und<br />
Wägen, 50 Klafter Fronholz zu hauen und nach Hechingen<br />
zu führen, sowie die willkürlichen Jagdfronen. Als besonderes<br />
Entgegenkommen wird ihnen gnädigst zugestanden, daß<br />
sie beim Aussterben des Fürstenhauses zu keinen Frondiensten<br />
mehr sollten verpflichtet sein.<br />
Daß die Owinger es bei dieser Wendung der Dinge nicht<br />
bewenden ließen, kann man sich denken. Sie wandten sich an
28<br />
das kaiserliche Kammergericht in Rottweil, bei dem ja ihr<br />
alter Fronbrief hinterlegt war und beantragten, den früheren<br />
Rechtszustand wieder herzustellen.<br />
Unter dem 5. Januar 1700 erging an den Fürsten ein kaiserliches<br />
Mandat, nach dem der durch Gewalt erpreßte neue<br />
Fronbrief für rechtswidrig erklärt wird. Selbst wenn man<br />
annehme, daß die Verweigerung der Hilfe ein sträflicher<br />
Ungehorsam sei, was aber bei der Freiheit von Jagdfronen<br />
nicht zutreffe, dann könne man unmöglich eine ganze Gemeinde<br />
dafür haftbar machen, noch weniger dürfe man dann<br />
die für die Freiheit erlegte Geldsumme weiterhin fordern.<br />
Nebenbei wird noch hingewiesen auf die „allzugroße Beschwerd<br />
der sambtlichen hierüber hefftig lamentierenden<br />
Landschafft", von der statt der klar festgelegten Leistungen<br />
beliebig unbestimmte verlangt würden, z. B. statt 8 bisweilen<br />
9 bis 10 Tage Frondienst sogar an Fest-, Sonn- und Feiertagen.<br />
Für den „Fleck Aubingen" komme noch erschwerend<br />
hinzu, daß er für die Leistung der Fron- und Jagddienste<br />
unter allen Gemeinden am weitesten abgelegen sei und „wegen<br />
der bey ereignenden großen Gewässer manchmahlen<br />
überfließenden Wassers, die They (Eyach) genannt, auß dem<br />
Flecken biß zu dessen Niederlegung nicht zu kommen vermöchte."<br />
Ohne der Kläger gänzlichen Ruin könne diese doppelte,<br />
ja mehr als dreifache Beschwerde gar nicht gefordert<br />
werden. Vielmehr seien sie „in ihren vorigen Befreyungs-<br />
Standt vollkommentlich wieder einzusetzen" ohne die mit<br />
Gewalt und Todesdrohung erpreßten neuen Verpflichtungen.<br />
Nachdem das kaiserliche Mandat noch eine Reihe von Entscheidungen<br />
namhafter Rechtsgelehrten angeführt hat, schließt<br />
es mit folgendem allerhöchstem Bescheid:<br />
„So gebiethen Wir Deiner Liebden und Euch Mitbeklagten<br />
von Römisch Kaiserlicher Macht und bey Poen (Strafe) Zehen<br />
Mark löthigen Goldes — halb in Unsere Kaiserliche Cammer<br />
und zum andern halben Theill denen Inpetranten (Klägern)<br />
ohnnachlässig zu bezahlen — hiermit ernstlich und wollen,<br />
daß der mit Gewalt und gegen alle Geist- und Weltlichen<br />
Rechte erzwungene Frohnbrief als null und nichtig kassiert<br />
und gäntzlich aufgehoben, sodann den gewalttätig abgenommenen<br />
Revers und die alten Pergamentinnen Freiheytsbrief<br />
samt allen (Straf) Geldern ohngesaumt restituiert werden."<br />
„Die Kläger sollen bei ihren alten Freiheiten belassen und<br />
mit keinen weiteren Frondienst beschwert werden, „als<br />
lieb Ihro und Euch seyn mag, obangeregte Poen zu vermeiden".<br />
Endlich wird noch befohlen, daß die Kläger an ihrem<br />
Hab und Gut in keiner Weise geschädigt auch ihre Recht»<br />
beistände (Advokaten, Notare und Schreiber) nicht im geringsten<br />
bedroht würden. Auch dafür wird die Poen von 10 Mark<br />
löthigen Goldes angedroht. Zuletzt wird der Fürst bezw. sein<br />
Vertreter vor das kaiserliche Kammergericht vorgeladen,<br />
H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />
falls er gegen dieses Urteil begründeten Einspruch zu erheben<br />
habe. Das kaiserliche Mandat ist also offenbar nicht als<br />
Folge einer Verhandlung vor dem Kammergericht, sondern<br />
als vorläufiges Urteil auf die Anklage der Unterthanen hin<br />
ergangen.<br />
Unterzeichnet ist es von Johann Adam Weikhart Dr. Kayserlichen<br />
Cammergerichts Canzley Verwaltern m. pr., Jacobus<br />
Michael Ltus (Licentiatus) Judicii Imerialis Camerae<br />
(Kaiserl. Kammergerichts) Protonotarius m. pr. und Petrus<br />
Rank Imp. Cam jud. Lector m. pr.<br />
Den Schluß bildet der Bericht des Kayserlichen Cammerbotten,<br />
der das Mandat den Beteiligten zuzustellen hatte. Am<br />
24. Jan. 1700 erschien er in der Stadt Hechingen, meldete<br />
sich bei der Hochfürstlichen Regierungskanzlei, wurde gleich<br />
in die „Regierungs-Stuben" berufen und übergab dem Kanzler<br />
Paul Stengel das Mandat im Original und einer Kopie,<br />
samt den Beilagen. Nachdem der Kanzler davon Kenntnis<br />
genom.men, erhielt der Bote das Original zurück. Der gleiche<br />
Vorgang wiederholte sich bei den Herrn Räten, dann bei<br />
dem Herrn Landrichter Paul Parrate (Baratti) im Schloß.<br />
Zuletzt ritt er am gleichen Tag auf die Burg. Dort wurde er<br />
gar nicht eingelassen. Der Herr Leutenant Sartorius schickte<br />
einen Soldaten heraus, der das Mandat entgegennahm und<br />
alsbald wieder erschien mit dem Vermelden, die Sache gehe<br />
den H. Leutenant nichts an, er solle die Sach anderstwohin<br />
tragen. Dazu hatte der Bote keinen Auftrag und nahm die<br />
Akten nicht mehr an. Während die zwei vor dem Tor verhandelten,<br />
rief der Leutnant von der Mauer herunter, er<br />
solle die Sachen nur wieder mitnehmen, wo nicht, werde er<br />
sie zum Berg hinunterwerfen lassen. Der Soldat legte die<br />
Schreiben auf den Sattel des Pferdes, von wo sie auf der andern<br />
Seite gleich wieder herunterfielen. Der Kammerbote<br />
ließ sie liegen, schwang sich auf sein Pferd und machte sich<br />
eilends aus dem Staub. Am Ende besorgte er, er könnte sonst<br />
den Rückweg nicht mehr finden.<br />
„So alles geschehen im Jahr, Monat, Tag, Stund und Orth<br />
wie obgemeldet.<br />
Henricus Kirschbaum Bottenmaister m. pr.<br />
Ein Einspruch des Fürsten gegen dieses Urteil des Reichskammergerichts<br />
ist offenbar nicht erfolgt. Wahrscheinlich<br />
fügte er sich knirschend der höheren Gewalt, bezahlte die<br />
Kammertaxe mit 3 Rthler 18 Kreuzer und wartete auf eine<br />
bessere Gelegenheit, sich an den widerspenstigen Bauern<br />
schadlos zu halten.<br />
Die Owinger aber hatten dieses Mal allen Grund, den Tag,<br />
an dem sie einen Teil ihrer Freiheit unter schwerer Bedrängnis<br />
gerettet hatten, im Kalender rot anzustreichen<br />
und auf lange Zeit hinaus festlich zu begehen.<br />
Die Hechinger Bürgergarde — einst und jetzt<br />
Wenn die Hechinger Bürgergarde über die Pfingsttage 1954<br />
in den Mauern ihrer <strong>Heimat</strong>stadt das große Bürgerwehr-<br />
Treffen durchzuführen die Ehre hat, so scheint mir dieser<br />
Anlaß besonders dazu angetan, die Geschichte dieser Vereinigung<br />
einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Dieser<br />
Streifzug in die Vergangenheit dürfte nicht nur bei jedem<br />
<strong>Heimat</strong>freund Interesse hervorrufen, sondern auch jenen<br />
Bürgern, die unsere Tätigkeit oft im falschen Licht sehen,<br />
von dem wahren Sinn unserer Sache ein klares Bild geben.<br />
Doch bevor ich die Seiten der Chronik zurückblättere, möchte<br />
ich auf eine immer wieder gehörte Frage eine kurze Antwort<br />
geben:<br />
„Was hat eine Bürgerwehr heute noch zu bedeuten?"<br />
Die Stadtgarden und Milizen, die sich im südwestdeutschen<br />
Raum nur noch in wenigen Gemeinden bis heute erhalten<br />
haben, sind weiter nichts als ein äußerliches Ueberbleibsel<br />
aus mittelalterlicher Zeit.<br />
Vorgänger dieser heutigen Vereine waren die Wehrgemeinschaften<br />
unserer Vorfahren. Dieses Erbe unserer Ahnen<br />
kann in den Begriffen „<strong>Heimat</strong>liebe und <strong>Heimat</strong>treue" zusammengefaßt<br />
werden; und diese Tradition zu pflegen, haben<br />
sich unsere heutigen Bürgerwehren zur Aufgabe gemacht.<br />
Natürlicherweise haben sich die Aufgaben dieser Gemeinschaften<br />
im Wandel der Zeiten geändert. War es früher<br />
ihre Bestimmung, persönliches Eigentum zu schützen, so treten<br />
sie heute in der Hauptsache zur Verschönerung kirchlicher<br />
und weltlicher Festlichkeiten in Erscheinung. Der Geist<br />
und die Kameradschaft dieser Männer sind gleich geblieben.<br />
Wenn auch Aufzeichnungen und Urkunden aus den früheren<br />
Zeiten nur sehr lückenhaft vorhanden sind, so kann man<br />
sich anhand des vorhandenen Materials doch ein ungefähres<br />
Bild machen, wie die Bürgerwehr unserer Vorfahren ausge-<br />
sehen haben mag, welchen Zweck sie hatte und wie sich<br />
ihr Werdegang bis heute vollzog.<br />
Die Geschichte unserer Bürgergarden ist ein Stück Ortsgeschichte,<br />
und ich möchte deshalb unsere Hechinger Betrachtung<br />
beginnen um die Zeit Karl d. Gr., also vor nunmehr<br />
fast 1200 Jahren. Aus dem Jahre 786 nämlich stammt die<br />
erste urkundliche Nachricht unseres <strong>Heimat</strong>ortes, der als<br />
„Hachingum" genannnt wird. (Wahrscheinlich ist aber die<br />
Siedlung, aus der sich Hechingen entwickelte, schon um das<br />
Jahr 300 entstanden.) Natürlich reicht die Geschichte unserer<br />
Bürgerwehren nicht so weit zurück, denn sie beginnt eigentlich<br />
erst mit dem Entstehen der Städte. „Hachingum" wurde<br />
damals (786) nur als Weiler oder Dorf (Vicus) bezeichnet,<br />
obwohl er als Hauptort der „Hattenhuntare" (Gau) schon<br />
damals eine gewisse Vorrangstellung hatte.<br />
Im Jahre 1255 wird Hechingen zum ersten Male urkundlich<br />
als Stadt erwähnt, also zu einem Zeitpunkt, indem die<br />
meisten alten Städte unserer Gegend entstanden sind. (Reutlingen,<br />
Eßlingen 1208; Tübingen 1231; Sigmaringen 1275;<br />
Rottenburg 1284; Stuttgart 1286). Mit der Erhebung zur Stadt<br />
waren besondere Vorrechte verbunden. Eine Stadt war it<br />
gewissem Sinne eine Festung oder Burg, die ihren Einwohnern<br />
Schutz bot. Da die Zeiten sehr unruhig waren, mag<br />
die Stadtmauer dazu beigetragen haben, daß mancher Auswärtige<br />
hinter ihrer Geborgenheit Wohnung nahm. Es ist<br />
auch anzunehmen, daß viele Bewohner des ursprünglichen<br />
Dorfes Hechingen im Tal der Starzel, in die jetzige Oberstadt<br />
hinaufgezogen sind und Bürger wurden. Die Oberstadt<br />
ist wahrscheinlich damals erst neu angelegt worden. Da im<br />
Mittelalter eine Stadt ohne Befestigung nicht denkbar ist,<br />
muß damals schon eine Stadtmauer bestanden haben. Auf<br />
diese Befestigung weist ja auch der Name „Bürger" hin, dmq
Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 29<br />
er kennzeichnet den Städter als Bewohner einer Burg, d. h.<br />
einer befestigten Ortschaft.<br />
Gerade in dieser Zeit beginnt wohl auch die früheste Geschichte<br />
unserer Bürgerwehr. Jeder rechtschaffene und wehrfähige<br />
Bürger hatte sich im Notfalle zu wehren und seine<br />
Stadt zu verteidigen. Wer Bürger war, war auch Wehrmann.<br />
Nicht jeder Einwohner durfte sich „Bürger" nennen. Das<br />
Bürgerrecht setzte gewisse Bedingungen voraus. Also war<br />
schon diese „Wehr der Bürger" eine Auswahl der unbescholtenen,<br />
freien Einwohner der Stadt.<br />
Die erste nähere Aufzeichnung über die „Wehrpflicht" unserer<br />
Vorfahren können wir einer Beschreibung des „Jahrgerichts"<br />
entnehmen, welches zu jener Zeit ja allerorts abgehalten<br />
wurde. Unsere Hechinger Chronik berichtet schon im<br />
Jahre 1544:<br />
„Alljährlich am Hilariatag (13. Januar), dem „Klärestag", berief<br />
der gräfliche Stadtschultheiß die städtischen Bürger zum<br />
Jahresgericht."<br />
Und aus dem Jahre 1579 finden wir folgende Beschreibung<br />
dieses Verfahrens:<br />
„Der Obervogt hielt an die Untertanen eine Ermahnungsrede,<br />
und der Untervogt (Schultheiß) las die Landesordnung<br />
vollständig vor. Darauf hatte jeder Bürger bei seinem Eid<br />
anzuzeigen, was er Rügbares wisse. Die neu aufgenommenen<br />
Bürger mußten sich in voller Ausrüstung zeigen, mit Harnisch,<br />
Sturmhaube, Hellebarde, Knobel- oder langem Spieß,<br />
Haken oder Rappier, die Schützen mit Muskete, Schützenröcklein<br />
und allem Zugehör."<br />
Diese „Burger" waren also schon damals Soldaten der<br />
Stadt, allerdings ausschließlich mit dem Zweck, Wohnung,<br />
sonstigen Besitz und ihre Familie vor Raubgesindel, Kriegsvolk,<br />
aber auch vor Feuer und sonstiger Not zu schützen.<br />
Sie griffen also nicht zu den Waffen, um in der Ferne Eroberungen<br />
zu machen oder gar politische Ziele zu verfolgen.<br />
Daß unsere Altväter mutig und entschlossen zusammenhielten,<br />
wenn es galt, die durch Not und Krieg oft klein gewordene<br />
Habe zu verteidigen, geht aus einem kleinen Bericht<br />
aus der Zeit nach dem 30jährigen Krieg hervor.<br />
Viel Not und Elend hat dieser endlose Krieg auch über<br />
unsere <strong>Heimat</strong> gebracht. Aber auch nach dem „Westfälischen<br />
Frieden" blieben die Besatzungstruppen noch zwei volle<br />
Jahre im Land. Die Burg Hohenzoilern war noch von kurbayerischen<br />
Kriegern — als Pfand für rückständige Kriegsschulden<br />
— besetzt, und sie sollen nicht viel anders als in<br />
Feindesland gehaust haben. Im Frühjahr 1649 trieben die<br />
Soldaten das am Zollerberg weidende Vieh von Hechinger<br />
Bürgern auf die Bürg. Als später zwei von ihnen einen<br />
Weideplatz wieder absuchen wollten, stießen sie in einem<br />
Hinterhalt auf 60 „bewehrte Hechinger Bürger", denen einer<br />
der Musketiere in die Hände fiel.<br />
Ihre altvererbten Rechte und Freiheiten verfochten unsere<br />
Vorfahren mit allen Mitteln. Der über eineinhalb Jahrhunderte<br />
immer wieder aufflackernde Kampf um die „Freie<br />
Pirsch" (1651—1796) wurde so verbissen geführt, daß die Bürger<br />
zu offenen Fehden gegen den Fürsten übergingen.<br />
Nach dem siebten Aufstand im Jahre 1701 befreite die<br />
„bewaffnete Bürgerschaft" gewaltsam einige gefangen gehaltene<br />
Anführer der Aufständischen, forderte die Gefängnisschlüssel<br />
und erklärte, sie würde keine Bürger verhaften<br />
lassen.<br />
Daß aber solche Ausschreitungen gegen die Obrigkeit nicht<br />
die Regel waren, beweisen folgende Ausschnitte aus den<br />
Stadtgerichtsprotokollen. Im Jahre 1751 wird dort berichtet:<br />
„Zur Geburt des Erbprinzen findet ein Festmahl statt, bei<br />
der auf Weisung des Stadtgerichts eine Anzahl wohlexerzierter<br />
Bürger mit ihren Feuergewehren 3 Salven abgeben."<br />
Die folgenden Berichte zeigen, daß die Stadtwache damals<br />
sehr genau und streng gehalten wurde und im Leben der<br />
Bürger einen nicht unwesentlichen Raum beanspruchte. Im<br />
Jahre 1757 finden wir folgende Eintragung:<br />
„Die Wache an den Toren solle man keinen halbwüchsigen<br />
Buben Uberlassen. Die Bürger sollen die Wachen selbst mit<br />
Unter- und Obergewehr am oberen und unteren Tore gewissenhaft<br />
halten, da zu dieser unsicheren Kriegszeit viel Gesindel<br />
mit falschen Pässen komme. Und wenn einer der<br />
fürstlichen Räte ein und ausgehe, solle jedesmal nach Schuldigkeit<br />
das Gewehr präsentiert werden."<br />
Und 1766 befiehlt der Stadtschultheiß den beiden Bürgermeistern<br />
folgendes genau zu besorgen:<br />
1. Zwei tüchtige Männer sollen täglich beim unteren und<br />
oberen Tore die Wache halten.<br />
2. Sie sollen einen weißen Zwilchkittel mit roten Aufschlägen<br />
tragen.<br />
3. Es sollen auch brauchbare Flinten beschafft werden und<br />
4. die Wächter allezeit, wenn Hochfürstliche Durchlaucht und<br />
Geheimde Räthe passieren, präsentieren können.<br />
Aus diesen Ausführungen ist zu ersehen, welche Aufgabe<br />
eine Bürgerwehr die ersten Jahrhunderte nach der Entstehung<br />
der Städte zu erfüllen hatte. Erst später, als die<br />
fortschreitende Technisierung und andere politische Verhältnisse<br />
eine Bürgerwehr in diesem Sinne überholt hatten, ent-<br />
Biirgergarde Hechingen Foto-Keidel, Hechingen<br />
wickelten sie sich langsam zu dem, was sie heute noch darstellen.<br />
Im 18. Jahrhundert hören wir in Hechingen zum erstenmal<br />
von einer „Bürgergard e", die bei öffentlichen<br />
Anlässen mit repräsentativem Charakter auftritt. Die Chronik<br />
unserer Stadt berichtet im Jahre 1779:<br />
„Ueber den feierlichen Einzug der am 26. Juli vermählten<br />
Braut des Grafen und nachmaligen Fürsten Hermann, der<br />
Gräfin Antonie von Waldburg-Zeil-Wurzach, sagt das städtische<br />
Audienzprotokoll unter anderem: Die Bürgerschaft hatte<br />
eine Parade von Reiterei und Fußvolk in fünf Kompanien<br />
veranstaltet. Das fürstliche Kontingent zu Fuß war unter<br />
Hauptmann von Hövel auf der Terrasse vor dem Schloß in<br />
einer Reihe zu einem Lauffeuer gerichtet. Büchsenschüsse<br />
der Jäger, Kanonendonner von der Burg ertönten."<br />
Daraus ist klar zu ersehen, daß die damalige Bürgergarde<br />
mit den regulären fürstlichen Truppen nichts zu tun hatte,<br />
sondern eine reine Sache der Bürgerschaft war, mit dem<br />
Zwecke, Feste zu verschönern und den Impulsen der Einwohnerschaft<br />
sichtbaren Ausdruck zu verleihen.<br />
Aber auch bei anderen Anlässen trat die Bürgergarde als<br />
Vertretung der Einwohnerschaft in Erscheinung. So lesen<br />
wir im Jahre 1797:<br />
„Am 28. Juli abends 8 Uhr fand die Beisetzung der Fürstin<br />
von Fürstenberg, nachdem der Leichnam zwei Tage lang in<br />
der Schloßkapelle aufgebahrt, in folgender Ordnung statt:<br />
Kammerdiener Francois, ein Offizier mit den ganzen fürstl.<br />
Kontingent, verstimmten Trommeln und Pfeifen . . . usw.<br />
Am Schluß sind genannt: Der Stadtmagistrat, die Bürgerschaft<br />
und endlich eine Bürgerkompanie."<br />
Im 19. Jahrhundert war es ein frohes Ereignis, das Anlaß<br />
gab, über das Wirken der Hechinger Bürgergarde zu berichten.<br />
Es war die Vermählung des Erbprinzen Konstantin,<br />
des letzten Fürsten von Hohenzollern-Hechingen, mit der<br />
Prinzessin Eugenie von Leuchtenberg und Eichstädt, der großen<br />
Wohltäterin unserer Stadt. Unsere Chronik berichtet<br />
darüber:<br />
„Am 3. Juni 1826 hielt das junge Paar seinen Einzug in<br />
Hechingen. Am Eingang zur Stadt in der Herrenackerstraße<br />
stand eine prächtige Ehrenpforte, auf der ein Musikkorps<br />
spielte. Berittene Förster, eine Bürgergarde zu Fuß und zu<br />
Pferde, die Behörden, die Bürgerkollegien, die Schuljugend<br />
und die übrige Einwohnerschaft bewillkommten mit Ansprachen<br />
und lautem Jubel die Neuvermählten."<br />
„Am 4. Juni fuhr unter Ehrengeleit der Bürgergarde das<br />
Erbprinzenpaar die durch lodernde Flammen erhellte obere<br />
Lindichstraße entlang zum Tore der nunmehrigen Villa<br />
Eugenia . . . ."<br />
Diese Berichte zeigen uns, daß die Zeit der letzten Hechinger<br />
Fürsten auch die Glanzzeit der Hechinger Bürgergarde<br />
war. Schon zweieinhalb Jahrzehnte später, im Jahre 1848,<br />
warf die Pariser Februarrevolution ihre Schatten auch in<br />
unsere <strong>Heimat</strong>. Aus der Bürgergarde wurde eine Bürgerwehr<br />
im Sinne der allgemeinen Volksbewaffnung. Die Bevölkerung<br />
versuchte bei dieser Gelegenheit, die noch verbliebenen<br />
Feudallasten abzuschütteln. Es kam zu großen<br />
Ausschreitungen der Landbevölkerung, die sich gegen den
30 H O II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />
Fürsten richteten. Anlaß zur Aufstellung der Bürgerwehr<br />
gab aber erst der sogenannte „Franzosenlärm". Nachrichten,<br />
daß 30 bis 40 000 Franzosen über Baden schon in Württemberg<br />
eingefallen seien, bewogen den damaligen Stadtamtsverweser<br />
Baur, die waffenfähige Mannschaft zur Gegenwehr<br />
aufzufordern. Es wurde anfangs sogar empfohlen, wo<br />
Waffen fehlten, zu Sensen, Dreschflegeln und Heugabeln zu<br />
greifen.<br />
Inzwischen hatten sich schon eine Anzahl ehemaliger Soldaten<br />
und waffenkundiger Männer zu einer „Bürgerwache"<br />
zusammengetan, die nun Wachdienste tat. Kurz darauf<br />
wurde dann die eigentliche Bürgerwehr aufgestellt. In der<br />
Hechinger Stadtchronik heißt es:<br />
„Am 26. März begann die Bildung einer Bürgerwehr, i bis<br />
500 Mann stark, wurde sie in vier Kompanien mit je 3<br />
Offizieren eingeteilt. Bataillonskommandeur war anfangs der<br />
Zimmermeister Gebhart Hecht, der unter Napoleon gedient.<br />
Sein Adjutant wurde der Regierungsdirektor von Wangenheim,<br />
später übernahm das Kommando Hofmarschall von<br />
Crousaz. Auf Befehl des Fürsten bildete sich aus dem Orchester<br />
unter dem Kammermusikus Wichtl eine vorzügliche<br />
Janitscharenmusik, die jedesmal mit dem Bataillon ausrückte.<br />
In den ersten Monaten wurde jeden Tag im „Fiele"<br />
exerziert. Instruktor war der ehemalige Sergeant des fürstl.<br />
Militärs Basso. Später wurde nur noch sonntags, und zwar<br />
nach dem Martinsberg ausgerückt. Die erste Kompanie bestand<br />
aus der ledigen Mannschaft, die mit Musketen versehen,<br />
auch Schießübungen hielt."<br />
„Am 15. Juli feierte die Bürgerwehr die Wahl des Erzherzog<br />
Johann zum Reichsverweser mit Zapfenstreich, Gottesdienst<br />
und Parade und huldigte gleichwie das fürstliche Militär<br />
dem Reichsoberhaupte."<br />
Am 16. August hatte sich die Bürgerwehr zum Abschied<br />
des nach Schlesien sich zurückziehenden Fürsten vor der<br />
Villa Eugenia aufgestellt. Am 7. September machte die Bürgerwehr<br />
einen Marsch nach Balingen. Im folgenden Jahre<br />
1849 hören wir zum letzten Mal von der im März 1848 gegründeten<br />
Bürgerwehr. In der Chronik heißt es:<br />
„An der Beerdigung des hier verstorbenen Abgeordneten<br />
Baur nahmen der Stadtrat, die Bürgerwehren von Hechingen<br />
und Sickingen und die Märzvereine des Landes teil."<br />
„Am 17. Mai dieses Jahres ließ die Regierung das Militär<br />
und die Bürgerwehr auf die Reichsverfassung vereidigen.<br />
Am 1. Oktober 1935 hörte Hermannsdorf auf, eine eigene<br />
Gemeinde zu sein und wurde Burladingen eingegliedert,<br />
aus dessen Gemarkung es vor 130 Jahren herausgeschnitten<br />
wurde. Nämlich erst im Jahre 1804 ist Name und Dorf Hermannsdorf<br />
entstanden. Damals wurden zwei fürstlich-hechingische<br />
Domänen von Hermann Friedrich Otto, dem damaligen<br />
Landesherrn an Siedler aus dem benachbarten Württemberg<br />
aufgeteilt. Schon vorher hatte der Hofrat Ziegler<br />
dem Fürsten vorgeschlagen, den Hof der Wildhütten, der<br />
heute sogenannten Küche, (die ohne Zweifel den Namen von<br />
dem Küchengebäude der fürstlichen Jagdhütte hat) und den<br />
kurz zuvor benannten Hermannshof aus ökonomischen Vorteilen<br />
zu zertrennen und als kleine Güter gegen ein jährliches<br />
Lehengeld und ewige Fruchtabgaben (als sog. Gült)<br />
auszuleihen. Die Verhandlungen fanden am 4. September<br />
1804 zu Burladingen statt. Da die Höfe auf 9 Jahre verpachtet<br />
waren um jährlich 1500 Gulden, und erst 2 Jahre<br />
dieser Zeit verstrichen, mußten die Pächter erst abgefunden<br />
werden. Sodann plante man 20 Teile zu machen und wählte<br />
von den 70 Bewerbern die besten heraus, und zwar lauter<br />
fremde! Die Namen der ersten Siedler sind Weber, Weiß,<br />
Bleßing, Glogaus, Stiefel, Förster, Stark, Braun, Kümmerle,<br />
Klein, Baur, Schimming, Müller, Kapel und Heinisch. Sie<br />
stammten aus den Oberämtern Kirchheim u. T, und Göppingen.<br />
Den Evangelischen wurde freie Religionsausübung<br />
und Lehrer und Schule auf eigene Kosten zugestanden. Das<br />
Verhältnis der erst später zahlreicheren Katholiken zur<br />
Pfarrei Burladingen war noch um 1850 nicht geregelt, wenn<br />
auch seit 1847 dortselbst eigene Standesbücher für Hermannsdorf<br />
geführt werden.<br />
Hermannsdorf<br />
Die neuen Landeskinder erhielten Steuerfreiheit für 15<br />
und Fronfreiheit für 5 Jahre, jeder Erblehenhof 36 Jauchert<br />
(ä 33,68 ar) Feld für Aecker, das teils noch kultiviert<br />
werden mußte, 8 Jauchert Wiesen und 1 Jauchert Krautland.<br />
Auf der Wildhütten (später Küche) wurden 6 Höfe errichtet:<br />
1. Braun, 2. und 3. Klein, 4. Stiefel, 5. Stiefel, 6.<br />
Kümmerle. Diesen überließ man die große Scheuer mit Stall<br />
und die kleinen Ställe für 650 Gulden, ferner das Cavalierhaus<br />
samt Keller und Vorkeller und das zusammengefallene<br />
Gülthaus für 240 fl. Außerdem noch den alten Reitstall und<br />
das Schäferhäusle.<br />
Bei dem „neuen Hof" (jetzt Hermannsdorf) wurden weitere<br />
14 Teile gebildet, wobei Joh. Friedr. Weber die Weinschankgerechtigkeit<br />
erhielt gegen jährliche Zahlung des Um-<br />
Die Vereidigung des Militärs geschah auf dem Schloßplatz,<br />
der Bürgerwehr vor dem Rathause."<br />
Schon am 6. August dieses Jahres rückten preußische Truppen<br />
in Hechingen ein, und im Dezember wurde der Staatsvertrag<br />
wegen Abtretung der hohenzollerischen Fürstentümer<br />
an Preußen unterzeichnet.<br />
Damit ging die alte Tradition der Bürgergarde zu Ende.<br />
Nocheinmal im Jahre 1905, es waren angesehene Hechinger<br />
Bürger, die im Rahmen einer „Vereinigung zur Erhaltung<br />
alter Volkssitten eine „Inaktive Bürgerwehr-Kompanie"<br />
gründeten. Sie war 20 Mann stark, und ihre Aufmachung<br />
war unserer heutigen Uniform sehr ähnlich. Noch vorhandene<br />
Akten aus den Jahren 1905—06, worunter auch der<br />
„Letzte Kompanie-Befehl" sich befindet, zeigen uns, daß<br />
auch diese Bürger-Kompanie eine kurze Lebensdauer hatte.<br />
Wieder vergingen fast 50 Jahre, bis sich 1950 eine Handvoll<br />
heimatverbundener junger Männer zusammentaten und<br />
mit viel Eifer und Liebe sich bemühten, dieses Stück „Alt-<br />
Hechingen" der Vergessenheit zu entreißen und zu neuem<br />
Leben zu erwecken. Zunächst gelang es, eine Knüppelmusik<br />
aufzustellen, die in unserer heutigen Uniform ausrückte und<br />
bei der Bevölkerung allgemeinen Anklang fand. Durch opfervolle<br />
Arbeit aller Mitglieder kam ein Jahr später auch der<br />
Musketier-Zug mit Fahnenabteilung dazu. So bekam Hechingen<br />
wieder seine Bürgergarde, die inzwischen bei vielen Anlässen<br />
in der <strong>Heimat</strong>stadt und auch auswärts, die alte Tradition<br />
der Vorfahren weiterträgt. Alljährlich nimmt sie auch<br />
als Ehrenspalier des Allerheiligsten an der Fronleichnamsprozession<br />
teil. Aber nicht nur in dekorativem Auftreten<br />
sieht die Hechinger Bürgergarde ihre Aufgabe begrenzt,<br />
sondern sie pflegt in Vorträgen und -Diskussionsabenden<br />
auch eine lebendige Volks- und <strong>Heimat</strong>kunde. Auch das<br />
Wiedererstehen der Hechinger Volkstrachtengruppe ist auf<br />
die Initiative der Bürgergarde zurückzuführen.<br />
Als Motiv und Leitwort hat sich diese Vereinigung den<br />
schönen Spruch auf die Fahne geschrieben:<br />
„In Treue zur <strong>Heimat</strong>".<br />
Vitus Mayer-Hechingen.<br />
gelds (Getränksteuer). Auch hier verkaufte man die vorhandenen<br />
Gebäude den Siedlern gegen annehmbare Bezahlung.<br />
(Da vom erst letzte Zeit verkauften fürstlichen Hof zu Hermannsdorf<br />
dabei nicht die Rede ist, scheint dieser erst nachträglich<br />
wieder in die Hand der Herrschaft zurückgefallen<br />
zu sein!) Zu den Neubauten, die dorfweise zusammengerückt<br />
werden mußten, wurde billiges Holz abgegeben. Die Höfe<br />
waren also nur geliehen, konnten aber an die Kinder vererbt,<br />
auch mit Bewilligung der Herrschaft verkauft und vertauscht,<br />
aber höchstens in 2 Teile geteilt werden. Zwei<br />
Brunnen verspricht die Herrschaft zu bauen, die aber dann<br />
von der Gemeinde unterhalten werden müssen. Jeder Hof<br />
erhält 5 Klafter Buchenbrennholz und 2 Klafter Tannenholz<br />
gegen 3 bezw. 2 Gulden pro Klafter, deren Scheiter 4<br />
Schuh lang und 7 Schuh hoch und breit gebeigt waren. Bei<br />
Antritt des Gutes mußten die Siedler 240 Gulden zahlen,<br />
bei einem halben die Hälfte. Bei Veränderungen durch Erbschaft,<br />
Tausch, dagegen 40 fl, als Erschatz, und bei Verkauf<br />
und Wegzug außerdem noch 25 fl. Bei Uebergabe an die<br />
eigenen Kinder hat man den Erschatz von 40 fl. ganz erlassen.<br />
Zehnten brauchten die Neubauern 5 Jahre keinen zu<br />
geben, auch später nicht von Futter, Hanf, Kraut, Esper<br />
(also Kleinzehnten, daher wohl die Schwierigkeit wegen der<br />
pfarrlichen Eingliederung). Die Lehenabgabe betrug für die ersten<br />
5 Jahre 3 Scheffel Vesen (ä 186,22 Liter), 6 Scheffel Haber,<br />
und 30 Gulden jährlich. Nach 5 Jahren stieg das Geld<br />
auf 40 fl. und nach 10 Jahren auf 50 fl und der Haber auf<br />
8 Scheffel.<br />
Die ersten Bürger hatten ein Vermögen von 100 bis 2500<br />
Gulden mitgebracht. Nur 100 hatten die Stiefel, Braun und<br />
Miller.<br />
Johann Georg Kümmerle von Ebersbach wurde erster<br />
Vogt, mit 15 Stimmen gewählt. Gleich in den ersten Jahren<br />
sahen verschiedene ihre Hoffnungen nicht erfüllt und sagten<br />
Hermannsdorf Lebewohl. Bald kamen die Namen Hölsche<br />
von Bietenhausen (1866 nach Amerika), Pfister von Bittelbronn<br />
um 1820, Haid von Imnau 1833, Eckenweiler von Bietenhausen<br />
1834, Eger von Imnau 1862, Michel von Affaltrach<br />
1864, Schairer 1906, Zoller von Oepfingen 1903, dazwischen<br />
noch Hipp von Salmendingen, Schäfer, Eisele von Gauselfingen,<br />
Maichle, Koch, Bechtold usf.<br />
Schon 1821 klagen die Hermannsdorf er dem Fürsten, sie<br />
seien in großer Not, kämen mit den Abgaben nicht durch<br />
usf. Die Wirtschaft zu Hermannsdorf hat im Jahre 1864 J. A.
Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 31<br />
Hipp von Salmendingen von Johann Faigle samt 37 Jauchert<br />
Acker und 8 Jauchert Wiesen um die schöne Summe von<br />
5200 Gulden gekauft. Ein halber Lehenhof dagegen galt 1860<br />
nur 1400 Gulden. In jener Zeit wurden die Lehen abgelöst<br />
und die Güter Eigentum der Inhaber. Gewöhnlich<br />
wurde die Ablösungssumme im 18fachen Jahiesbetrag der<br />
bisherigen „ewigen" Gilten festgesetzt. Bemerkt sei noch,<br />
daß bis 1811 auf dem jetzt abgeholzten Schwandel auch ein<br />
fürstliches Jagdhaus stand. Kraus.<br />
Kurznachrichten<br />
Gräberfund in Gammertingen<br />
Am Samstag, den 27. Februar 1954, legten Dr. Rieth-Tübingen<br />
und sein Assistent ein Grab aus der Spätbroncezeit<br />
frei, das 2 Tage zuvor Bahnarbeiter beim Abgraben der Böschung<br />
östlich des Bahnhofsgebäudes aufdeckten. In vorbildlicher<br />
Weise stellte die Arbeitskolonne die Grabarbeiten an<br />
diesem Platze ein, so daß die Bergung des Grabinhalts durch<br />
Fachleute erfolgen konnte. Es handelt sich um ein Frauengrab<br />
aus der Zeit 1000 Jahre v. Christi Geburt. Geborgen<br />
wurden 3 Urnen mit einigen Verzierungen, verbrannte Kno-.<br />
chenteile (Brandgrab), Reste von Tierknochen, viele feinziselierte,<br />
kräftige Broncereifen für Armschmuck (einige davon<br />
zerbrochen), Broncekette, zerbrochene Broncedrahtstreifen,<br />
Teile von Goldschmuck, durchlöcherter Bernsteinschmuck (davon<br />
hatte ein Stück Größe und Form eines Spinnwirteis),<br />
eine größere Zahl blaugrüner, durchlöcherter Glasperlen.<br />
Glasperlen sind in unserer Gegend, wie Dr. Rieth mitteilte,<br />
aus dieser Zeit noch nie gefunden worden. Siedlungsgeschichtlich<br />
wirft der Fund neue Probleme auf, da auf diesem Gelände<br />
bisher keine Bodenfunde gemacht wurden. Ein Fund<br />
auf der rechten Lauchertseite (Gewandteil Schroth), im Jahre<br />
1929 aufgedeckt, stammt aus der gleichen Zeit.<br />
Die katholischen Pfarrer von Hausen a. d. L.<br />
Die Pfarrei Hausen an der Laudiert, im 15. Jahrhundert<br />
auch Zaiselhausen genannt, war seit alters dem Kloster<br />
St. Gallen in der Schweiz gehörig, und der hl. Gallus<br />
dort Kirchenpatron, wie auch zu Willmandingen, Rangendingen,<br />
Truchtelfingen, Gallenhof zu Ringingen und Zell am<br />
Zoller. Vielleicht bezieht sich auf unser Hausen der Eintrag<br />
im St. Galler Urkundenbuch (Wartmann Bd. 3, der Hausen<br />
bei Bernegg vermutet), wonach das Kloster jährlich am 11.<br />
Juli aus Hausen bezog: vier Traglasten mit Wein, Brot,<br />
Fleisch, Käs, Eier und Bohnen und ebensoviel am 2. November,<br />
dem Todestag des Abts Nordpert. Dabei könnte der<br />
Wein aus Rangendingen stammen und Hausen nur die Sammelstelle<br />
für obige Orte gewesen sein. Hausen wurde im<br />
Jahre 1534 mit Württemberg protestantisch. Das Kloster St.<br />
Gallen hat noch 1525 dort das Patronatsrecht ausgeübt. Einige<br />
katholische Pfarrer kennen wir mit Namen, während im<br />
Jahre 1275 das Konstanzer Zehntbuch (abgedruckt im Freib.<br />
Diöz.-Arch. I, 1865, S. 85) keinen Namen nennt.<br />
Es sind: 1.) Kunrad Trapold um 1400 (Seelbuch d.<br />
Kap. Trochtelfingen). 2.) Heinrich Kumer, zahlt 1419<br />
als Erstfrüchte 10 fl. 3.) P e t r u s N. 4.) Johannes Arniäder<br />
von Trochtelfingen von 1430 an. 5.) Marquardus<br />
Schenk um 1460. 6.) L a u x (Lukas) Grötzinger seit<br />
1462; Im Jahre 1482 hat er 22 Pf. Hlr. Einkommen und zahlt<br />
davon I Pfd. 2 Schilling (FDA 26, 60). Bis 1493 war er Kammerer<br />
mit demselben Betrag (FDA 26, 106). 7. Sebastian<br />
P f u 11 i n g e r aus Reutlingen, wurde nach Gretzingers Tod<br />
vom Abt Gotthard von St. Gallen präsentiert und am 23.<br />
August 1493 als Pfarrer proklamiert. Er war bisher Kaplan<br />
in Trochtelfingen (FDA. 26, 106). 8.) Götz (Gottfried) Mür-<br />
1 i n der jung wird 1494 Pfarrverweser. 9.) Johannes<br />
P f ü z starb 1520. 10.) Martinus Jerg (Martini Georg)<br />
aus Riedlingen zahlt im J. 1520 als Erstfrüchte (wie auch sein<br />
Vorgänger Mürlin und 1462 Lukas Gretzinger) acht Gulden.<br />
Er verzichtete am 25. Mai 1522 auf die Pfarrei. 11.) Petrus<br />
F r e y t a g von Ulm, 1522—1523, verzichtete ebenfalls. 12.)<br />
Georg Dietz von Veringen, 1523—25, resignierte gleichfalls.<br />
13.) Ein Ungenannter wurde am 5. Oktober 1525 auf<br />
Präsentation des Abts von St. Gallen investiert. Vielleicht<br />
ist es der 1534 genannte, durch Lehenschaft des Abts von<br />
St. Gallen gewordene Pfarrer Ulrich Stecklin von<br />
Tueffen zui Hausen, der zugleich die Stelle des Kaplans von<br />
Oberhausen versah. Er hatte am 14. 3. 1522 sich in Tübingen<br />
an der Universität einschreiben lassen, und erscheint 1545<br />
als Pfarrer von Holzelfingen (Rauscher, Visit. Akten I, 322.<br />
Die übrigen Daten stammen aus den Primi fructus- und<br />
Investiturbücher im Erzb. Archiv Freiburg; Wartmanns<br />
Urkb. von St. Gallen Bd. 5, 155; Seelbuch des Kap. Trochtelfingen<br />
beim Pfarramt; Manfr. Krebs, Invest. Protokolle<br />
357 hat die verschiedenen Hausen verwechselt!)<br />
Johannes A. Kraus.<br />
Eine Steinfuhre vor 200 Jahren beschreibt ein Zwiefalter<br />
Chronist: „Zur Schaffung der Fassade-Figuren des Zwiefalter<br />
Münsters um 1752—53 hat man die Steine bei den Brüdern<br />
in Bernstein geholt (früher zur Pfarrei Heiligenzimmern<br />
bei Haigerloch gehörig). Daß der Stein für die Muttergottes<br />
von ungemeiner Größe und Schwere gewesen, ist aus<br />
folgendem leicht abzunehmen. Als man ihn in dem besagten<br />
Steinbruch aufgeladen und mit ihm bis an die Staig bei<br />
Hausen (etwa Renfrizhausen?) gekommen, etwa eine<br />
starke Stunde von Haigerloch und da man die Staig<br />
anfahren und auf der Mittagsseite ein Wiesental hatte, hat<br />
es unter dem Weg eine Höhlung gehabt, welche wie eine<br />
Brücke bedeckt gewesen. Da hat der Wagen gegen das<br />
Wiesenthal gedrückt und ist samt dem Stein etwa 10 oder<br />
12 Schuh tief (3—4 m) auf die Wiese hinuntergefallen. Da<br />
der Fuhrmann solches merkte, daß der Wagen fallen will,<br />
springt er gleich vom Pferd. Es fallen beide Deichselpferde<br />
und die zwei nächsten mit hinunter. Die andern hat es zwar<br />
hinuntergezogen, doch sind sie aufrecht geblieben.. Dies ist<br />
zu Mittag um die 12. Stund geschehen. Dann hat man um<br />
Leute gesehen, solchen Stein wieder auf den Wagen zu bekommen.<br />
Allein es ist sehr langsam hergegangen, denn obwohl<br />
über 40 Männer daran gearbeitet, so hat man doch bis<br />
den andern Tag wieder bis gegen Mittag zu tun gehabt. Da<br />
es Nacht geworden und der Wagen im freien Feld blieb, so<br />
hat man ihn verwahren müssen, daß man nicht um Seiler<br />
und Ketten gekommen ist. Da man aber mit Aufladen fertig<br />
gewesen, so hat man in den Rain, wo der Wagen hinuntergefallen<br />
war, mit der Hacke eine Lais hauen müssen, damit<br />
der Wagen im gleichen Gewicht blieb und nicht nochmal<br />
umfiel. Drauf hat man die 20 Pferde, welche vom Kloster<br />
auf solchen Stein herzuführen geschickt gewesen, eingespannt,<br />
aber diese zwanzig Rosse haben den Wagen mit dem<br />
Stein nicht vom Platz bringen können. So hat dann seine<br />
Durchlaucht (der Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen,<br />
Josef Friedrich), der wirklich zu Haigerloch<br />
gewesen, von seinem nahen Hof 26 Ochsen geschickt<br />
und anspannen lassen. Die haben den Wagen den<br />
Rain hinaufgezogen und dann hat man erst wieder die 20<br />
Klosterpferde eingespannnt, die mit großer Beschwernis,<br />
aber ohne Unglücksfall nach Zwiefalten kamen. Hauptfuhrmann<br />
war dabei Aureli Zeiler von Gauingen ... ." (B. Schurr,<br />
Das alte und Neue Münster Zwiefalten, 220.)<br />
Niederburg zu Haigerloch 1367. Wilhelm von Montfort der<br />
ältere und Wilhelm der jüngere geben im Jahre 1367 zu<br />
Scheer dem Grafen Eberhard von Wirtenberg zu kaufen:<br />
die Nidernburg zu Haigerloch und Ebingen mit Dörfern,<br />
Weilern, Kirchensatz und Leuten und Rechten um 11 000<br />
Pfund Heller, solang bis Graf Rudolf von Montfort die angezeigten<br />
Flecken erledigt um 3 350 Mark lötigen Silbers,<br />
Constanzer Gewicht und 200 Pfund guter Heller. (Notiz des<br />
1743 verstorbenen Ebinger Pfarrers Joh. Jak. Schmid, württ.<br />
Landesbibliothek cod. hist. fol. 757.) Was ist die Nidernoder<br />
Nidernburg? Krs.<br />
An das<br />
in<br />
Postamt
32 H O H E N Z O L L E E I S C H E H E I M A T Jahrgang 19Ü4<br />
Die Pfarrer von Schlatt<br />
Ueber das Ende der ehemaligen Pfarrei Schlatt bei Hechingen<br />
berichtete J. Riegger im „Zollerländle" 1926 Nr. 1, S. 4.<br />
Nur wenige Pfarrer sind von dort bekannt: 1.) Lukas<br />
Boll, zahlt am 5. Oktober 1443 acht Gulden als Erstfrüchte<br />
an den Bischof bei Erlangung der Pfarrei. 2.) Johannes<br />
Riederer zahlt am 16. Januar 1461 ebensoviel. Er starb<br />
im Jahr 1488, wo allerdings Joh. Mederer steht (wohl ein<br />
Versehen). 3.) Sebastian Zunfft 1488—1520, wo er tot<br />
war (hat am 21. 7. 1488 als Erstfrüchte 6 fl gezahlt). 4.) Laurentius<br />
Rieper oder R i e b e r, wurde am 23. März 1520<br />
zum Pfarrer proklamiert und am 28. Mai des gleichen Jahres<br />
investiert; 8 fl. 5.) Schon 1521 zahlte ein Johannes N.<br />
16 fl als Erstfrüchte. 6.) Johannes Nopp, 1530 bis?<br />
7.) Bartholomäus Frie, 1533—1542 und vielleicht länger.<br />
Er zahlte 1534 als Erstfrüchte 8 fl. In den Jahren 1540<br />
und 1541 bekam er je 1 Jahr Absenzerlaubnis. Um 1545<br />
wurde die Pfarrei, wohl auf Betreiben des Zollergrafen Jos<br />
Nikiaus, nicht mehr besetzt, sondern Jungingen angegliedert.<br />
Die Kuratiegründung erfolgte am 1. Mai 1947. Erster Kurat<br />
wurde Josef Traub aus Inneringen bis 11. November<br />
1947. Es folgte Leopold Krautheimer von Konstanz,<br />
bisher Vikar an St. Johann in Freiburg, der dann<br />
1951 vom bisherigen Pfarrer von Bisingen abgelöst wurde;<br />
Stephan Krall von Hippetsweiler. Ad multos annos!<br />
Joh. A. Kraus.<br />
<strong>Heimat</strong>freunde! Habt Ihr schon daran gedacht, die<br />
letzten Kriegsereignisse in jedem einzelnen Ort genau<br />
aufzuzeichnen? Was wäre das für eine Geschichtsquelle<br />
für die Nachfahren! Geradezu vorbildlich hat es Rektor Peter<br />
Heinzelmann in der Festschrift für das Musikfest zu<br />
Stetten u. Holst. (19. Juli 1953) getan. Ueberhaupt ist diese<br />
96 Seiten starke Festschrift ein Markstein in der Geschichte<br />
Stettens, ein schönes Beispiel der Gemeinschaftsarbeit der<br />
Söhne dieses Dorfes über die Gegenwart und Vergangenheit<br />
ihres <strong>Heimat</strong>ortes. Nur sei ergänzend angemerkt, daß der<br />
Spruch: ,,D' Schweda sind komma, hand älls mitgenomme .."<br />
nicht von Stetten stammt, sondern schon 1823 von Gustav<br />
Schwab in seinem Buch „Neckarseite der Schwäb. Alb S. 161<br />
aus dem Neidlinger Tal berichtet wird, demnach weit verbreitet<br />
war. Krs.<br />
Der Leib des hl. Aurelius, der in der Reformationszeit<br />
von Herzog Ulrich von Württemberg aus dem altberühmten<br />
Kloster Hirsau weggenommen und später an den Grafen<br />
Wilhelm Werner von Zimmern geschenkt worden und in<br />
der Kapelle des Schlosses Herrenzimmern aufgestellt war,<br />
kam um 1594 durch die Erbtochter Gräfin Sibylla nach<br />
Hechingen. Sie war beim Aussterben ihres Stammes<br />
mit dem Hechinger Grafen Eitelfriedrich von Zollern verheiratet.<br />
Später schenkte Fürst Wilhelm von Hohenzollern-<br />
Hechingen die kostbaren Reliquien dem Kloster Zwiefalten,<br />
wohin sie am 1. April 1690 feierlich überführt<br />
wurden. Das Kloster ließ dafür dem Fürsten eine Schuld<br />
von 4000 Gulden nach. (Bernh. Schurr, Das alte und neue<br />
Münster zu Zwiefalten, 1910, S. 112). Kr.<br />
BESTELL-SCHEIN<br />
zum Bezug der „<strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Heimat</strong>"<br />
Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug durch<br />
die Post Stück „<strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong>", Verlagspostamt<br />
Gammertingen, zum halbjährigen Bezugspreis<br />
von 60 Pfennig.<br />
Vor- und Zuname<br />
Genaue Anschrift<br />
Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bezw. Nachbestellungen<br />
der nächsten Poststelle aufzugeben. Um deutliche<br />
Schrift wird gebeten.<br />
Huntare, Hundertschaft, Centena erfuhr durch Hans Jänichen<br />
eine neue Deutung in „Beiträge zur Landeskunde<br />
hgg. vom statist. Landesamt für Württemberg-Hohenzollern<br />
Nr. 1 (1951) S. 97 ff." Bekanntlich hieß das Gebiet um<br />
Hechingen einst Hattenhuntare, das um Münsingen<br />
Munigeshuntare. Während man bisher bei Hundertschaft<br />
an 100 Bauernhöfe oder 100 waffenfähige Alemannen<br />
denken wollte, was Prof. Dannenhauser völlig ablehnte, versteht<br />
Jänichen unter „hunta" (Hundertschaft, centena) eine<br />
fränkische Besatzung, die an verschiedenen militärisch wichtigen<br />
Punkten des Alemannenlandes eingesetzt war. Die<br />
Huntari oder Führer derselben seien Organe der königlich<br />
fränkischen Verwaltung gewesen, deren Bezeichnung von<br />
ehemals römischen, dann im Frankenreich übernommenen<br />
Zentenaren herzuleiten sei. Die Hattenhuntare um Hechingen<br />
wäre somit der Amtsbezirk eines Huntari<br />
namens Hatto, später seine durch Rodung ausgebaute<br />
Grundherrschaft oder ein kleiner Gau,<br />
der noch länger seinen Namen fortleben ließ. Neben dieser<br />
militärischen Besetzung des Alemannenlandes dürfte schwerlich<br />
auch eine zivile Verwaltung von den Franken eingerichtet<br />
worden sein. Die Stammesherzöge werden also in<br />
ihren Bereichen weitgehend autonom geblieben sein. Theod.<br />
Mayer berichtet darüber in seiner Abhandlung über die<br />
Frühzeit der Diözese Konstanz in Beziehung zu St. Gallen<br />
in der „Schweizerischen Zeitschrift für Geschichte" 2. Jahrg.<br />
1952, S. 473—524. Krs.<br />
Hausierhandel im Killertal. Am 31. Oktober 1790 berichtete<br />
der Trochtelfinger Dekan Joh. Fid. Sev. Engelhart anläßlich<br />
einer Eingabe nach Konstanz wegen Anweisung eines Vikars<br />
für die Pfarrei Hausen im Killertal: „Die Gemeinde Killer<br />
gibt vor, ehemalen einen eigenen Pfarrer gehabt zu haben,<br />
und scheint auch ihr Vorgehen nicht ohne Grund zu seyn,<br />
weil an den Sonntägen alternative (abwechselnd) der pfarrliche<br />
Gottesdienst in Killer samt allen Frauen- (d. h. Muttergottesfesten)<br />
und Aposteltagen gehalten werden muß.<br />
Starzein hat niemals das ganze Jahr hindurch einen Gottesdienst,<br />
als an dem Fest S. Johannis Bapt., welcher der Patron<br />
ihrer Kapelle ist.<br />
Diese drei Gemeinden (Hausen, Starzein, Killer) zählen<br />
beiläufig 14 bis 1500 Personen, sind voneinander in ebener<br />
Lage eine ringe halbe Stunde entfernt. Der Drittel<br />
dieser Gemeinden ohne Unterschied des Geschlechts,<br />
ledig und verheirateten Standes, wandern ins Ausland,<br />
Frankreich, Elsaß, am Rhein, Turgau und Schweiz<br />
auf dem Handel das Jahr durch herum, kommen ein- oder<br />
zweimal im Jahr nachher nach Haus und nach einem Aufenthalt<br />
von einem Monat ungefähr reisen sie wieder fort.<br />
Daß solche Leute, die im Land umwandern, und nur vielleicht<br />
auf Gewinn denken, schlechten Unterricht in der Religion<br />
haben und böse Sitten nach Hause bringen mögen,<br />
läßt sich vermuten . . . ." In dieser Hinsicht dürfte wohl ein<br />
Vikarius perpetuus von Nutzen sein ...<br />
(Stehende Ordinariats-Registratur, Freiburg; Hausen i. Kill.)<br />
<strong>Heimat</strong>literatur<br />
Die Stadt Ebingen erhielt ein wertvolles <strong>Heimat</strong>buch in<br />
der „Chronik des Bleichers Johannes Jerg<br />
1771 — 1825 ", die Josef Halm im Auftrag des Bürgermeisteramts<br />
im Verlag Herrn. Daniel-Balingen 1953 herausgab.<br />
Auf 210 engbedruckten Seiten sind Begebenheiten aus der<br />
Stadt und Geschehnisse des ganzen Kreisgebiets und weit<br />
darüber hinaus in alter Schreibart aufgezeichnet: Wirtschaft,<br />
Militärwesen, Sittengeschichte, Wetterverhältnisse<br />
usw. Auch Hohenzollern ist vertreten, doch<br />
muß man sich erst einlesen. Preis 3 DM; Buchhandlung<br />
Glock-Ebingen. Kr.<br />
Von MarieTheres Bauristim Verlag Oertel u. Spörer<br />
in Reutlingen ein Burladinger Kinderbüechle erschienen.<br />
Das schmucke Bändchen bringt auf 48 Seiten heitere und besinnliche<br />
Gedichte in Burladinger Mundart, „daß d' Kinder<br />
d' Hoimetsproch it vergesset". Möge das Büchlein mit seinen<br />
Kinderzeichnungen seinen Zweck erreichen und in Hohenzollern<br />
weite Verbreitung finden!<br />
Die Gemeinde Bisingen-Steinhofen erhielt auf Weihnachten<br />
ein hübsches <strong>Heimat</strong>buch, das Hptl. i. R. Knaus mit<br />
einigen Helfern schuf, hgg. vom <strong>Heimat</strong>verein, 181 S. und 16<br />
Tafeln, Druck Pretzel-Hechingen. In 25 Kapiteln ist die Geschichte<br />
und Gegenwart der Industriegemeinde eingefangen.<br />
Besonders reizend erscheint die Geschichte der Dörfer und<br />
der Herren von Bisingen und deren Wappen von Studr. H.<br />
Faßbender-Hechingen. (S. 44 unten ist strtt Schenk „T r u c hs<br />
e ß Baldabertus" zu setzen). Krs.
<strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong><br />
Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />
Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />
in Verbindung mit<br />
Schriftleitung:<br />
Josef Wiest, Gammertingen<br />
Preis halbjährlich 0.60 DM<br />
Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />
der hohenz. Lehrerschaft<br />
Druck:<br />
Buchdruckerei S. Acker, Gammertingen<br />
Postverlagsort Gammertingen<br />
Nummer 3 Gammertingen, Juli 1954 I 4. Jahrgang<br />
I. Teil Hermann der Lahme<br />
Ein Erinnerungsblatt zu seinem 900. Todestag am 24. September 1954<br />
Am 24. September des Jahres 1054 schloß in dem damals<br />
hochberühmten Benediktinerkloster auf der Insel Reichenau<br />
im Biodensee ein Mönch seine Augen zum ewigen Schlummer,<br />
der schon von seinen Zeitgenossen als ein Weltwunder<br />
betrachtet wurde. Es war Hermann der Lahme, durch seine<br />
Frömmigkeit ebenso ausgezeichnet wie durch sein Wissen<br />
und Können. Hermann oder Herimann, wie der Name damals<br />
lautete, kam als verkrüppeltes Kind zur Welt und<br />
wurde deshalb Contractu s, d. h. der Zusammengewachsene<br />
genannt. Er konnte sich ohne fremde Hilfe kaum von<br />
der Stelle bewegen, seine Hände waren verkrümmt und<br />
seine Zunge schwer. Trotzdem hat dieser Mann als vorzüglicher<br />
Lehrer gewirkt, haben seine krummen Finger unsterbliche<br />
Werke geschrieben und wissenschaftliche Instrumente<br />
konstruiert, hat seine schwere Zunge Gebete gestammelt und<br />
Lieder gesungen, die heute noch von manchem bedrängten<br />
Herzen gesprochen und gesungen werden.<br />
Hermann ist am 18. Juli 1013 zu Altshausen im heutigen<br />
württembergischen Landkreis Saulgau geboren. Er entstammt<br />
dem alten, schwäbischen Grafengeschleciite der Herren<br />
von Altshausen, den Gaugrafen des Eritgaues, die später<br />
die Grafschaft Veringen an der Laudiert in Hohenzollern erwarben<br />
und sich um 1134 erstmals Grafen von Veringen<br />
nannten, deren Wappen, drei Hirschstangen, einige Jahre<br />
später durch Verheiratung von Württemberg übernommen<br />
wurde. Der unermüdliche lonenzollerische Geschichts- und<br />
<strong>Heimat</strong>forscher Lehrer Sebastian Locher (1825—1889) hat die<br />
Geschichte des einst so berühmten Geschlechtes in Regestenform<br />
in den „Mitteilungen des Vereins für Geschichte und<br />
Altertumskunde ifl Hohenzollern" (2. DIS 5. Jg., 1868—1871)<br />
dargestellt, aus der wir ersehen, daß der letzte Graf von<br />
Veringen im Jahre 1415 in Saulgau gestorben ist. Bei Locher<br />
finden wir auch die von Hermann selbst in seine „Weltchronik"<br />
eingetragene Notiz, daß er am 18. Juli 1013 als der<br />
Sohn des Grafen Wolfrad und seiner Gemahlin Hiltrud das<br />
Licht der Welt erblickte, und daß er noch 14 Geschwister<br />
hatte. Weiterhin entnehmen wir Locher die Angabe, die aus<br />
der Fortsetzung von Hermanns Weltchronik stammt, daß<br />
Hermann am 24. September 1054 starb und in seiner <strong>Heimat</strong><br />
Altshausen seine Ruhestätte fand. Am 24. September dieses<br />
Jahres sind also 900 Jahre verflossen, seitdem dieser fromme<br />
und geiehrte Mann dieses „Tal der Tränen" verlassen hat.<br />
Das Schwabenland kann stolz auf ihn sein<br />
und darf es nir-ht versäumen, seiner an diesem<br />
Tage in Verehrung, Treue und Dankbarkeit<br />
zu gedenken.<br />
Schon am 15. September 1020, also im Alter von sieben<br />
Jahren, wurde dieses gebrechliche Kind, aas außergewöhnliche<br />
Geistesanlagen zeigte, den „Wissenschaften übergeben",<br />
d. h. in die Klosterschule gebracht, wo der verkrüppelte<br />
Knabe in allen Wissenschaften, die dortmals auf solchen<br />
Schulen gelehrt wurden, erstaunliche Fortschritte machte,<br />
sich nicht nur die lateinische, griechische und hebräische<br />
Sprache aneignete, sondern auch mit einer Willenskraft ohnegleichen<br />
und mit einem kaum bezähmbaren Wissenshunger<br />
auf allen Gebieten derartige gründliche Kenntnisse aneignete,<br />
daß aus dem lerneifrigen SchuLer allen z _ißeren Hemmungen<br />
zum Trotz ein erfolgreicher Lehrer und weiser Mei-<br />
Von Michael Walter<br />
ster wurde, dessen Ruhm weit in die Welt hinaus drang und<br />
manchen wissensdurstigen Jüngling anlockte.<br />
Die Weltchronik, die Hermann anlegte, ist schon erwähnt<br />
worden. Sie gehört zu den besten und zuverlässigsten<br />
Arbeiten auf diesem Gebiete; denn sie ist auf einer gründlichen<br />
Kenntnis und kritischen Benützung aller vorhandenen<br />
Quellen aufgebaut. Seine astronomischen Arbeiten setzten<br />
seine Zeitgenossen schon deshalb in ein berechtigtes Staunen,<br />
weil er seine tiefschürfenden Darlegungen durch kunstvolle,<br />
von seinen verkrüppelten Fingern hergestellte Apparate<br />
zu erläutern verstand. Auf dem Gebiete der Musik hat<br />
er ebenfalls wertvolle Untersuchungen hinterlassen, die von<br />
späteren Kennern immer wieder erwähnt und anerkannt<br />
werden. Er selbst hat Gesänge und Gebete verfaßt, die heute<br />
noch zum Lobe Gottes und zur Verehrung der Gottesmutter<br />
gesungen und gebetet werden, und die Zeugnis geben von<br />
seiner tiefen, inneren Frömmigkeit. Allen voran steht das<br />
„Salve Regina", das uns ihn all. n schon unvergeßlich<br />
macht und ihm ewigen Ruhm sichert. Es ist so ganz aus dem<br />
Herzen eines Menschen entsprungen, das die Leiden in diesem<br />
„Tale der Tränen" aus innerster Seele miterlebte. Dabei<br />
ist das Wesen und die Aufgabe der „Mutter der Barmherzigkeit",<br />
daß sie unsere Fürsprecherin, unsere Advokatin<br />
sei, so schön, sc* klar uno ergreifend zum Ausdruck gebracht,<br />
wie dies kaum nocn überzeugender geschehen kann. Auch<br />
das „Alma Redemptoris Mater" wird Hermann dem Lahmen<br />
zugeschrieben.<br />
Wer diesen frommen Mann, diesen sinnigen Grübler ind<br />
gründlichen Forscher mit seinem vom Leiden gequälten Körper<br />
in der stillen Klosterzelle für einen weitfremden, vergrämten<br />
Menschen halt, der ist sehr erstaunt und überrascht,<br />
v/enn er dessen Gedicht über den * Wettstreit zwischen dem<br />
Schafe und dem Flachse („De conflictu ovis et lini") über<br />
die Bedeutung von Wolle und Leinwand liest, in w "chem<br />
jedes in anschaulichster Weise die Vorzuge seines Produktes<br />
preist. Es ist schon bezweifelt worden, ob diese lebensfrischen<br />
und lebensnahen Verse hinter Klostermauern entstanden<br />
sein können.<br />
Wie sehr Hermann als Lehrer die lernbegierige Jugend<br />
seiner Zeit anzog, dafür bietet uns die Lebensbeschreibung<br />
von Bischof Benno II. von Osnabrück (1022—1088), dieses<br />
gewiegten Diplomaten und hervorragenden Baumeisters ein<br />
schönes Beispiel. Der Biograph von Benn • schreibt: „Zum<br />
Jüngling herangewachsen, drängte es ihn (Benno), Hermann<br />
den Lahmen aufzusuchen, der zu jener Zeit als gefeierter<br />
Lehrer in den freien Wissenschaften galt, und von dem auch<br />
jetzt (um 1095) noch hervorragende Werke überliefert sind.<br />
Von ihm empfing er, wie er selbst bekannte, vielfache Anregung<br />
und pflegte von ihm viel Rühmliches zu erzählen."<br />
Wenn Benno später als Kircnen- und Burgenbaumeister viel<br />
Ruhm erntete, so dürften die Gründl gen dazu von seinem<br />
Lehrer Hermann auf der Reichenau gelegt worden sein Mancher,<br />
der schon voller Bewunderung vor unseren herrlichen<br />
mittelalterlichen Domen und Munstern stand, hat sich die<br />
Frage vorgelegt, wie warf " 1 solche Bauten in jenen Zeiten<br />
möglich, in denen es noch keine Hochschulen gab, auf denen<br />
Baukunst gelehrt wurde, und auch jene Bauschulen noch<br />
nicht existierten, in denen der Schüler unmittelbar vom Mei-
34 H O II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />
ster praktisch lernte? Woher haben Bischöfe wie Bernward<br />
(f 1022) und Godehard (f 1038) von Hildesheim, Meinwerk<br />
von Paderborn (f 1036), Otto von Bamberg (f 1139), Benno II.<br />
von Osnabrück (f 1088) ihre Kenntnisse geholt, die sie befähigten,<br />
so herrliche Kirchen zu bauen? Sie saßen als lernbegierige<br />
Schüler einst in den Klosterschulen zu den Füßen<br />
jener lateinkundigen Mönche, die nach dem Grundsatz in F.<br />
W. Webers „Dreizehnlinden" handelten: „Sind die Heiden<br />
kluge Meister, geh'n wir doch in ihre Schule", und deshalb<br />
mit ihnen die 10 Bücher „De architektura" des römischen<br />
Schriftstellers und erfahrenen Festungs- und Kriegsbaumeisters<br />
von Cäsar und Augustus, des Vitruy (88—26 v. Chr.)<br />
mit Gründlichkeit lasen und sachgemäß erläuterten. So mag<br />
auch Hermann in der Klosterschule auf der Reichennau diese<br />
anregenden Bücher mit seinen Schülern durchgearbeitet haben.<br />
Wir sind umsomehr zu dieser Annahme berechtigt, weil<br />
wir wissen, daß er sich eingehend mit Geometrie und Mechanik<br />
beschäftigte, wie einige seiner theoretischen und<br />
praktischen Arbeiten zeigen. Sein Schüler Benno II., Bischof<br />
von Osnabrück, steht uns besonders nahe, nicht nur als<br />
Schwabe, stammt er doch sehr wahrscheinlich aus dem badischen<br />
Dörfchen Löhningen bei Waldshut, sondern es spricht<br />
manches dafür, daß er bei der Plan- und Baugestaltung<br />
der Burg Hohenstaufen und der<br />
ältesten Zollerbuirg unmittelbar oder wenigstens<br />
mittelbar mitgewirkt hat.<br />
Die Kirche hat bis jetzt Hermann den Lahmen noch nicht<br />
in die Schar der Heiligen aufgenommen, so sehr er dieses<br />
um seines. „Salve Regina" willen und wegen seiner mit so<br />
viel Gottergebenheit ertragenen Gebrechen verdient hätte.<br />
Versuche zu seiner Selig- und Heiligsprechung sind immer<br />
wieder gemacht worden, wie wir aus der sehr lesenswerten<br />
Schrift, des bekannten Pfarrers und Volksschriftstellers Hein-<br />
Aus der Geologie von Hohenzollern<br />
rich Hansjakob (f 1916): „Herimann, der Lahme, von der<br />
Reichenau. Sein Leben und seine Wissenschaft." (Verlag<br />
Franz Kirchheim, Mainz 1875, 108 S.) entnehmen. So hat u. a.<br />
im Jahre 1862 der damalige Stadtpfarrer von Veringenstadt,<br />
der einstigen Residenzstadt der Grafen von Veringen, in der<br />
die Verehrung von Hermann dem Lahmen um jene Zeit<br />
schon ziemlich tief ins Volk gedrungen war, die Frage wieder<br />
aufgegriffen, aber ohne daß er Erfolg hatte. Hansjakob<br />
bedauert das sehr und wünscht, daß die Zeit nicht mehr<br />
ferne sei, in der die Selig- und Heiligsprechung des großen<br />
Dulders erfolgt.<br />
In neuester Zeit hat Pfarrer Albert Krautheimer, der<br />
Schriftleiter des „St. Konradblattes, des Bistumsblattes für<br />
die Erzdiözese Freiburg" ihn aus einem richtigen Empfinden<br />
heraus unter dem Namen Hermann der Gelähmte ohne<br />
weiteres Bedenken in sein schönes Buch „Heilige Deutschlands"<br />
(Badenia-Verlag, Karlsruhe 1945) aufgenommen, wohl<br />
weil er annimmt, daß er zu dieser glorreichen Schar gehört.<br />
Der Illustrator des Buches, Ludw. Barth, Karlsruhe, hat einen<br />
Holzschnitt beigesteuert, auf welchem das Haupt Hermanns<br />
mit einem Heiligenschein umgeben ist. Der Generalvikar der<br />
Erzdiözese Freiburg Dr. Adolf Rösch, der aus Veringenstadt<br />
stammt, in dessen Jugendtagen die einstige Verehrung Hermanns<br />
dort wohl noch nachklang, hat dem Buche die kirchliche<br />
Druckerlaubnis erteilt.<br />
Wir sehen, der Gedanke an die Heiligsprechung<br />
Hermann des Lahmen ist immer<br />
noch lebendig. Wenn ihn das Marianische<br />
Jahr und 1 die Gedenkstunde zu Hermanns<br />
90 0. Todestag neu aufwecken und zu einem<br />
Erfolg führen, ist eine Dankesschuld gegen<br />
den Mann abgetragen, der zum ersten Male<br />
das „Salve Regina" gebetet hat.<br />
(10. Fortsetzung)<br />
III. Keuper<br />
1. Unterer Keuper oder Lettenkohlenformation<br />
Wie wir in unserem ersten Beitrag zur Geologie von Hohenzollern<br />
ausgeführten (Hohenz. Kemnat, 2. Jg. Nr. 1), bildet<br />
der Keuper die oberste Schicht der Trias (Dreiheit), die sich<br />
aus Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper zusammensetzt.<br />
Der Name Keuper ist aus Thüringen zu uns gekommen<br />
Er bezeichnet ein recht mannigfaltiges geologisches Gebilde,<br />
das sich unten, unmittelbar über dem Muschelkalk, noch<br />
aus einigen dünneren Kalkbänken, sonst aber hauptsächlich<br />
aus oft recht buntfarbigen Mergeln und Sandsteinbänken<br />
aufbaut. So wechselnd wie seine Schichten und Farben ist<br />
auch die Entstehung des Keupers. Im Gegensatz zum Muschelkalk,<br />
der sich in der Tiefe des Meeres ablagerte, vollzog<br />
sich die Bildung des Keupers vorwiegend auf dem festen<br />
Lande. Er ist in einer Landschaft entstanden, die wir am<br />
besten mit den weiten, flachen Mündungsgebieten unserer<br />
großen Ströme, etwa des Rheines, des Nils, des Hoangho und<br />
Jangtsekjang des Mississippi oder des Amazonenstromes<br />
vergleichen Können, in denen sich je nach der Wasserführung<br />
Schlamm- und Tonmassen oder mächtige Sandschichten<br />
ablagern.<br />
Wie beim Buntsandstein und beim Muschelkalk so können<br />
wir auch beim Keuper untere, mittlere und obere Schichten<br />
unterscheiden. Die untersten Schichten, die in einigen Steinbrüchen<br />
bei Rargendingen, Hart, Trillfingen usw. aufgeschlossen<br />
sind oder waren, zeigen deutlich den Uebergang<br />
von den dickbankigen, quadermäßigen Felsgebilden des<br />
obersten Muschelkalkes, des Trigonodusdolomits, zu den<br />
dünnbankigen, anfangs auch noch dolomitischen Bildungen<br />
des untersten Keupers. Auf diese folgen dann, wie wir in<br />
einem aufgelassenen Steinbruch oben an dem Hang über<br />
dem Auchtet an der rechten Starzelseite bei Rangendingen<br />
sehen können, die grünlichen Estherienschiefer, die,<br />
wenn sie gut durchfroren sind, einen vorzüglichen Letten<br />
liefern. Diese Schiefer sind wasserundurchlässig. Deshalb<br />
treten über ihnen kleine Quellen aus, die aber in trockenen<br />
Zeiten verschwinden, da sie meist nur über ein kleines Einzugsgebiet.<br />
verfügen.<br />
Die Gäulandschaft<br />
Von Michael Walter<br />
Ueber den grünen Schiefern lagert eine gelbliche Sandsteinbank,<br />
der Lettenkohlensandstein, der in früheren<br />
Jahren häufig abgebaut wurde, da sich seine Steine<br />
leicht zu Tür- und Toreinfassungen und Fenstereinrahmungen<br />
verarbeiten lassen, wie wir heute noch an manchen<br />
Häusern, besonders schön an Pfarrscheune in Hart sehen<br />
können, bei der nicht nur die drei stattlichen Torumfassungen,<br />
sondern a ch das übrige Mauerwerk aus diesem Sandstein<br />
hergestellt sind. Vereinzelt sehen wir in dem Sandstein<br />
Pflanzenabdrücke und Stengelglieder, ein Beweis dafür,<br />
daß der Sand in einer flachen, bewachsenen Bucht abgelagert<br />
wurde. Der Schwefel in den Schwefelwasserstoffgasen<br />
des Faulschlammes in solchen Buchten hat sich hie<br />
und da mit dem Eisen des Sandes zu Schwefelkiesknollen<br />
verbunden, die dann im Mauerwerk auf der Regenseite der<br />
Gebäude sich auflösten und lange Roststreifen an den Wänden<br />
bilden, wie wir sie an der Westseite der Harter Pfarrscheun«<br />
sehen, ähnlich den Roststreifen aus den Schwefelkiesknoilen<br />
im Angulatensandstein, die uns auf der Burg<br />
Hohenzollern auffallen.<br />
Ueber dem Lettenkohlensandstein kommt, in Gruben oder<br />
an den Rändern von tiefeingeschnittenen Wegen, wie z. B.<br />
auf dem Feldweg auf dem Lmdach bei Rangendingen gegen<br />
den Omengraben hm, eine weiche, schwarze Schicht zum<br />
Vorschein, die Lettenkohle, nach der die ganze untere<br />
Keuperschicht als Lettenkohlenformation bezeichnet wird,<br />
und die aucti ier in ihr lagernden Sandsteinbank den Namen<br />
gegeben hat. Wer die Lettenkohle zum ersten Male gut aufgeschlossen<br />
sient, der möchte in ihr gleich ein Kohlenbergwerk<br />
anlegen. Mancher hat dies auch schon versucht, aber er<br />
is kein Kohlenbaron geworden. Die Lettenkohle enthält zu<br />
viel toniges Material, so daß sich ihr Abbau nicht lohnt. Wie<br />
die Estherienschiefer bildet auch die Lettenkohle einen Queilhorizont,<br />
der die Aecker feucht erhält, ja an Hangen sie sogar<br />
zum Rutschen bringen kann. Ihm entnahmen manche<br />
Dorfbrunnen des Gäus ihr Wasser, doch haben die meisten
Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 35<br />
von ihnen wegen der Trockenheit der letzten Jahre vor der<br />
Wasserleitung kapituliert.<br />
Von den weiteren Schichten der Lettenkohlenformation<br />
nennen wir noch den Fiammendolomit, dessen Platten<br />
unter dem Schlage des Hammers nach ihren feinen Spalten<br />
in scharfkantige, glattflächige Trümmerstücke zerspringen.<br />
Ueber ihm folgt der Zellendolomit, der die Lettenkohlenformation<br />
gegen die erste Schicht des mittleren Keupers,<br />
den Gipskeuper, hin abschließt. Der Zellenkalk ist an<br />
der löcherigen, zellenförmiggegliederten Oberfläche leicht erkennbar.<br />
Der Landwirt liebt ihn nicht; denn gar fcu oft stört<br />
er ihn beim Pflügen seines Ackers. Er hat darum nichts<br />
dagegen einzuwenden, wenn man ihn von seinem Acker<br />
oder von seinen Lesehaufen wegholt, um ihn ähnlich wie<br />
Tuffsteine zum Abschließen von Gartenbeeten zu verwenden.<br />
Weil er auf unmittelbarem Weg von der Rangendinger<br />
Mühle zur Straße nach Hirrlingen ansteht, haben ihn die<br />
Römer dort zur Pflasterung dieser Straße benützt.<br />
Die Lettenkohlenformation bedeckt weithin die Ebene des<br />
Muschelkalkes und ist häufig mit L ö ß 1 e h m Gedeckt.<br />
Auch dieser kann einen kleinen Quellhorizont bilden, ja<br />
sogar im Verein mit der Lettenkohle und den Estherienschichten<br />
den Untergrund ganz abdichten, so daß es in<br />
flachen Mulden zu Wasseransammlungen kommt, wie wir<br />
das bei dem Weiher beim Salenhof sehen. Südlich vom Salenhof<br />
liegt noch eine weitere flache Mulde, die sich in<br />
regenreichen Zeiten ebenfalls mit Wasser füllt. Der Name<br />
Seehof und der in der Gegend öfters vorkommende Flurnamen<br />
Seewiesen deuten auch auf Wasseransammlungen<br />
hin. Die Bächlein, die aus solchen Weihern, Mulden oder<br />
Quellhorizonten kommen, bilden meist flache Wiesentäler,<br />
aber ihre Wasser erreichen heute nur noch bei Wolkenbrücnen<br />
oder bei der Schneeschmelze den Neckar, die Eyach<br />
und Starzel, wo sie dann die steilen Treppen und Schluchten<br />
hinunterstürzen, die sie einst vor Jahrtausenden in die<br />
steilen Wände des Muschelkalkes hineingenagt haben, als<br />
noch die ganzen Wassermengen unmittelbar den Flüssen zugeführt<br />
wurden. Heute verschwinden die Bächlein oft schjn<br />
nach kurzem Laufe in den Spalten und Klüften des Muscnelkalkes,<br />
die sie immer mehr erweitern, bis die Decke<br />
einbricht und Dolinen entstehen, wie wir dies öfters in solchen<br />
Tälcnen sehen können. Gegenwärtig werden im Rangendinger<br />
Muschelkalksteinbruch ieider die letzten Felsen<br />
abgetragen, die sich beim Einsturz des unterirdischen Abflusses<br />
der Wetzenbachgrabens schief gelagert haben. Einst<br />
wird auch die Zeit kommen, in der die Decke einbricnt, die<br />
heute noch das Laiberbächlein auf eine längere Strecke zum<br />
unterirdischen Bache macht. Eine Felsschlucht wird dann an<br />
die stelle treten, die das Bächlein im Verborgenen durchfloß.<br />
Ob nach tausend oder hunderttausend Jahren der Einbruch<br />
erfolgt, das läßt sich nicht sagen.<br />
Die Lettenkohlenformation beginnt bei uns an der Straße<br />
von Rangendingen nach Haigerloch und begleitet die Höhen<br />
über der Starzel. Von da an bedeckt sie, häufig von<br />
Lößlehm üb'~ -lagert, das ganze hohenzollerische Unterland<br />
bis in die Nähe des Neckars. Westlich des Neckars finden<br />
wir sie auf den Höhen nur noch als kleinen Rest beim Oberhof<br />
über Glatt und merkwürdigerweise in der Niederung um<br />
D e l c 1 i n g e n. Ais ich vor einigen Jahren vom Bahnhof<br />
in Schopf loch gegen Dettlingen hinunterwanderte, hatte Xaver<br />
Epple westlicn vom Dorfe gerade eine Baugrube ausgeschachtet,<br />
in der ich eine reine Lettenkohlenschicht von 30<br />
cm L'cke messen konnte, in einer Meereshöhe von rund 600<br />
m, während ringsum der sonst den Keuper u n t e r lagernde<br />
Muschelkalk bis zu 700 m anzeigt. Wie ist so etwas möglich?<br />
Dettlingen liegt am Südrande jenes gewaltigen Grabenbru-<br />
• hes, der, von Osten kommend, gegen Dornstetten hinzieht.<br />
Von diesem Grabenbruch zweigt bei dem benachbarten Bittelbronn<br />
noch eine Verwerfungsspalte nach Südwesten hin<br />
ab. Das zwischen dieser Verwerfungsspalte und dem Grabenbruch<br />
liegende Dreieck ist zu einer Zeit, als die ganze<br />
Landschaft noch von der Lettenkohlenformation bedeckt<br />
war, um etwa 200 m in d:o Tiefe gesunken. Es ist das der<br />
Raum, auf dem heute Dettlingen mit dem südlich anschlie-<br />
ßenden Wiesengelände liegt. Während im Laufe der Jahrtausende,<br />
die seit dem Einbruch hinter uns liegen, der<br />
Keuper auf den umliegenden Höhen abgetragen wurde, ist<br />
er unten um das heutige Dorf erhalten geblieben. Auch die<br />
starken Queiien, die in der Nähe der Verwerfungsspalte bei<br />
der Haugensteiner Mühle entspringen, hängen mit<br />
diesem Einbrüche zusammen. Es sind echte Spaltenquellen,<br />
die aus verschiedener Tiefe zu stammen scheinen; denn ein<br />
Teil von ihnen wird nach starkem Regen bald trüb, während<br />
andere klar bleiben.<br />
Die Lettenkohlenformation besitzt bei uns nur geringe<br />
Mächtigkeit, die nirgends über 20 m hinausgeht. Davon<br />
entfällt in manchen Gegenden, so in der Winterhalde<br />
zwischen Hart und Höfendorf, ein großer Teil auf den Lettenkohlensandstein,<br />
während er an anderen Orten nur in<br />
schwachen Bänken abgelagert ist.<br />
Trotz der geringen Mächtigkeit gehört diese Formation<br />
doch zu unseren wertvollsten geologischen Ablagerungen;<br />
denn auf ihr beruht die Fruchtbarkeit des Raumes zwischen<br />
Starzel und Neckar, der Gäulandschaft. Hier liegen<br />
die Kornkammern des Landes. Der Wechsel von<br />
Kalk, Sand und Letten, vor allem die leichte Verwitterbarkeit<br />
des Lettenkohlensandsteins, geben einen guten Boden,<br />
dessen Feuchtigkeit durch wasserhaltende Zwischenschichten<br />
festgehalten wird. Der Boden ist auch leicht bearbeitbar. Der<br />
aufgelagerte Löß und Lößlehm erhöht noch die Fruchtbarkeit<br />
und die leichte Bearbeitungsmöglichkeit. Nur ist der<br />
Lößlehm meist schon stark entkalkt und darum für Kalkzufuhr<br />
dankbar.<br />
Die Fruchtbarkeit und leichte Bearbeitungsmögiichkeit der<br />
Böden unserer Gäulandschaft sind in Verbindung mit den<br />
in ihr liegenden Quellhorizonten auch die Ursache, daß sie<br />
schon früh besiedelt werden konnte, zumal die Lößrücken<br />
in ihr bis zur Einwanderung der ersten Menschen in<br />
diese Gegend noch unbewaldet oder höchstens mit einem<br />
lichten Eichenhain bedeckt waren, so daß nicht gerodet werden<br />
mußte. So kam es, daß die ältesten Bauern, welche die<br />
Menschengeschichte kennt, die Menschen der Jungsteinzeit,<br />
um das Jahr 3000 vor Christus ihre Schilfhütten erbauten<br />
und mit ihren einfachen Holz- und Steinpflügen die Aecker<br />
mit Weizen, Gerste, Emmer und Hirse bepflanzten. Wie war<br />
Domänenpächter Rauscher vom Salenhof so stolz, als wir<br />
am Gründonnerstag des Jahres 1948 auf dem Lößrücken<br />
westlich von seinem Hofi immer wieder Klingen und Schaber<br />
aus Feuerstein aufheben konnten, die von seinen Vorgängern<br />
herrührten, die schon 5000 Jahre vor ihm diese<br />
Aecker bebauten.<br />
Auch die römischen Bauern haben die Güte dieser<br />
Böden erkannt und hier stattliche Bauernhöfe erstellt, von<br />
deneji sich Spuren auf den Gemarkungen Empfingen, Weildorf,<br />
Trillfingen finden und vor vier Jahren auch in Höfendorf<br />
nachweisen ließen. In der unmittelbaren württembergischen<br />
Nachbarschaft sind die Grundrisse solcher römischen<br />
Bauernhöfe beim Neuhaus und auf dem „Steinmäuerle" bei<br />
Hirrlingen aufgedeckt worden.<br />
Nach den Römern kamen d^ Alemannen und legten<br />
hier auf Lettenkohle und Lößlehm die Dörfer Empfingen<br />
und Trillfingen an. Selbst das kleine Vorkommen der Formation<br />
westlich des Neckars haben sie entdeckt und dort<br />
Dettlingen gegründet. Im weiteren Ausbau folgten dann<br />
Weildorf und Höfendorf, Gruol, Betra und Dettensee, Bittelbronn<br />
und Henstetten und zuletzt Hart das, wie sein Name<br />
schon andeutet, erst den Eichenwald roden mußte, von dem<br />
sich einige kleine Reste bis n unsere Zeit herein gerettet<br />
hatten. Um das Jahr 700 nach Christ es war die Besiedlung<br />
der Gäulandschaft in der Hauptsache abgeschlossen. Was von<br />
den Ortschaften zu weit entfernt war, ist zum Teil erst in<br />
neuerer Zeit durch die Anlage von Herrschaftshöfen in<br />
gründlichere Bebauung genommen worden. Die übrigen Siedlungen<br />
des Gebietes sind zum Teil in die engen Muschelkalktäler<br />
hinabgestiegen, haben aber ihr Ackergeländ9 zum<br />
größten Teil auch auf der Gäuebene liegen, so daß wir sie<br />
zu den Gäuorten rechnen dürfen.<br />
Am Brunnen vor dem Tore, da stand ein Lindenbaum<br />
Ja, da stand er, der Lindenbaum, so groß und breit, wie<br />
ich nie mehr einen gesehen habe. Und immer, wenn in fröhlichem<br />
Kreise — der Deutsche singt gern wehmütige Lieder<br />
«—, in froher Gesellschaft das schöne Volkslied erklang,<br />
gingen meine Gedanken zurück zu ihm, der mit so vielen<br />
Eine Kindheitserinnerung<br />
Erinnerungen an die Kindheit, verknüpft war. Er stand a'if<br />
einer niederen Böschung, welche die heutige Leopoldstraße<br />
von dem Weg trennt, der zum Brenzkoferberg führte Es war<br />
auch ein Brunnen daneben, der in früheren Tagen, als die<br />
umliegenden Häuser noch keine Wasserleitung hatten, eine
36 H O II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />
größere Rolle gespielt haben mag. Später verlor er seine<br />
Bedeutung und verschwand dann ganz Und ein Kreuzbild<br />
im Schatten des Brunnens erhöhte noch die Idylle des schönen<br />
Platzes. Gleich gegenüber, an der anderen Hauptstraße,<br />
stand ein Doppelhaus, dessen eine Hälfte Wohnung und<br />
Werkstatt eines Schreinermeisters umfaßte und dessen anderer<br />
Teil einen fürstlichen Beamten zum Besitzer hatte.<br />
Auf dem Namensschild an der Haustüre stand auch sein<br />
Doktortitel, und das war damals noch eine ziemliche Seltenheit,<br />
die sich meist nur Aerzte zugelegt hatten. Es kam daher<br />
öfters vor, daß die Hausglocke ertönte und vom Lande herkommende<br />
Bauern sich Rat und Hilfe beim Herrn Doktor<br />
holen wollten. An das Haus schloß sich ein kleiner Garten,<br />
und diesen wiederum beschloß ein kleines, grünumranktes<br />
Gartenhaus. Auch eine großblumige Clematis kletterte daran<br />
herauf, eine Seltenheit in dem rauhen Sigmaringer Klima,<br />
die daher viel bewundert wurde. An Abenden, an denen die<br />
Temperatur es erlaubte, war manche fröhliche Gesellschaft<br />
dort vereint. Das kleine Grundstück wurde fleißig bearbeitet,<br />
der Ertrag an Blumen, Früchten und Gemüsen war aber<br />
auch sehr erfreulich. Von den ersten VeiiChen bis zu den späten<br />
Herbstblumen und mancherlei Gemüse für die Küche<br />
wurden geerntet. Mein Vater hat sogar ein Spargelbeet angelegt.<br />
Ob die Arbeit sich gelohnt hat, ist mir nicht erinnerlich;<br />
wahrscheinlich haben nicht nur Ungunst von Klima und<br />
Boden es verhindert, sondern auch die Ereignisse der Jahre,<br />
die dann folgten. Der Höhepunkt für die Kinder war natürlich<br />
die Beeren- und Obsternte. Besonders war ein Pflaumenbaum<br />
geschätzt, der ohne große Mühe erklettert werden<br />
konnte, so daß man die Früchte aus nächster Nähe erreichen<br />
konnte.<br />
Auf der andern Seite der Brenzkoferstraße lag ein freier<br />
Platz, der Turnplatz der Stadt. Außer einigen Turngeräten,<br />
auch einem großen Gerüst mit Stangen, Seilen und Ringen<br />
zum Klettern, war er frei und bot einen herrlichen Spielplatz,<br />
im Sommer zum Laufen und Springen, zum Spielen<br />
und Bauen im Sand, im Winter, wenn hoher Schnee ihn<br />
bedeckte, haben wir oft Burgen und Wälle in denselben gebaut.<br />
Fußballkämpfe gab es in der damaligen Zeit noch<br />
nicht, der Platz wäre dazu auch zu klein gewesen. Die abschüssige<br />
Straße vom Berg benutzten wir nur zu gerne zu<br />
unseren Schlittenfahrten, trotz des immer wiederholten Verbotes.<br />
Wie schön war es, bis weit hinaus auf die Straße<br />
sausen zu können, die damals noch ungefährlich war.<br />
Doch nun zurück zu unserem Lindt.^baum Wie ich schon<br />
erwähnte, war er ganz außergewöhnlich groß und weit verzweigt.<br />
Wenn wir ihn im Spiel zu umkreisen suchten, bedurfte<br />
es gar mancher Kinderärmchen, bis dei Kreis sich<br />
schloß. Er war gewiß uralt, seine rauhe Rinde und gar<br />
manche kahle Steile im Geäst zeigten dies an. Am Fuße des<br />
Stammes war eine hohle Stelle, so groß, daß leicht ein Kind<br />
hineinschlüpfen konnte. Es schoß ein braunes Mehl heraus,<br />
das absterbende Lebensmark des alten Riesen. Wir konnten<br />
dies zu unseren Spielen gut gebrauchen und bildeten damit<br />
die Straßen in unseren Burgen- und Städtebauten im Sandhaufen.<br />
Wir trugen es auch hinunter in den Garten, um<br />
Reinhold Frank<br />
Es ist nicht notwendig, heute noch gegen den Nationalsozialismus<br />
zu wettern. Das schließt aber nicht aus, daß wir<br />
in Ehrfurcht seiner Opfer gedenken. Wir in Hohenzollern<br />
und mehr oder weniger in ganz Süddeutschland haben allen<br />
Grund, eines Mannes zu gedenken, daß sein Opfer nicht ganz<br />
und gar unbeachtet bleibt. Es ist der gute R e i n h o 1 d<br />
Frank von Bachhaupte n, Kreis Sigmaringen. Dies<br />
um so mehr, da in dem Bucne von Adolph: „Im Schatten des<br />
Galgens" die Gedächtnisrede des Domkapitulars Buchholz<br />
anläßlich des Katholikentages 1952 in Berlin neben der anderen<br />
Opfer des 20. Juli 1944 Reinhold Franks Namen speziell<br />
im Zusammenhang seines christlichen mutigen Sterbens<br />
nennt.<br />
Reinhold Frank ist am 23. 7. 1896 in Bachhaupten in der<br />
Nähe von Ostrach geboren als jüngstes von 7 Kindern. Den<br />
Vater Franz verlor er schon 1904. Es ist nicht verwunderlich,<br />
wenn er durch seine gute Begabung auffiel und 1906 im<br />
Herbst an das Gymnasium nach Sigmärmgen kam und damit<br />
auch als Zögling eintrat in das St. Fideliskonvikt. Seine Mitschüler<br />
und Klassengenossen lernten ihn balc schätzen als<br />
sehr fleißigen und gediegenen Kameraden. Und wenn er<br />
auch große Talente besaß, er war bescheiden und außerordentlich<br />
strebsam und hat aber doch auf die Schwächeren<br />
in keiner Weise herabgesehen. In seiner Klasse war er allzeit<br />
beliebt durch seine Umgänglichkeit; seine Lehrer hielten viel<br />
auf den eigenen Beetchen die Anpflanzungen zu düngen, wie<br />
wir es bei den Großen sahen. Aber trotz seines hohen Alters<br />
grünte der Riesenbaum in jedem Frühling aufs neue und<br />
verlor im Herbst sein Laub. Uns Kinder kümmerte das aber<br />
wenig, denn für gesunde Kinder hat jede Jahreszeit Gelegenheit<br />
zu mannigfachem Spiel. Aber einmal schlug auch die<br />
Stunde für den geliebten alten Freund. Das damalige Oberhaupt<br />
der Stadt, Bürgermeister Gayer, wohnte ganz in unserer<br />
Nachbarschaft und mußte daher täglich an dem alten<br />
Baum vorüber gehen. Schon länger hat er ihn wohl mit<br />
Sorgen beobachtet, und eines Tages ließ er die Bewohner der<br />
umliegenden Häuser warnen und eine Wache beim Lindenbaum<br />
aufstellen. Der Riese drohte umzustürzen. Nun kam<br />
die große, sorgenvolle Frage, nach welcher Seite er wohl<br />
fallen würde. War es nach der Seite, wo unser Besitztum lag,<br />
dann bestand die Gefahr, daß er im Sturz unsern schön gepflegten<br />
Garten, ja sogar das Wohnhaus schwer beschädigt<br />
hätte. Immer mehr mußte man einsehen, daß die Katastrophe<br />
heranrückte, es waren aufregende Stunden, da man<br />
darauf wartete. Da, — eines Mittags, wir waren gerade beim<br />
Essen, erfolgte ein großes Krachen und man wußte, nun ist<br />
es geschehen! Nachdem der erste Schrecken vorüber und<br />
anscheinend die Gefahr beseitigt war, ließen wir uns nicht<br />
mehr halten. Der erste Eindruck war der des Dankes, weil<br />
er nicht auf unsere Seite, sondern auf den gegenüberliegenden<br />
Turnplatz gestürzt war, wo er zwar die Turngeräte zer -<br />
splittert, aber weiter keinen Schaden angerichtet hatte. Erst<br />
jetzt, da man ihn in seiner ganzen Größe liegen sah, konnte<br />
man ermessen, wie furchtbar es hätte sein können, wenn er<br />
auf unser Heim gefallen wäre. Nun mußten wir aber dem<br />
toten Riesen nahe kommen. Wie erstaunte man, als man seiner<br />
sonst so fernen Krone gegenüber stand. Unzählig waren<br />
die Aeste und Zweige und wie viel Leben spielte sich darin<br />
ab. Wohnstätten der Vögel, Eichhörnchen und Fledermäuse<br />
waren zerstört worden und noch länger flatterten die vertriebenen<br />
Bewohner um ihre Nester. Und die uns so interessante<br />
Höhlung am Fuße des Baumes konnte man bis<br />
weit hinauf verfolgen. Sie hatte besonders den Fledermäusen<br />
willkommenen Unterschlupf gewährt. ISloch tagelang bot der<br />
gestürzte Baum eine beliebte Stätte zum Spiel, das abei stets<br />
mit stillem Grausen und mit Bewunderung seiner Größe<br />
begleitet war. Aber allmählich rückten die Arbeiter heran<br />
und zerlegten die einzelnen Teile, große Beigen an Holz<br />
türmten sich auf und wurden zu ihrer weiteren Bestimmung<br />
abgeführt. Die Schäden am Turnplatz wurden ausgebessert,<br />
und das Leben ging seinen gewohnten Gang weiter. Die<br />
Menschen, welche die leer gewordene Stätte bemerkten, hatten<br />
vielleicht noch ein Bedauern, aber wie so viele: ist auch<br />
dieses Ereignis bald der Vergessenheit anheimgefallen. Ein<br />
neuer Lindenbaum wurde gepflanzt, der sich nun seit Jahrzehnten<br />
bemühen muß, seinem Vorgänger nachzufolgen.<br />
Aber die Erinnerung an diesen ist in uns wach geblieben<br />
und immer, wenn ich bei einer Rückkehr in die alte <strong>Heimat</strong><br />
die Stätte wiedersehe, meine icn, die Worte zu hören: „Am<br />
Brunnen vor dem Tore, da stand ein Lindenbaum".<br />
zum Gedächtnis<br />
Christiane Zingeler.<br />
auf ihn. Wenn er auch ein turnbegeisterter Student war><br />
und es sich zeigte, daß er später nicht Theologie studieren<br />
werde, in die Hausordnung des Konvikts hat er sich jederzeit<br />
tadellos eingefügt, und man darf ruhig sagen, diese Jahre<br />
im St. Fideliskonvikt haben neben seinem Elternhaus seinen<br />
späteren Lebensweg bestimmt und zum Guten beeinflußt.<br />
Als 1914 der erste Weltkrieg ausbrach, ließ er sich in seiner<br />
ehrlichen vaterländischen Begeisterung nicht mehr lange halten,<br />
sich als Kriegsfreiwilliger zu melden, schreibt er ja am<br />
14. Oktober 1914 an seine Mutter: „ ... als Kriegsfreiwilliger<br />
ins Heer einzutreten. Sei nicht so ängstlich um mich. Stehe<br />
ich im Felde nicht ebenso unter Gottes Hut, nicht ebenso im<br />
Schutze d-^r lieben Himmelsmutter wie hier. Sollte ich fallen<br />
.... dann bekomme ich im Jenseits meinen Lohn! ..."<br />
Wahrhaftig ein schönes Zeugnis für einen jungen Mann, der<br />
auch mit dem Gedanken umging, aktiver Offizier zu werden,<br />
was er aber dann docn später nicht tat. Er meldete sich bei<br />
dem damaligen Feidartillerie-Regiment Nr. 84 in Straßburg.<br />
Den folgenden schönen Satz: „Mit der Bitte, mir alle Fehler<br />
die ich jemals gegen Dich, liebe Mutter, begangen habe, vergeben<br />
zu wollen " schrieb er beim Eintritt ins Heer. Da<br />
er mehr leisten wollte, meldete er sich weg von der Artillerie<br />
zu den Jägern zu Fuß. Neben dem E. K. II. Klasse<br />
brachte er es zum Feldwebel. Ohne Zweifel wäre er bald<br />
Ofiizier geworden, aber wer ihn kannte und vor allem seine
Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 37<br />
unbeugsame Gerad- und Offenheit, versteht es, daß ihm halt<br />
doch manches in der Praxis des Soldatenlebens nicht gefiel<br />
und er dagegen auch Vorgesetzten gegenüber Front machte.<br />
Viermal war er verwundet. Schädeldecke, Oberschenkel, ein<br />
Zeichen, daß es ihn auch ordentlich erwischte und er sich<br />
nicht drückte, wie man sonst so sagt. Reinhold hatte Glück,<br />
er kam 1918 wieder heim und begann hoffnungsfroh in Freiburg/Br.<br />
das Studium des bürgerlichen Rechts, trat dann<br />
aktiv ein bei der katholischen farbentragenden Verbindung<br />
„Arminia" und stand und steht heute noch bei seinen Bundesbrüdern<br />
in hoher Achtung. Ohne Zweifel hat er auch<br />
während des Universitätsstudiums die ehrliche katholische<br />
religiöse Ueberzeugung hochgehalten. Dies werden seine Studienfreunde<br />
ihm nicht auch noch ausdrücklich bezeugen müssen.<br />
Etwa 1927 machte er sein Referendarexamen und, wenn<br />
ein Nichtfachmann so aus der persönlichen Kenntnis sein Urteil<br />
abgeben darf, dann wird es das sein müssen: Reinhold<br />
Frank hat auch da seinen Mann gestellt und war ihm darum<br />
zu tun, dem Rechte zum Siege zu verhelfen. Er arbeitete in<br />
den folgenden Jahren in Pfullendorf, Konstanz, Freiburg und<br />
Karlsruhe. Es wird wohl wahrhaft kein Zufall sein, daß<br />
der damalige badische Gesandte in Berlin, Dr. Honold, auf<br />
Reinhold Frank aufmerksam wurde, er in enge Arbeitsgemeinschaft<br />
mit ihm trat und sie gemeinsam eine Prajis aufmachten,<br />
d. h. daß Reinhold während der jeweiligen Abwesenheit<br />
von Dr. Honold alles allein schaffte. Weiß Gott,<br />
wenn Reinhold Frank heute noch leben würde, was er heute<br />
für eine Stellung bekleiden würde. Daß Reinhold Frank in<br />
der Hitlerzeit sich nicht vom Nationalsozialismus bestechen<br />
und einfangen ließ, nun, das gab seine ehrliche Denkungsart<br />
einfach nicht zu. Und für die Praktiken im 3. Reich war er<br />
einfach nicht zu haben. Ueber diese Zeit schreibt unter anderem<br />
H. H. Stadtpfarrer Dold-Karlsruhe: „Ganz im Gegensatz<br />
dazu hatte Rechtsanwalt Frank den Mut, mich als<br />
Rechtsanwalt in dem Prozeß wegen der Fastenopferkollekte<br />
1942 zu vertreten, obwohl er wußte, daß er damit bei der<br />
Partei und Gestapo keine Lorbeeren ernten werde ...."<br />
Dr. Friedr. Weber schreibt hierüber unter anderem: „So<br />
wurde nach dem Jahre 1933 bis in den Krieg hinein sein Haus<br />
in der Hofstraße 2 in Karlsruhe bald der Sammelplatz<br />
derer, die über die Uferlosigkeit der Totalitätsansprüche des<br />
nationalsozialistischen Staates verzweifelten und nach Auswegen<br />
rangen, um das Unglück von Volk und Land abzuwenden.<br />
Seine Hilfsbereitschaft, die er ohne Ansehen von<br />
Religion, Rasse oder Nationalität übte, ist Vorbild für wahre<br />
Menschlichkeit. Um diesem Ideal zu dienen, setzte er seine<br />
Person Verdächtigungen aus, die sein Leben in Gefahr<br />
brachten." So Friedr. Werber.<br />
Leider haben sich über Reinhold Franks Akten die Wogen<br />
des Ammersees in Oberbayern geschlossen wie über so viele<br />
andere. Warum? Dadurch fehlen die eigentlichen Unterlagen<br />
für seine Verhaftung und Verurteilung. Reinhold Franks<br />
Kreuzweg begann am 21. Juli mit seiner Verhaftung. Dieses<br />
Datum wird ein Fingerzeig dafür sein, daß Reinhold Frank<br />
in 'Verbindung stand mit dem 20. Juli 1944 und wahrscheinlich<br />
besonders mit dem Kreis von Dr. Gördeler-Leipzig. Das<br />
ist jedenfalls sonnenklar, bei der ganzen Einstellung und<br />
Charakterveranlagung war Reinhold Frank ein absoluter<br />
Gegner Hitlers und seiner Getreuen in klarer Erkenntnis,<br />
daß alles im Untergang und Unglück endigen müsse. Die<br />
Gattin Reinholds, die heute als Witwe mit 4 Kindern in<br />
Karlsruhe lebt, wurde bei der Verhaftung ihres Mannes tätlich<br />
mißhandelt. 4 Wochen weilte Frank im Gefängnis in<br />
Aus der Ebinger Chronik des Joh. Jerg:<br />
Der Sommer 1816 war sehr naß gewesen. Am 8 Juni galt<br />
1 Simri Kernen (19—20 Liter) 2 Gulden und 50 Kreuzer Da<br />
schon 5 Jahre hindurch Mißwachs geherrscht, hatte man<br />
keinen Vorrat mehr auf den Fruchtkästen. Der Juni brachte<br />
schlechtes Heu, und der Juli zeigte sich rauh und kalt mit<br />
schweren Gewittern. Am 19. Juli will ein Killertäler bei<br />
Stehrenberg unterhalb Mannheim nach einem Unwetter in<br />
einem Gartenstück von Größe eines Morgens eine Menge<br />
Steine gesehen haben von 10—100 Pfund, die stanifarbig<br />
aussahen (wohl Meteor - Ueberreste). Am gleichen Tage<br />
machte ein Hagel Schaden in Unterschmeien, Dietfurt und<br />
Vilsingen bis Friedrichshafen hinauf. Auch der August ist<br />
trüb und regnerisch, eine späte Ernte ist zu fürchten. Alles<br />
jammert; der Esch will nicht reif werden. Auch der September<br />
zeigt sich unstät. Man fängt zu mähen an, allein es<br />
gibt sehr weiche Körner, denn die Witterung war immer zu<br />
kalt, die Früchte noch nicht reif. 1 Simri neuer Dinkel ko-<br />
Die Hungersnot 1816—17<br />
Stuttgart, wurde dann nach Berlin-Tegel, Plötzensee überführt.<br />
Diese Zeit war ohne Zweifel für seine Familie und<br />
mehr noch für ihn eine ganz schwere Zeit. Am 13. Januar<br />
1945 schreibt Reinhold Frank an seine Familie wörtlich:<br />
„Nun liebe Annemarie, erschrecke nicht und behalte es zunächst<br />
für Dich. Ich bin gestern zum Tode verurteilt worden.<br />
Es ist hart. Ob das Urteil vollstreckt wird, weiß ich nicht.<br />
Ich habe heute ein Gnadengesuch gemacht und hoffe, daß es<br />
Erfolg hat, Euretwegen. Warten wir ab und stellen wir alles<br />
in Gottes Hand!" — Man lese diese kurze Mitteilung einmal<br />
und man wird spüren, welche gefaßte und seelisch große<br />
Haltung hier aufleuchtet. Und nun schreibt unter dem 7. Februar<br />
1945 der katholische Oberpfarrer am Gefängnis Plötzensee<br />
an Frau Frank folgende Zeilen: „Es ist mir nicht<br />
leicht gewesen, Ihnen vor einigen Wochen zu schreiben, daß<br />
Ihr Mann schon Termin gehabt und vom Volksgericht zum<br />
Tode verurteilt war .... Heute muß ich Ihnen leider mitteilen,<br />
daß das Urteil bereits vollstreckt ist, und zwar am selben<br />
Tage, an dem Sie mir geschrieben, am 23. 1. 1945. Seit<br />
er im Gefängnis in Berlin-Tegel war, habe ich Ihren Mann<br />
regelmäßig zweimal wöchentlich besucht. Bei einem meiner<br />
ersten Besuche schon hat er eine Lebensbeichte abgelegt und<br />
ist von da ab jede Woche zu den hl. Sakramenten gegangen.<br />
Hier hat er sich in den langen, bangen Monaten der Ungewißheit<br />
die Kraft geholt, nie zu verzagen, und als schließlich<br />
die Entscheidung fiel, auch das Todesurteil mannhaft und<br />
stark hinzunehmen. Wenn ihm eines den Abschied von dieser<br />
Welt schwer gemacht hat: der Gedanke an die Seinen, die<br />
Sehnsucht nach Ihnen und den Kindern, so gab ihm auf der<br />
anderen Seite die Gewißheit Trost, daß sie in derselben<br />
christlichen Haltung das Letzte und Schwerste mit ihm tragen<br />
und mit ihm auch hoffen auf ein Wiedersehen und Wiedervereinigung<br />
in der Ewigkeit. In diesem Sinne schickt er<br />
Ihnen seine letzten Grüße mit der Bitte, bei den Kindern<br />
sein Andenken zu pflegen und in Ehren zu hallen." Und da<br />
soll ein denkender und erst recht ein christlich eingestellter<br />
Mensch nicht die allergrößte Hochachtung empfinden können<br />
von der Haltung bis zuletzt zum Tode, wie sie da Reinhold<br />
Frank geoffenbart hat. Fast wie ein Hohn klingt, was<br />
der Oberreichsanwalt in Berlin unter dem 19. Februar 1945<br />
schreibt: „Der ehemalige Rechtsanwalt Reinhold Frank ist<br />
wegen Hoch- und Landesverrat vom Volksgerichtshof des<br />
Großdeutschen Reiches zum Tode verurteilt worden. Das Urteil<br />
ist am 23. Januar 1945 vollstreckt worden. Die Veröffentlichung<br />
einer Todesanzeige ist unzulässig." Der letzte Satz<br />
scheint ein böses Gewissen zu verraten. Umsomehr aber hat<br />
die engere und weitere <strong>Heimat</strong> die Pflicht, dieses Opfers des<br />
Hitlerregimes in Ehrfurcht zu gedenken und unser katholisches<br />
Volk und überhaupt alle christlichen Kreise unseres<br />
Volkes von Reinhold Frank zu lernen, wie man treu und<br />
aufrecht steht zu seiner Ueberzeugung und seinem Glauben,<br />
schreibt doch auch der oben genannte Stadtpfarrer Dold von<br />
Karlsruhe, zitierend das Wort des großen Augustinus vom<br />
Jahre 430: „Wer für die Wahrheit stirbt., stirbt als Märtyrer.<br />
Denn Christus hat gesagt, ich bin die Wahrheit."<br />
Wenn nun Karlsruhe seines ehemaligen Rechtsanwaltes<br />
Reinhold Frank schon vor Jahren in einer großen Versammlung<br />
gedacht hat und, wenn wir recht orientiert sind, eine<br />
Straße nach ihm benannt hat, wäre es am Platze, daß auch<br />
Hohenzollern seiner in einer besonderen Weise gedenkt. Uns<br />
allen aber sei Reinhold Frank eine leuchtende, wegweisende<br />
Gestalt im Kampfe des Lebens.<br />
J. B. Locher, Pfarrer, Kettenacker.<br />
stet 1 fl., Roggen 2 fl. 36 kr. Nach wenigen schönen Tagen<br />
im September, wobei die Nächte wieder zu kalt waren, kam<br />
gleich Regen... Am 10. November sind noch viele Früchte<br />
draußen. Vielerorts hat man noch keine Grundbirn zuhaus.<br />
Man versucht sie und das Getreide unter dem Schnee<br />
hervorzuholen. Auch Hanf und Flachs gedieh nur<br />
miserabel; alles ist hier (in Ebingen) und auf den Alben<br />
verdorben. Auf ausgeführte Früchte wird in ganz<br />
Württemberg Zoll gelegt: Auf 1 Simri Kernen schlägt man<br />
1 fl. und 12 kr. drauf, auf 1 Scheffel Haber (= 8 Simri) 2 fl.,<br />
auf 1 Eimer Branntwein 20 fl., 1 Scheffel Grundbirnen 1 fl.<br />
Was jedoch aus dem Ausland (also auch aus Hohenzollern)<br />
hereinkommt, ist zollfrei. 1 Simri Kernen gilt 5 fl, 1 Simri<br />
Bohnen (d. i. Acker oohnen oder Saubohnen) 3 fl., Gerste<br />
ebensoviel, 1 Simri Grunübirneii 48 kr.<br />
Man will hier in Ebingen eine Suppenküche für die Armen<br />
einrichten; für 80 000 fl. sind Früchte gekauft und hergeführt.<br />
Aber erst das folgende Jahr 1817 sollte zum Hunger-
38 H O H E N Z O L, L E R I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />
jähr werden. Zwar konnten Ende Januar die Wintersaaten<br />
schön hervorkommen, wo man überhaupt Samen zum Aussäen<br />
gehabt hat. Schon am 15. Febr. gab es Bad^ken (S 'llüsselblumen),<br />
Gänseblümchen und Rollen auf den Wiesen. L^nn<br />
traf nochmal Schneefall ein. Der März war anfangs trocken,<br />
dann stürmisch. Die Preise zogen immer mehr an: 1 Scheffel<br />
Haber stieg bis 10 fl. „Alles seupfzte zu der Zeit", denn<br />
der Verdienst war schwach. Daher wanderten ÜQerall viele<br />
aus nach Amerika, Rußland bis Kaukasien. Es sollen «0 000<br />
fort sein, sodaß unser König allgemein warnen läßt. Am 2.<br />
März galt das Simri Kernen 5 fl. 40 kr Die Becker wollen<br />
nimmer bachen. Der Bettelstand hat ganz aufgehört, seit<br />
man Suppen ausgibt. Die Arbeitsfähige" müssen ins Spinnhaus<br />
zum Streichen, Kämmen un.' Spinnen Am 19. ""iril<br />
verlangt man für 1 Simri Kernen bis 6 ff., 1 Scheffel Haber<br />
10 bis 14 fl., also „daß es nichts als Seupfzen und Wehklagen<br />
gibt". Aus Mangel konnten manche Ortschaften keinen Haber<br />
aussäen. Im Mai noch lag Schnee auf unsern Bergen und<br />
auf der Aib. Für 1 Simri Erdbirnen, so klein wie Haselnüsse,<br />
zahlte man 15—25 Batzen. Am 18. Mai kam Gras und .Laub<br />
sehr schön herfür, sodaß man endlich fürs Vieh genügend<br />
Nahrung hatte. Die Leute aber gruben Sonnenwirbel aus<br />
und kochten sie zum Essen. Manche sf^en sehr verhungert<br />
aue von dem Gras und den Wurzeln, die Beulen und Geschwulste<br />
erzeugten und vielen gar de 1 " Tod brachten. Auf<br />
dem Herrschaftskasten hier teilte man Frucht aus. Ich erhielt<br />
1*2 Simri für 4 fl. 24 kr., eine böse elende Frucht. Man<br />
geht in die Schnecken und sucht Wurzeln. Ausgangs April<br />
schlug ein Inneringer in Langenenslingen währenc des Gottesdienstes<br />
eine Krämerin tot, wurde aber in Heilbronn gefaßt<br />
und in Sigmaringen am 4. Juni enthauptet. Am 7. Juni<br />
galt 1 Simri Kernen bis 9 fl., in Balingen gar bis II 1 /* fl.<br />
Bürger und Bauern gibt es hier, die Getreid_ zurückhalten.<br />
Sie denken: was gehen mich die Armen an. Als man für die<br />
Minderbemittelten Geld sammelte, haben die Reichsten am<br />
wenigsten gespendet. Die Wucherer sagen, alles werde noch<br />
teurer, und fressen und saufen, daß manchen Mittellosen<br />
das Herz zerspringen möchte.<br />
Am 10. Juni zogen hier über 300 Personen durch aus dem<br />
Baiinger, Rosenfelder und Sulzer Amt, sie wollen nach Serbien<br />
und Belgrad... Die Früchte stehen schön im Feld.<br />
Wucherer verlangen für das Simri Kernen 13 fl. Aber der<br />
König setzte einen Höchstpreis fest: für 1 Scheffel Dinkel auf<br />
14—16 fl., 1 Simri Gerste 3 fl., Saubohnen ebensoviel, 1 Simri<br />
Weizen -5 fi.: dazu wird Durchsuchung angeordnet. Die Bekken<br />
bachen Batzeniaibe mit 3—4 Lot an Gewicht, manche<br />
allerdings machen sie 5—6 Lot schwer. Am 21. Juni war unser<br />
Kaufhaus völlig leer, kein Simri kam an. Alles seufzte. Man<br />
aß Schnecken, auch Taubenkröpf (Pflanze) und viele andere<br />
Kräuter, Die Becken mußten jetzt ein Pfund Weißbrot für<br />
12 kr geben, vorher hatten sie 30—40 verlangt. (Im Jahre<br />
1810 galt 1 Pfund ZW Kreuzer!)<br />
Vom 25. Juni an durfte nur noc). Einh itsbrot gebacken<br />
werden; dabei war der Andrang zu den Bäckereien<br />
soi groß, daß man die Türen schließen und zum Fenster ausgeben<br />
mußte. Auch liefen hier viele Ausländer ums Brot<br />
und trugen es heimlich fort, da es erbärmlich anzusehen war,<br />
weil es doch dadurch andern weggenommen wurde. Manchem<br />
möchte das Herz zerspringen, wenn er den Jammer<br />
und das Wehklagen hört von denen, die kein Brot haben!<br />
Am 9. Juli hat es in Laiz und Inzigkofen gehageit. Aus Heilbronn<br />
kommt die erfreuliche Nachricht, daß man den ersten<br />
Erntewager mit Blumen und Kränzen unter heißen Freudentränen<br />
heimführte die Jugend bekränzt, die Bürger mit<br />
Loben und Danken, Beten und Singen.<br />
Der 19. Juli war der ärmste Tag in meinem Haus: kein<br />
Geld mehr, kein Mehl, kein Brot. Alles jammerte zusammen.<br />
Ich gehe in die Stadt zum Polizeidiener und frage ob<br />
der Stiftsverwalter mir nicht bis Martini mit 25 fl. aushülfe.<br />
Gott sei Dank, er half! So konnte ich Musmehl kaufen, das<br />
Simri zu 4 fl. 48 kr., und 10 Pfund Brot, schwarzes und<br />
feuchtes war es zwar, für 1 fl. 28 kr. Es wird uns ewig im<br />
Gedächtnis bleiben!<br />
Aber viele schauen so verhungert aus, besonders aus den<br />
Alborten und dem Heuberg bis Spaichingen hm. Am 25. Juli<br />
früh 6 Uhr brachte mir der Bote Ramsberger von Benzingen<br />
zum 50. Geburtstag ein Simri Wintergerste als Präsent.<br />
Ich gab ihm trotzdem 4 und ging gleich damit in die<br />
Mühle. Alles sprang und besah die neue Frucht! Ich backe<br />
sie: Was für eine Stärkung das für die Meinigen war, dieses<br />
neue Brot!<br />
Am 28. Juli hole ich Brot m Straßberg, das Pfd. zu 9 Kr.<br />
Allein es wurde gleich im Sigmaringischen bei 10 Taler<br />
Strafe verboten, nach auswärts zu verkaufen. Es laufen vorn<br />
Talgang, vom Killertal und von Balingen her heimlich viele<br />
in der Nacht nach Straßberg um Brot zu holen....<br />
Hier in Ebingen haben nur 36 Bürger eigenes Brot. Das<br />
Musmehl, das man kriegt, erzeugt Schwindel im Kopf A "n<br />
10. August habe ich mit meinem großen Sohn in S t r a -<br />
b e r g 1 h Scheffel Dinkel für 9 fl geholt, dazu noch 20 Laible<br />
Brot. Wir gehen durchs Hefatal übern Berg und Stettemer<br />
Staig herunter. Was ist das doch, wenn man so in Angst und<br />
Nacht nach Nahrung laufen muß! Es sterben viele auszehrende<br />
Personen. Zwar ist alles in Freude und doch in größtem<br />
Hunger nach der nahen Ernte und nach den Grundbirnen,<br />
die prachtvoll im Feld stehen. Es seien 600 Morgen in<br />
allen drei Eschen gesetzt worden. 5 August: Man iäuft immer<br />
noch täglich ums Brot. Am Tor hat man feil gehabt wie<br />
das Obst. Wir bekommen zwar von der Böttin von Straßberg<br />
und der von Harthausen a. Sch., allein es hat viel gekostet<br />
Als dann am 6. August Johann Stierle das erste Korn<br />
beim Mehlbaum gemäht, wurde gleich Anstalt gemacht, den<br />
ersten Erntewagen festlich einzuholen. Die Jugend muß sich<br />
mit Sonntagskleidern schmücken, mit Blumen und Kränzen<br />
zeigen, Maien und Fähnchen wurden gemacht. Und als der<br />
8. August kam, schien es als woll es trüb werden. Man<br />
weicht die Wieden ein in meinem Bach. Der Himmel heitert<br />
sich auf, um 11 Uhr geht man zum Binden. Zwar muß die<br />
Jugend bis 1 Uhr in die Schul. Aber dann zog man in die<br />
Obere Vorstadt und stellte sich in zwei Reihen. Zwei Maien<br />
und die Musikanten gingen dem Wagen entgegen. Die Ledigen<br />
ließen ihre Gewehre los, als der Wagen kam. Alles<br />
rannte und sprang. Die ganze Burschenschaft ging entgegen.<br />
Man schmückte und bekränzte den Wagen mit Blumen. Die<br />
Musik stimmte an, dann singt die Jugend „Lobe den Herren".<br />
Wie da Freudentränen flössen und Segenswünsche ausgebracht<br />
wurden bei dem Einaug! Das bleibt in ewigem Angedenken.<br />
Mit Gesang fährt man durch die Stadt mit der<br />
Jugend zum unteren Tor hinaus, den Kirchgraben hinauf. Da<br />
hat eine trübe Wolke wollen regnen. Allein e= war nur ein<br />
Gnadentau von Gott gewesen. So fährt man für die Kirch,<br />
trägt zwei Garben hinein, stellt sie vorn Altar und schmü :t<br />
sie. Maien und Blumen stellt man darum, wie auch die<br />
Fähnchen. Die Juigend umsäumt den Altar und Magister<br />
Weiß und Diakonus Hier treten herzu und predigen, daß vor<br />
Altei= unter den Israeliten alle Jahr dieses Fest auch veranstaltet<br />
worden sei und daß wir dieses Beispiel jetzt auch<br />
nachahmten. Da hat alles geweint vor Rührung und Dank .<br />
(Chronik des Bleichers Johannes Jerg, 1771—1825, hgg. vom<br />
Bürgermeisteramt Ebingen, 1953.)<br />
1904 - Missionshaus Haigerloch - 1954<br />
Kardinal Lavigerie, Erzbischof von Algier, gründete 1868<br />
die Gesellschaft der Weißen Väter und entsandte 1875 die<br />
erste Missionskarawane nach Zentral-Afrika. Weitere Expeditionen<br />
folgten. Schon unter diesen ersten Sendboten für<br />
die Aequatormission befanden sich einzelne Deutsche, so P.<br />
August Schynse, Z, Achte, Bruder Max und Bruder Hieronymus.<br />
Ais 1888 das Deutsche Reich seine kolonisatorische Tätigkeit<br />
in Deutsch-Ostafrika begann, wünschte man auch eine<br />
ausreichende Zahl deutscher Missionare. Fürst Bismarck<br />
schrieb in diesem Sinne an Kardinal Lavigerie und regte die<br />
Gründung deutscher Missionsschulen an. So wurde 1894 die<br />
Weiße Väter-Schule in Trier und 1904 die zweite in Haigerloch<br />
eröffnet.<br />
Am 21. Juni 1904 nahm Domkapitular Dreher als Vertre-<br />
ter des Erzbischofs Freiburg die Benediktion des 1903 erbauten<br />
Missionshauses vor. Mit 43 Schülern begannen die<br />
Patres den Unterricht für die 4 unteren Gymnasialklassen.<br />
Im L ife der Jahre wuchs die Zahl der Zöglinge auf 60. 80,<br />
100. Vorübergehend mußten auch die oberen Klassen und<br />
1946- 30 die Ser naristen im Aloysianum zu Haigerloch untergebracht<br />
werden.<br />
Trotz der beiden Weltkriege, trotz der Unterdrückung und<br />
Aufhebung der Schule durch die Nationalsozialistische Regierung,<br />
trotz materieller Not und vieler Schwierigkeiten,<br />
ging eine schöre A.izahl von Berufen aus Haigerloch hervor.<br />
200 Priester, die durch die Missionsschule gegangen sind,<br />
wirken seit Jahren segensreich in der <strong>Heimat</strong> und Mission.<br />
Seite an Seite arbeiten sie mit den Missionaren anderer Nationen<br />
in den Missionsgebieten der Weißen Väter,
Jahraang iy54 H Ö H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 39<br />
Mit 300 Priestern und Brüdern stehen die Weißen Väter an<br />
2. Stelle unter den in Afrika missionierenden Orden und<br />
Kongregationen. Sie leiten 39 Vikariate in Nord-, West- und<br />
Zentral-Afrika mit 4 Millionen Christen. Einige ihrer Gebiete,<br />
z. B. Ruanda, Urundi, zählen zu den blühendsten<br />
Missionen unserer Kirche. Uganda, das „Königreich Mariens",<br />
hat bereits 1885 die Edelfrucht der seligen Negermärtyrer<br />
hervorgebracht. Auch das Werk des einheimischen<br />
Klerus, das Lavigerie seinen Söhnen von Anfang an zur<br />
Pflicht gemacht hat, konnte schönste Erfolge erzielen. An<br />
der Spitze der fast 500 schwarzen Priester, die aus den Schulen<br />
der Weißen Väter hervorgingen, stehen drei Negerbischöfe:<br />
Rugambwa, Kiwannka und Bigirumwami.<br />
Weil deutsche Weiße Väter ihre ersten Lehrer und Erzieher<br />
waren, oder Wohltäter aus Deutschland ihnen das<br />
II. Teil<br />
Im ersten Grabungsbericht vom Herbst 1952 wurde gesagt,<br />
die ganze Anlage habe einen Wohnturm von 11,40 m<br />
Länge und 10.50 m Breite dargestellt. Nun hat die Fortsetzung<br />
der Grabungen im Herbst 1953 neue Ergebnisse gebracht,<br />
die eine Ergänzung des bisherigen Berichtes notwendig<br />
machen.<br />
Die Westmauer, die infolge oberflächlicher Untersuchung<br />
bei der ersten Grabung als Außenmauer angesprochen wurde,,<br />
hat sich bei der zweiten Grabung als Zwischenmauer von nur<br />
0,70 m Stärke erwiesen, und die nach Westen sich anschließende<br />
Vertiefung war nicht allein Steinbr h zur Gewinnung<br />
von Baumaterial, sondern ein zweiter Kellerraum mit einer<br />
lichten Weite von. 6,50 auf 4,60 m und einer Tiefe von 3 m,<br />
von der ehemaligen Oberfläche der Bergkuppe aus gemessen.<br />
Auf diesem Kellerraum hat also ein zweites Gebäude gestanden,<br />
dessen Außenmauern nicht 1,50 m Durchmesser wie<br />
beim Hauptgebäude haben, sondern nur 1,00 bezw. 1,30 m.<br />
Angesichts dieser verhältnismäßig sehr schwachen Mauern<br />
kann es sich nicht um einen Turm oder sogen. Bergfried gehandelt<br />
haben, sondern nur um einen Anbau, der die Höhe<br />
des Hauptbaues nicht erreichte. Durch diesen Anbau wird<br />
eine Gesamtlänge des Gebäudes von 15,20 m erreicht. Der<br />
im Westen an das Gebäude angrenzende höchste Teil der<br />
Bergkuppe, der ziemlich eben und in seiner Struktur nicht<br />
gestört ist, hat sich als Burghof herausgestellt. Die Hofmauer<br />
mit 1,10 m bildet genau die Verlängerung der Gebäudemauer.<br />
Sie umgibt rechtwinklig den Hof, steigt in der<br />
Nordwestecke ein Stück den Abhang hinab und wird dort,<br />
ähnlich wie an der Ostseite, durch eine Stützmauer gehalten.<br />
Diese Hofmauer weist kein Fundament auf wie die Gebäudemauern.<br />
Höchstens ihre unterste Steinschicht ist in den gewachsenen<br />
Boden eingelassen. Bei ihrem Bau wurde also<br />
kaum ein Erdaushub vorgenommen. Sie ist einfach dem Gelände<br />
angepaßt. Aus diesem. Grunde kann sie auch nicht sehr<br />
hoch gewesen sein, wahrscheinlich nicht über zwei Meter.<br />
Zahlreiche Ziegelreste, die den Mauerrand säumen, deuten<br />
darauf hin. daß sie einst mit Ziegeln abgedeckt war. An der<br />
Südseite verläuft die Hofmauer genau in der Fluchtlinie der<br />
Südmauer des Hauptgebäudes, ist aber auf etwa 7 m unterbrochen.<br />
Diese Unterbrechung besag- nicht, daß hier etwa<br />
gar keine Mauer gewesen wäre, denn bei der oberflächlichen<br />
Anlage ist es leicht möglich, daß gerade hier am höchsten<br />
Punkt auch der letzte Mauerrest abget "igen ist. Zudem ist<br />
es ziemlich sicher, daß an dieser Stelle der Eingang gewesen<br />
ist. Da"'ir sprechen die Unterbrechung der Mauer und die<br />
Lage des Burghofes an dieser sonnigen Südwestecke. Von<br />
außen kommend, mußte man doch zuerst den Burghof überschreiten<br />
um in das Gebäude zu gelangen. Vor der Mauerlücke<br />
befindet sich ein 6 m breiter Vorplatz, der bis zum<br />
Steilabfali nur 1 m Gefälle aufweist, also beinahe eben ist.<br />
Vom Zugangsweg, der von hier ab den Hang hinabführen<br />
Studium ermöglichen halfen, kamen einige dieser Negerpriester<br />
und die Negerbischöfe Kiwannka und Bigirumwami<br />
1950/53 eigens herüber, um die <strong>Heimat</strong> und die Schulen der<br />
Patres und Brüder kennen zu lernen, die ihnen soviel Gutes<br />
gebracht. Sie haben im Namen ihrer afrikanischen Landsleute<br />
ihren Dank aussprechen wollen und die dringende<br />
Bitte hinzugefügt, ihrem Lande die Treue zu halten.<br />
Es gilt, Afrika vor dem Islam zu retten, der sich doppelt<br />
so schnell als das Christentum ausbreitet, weil es an christlichen<br />
Glaubensboten und an den Mitteln zur Errichtung<br />
christlicher Schulen fehlt.Es geht darum, Afrika inmitten der<br />
anstürmenden europäischen Zivilisation und der kommunistischen<br />
Bedrohung den festen Halt christlicher Religion und<br />
Kultur zu geben. Es muß gelingen, Afrika einzubauen in<br />
das Reich des Friedens Christi, zum Schutz und Segen Europas.<br />
P. Schneider.<br />
Die Ausgrabungen auf Hohenjungingen<br />
von M. Lorch<br />
mußte, ist allerdings keine Spur mehr vorhanden. Weil er<br />
an dem der Talseite entgegengesetzten Hang gelegen war,<br />
wurde er nach Zerstörung der Burg wohl kaum mehr benützt;<br />
denn der Besucher der Ruine wählte eben den nächsten<br />
Weg vom Ringgraben gerade den Hang hinauf, und so<br />
konnte ein an sich schmaler Pfad in 600 Jahren spurlos verschwinden.<br />
So ist an dem neuesten Grabungsergebnis der Grundriß<br />
der Gesamtanlage ein genaues Rechteck von 21,65 m Länge<br />
und 11,40 m Breite. Von den 250 qm des bebauten Raumes<br />
entfallen auf Gebäude 150 qm und auf den Hofraum samt<br />
Mauer 100 qm. Damit ist so ziemlich der ganze verfügbare<br />
Platz auf der Bergkuppe ausgenützt worden. Aufgefundene<br />
Lehmbrocken mit deutlichen Abdrücken von Rundholz oder<br />
Flechtwerk in Verbindung mit verkohltem Holzwerk lassen<br />
den sicheren Schluß zu, daß beim Bau nicht ausschließlich<br />
Steinmaterial, sondern auch Fachwerk verwendet worden ist.<br />
Die Vermutung, in den zwei Erhöhungen des östlichen<br />
Ringwalls eine Toranlage zu finden, hat sich nicht bestätigt.<br />
Eine Probegrabung hat ergeben, daß der ganze Ringwall als<br />
Erdaushub anzusehen ist und keinerlei Mauerwerk enthält.<br />
Seine immer noch beträchtliche Höhe am Ost- und Westrande<br />
erklärt sich durch die Art der Anlag' An diesen beiden<br />
Stellen kommen zwei Höhenrücken bis nahe an die<br />
Bergkuppe heran. Mit ihrem etwas sanfteren Abhang boten<br />
sie die bequemeren Aufstiegsmöglichkeiten zur Burg, also<br />
auch die größeren Gefahrenstellen. Diese mußten beseitigt<br />
werden, indem man die Höhenrücken durch den Graben von<br />
der Bergkuppe trennte und mit der erreichten Tiefe dort<br />
Steilhänge schuf.<br />
Im Abschnitt der sudlichen Hofmauer wurden in der obersten<br />
Schicht, die hauptsächlich aus Brandschutt besteht, in<br />
nur 10 bis 20 cm Tiefe folgende Metaligegenstande gefunden:<br />
1.) ein 28 cm langes und im Durchschnitt 1,5 cm starkes<br />
Eisenstück in Staketenform. Die Durchbohrung im breitesten<br />
Teil könnte darauf hindeuten, daß es einst Auslösehebel<br />
bei irgend einem Gerät war; 2.) eine Axt von 18,5 cm Länge<br />
und 11,3 cm Breite am Setmeideteil; 3.) eine Art Flachzange<br />
von 15 cm Länge mit Verschlußbügel an einem Griff, der auf<br />
dem verbreiterten Gegengriff durch Nocken festgehalten und<br />
gespannt werden konnte; 4.) eine Anzahl Bolzenspitzen von<br />
Armbrustbolzen. Während sämtliche bisher gefundenen Bol<br />
zenspitzen am hinteren Ende Hüisenform zeigten, mittels der<br />
sie auf den Holzteil aufgesteckt waren, kam hier erstmals<br />
eine Bolzenspitze zum Vorschein, die mit einem angeschmiedeten<br />
Dorn in den Holzteil eingetrieben wurde, ähnlich wie<br />
eine heutige Feile im Hoizgriff steckt. Es könnte bezweifelt<br />
werden, ob diese eisernen Gegenstände wirklich aus dem<br />
14. Jahrhundert stammen oder vielleicht im Laufe der sechshundert<br />
Jahre durch irgend einen Zufall dorthin kamen.<br />
Darum l.^achtt man: Die Bolzenspitzen stammen bestimmt<br />
aus der Kampfhandlung im Jahre 1311. Die anderen Eisenteile<br />
wurden aber in Gesellschaft der Boizenspitzen gefunden<br />
und tragen genau wie diese eine dicke Rostschicht. Also ist<br />
man wohl berechtigt, alle Eisenfunde in das genannte Zerstörungsjahr<br />
zu datieren. Von den schon im ersten Grabungsbericht<br />
erwähnten Kalkhaufen wurde der größte an der<br />
Ostseite weiter durchsucht. Er war etwa 6 m lang, 3 m breit<br />
und 0,70 rn hoch und bildete einen einzigen Klotz. Neben<br />
Tonscherben von Ofenkacheln und Gefäßen, Ziegelscherben<br />
sowie einigen Messern und Nägeln war am Außenrande auch<br />
eine Aschenschicht bemerkbar. Man geht wohl nicht fehl, in<br />
diesem Kalkhaufen die Ueberreste des einstigen Ofens zu
40 H O II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />
X*
Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 41<br />
1819 wurde die hiesige Kirche erbaut, wozu ich bei seiner<br />
Durchlaucht das Meiste beitrug und die ganze Rechnung,<br />
welche noch bei mir vorliegt, führte. Mit Einnahmen und<br />
Ausgaben der Kosten von 10 074 Gulden bloß an barem Geld.<br />
1820 wurde mir der hiesige Mesmerdienst übertragen,<br />
welchen ich 1839 an meine beiden Söhne Luzian und Fr.<br />
Joseph freiwillig abtrat, also vor 19 Jahren.<br />
? wurde mir Statt meines kranken Bruders Georg die<br />
einstweilige Vogtsamtsverwaltung vom Fürsten übertragen.<br />
1834: Am 15. April auf das erfolgte Ableben meines Bruders<br />
Vogt, wurde ich als Vogtsamtsverweser ernannt und<br />
nachher, wo ich bei zweimaliger Vogtswahl jedesmal die<br />
meisten Stimmen erhielt, wurde mir schon am 2. Mai das<br />
Decret als wirklicher Vogt publiziert.<br />
1838: wurde ich für den V. Wahlbezirk für die Gemeinden<br />
Sickingen, Beuren, Schlatt, Jungingen, Killer und Starzein<br />
durch Stimmenmehrheit zum Landesdeputierten ernannt.<br />
1839 war ich auf 6 Wochen wieder hart krank.<br />
1840: Veranlaßte der wohlbekannte Gernevogt (?) einen<br />
Aufruhr gegen mich und den gewiß schuldlosen und ehrlichen<br />
Bürgermeister Joseph Bosch und reichte am 10. September<br />
eine Klageschrift von 43 unbegründeten Klagepunkten,<br />
von 21 feindseligen Anhängern unterzeichnet, beim Oberamt<br />
ein. (NB.! Diese Klageschrift ist vorhanden und ist wohl<br />
au ''zubewahren.)<br />
Über die Witterung berichtet der Chronist seit dem Jahre<br />
1806: Es war ein guter Herbst und Vorwinter und bis Neujahr<br />
wie im schönsten Frühling. Im Dezember ging man an<br />
vielen Orten in die Samen und in das Gras. Die Weinbeerhecken<br />
hatten Lauib. Am ersten Januar den ersten Schnee.<br />
1810: Am Sonntag den 27. Mai war das schrecklichste<br />
Spektakel, das ich erlebe. Es gab nämlich nachmittags ein<br />
Donnerwetter und einen solchen Wolkenbruch, daß das<br />
Wasser so stark als einmal anlief und fast alle Steeg nahm.<br />
In dieses große Wasser, durch welches man bei weitem nicht<br />
mehr reiten konnte, fuhr der obere Kuhhirt aus dem Tannenwald<br />
hinein, wo kein Mensch mehr glaubte, daß nur noch<br />
ein einziges Stück Vieh davon kommen könnte. Vieles Vieh<br />
hat es zwei- bis dreihundert Schritt teils aufrecht, teils auf<br />
dem Rücken fortgeschwemmt, daß man oft ein Stück lange<br />
Zeit nicht gesehen. Doch retirierte sich wieder alles und<br />
wurde aufgefangen und sodann in Gottfried Winters, Vittalis<br />
und meinem Garten wieder abgeholt. Kein einziges Stück<br />
ging, Gott sei Dank, zu Grunde.<br />
1811: war die Witterung mit Anfang März bis Dezember<br />
ganz nach Wunsch. Es waren vom April kein Frost und<br />
kein Reif mehr. Der Mär' war warm und trocken und durch<br />
den Sommer Regen und Wärme gehörig. Aber wegen vielen<br />
Raupen und Mehltau gab es gar kein Obst und kaum die<br />
halbe Kornernte, aber viel und guten Wein. Die Frucht<br />
schlug gleich nach der Ernte auf und der Schi. Korn galt<br />
im Oktobris 9 fl.<br />
Cometstern. In diesem Jahr 1811 ließ sich ein außerordentlicher<br />
Kometstern vom Monat August am Himmel sehen.<br />
Dieser Stern war größer, aber dunkler als andere Sterne.<br />
Er hatte einen Schweif 6 Schuh lang und lief anfangs mit<br />
dem sog. Wagen und war abends bis zehn und morgens<br />
wieder nach drei Uhr sichtbar. Er stand aber immer höher<br />
und wurde gesehen bis in den Monat Dezember dieses Jahres.<br />
Üeber diesen sonderbaren Sternen wollten sich viele<br />
Leute sonderbare Bedeutung prophezeien.<br />
1816: Nachdem man nach vielen harten Kriegslasten,<br />
welche wie vornen zu sehen, über 25 Jahre dauerten, auf<br />
dei 1816 erfolgten Frieden aligemein bessere Zeiten erhoffte,<br />
so war doch bei Menschengedenken das Jahr 1816<br />
eines der härtesten. Schon im Frühjahr war das Futter für<br />
das Vieh so rar, daß der Zentner Heu 3 fl. kostete und auf<br />
die Letzte keines mehr zu bekommen war. Das liebe Vieh<br />
litt also großen Mangel, — dann ging es auch bald hart für<br />
die Menschen. Vom Monat April bis eingangs August waren<br />
nie drei gute Tag aneinander, und so nasse Witterung, daß<br />
alle Früchte große Not litten. Das Heu wurde mit harter<br />
Es war wenige Jahre nach dem Spanischer Erbfolgekrieg,<br />
der unserer Gegend zwar Truppendurchmärsche, aber<br />
keine Schlachten gebracht hatte. 1704 wurden die fälschlich<br />
sogenannten Schwedenschanzen bei Jungingen und Salmendingen<br />
angelegt, die das Killertal und die Talheimer Staig<br />
vor den mit den Franzosen verbündeten Bayern sperrten<br />
und deren Einmarsch ins Unterland verhindern sollten.<br />
Im Spät jähr 1714, in welchem Jahr der Friede von Rastatt<br />
Ringinger Zustände 1714<br />
Mitgeteilt von Johann A. Kraus<br />
Müne schlecnt eingebracht. Die wenigen Kirschen wurden<br />
erst Mitte August reif. Schon im Juni kostete der Scheffel<br />
Korn 8 fl. und bis Bartholomä ging derselbe auf 14, 15, ja<br />
16 fl. Das war aber erst kein gutes Korn. Anfang September<br />
war das Korn noch nicht reif. Die meisten Leute waren<br />
lange Zeit ohne Brot und litten großen Hunger. Sogar der<br />
Scheffel Haber kostete über 8 fl. Anfangs September war<br />
das Wetter wieder kalt und naß, und die meisten Leute<br />
dörrten das Korn in der Stube und in der Backstube. Erst<br />
in der zweiten Woche des Septembers konnte man die Ernte<br />
einbringen, die indessen sehr schlecht war. Der Scheffel<br />
Korn kostete 12 fl. Vom 18. September bis Allerheiligen<br />
war das Wetter schön. Am 16. Oktober war schon hart Winter.<br />
Erst am 19. Dezember ging der Schnee, und man brachte<br />
noch bis an das neue Jahr Hanf, Flachs und Haber ein, aber<br />
tropf naß. In Starzein waren noc\ r ehrere tausend Habergarben<br />
im Feld. Mit Furcht und Schrecken erwartete man<br />
eine große Hungersnot.<br />
1817: Entsetzliche Not und Teuerung. Der Januar war<br />
schön. Aber der Februar und März wieder sehr naß. Der<br />
Scheffel Korn kostete in Tübingen und Reutlingen 20 Gulden.<br />
Fast der ganze April war naß und regnerisch. Jetzt<br />
kostete der Scheffel Korn 28 Gulden. Es wurden für die<br />
Armen Almosen gesammelt. Die Gemeinde Jungingen mußte<br />
in Tübingen 1500 Gulden aufnehmen, um den armen Leuten<br />
helfen zu können. Anfangs Juni war das Wetter gut. Das<br />
Fielst» kostete 12 Kreuzer. Eine rechte Kuh kostete 100<br />
Gulden. Der Fürst mußte helfen. Der Scheffel Korn wurde<br />
von ihm auf 20 Gulden taxiert. Aber niemand wollte ihn<br />
so hergeben. Es gab, da der ganze Monat Juni gut war,<br />
sehr viel und gutes Heu. Der Scheffel Korn sank auf 16<br />
Gulden. Im Juli stieg die Not aufs höchste. Viele Leute<br />
mußten sich von Kräutern fürs Hungersterben ernähren.<br />
Brot und Mehl waren für sie nicht vorhanden.<br />
1818: extra trockener Sommer. Der Scheffel Korn<br />
wieder auf 7 Gulden.<br />
sinkt<br />
1821: Sehr nasser und kalter Sommer.<br />
1822: Sehr milder Winter. Es gibt viel Obst und Heu.<br />
Es war sehr trocken, so daß fast alle Quellen versiegten.<br />
Man mußte bis Riedlingen in die Mühle fahren.<br />
1823: ist wieder sehr trocken.<br />
1824: naß und kalt. Die Ernte sehr schlecht.<br />
1825: Futtermangei und das Vieh sehr billig.<br />
1828: war ein solches Raupenjahr, daß die Obrigkeit Befehl<br />
geben mußte, die Bäume von diesem Ungeziefer zu<br />
befreien. Im Monat März nahmen die Raupen so überhand,<br />
daß alles Laub an den Bäumen gefressen wurde und die<br />
Bäume im Juni wie an Weihnachten aussahen. Schon im<br />
Monat Juni verwandelten sich die Raupen in Schmetterlinge<br />
(Weinfälter). Sie flogen in großen Schwärmen wie die<br />
Bienen umher und verören sich aber im Juli ganu Sicher<br />
ein merkwürdiges Jahr!<br />
1829: war ein sehr nasser und kalter Jahrgang. Der Winter<br />
war außerordentlich und brachte vier Monate strengste<br />
Kälte, so daß viele hundert Zentner Kartoffeln in den Kellern<br />
verfroren.<br />
h * «<br />
Nun doch noch kurz zu den Vorfahren des Chronisten:<br />
Michael Bumilier, zuerst genannt im Kirchenbuch 1688,<br />
seine Frau Christine, geb. Speidel,<br />
Christian Bumilier 1701—1776,<br />
Sylvester Bumilier 1737—1810,<br />
Christian<br />
von da an:<br />
Bumilier, Lehrer (der Chronist) 1767—1851,<br />
Luzian Bumilier, wie oben,<br />
Daniel Bumilier, gest 1890.<br />
Casimir Bumilier d. Vater 1859—1930.<br />
Zui bemerken ist ferner noch, daß die hiesige Sägmühle<br />
(untere oder obere?) im Jahre 1544 im Besitz eines Bernhard<br />
Buechmüller war. (Hagens Lagerbuch der Grafschaft<br />
Zollern, Band Jungingen, Mitteilung Kraus 1933.)<br />
geschlossen wurde, hat die Fürstenbergische Regierung eine<br />
Beschreibung des Dorfes Ringingen anlegen lassen (Archiv<br />
Donaueschingen), die wissenswerte Einzelheiten über Personen-,<br />
Vieh-, Güter- und Schuldenstand der Einwohner<br />
bringt und eine wertvolle Erweiterung unserer Kenntnis der<br />
Vergangenheit darstellt, da wir sonst aus jener Zeit nicht<br />
allzuviel wissen. Wir entnehmen daraus:<br />
„Erstlich hat die Gemeind Ringingen an Ackerfeld unge-
2 UOUENZOLLKRISI 'Li HC1M Jahrgang 1954<br />
fähr 10 Jauchert in den Häberen (Haberösch), welches Feld ist<br />
nach Talheim in Wirtemberg gegen 200 fl. (Gulden). Weiter<br />
ist obiges Gut dem Heiligen alhier versetzt gegen 160 fl. Es<br />
soll gegen 200 fl. wert sein. Dieses Feld möchte, wenn es gut<br />
steht, etwa 250 Garben Vesen geben. In einem Fehljahr aber<br />
getraue sich die Gemeinde darauf 150 Garben zui fassen,<br />
weil flas Feld oftmal vom Schnee verlegt werde. Habergarben<br />
mag es im besten Falle 150 geben, im schlechten Fall<br />
100 Garben. Wann es sollte mit Vesen angeblümt (angesät)<br />
werden, brauche man dazu 8 Scheffel, Haber aber seien 4<br />
Scheffel nötig (1 Scheffel' == 8 Reutl. Simere 173 Liter).<br />
Weiter hat im obigen Oesch die Gemeinde ein Stück<br />
Ackerfeld, Altägert genannt, 6 Jauchert, das zu einer Weide<br />
liegen bleibt, die ungefähr 60 fl. wert sein möchte, weil es<br />
nur rauhes schlimmes Feld ist.<br />
Weiter hat die Gemeinde ein Stück Aegertfeld, so nach<br />
Salmendingen versetzt ist gegen 80 rheinische Gulden von<br />
ungefähr anderthalbhundert Jahren her, welches alle Jahr<br />
strittbar ist. Aber der Flecken Salmendingen will selbiges<br />
Feld nit mehr zurückgeben. Im Winterösch hat die Gemeinde<br />
einen schlimmen Trieb, gegen 6 Jauchert groß, so nit zu<br />
nutzen ist. Weiter einen gemeinen Weidtrieb ob dem Dorf<br />
(wohl auf Hälschloch oder dem Weiler) ungefähr 6 Jauchert,<br />
so lauter Stein und Felsen und nij wert ist.<br />
Im Brohösch hat die Gemeind ein Stuck Feld mit ungefähr<br />
200 Jauchert gemeinen Trieb und Weidstrich, so bisweilen<br />
davon etwas kann gebauiwet werden, aber der mehriste Teil<br />
davon ist böses Feld und nit vil wert. Die Haab (d. h. Weidevieh)<br />
soll davon geweidet werden. Weiter hat die Gemeinde<br />
ein Stuck gemeines Feld, welches halb verwajen ist mit<br />
Hecken und Stauden, und mehreren Teil Bühl und Felsen,<br />
gegen 250 Jauchert samt Felsen und Stein. Wegen Schlimme<br />
des Bodens ist das Feld nit wohl zu schätzen (Hautenwies?).<br />
Gemeindewaldungen :<br />
Der Wald Eisenloch ist halben Büsch, halben recht Buchenbrennholz,<br />
davon die gemeine Burgerschaft nach 8 oder 9<br />
Jahr Holz haben wird. Dieser Wald soll ungefähr 150 Jauchert<br />
sein.<br />
Weiter 2 Halden, welche mit Faschinenhauen zue der<br />
Schanz (d. h. Schwedenschanze bei Jungingen!) seint ruiniert<br />
worden und anjetzo ein Hau und Gestreuß ist. Die genannten<br />
(Seeheimer-) Halden werden auch gegen 200 Jauchert<br />
geachtet, ist jedoch alles ungemessen Feld. (Die<br />
erste Vermessung fand 1728 rund beim Heufeld erst 1785 statt.)<br />
Item eine Waldung mit jungem Gebüsch, Bebenloch samt<br />
dem Kalchofen, so ungefähr 8 Jauchert groß ist, und der<br />
Gemeinde eigen.<br />
Item ein Häldele, genannt Breineschmack, liegt einerseits<br />
an der gnäd. Herrschaft (Kirchholz), anderseits am Diebsteig,<br />
ungefähr 6 Jauchert, mit kleinem Buchholz bewachsen.<br />
Item ein gemeiner Weidstrich im Seeheimertai (offenbar<br />
der Wasen), ungefähr 8 Jauchert, weicher durch die leidigen,<br />
schweren und großen Kriegsgelder an Contribution<br />
versetzt worden zur Zeit des Rentmeisters Höge, weilen<br />
er uns angestrengt hat zu vielen Geldern, und gegen<br />
20 Mann in Arrest hat behalten, und wir es<br />
wegen unserer Armut nit haben aufbringen können ohne<br />
Versatz dieses Gutes, so nach Jungingen ist versetzt<br />
worden für 250 Gulden, so aber jetzt Michel Ruoß<br />
(Hs. 132) und Johannes Volk, Sonnenwirt, ausgelöst haben.<br />
Diesen vergangenen Sommer 1714 habei' wir die gemeinen<br />
Krautländer versetzen müssen gegen 150 fl nach Meldungen.<br />
Es sind ungefähr 3 Jauchert, wir sind nämlich angestrengt<br />
worden von der Herrschaft Fürstenberg vor der Erntezeit<br />
unc 1 wir sonst es nit hatten aufbringen können wegen übergroßer<br />
Armut, daß der mehriste Teil der Inwohner<br />
kein Brot mehr gehabt.<br />
Item ein Weidstrichle ob der Halden, ungefähr 8 Jauchert,<br />
worauf die Haab (das Vieh) wöchentlich einen halben<br />
Tag sich erhalten kann.<br />
Letztlich hat die Gemeinde ihre übrigen wohlbewußten<br />
Schulden zusammengezogen, so sich erstrecken gegen<br />
2 700 Gulden, die jährlich zu verzinsen sind ohne diejenigen<br />
Posten, die in herrschaftlichen Büchern uns aufgeschrieben<br />
stehen. Neben diesen großen Schulden haben wir noch verkaufen<br />
müssen eigene Güter über die 250 Gulden, so<br />
alles zu Kontribution (Kriegsabgaben) ist verwandt worden.<br />
(Nach Eisele galt 1709 im Trochtelfinger Amt ein Scheffel<br />
Vesen 2 Gulden, somit kann man sich ein ungefähres Bild<br />
machen. Dazu kamen noch die 840 Gulden, gegen die jene<br />
Güter versetzt waren.)<br />
Von einer guten Jauchert Acker schneidet man 30 bis 35<br />
Garben (heute zum nindesten 80—120!). Von einer mittelmäßigen<br />
Jauchert 20—25 Garben. Von einer schlechten Jauchert<br />
15 oder 18 oder auch weniger. (Sicher war an der ge-<br />
ringen Garbenzahl nicht der Grund allein ausschlaggebend,<br />
daß man die Garben, des Zehnten wegen, größer machte als<br />
heute.) Vesen säe man auf eine Jauchert 7—8 Simmere, Haber<br />
3—4 Simmere, Roggen auch so viel. Gerste baue man<br />
wenig oder nij. Von einer guten Vesengarb dresche man<br />
Va Viertel oder 3 Ihmi. Von mittelmäßigen oder krautigen<br />
Garben 2 Ihmi, von schlechten Garben aber 1 Ihmi oder IV2.<br />
Von guten Roggengarben dresche man P/2 Ihmi, von<br />
schlechten 1 Ihmi. Von einer Gerstengarbe 2 Ihmi und von<br />
schlechten 1 Ihmi, von guten Habergarben je 3 Ihmi, von<br />
krautigen oder schlechten IV2 Ihmi oder nur eines. So ist es<br />
bei allen Garben von jedem Hofe zu verstehen.<br />
Von einem guten Mansmad Wiesen könne man 1 Wagen<br />
mit Heu machen und Ehmbt Vs Wagen oder weniger. Jedoch<br />
seind in allem nit viel gute Wiesen auf unserem Boden und<br />
Gemeinde. (Die besten hatte nämlich die Herrschaft. Ein<br />
Jauchert ist nach Eisele gleich 1 ein Fünftel Morgen. Jedoch<br />
gab es alte Jauchert, die größer waren als die neueren. Die<br />
Ringinger waren damals sowieso noch nicht gemessen. Zum<br />
Vergleich sei angeführt, daß des Pfarrers Schächerwiese zu<br />
Ringingen, einschließlich Metzgers Haus und Garten, der im<br />
18. Jahrhundert gegen den sog. Lustgarten eingetauscht worden<br />
war, im ganzen 2 Mansmad groß ist.)<br />
Von Holzwiesen, so alle schlecht, mache man von 8 Jauchert<br />
kaum einen Wagen voll mit Heu, doch böses Futter,<br />
so nit woll zu fuettern. Bisweilen heue man diese Wiesen<br />
gar nicht, sondern lasse sie zu Weide liegen. (Holzwiesen<br />
waren die Heufelderwiesen, die auf Markung Salmendingen<br />
lagen. Die Ringinger durften darauf keinen Baum, deren es<br />
viele gab, und keine Hecke, die massenhaft wucherten, weghauen.<br />
Dies Recht stand den Salmendingern zu. Da an ein<br />
Düngen nicht zu denken war, kann man sich dieses geradezu<br />
minimale Erträgnis vielleicht erklären.)<br />
Daß auch bisweilen größere Jauchert und kleinere gefunden<br />
werden, ist bekannt. Jedoch bleibt jeder bei seinen<br />
alten Marken und Zielen. Es wäre zwar guet, wenn sie<br />
gleich waren.<br />
Weil wir wenig Heuiwax haben, so fuettern wir den<br />
ganzen Winter Stroh.<br />
^ Auf die Frage, wie sich einer ernähre, ist die Antwort, daß<br />
sich der mehriste Teil mit Taglöhnen in und außerhalb der<br />
Herrschaft ernähre, etliche aber mit Brotsamblen oder deutsch<br />
zu sagen: betteln, weil bei uns nix zu handeln und tun ist.<br />
Auf die Frag, was dem Dorf abgehe, sagen sie: sie hätten<br />
Mangell groß an Wasser bei Sommer- und Winterzeit oftermalen.<br />
4 Betreffend die Kirche: wäre selbige jetzrnahls groß genueg,<br />
weil wir selbe vor 7 Jahren haben angefangen von<br />
neuem zui bawen, die bis dato wegen Armuth nit ist ausgemacht<br />
worden, sondern die Glocken hangen noch außerhalb<br />
der Kirchen, weil wir noch keinen Thum dazu haben und<br />
keinen Stundzeiger, auch fast kein Mauer umb den Kirchhoff.<br />
>\ Der damalige Pfarrer Johann Baptist Luib sei oft in der<br />
Woche abwesend. Der Mesner wäre schon ein guter Schuelmeister,<br />
allein man schicke die Kinder wenig in die Schuel,<br />
gebe dem Schuelmeister schlechten Lohn und habe sonst kein<br />
Wartgeld wegen der Schuel. Es kombt also die Jugend wegen<br />
unserer Armut im Schreiben und Lesen fast in Abgang.<br />
Und der mehriste Teil Burger bei uns nit lesen kann oder<br />
schreiben.<br />
Den Frucht- oder Großzehnten genießt die Herrschaft, den<br />
lutzehnten, wie auch von Erbsen, Bohnen, Wicken, Kraut,<br />
Hampf und anderes bezieht der Herr Pfarrer.<br />
In dem Flecken sei weder für die Burgerschaft, noch für<br />
Schütz und Hirten und Solldarten (Soldaten) kein gemeines<br />
Haus oder Stuben, darin etwas Nutzen zu schaffen. (Noch<br />
1777 hatte Ringingen kein Rathaus!)<br />
Zur Bestreitung des gemeinen Fleckens hätten sie wenig<br />
oder gar nix, weilen die gueten Gemeindsgüter, Triebe und<br />
Weidestriche längstens versetzt seint, wie schon gemeldet<br />
worden.<br />
(Es folgt nun eine Aufzählung sämtlicher 83 Familien mit<br />
Kinderzahl und deren Alter, Viehstand mit Altersangabe,<br />
Zustand des Hauses, wobei 37 Häuser noch keinen Schornstein<br />
besitzen, und es bei einigen andern sehr zweifelhaft<br />
ist. Es folgen Gärten und Felder, eigene und als Lehenbesitze,<br />
Zinsgüter, Abgaben und Schulden und zuletzt Kriegsgelder,<br />
die sie für alle Einwohner jährlich zusammen auf<br />
rund 1930 Gullen und mehr belaufen. Diese Famiiienbeschre<br />
p. ung ist Ernrl die Ringinger Familienforschung von unersetzlichem<br />
Wert, weil sie die lückenhaften Kirchenbücher<br />
wenigstens ein Stück weit ergänzt. Es kann hier nur eine<br />
Probs fegeben werden. Wir wählen denn:)<br />
Martin 3ailer, Schultheiß, ist 47 Jahre alt, 17 Jahre verheiratet,<br />
hat 3 Söhne: Jakoo mit 12 Jahren Johann mit 9<br />
Jahren, Antoni mit 3 Jahren. Ferner eine Tochter Anna mit
Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 43<br />
•V4 Jahren. Dazu 1 Knecht und 1 Magd von hier mit je 25<br />
Jahren. 4 Pferde und Kühe mit Altersangabe, doch sind 2<br />
Kühe nur sein eigen, die beiden andern hat er in Bestand<br />
(Pacht), 2 halbjährige Schweine (soviel hat keiner mehr<br />
Schweine im ganzen Dorf!), 2 Kalbele und 2 Kälble. Haus<br />
und Scheuer unter einem Dach in gutem Bau, die Schweinesteig<br />
ist nit gut. Schornstein gut Grasgarten mit wenig verfrorenen<br />
Bäumen. 36 Jauchert Lehenfelder mit Angabe deren<br />
Güte. Er giltet davon der Martinspflege Ebingen, der die<br />
Güter eigen sind, und dem hiesigen Pfarrer 3V2 Scheffel Vesen,<br />
1 Scheffel 6 Simmere Haber, 2 Viertel Bohnen, 120 Eier,<br />
1 Henne, 2 junge Hühner und 6 Schilling Geld. Außerdem<br />
gibt er aus seiner Hofstatt der Herrschaft 6 Viertel Vogthaber.<br />
Eigene Aecker hat er nur 5 Viertels Jauchert, muß<br />
daraus jedoch jährlich dem Heiligen nach Killer 2 Viertel<br />
Frucht gilten. Wiesen besitzt er F/2 Mansmad, die bei guten<br />
Zeiten 2 Wägele voll Heu, aber kein Oehmd geben. Holzwiesen<br />
auf Heufeld hat er 6 Jauchert und schneidet darauf<br />
kaum einen Wagen schlechtes Heu. Eine Waldung mit halb<br />
Busch, halb nix gehört ins Lehen. Immen hat er drei. Schulden<br />
a) nach Ebingen 32 fl. Kapital, dagegen sei das Lehen<br />
versetzt; b) dem Heiligen alhier 16 fl.; c) der Mutter noch<br />
am Haus schuldig samt seinen Geschwistrigen 200 fl.; d) Item<br />
der Mutter solle er jährlich geben das Erträgnis eines Jaucherts<br />
Vesen und eines Jaucherts Haber; e) von Ebingen aus<br />
fordere man alte Zinsen und Gilten aus dem Gut von 50 und<br />
mehr Jahren her, er wisse nit wie viel. Contributionsgelder<br />
gebe er jährlich ungefähr 58 fl. ohne die Nachläger und Winterquartiere.<br />
Dazu habe er noch gewöhnliche kleine Schulden<br />
von zusammen gegen oder über 30 fl. (Das ist einer der<br />
größten und „reichsten" Bauern! Andere sind geradezu in<br />
katastrophaler Lage. Es seien nur einige Angaben herausgenommen:)<br />
Christian Dietz mit Frau und 2 Kindern hat eine Kuh im<br />
Bestand (Pacht) mit 10 Jahren. Haus und Scheuer beisammen,<br />
mittleren Baues, keinen Schornstein. Hat weder Garten<br />
noch Aecker noch Wiesen, lebt von der Handarbeit.<br />
Steuern: Aus dem Häusle jährlich 1 Gulden Bodenzins. Sonst<br />
keine Schulden, denn man borge ihm nij. Kriegsgeld solle<br />
er jedes Jahr gegen 10 Gulden zahlen (!).<br />
Lehenfelder hat die Herrschaft, die Martinspflege Ebingen,<br />
die Gallenpflege Truchtelfingen, das Kloster Stetten bei<br />
Hechingen und der Heilige hier.<br />
Christian Dorn, Leineweber, mit 3 Kindern und Frau hat<br />
eine Kuh mit 7 Jahren, und ein Geißle, sonst nichts Lebendiges.<br />
Haus und Scheuer sehr ruinös. Kleines Krautgärtlein<br />
dabei. 2 Jauchert Holzwiesen auf Heufeld, die sc' lecht sind.<br />
Sonst nichts als Schulden: der Schwester 12 fl. und 2 Scheffel<br />
Frucht. Kriegsgeld verlange man von ihm jährlich gegen 12 fl.<br />
Bernhard Riedingers Witwe (im heutigen Gregoris Haus)<br />
hat einen Obstgarten mit ungefähr '/2 Mansmahd, aber<br />
keine Bäume darin. „Bey harten Zeiten und groß Kriegsgeldern<br />
seint ihre Gieter alle versetzt gegen 100 Thaler".<br />
Außerdem hat sie noch über 170 fl. Schulden und was bei<br />
der Herrschaft an Geld und Frucht noch schuldig ste..t, ist<br />
nit bewußt. Kriegsgeld jährlich 60 fl. oder mehr, ohne Nachtlager<br />
und Wirterquartiere. Sie hat sonst 4 Pferde und 2<br />
zweijährige Ochsen und 3 Kühe usw.<br />
Jerg Dorn, Zimmermann, hat Frau und 1 Kind und eine<br />
Bestandskuh mi' 9 Jahren. Haus und Scheuer beisammen.<br />
Sonst nichts, auch keine sondern Schulden, weil er wegen<br />
seiner Armut nit hat, daß man ihm was borge. Aber Kriegsgeld<br />
fordert man 7—8 Gulden jedes Jahr.<br />
Friedrich Stecher mit Frau und 1 Mädle soll jährlich 3<br />
Gulden Kriegsgeld geben. Im übrigen hat er gar sauber<br />
nix als die Armut, daß man sihet.<br />
Auffallen muß die große Anzahl schlechter Häuser. Auch<br />
die kleine Zahl Eigenfelder, die fast durchweg aber dem hiesigen<br />
oder Killemer Heiligen Zins zahlen müssen. Fast die<br />
Hälfte alles Viehes ist nicht eigen, sondern nur im Bestand,<br />
d. h. in Pacht gehalten.<br />
Auch fällt auf die unverhältnismäßig hohe Zahl von Zugtieren<br />
im Vergleich zu heute, dagegen die wenigen Milchkühe.<br />
Die Lehenbauern bauen immer auch V2 bis 1 Jauchert<br />
in jedem Oesch der Herrschaft in Fron. Da viele nicht lesen<br />
und schreiben konnten, darf es nicht wundern, daß sie nicht<br />
wußten, wie groß ihre Schulden waren, besonders wenn sie<br />
schon Jahre standen. Jerg Beck z. B. bekennt treuherzig,<br />
er sei an seinem Gut noch schuldig, wisse nit wohin und<br />
wem, gegen 600 Gulden.<br />
Jakob Honer, Schmied, hat Frau und 11 Kinder, ein kleines<br />
Häusle ohne Scheuer und ohne Schornstein, 2 Bestandskühe,<br />
1 Schwein und 1 Immen im Bestand, zinst der Herrschaft<br />
aus seinem Häusle jährlich 20 Kreuzer. Schulden habe<br />
er keine, auch nij zu fordern. Kriegsgeld müsse er soviel<br />
geben als man von ihm verlange, und habe nix zu versetzen<br />
als seinen hungrigen Haufen Kinder.<br />
Einer sagt, sein Haus sei am Einfallen, ein anderer seine<br />
Hütte und Scheuer sei überaus schlecht.<br />
Des Caspar Hippen Waldung von 6 Jauchert ist mit Schanzen<br />
verderbt worden. Conrad Steinhäusler hat vom Sächsischen<br />
Winterquartier her jedes Jahr über 50 fl. zahlen müssen<br />
und im Saxenkrieg sei der Pfennig auf einen Gulden<br />
kommen. Von Josef Nadler heißt es, er wolle gern arbeiten,<br />
wenn er nur Brot für Weib und Kinder schaffen könne, es<br />
mangeln ihm die Kleider und mehr ...."<br />
Es waren damals in Ringingen 83 Familien mit 71 Frauen,<br />
138 Söhne und 154 Töchtern, 2 Knechten und 5 Mägden, 128<br />
Pferden, 61 Stiere, 134 Kühen, 109 Stück Schmalvieh, 41<br />
Schweine (!), 10 Schafe und 42 Geißen. Das Kriegsgeld von<br />
jährlich über 1930 Gulden haben wir schon oben angeführt.<br />
Privatschulden haben die Bürger zusammen rund 8 900 Gulden,<br />
denen keine 200 Gulden Guthaben gegenüberstehen. In<br />
Fron bauen alle zusammen der Herrschaft in drei Oeschen<br />
je 32 Jauchert Aecker, und liefern die Früchte ohne Entgelt<br />
in die Zehntscheuer. Schuldig sind einige außerdem noch 355<br />
Scheffel Frucht und 100 Taler und 12 wissen gar nicht, wie<br />
viel sie an Geld und Frucht noch zahlen müssen.<br />
Elfhundert Jauchert Lehenäckern stehen nicht ganz 200<br />
eigene gegenüber, die jedoch ois auf wenige zinsen müssen,<br />
wie oben mitgeteilt. Es werden erwähnt rund 30 Jauchert<br />
Lehenwaid, rund 82 Mansmahd Wiesen, die jedoch meist<br />
Lehen sein dürften, und rund 290 Jauchert Holzwiesen auf<br />
Heufeld.<br />
Aus den Lehengütern lieferten die Ringinger jährlich von<br />
160 Scheffeln Vesen und über 90 Scheffel Haber ab. dabei<br />
isl aber der Zughaber, von jedem Zugvieh ein Tübinger<br />
V drtele*) noch nicht gerechnet. Auch nicht Hanfsamen,<br />
Wachs, Eier, Hennen, Hühner, sowie die Abgaben an Ge 1.<br />
Noch sind nicht eingerechnet die Zehnterträgnisse und die<br />
Landgarben.<br />
*) Elf Tübinger Viertele sind in Ringingen 1530 gleich 8<br />
Simmere unü gleich einem Scheffel. Später jedoch hat man<br />
das Viertel fälschlich einem Simmere gleichgesetzt.<br />
Der Wirtschaftsbetrieb zu Wald in der ersten Klosterzeit<br />
Im südlichen Hohenzollern liegt auf fruchtbarem Hügelgelände<br />
das ehemalige Walder Amt, dem Kerne nach die alte<br />
Klosterherrschaft. Ganz im Anfang des 13. Jahrhunderts<br />
wurde in Wald eine Niederlassung der Cisterzienser-Nonnen<br />
gegründet; der Stiftungsbrief trägt das Datum: 1. April 1212.<br />
Kaum sind die ersten hundert Jahre vergangen, so sehen wir<br />
in den Händen der Aebtissin und des Convents eine stattliche<br />
Anzahl Höfe und Besitztümer in der ganzen Umgegend,<br />
die durch Schenkung ode ' Kauf an das Kloster gekommen<br />
waren. Außer dem eigentlichen Klosterareal mit seinen Gärten,<br />
Aeckern, Wiesen, Fischweihern, Mühlen, Eichen und<br />
Nadelwäldern, gehörte zu den ältesten Besitzungen: der Hof<br />
zu Lizelbach, schon 1216 in dem Schutzbrief des Königs<br />
(seit 1220) Kaisers Friedrichs II. erwähnt, Güter in R01tenlachen<br />
(1230). das ganze Anwesen im Burren (1241),<br />
einige Hofstätten in Reischach (12^6), die Mühle in<br />
Buffenhofen (1253), Aecker und Wiesen, Kirche und<br />
Kirchensatz in Walbertsweiler (1259), ein großer Hof<br />
in Gaisweiler (1257), der Hnf zui Weihwang (1266),<br />
"as ganze Dorf Riedensweiler (1269—1278), die fünf<br />
Höfe in I g e 1 s w 1 e s (1274—1280), einzelne Höfe in Ruhestetten<br />
samt der niederen Gerichtsbarkeit über den ganzen<br />
Ort (1277). Vom Jahre 1300 an schreitet die Erweiterung<br />
und Abrundung des Besitzstandes noch eine zeitlang vorwärts,<br />
um dann etwa vom Jahre 1400 an, verschiedener Umstände<br />
wegen, etwas zurückzugehen und stabil zu bleiben bis<br />
zur Klosteraufhebung 1806, wo das Kloster mit allen Suiuveränitäts-<br />
und Eigentumsrechten dem fürstlichen Hause Hohenzollern-Sigmaringen<br />
zugeteilt wurde.<br />
Während nun bei den alten Benediktinerklöstern (Reichenau,<br />
St. Gallen, Lorch, Hirsau) der Grundbesitz in den<br />
Händen und in der Bewirtschaftung höriger Bauern lag,<br />
welche dem Kioster gegenüoe' Geidzinsen und Naturallieferungen<br />
leisteten, gingen die Cisterzienser, zu denen ja auch<br />
Wald gehörte, in den ersten Jahren ihres Bestehens auf den<br />
Eigenbetrieb und die Selbstbewirtschaftung des Grundbesit-
44 H O H E N Z O L L E K I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />
zes über. Dieser Eigenbetrieb erforderte intensive Arbeitstätigkeit,<br />
zu welcher die wenigen Stunden nicht ausreichten, die<br />
in der Ordensregel für die Handarbeit freigelassen waren.<br />
Die Religiösen mußten sich, um ihren hauptsächlichsten Beruf:<br />
das Chorgebet, den Gottesdienst, das Studium, nicht<br />
ganz beiseite zu lassen, nach zuverlässigen Arbeitern umsehen.<br />
Wenn diese unbedingt nötig waren bei den Mönchen,<br />
dann um so mehr in den Frauenklöstern, wo schon die Klausur<br />
die Arbeit auf den umliegenden Ackerhöfen verbot, wo<br />
aber auch der Bodenbaul selbst mit allen notwendigen Begleitarbeiten<br />
männliche Arbeitskräfte erforderlich machte.<br />
So gliederten die Cisterzienser ihrem Orden eine treue<br />
Arbeiterschar an, die sogenannten Konversen, die einesteils<br />
den Religiösen ihr asketisches, durch die Regel vorgeschriebenes<br />
Leben ermöglichten, und andernteils durch gewissenhafte<br />
Außenarbeit die Klosterbewohner beim Erwerb<br />
des Lebensunterhaltes unterstützten. Da man in ihnen in<br />
erster Linie Arbeiter sah, durften nur solche genommen werden,<br />
welche die begründete Hoffnung gaben, daß sie auf dem<br />
Gebiete der Landwirtschaft oder in den Klosterwerkstätten<br />
ihren Mann stellten. Bevor sie zum Probejahr zugelassen<br />
wurden, mußten sie sechs Monate in weltlicher Kleidung<br />
dienen. Nach Vollendung des einjährigen Noviziates unter<br />
Leitung des Konversenmeisters wurde der Kandidat in das<br />
Kapitel geführt und legte dort in die Hände des Abtes<br />
oder der Aebtissin das Versprechen des Gehorsames ab und bekam<br />
dann das Klosterkleid: die Tunika und ein kurzes Skapulier,<br />
an welchem eine Kapuze befestigt war. Im Kloster<br />
bewohnten die Konversen den westlichen Flügel und hatten<br />
gemeinsame Räume: den Schlafsaal, den Speisesaal und den<br />
Wärmesaal für den Winter. Ihre gemeinsamen Gebetsübungen<br />
waren bedeutend kürzer als bei den Mönchen; Klausur<br />
und Stillschweigen waren nicht streng. Es gab bei ihnen<br />
keinen Unterschied zwischen Hörigen und Freien: von dem<br />
Augenblick an, wo einer das Konversenkleid empfing, wird<br />
er als freier Mann betrachtet.<br />
Den eigentlichen Schauplatz der Konversentätigkeit bilden<br />
die Werkstätten der Schubmacher, Weber, Schneider, Schreiner<br />
und Schmiede, die Mühle und das Backhaus, die alle,<br />
mit Ausnahme der Mühle innerhalb der Klostermauern lagen.<br />
Ein großer Teil der Konversen aber war auf den Ackerhöfen<br />
in der Landwirtschaft tätig; und gerade diese wurden<br />
vorbildliche Lehrer des Ackerbaues, und die von ihnen bebauten<br />
Höfe wurden Musterwirtschaften für die ganze Umgegend.<br />
„Zufrieden mit kärglicher Kost arbeiten sie jahraus,<br />
jahrein für den Unterhalt und die Wohlfahrt des Klosters<br />
mit einer Uneigennr.tzigKeit und Treue, wie sie sich von<br />
Fronarbeitern oder Taglöhnern nicht erwarten läßt. Sie arbeiten<br />
nicht um zeitlichen Lohn, sondern in frohem Bewußtsein,<br />
daß sie Anteil haben an allen Privilegien des Ordens<br />
und allen geistlichen Verdiensten derer, denen sie ihre Körperkräfte<br />
zur Verfügung stellten. Kommt dann das Alter an<br />
sie heran, wo sie nicht mehr arbeiten können, so ziehen sie<br />
sich in das Kloster zurück, um dort, geehrt von ihren Mät-<br />
Am 24. Juni 1520 richteten die Grafen Chris .. ,;ph von<br />
Werdenberg, Joachim von Zollern und T'ruchseß Georg<br />
von Waldburg als Vormünder der Kinder des verst. Grafen<br />
Franz Wolfgang von Zollern an den Bischof<br />
Hugo von Konstanz folgenden Antrag: Schon unter dem<br />
verewigten Grafen Franz Wolfgang v. Z. habe der heirngegangene<br />
Weilheimer Pfarrer Michael Ott zur Collegiatkirche<br />
Hechingen und zum Altar der hl. Anna, St. Michael<br />
und Ursula mit der damit verbundenen Predigerstelle 30<br />
fl (Zins) vermacht. Doch habe sich gezeigt, daß der hierzu<br />
bestimmte Priester seine drei Aemter nicht verwalten könne,<br />
besonders bei Sterbensläuften und grassierender Pest, nämlich<br />
Prädikatur, Kanonikat und Altarpfründe S. Johannis<br />
Baptistae, die der nochw. Herr Magister Michael Carp<br />
e n t a r i i besitze. Nun bitten sie zu bestimmen: Der genannte<br />
Magister Michael und seine Nachfolger sollen an<br />
allen Sonntagen des Jahres zu gegebener Zeit die Predigt<br />
ans Volk halten oder halten lassen. An den Apostel- und<br />
Marienfesten jedoch braucht er nicht predigen, sondern soll<br />
es der jeweilige Leutepriester oder dessen Stellvertreter tun.<br />
Bei Freiwerden seines Kanonikats darf nur ein wirklicher<br />
Priester und Magister der freien Künste und Bakkalaureus<br />
der hl. Theologie nach Aufnahme ins Stift und Vereidigung<br />
auf die Statuten darauf angenommen werden. Dieser Pre-<br />
Vom Collegiatstift Hechingen<br />
brüdern, ihre letzten Lebenstage zu verbringen unc 3 in der<br />
Mitte derer, für die sie im Leben gearbeitet, ein bescheidenes<br />
Grab zu finden"<br />
Immer wieder sprechen die alten Walder Urkunden von<br />
diesen Konversen. Kaum 20 Jahre nach der Klostergründung<br />
sucht ein Burkard von Rottweil, Höriger des Abtes von St.<br />
Gallen, um die Erlaubnis nach, in Wald als Konverse eintreten<br />
aui dürfen. Auch als Zeugen bei Käufen und gerichtlichen<br />
Verhandlungen werden die Konversen zugezogen, so<br />
bei einer Güterschenkung in Gebratsweiler 1261. — Ein Höriger<br />
des Abtes von Weingarten, Berthold von Pfullendorf,<br />
ersucht 1271 seinen Herrn um Genehmigung, als Konverse<br />
in das Kloster Wald eintreten zu dürfen. — Und als Wald<br />
1272 das Fischrecht zu Ablach geschenkt bekam und Graf<br />
Mangold zu Nellenburg die Schenkung beurkundete, wird<br />
der Konverse Berthold von Bittelschieß als Zeuge aufgeführt;<br />
derselbe Berthold tritt auch 1278 mit zwei anderen Walder<br />
Konversen: Heinrich Orden und Bruder Friedrich als Zeuge<br />
auf bei einem Güterkauf in Haslach. — Im Jahre 1284 wird<br />
der Klosterschneider, der Konverse Konrad, erwähnt, als<br />
das Kloster in dem abgegangenen Weiler Hausen bei Walbertsweiler<br />
Besitzungen käuflich um 22 Mark Silber erwirbt.<br />
— In demselben Jahre lebte auch noch der Konversbruder<br />
Friedrich, der schon 1278 genannt ist. — 1302 wird dem Reichenauer<br />
Laienbruder Walther von Ahausen die Erlaubnis<br />
erteilt, als Konverse in Wald das Cisterzienserkleid aus der<br />
Hand der Aebtissin zu empfangen. — Zum letzten Mal werden<br />
Konversen in Walder Urkunden aufgeführt im Jahre<br />
1333, und zwar gleich fünf: Konrad Graf, Heinrich Schmid,<br />
Konrad Sulger, Burkard Spaichung und Eberhard von Raitenbuch.<br />
— Außer diesen mit Namen bekannten Konversen<br />
haben noch viele andere in der ersten Walder Klosterzeit<br />
in stiller, unverdrossener Arbeit die Kräfte ihres Leibes und<br />
Geistes in den Dienst der Aebtissin und des Convents gestellt,<br />
haben in den Werkstätten ihre Pflicht getan, haben<br />
die Güter umgetrieben und die Herden betreut und dafür<br />
als freie Männer des Klosters Schutz genossen, an allen seelisch-geistigen<br />
Gewinnen Anteil erlangt und eine gute Versorgung<br />
bis zutm Tode zugesichert erhalten, denn mit dem Kloster<br />
war ein Altersheim, eine Pfründneranstalt, verbunden.<br />
Von Mitte des 13. Jahrhunderts an beginnt eine neue<br />
wirtschaftliche Form sich auszubreiten, insofern, als an die<br />
Stelle der Naturalwirtschaft die Herrschaft des Geldes tritt.<br />
Durch das Aufblühen der Städte und die Landflucht der<br />
hörigen Bauern nahmen die Konversenberufe ab auch ihre<br />
straffe Disziplin ließ sich nicht mehr durchführen. Ein Ackerhof<br />
iach den • andern mußte verpachtet und der Eigenbetrieb<br />
nach und nach eingestellt werden. Die Konversen werden zuletzt<br />
nur noch im Hausdienste verwendet, bis die ganze Einrichtung,<br />
die so segensreich in den ihr entsprechenden Zeitverhältnissen<br />
gewirkt hatte, vom Generalkapitel des Cisterzienserordens<br />
und von der Kirche um das Jahr 1340 aufgehoben<br />
wurde. Waldenspul-Melchingen.<br />
diger soll in Chor und Kapitelsversamrnlungen und Prozessionen<br />
ersten Platz und Stimme hinter dem Dekan und<br />
Leutpriester der Stiftskirche haben. Vom Besuch der Kirche,<br />
auch vom Amt des Nokturnars und Diurnus (d. i. Leiter des<br />
Chorgebetes und Gottesdienstes) ist er jeweils vor seiner<br />
Predigt befreit.<br />
Ferner wurde beantragt, daß der Prediger an seinem genannten<br />
Altar nur jede dritte Woche diese Messe lese, an<br />
den andern 2 Wochen aber die Helfer. Er hat dem Dekan<br />
und Präsenzgeldverwalter jeweils seine Woche vorher anzuzeigen,<br />
ebenso die Helfer. Sein Nachfolger als Prädikator<br />
wird durch Dekan, Leutpriester und den Senior des Stifts<br />
gewählt. Er hat dann vor dem Vogt oder Kapitän der Herrschaft<br />
in Hechingen und deren Gegenwart den Eid abzulegen<br />
und wird darauf dem derzeitigen Herrn von Hechingen und<br />
dem Bischof in Konstanz präsentiert. Ueber die Einkünfte<br />
des Canonikats hinaus soll der Prediger 15 fl auf den Tag<br />
Johannis des Täufers und Johannis Evang. je zur Hälfte erhalten.<br />
Außerdem hat Mag. Michael Carpentarii in seinem<br />
Testament dem Nachfolger sein jetziges Haus in Hechingen<br />
mit allem Zubehör und Büchern vermacht, und stimmt ausdrücklich<br />
obigen Anträgen in allem zu. Bischof Hugo von<br />
Hohenlandenberg zu Konstanz bestätigte das Ganze am 6.<br />
Juli 1520. (Copiar G, S. 157; Erzb. Archiv in Freiburg). Kr.<br />
Früher erschienene Nummern der „Hohenz. <strong>Heimat</strong>" können nachgeliefert werden, per Stück 30 Pfg.
Jahrgan? H O H E N Z O L.L, E E I S C H E H E I M A T 45<br />
<strong>Hohenzollerische</strong> religiöse Medaillen<br />
Wir wollen von einem Ueberblick über den Umfang dieses<br />
Sammelgebietes ausgehen. Da sind zunächst unsere Landespatrone,<br />
Klöster, Wallfahrtsorte, Kongregationen und Landesbischöfe.<br />
Im weiteren Sinne zählen wir dazu auch Prägungen<br />
zur Taufe, Erstkommunion, Firmung, Eheschließung<br />
und Jubelhochzeiten, Primizen und ihre Jubiläen, und schließlich<br />
die Missionen. Es gibt eine reichhaltige Literatur über<br />
alle diese Formen der religiösen Medaille, doch findet man<br />
nur selten Stücke beschrieben, die in unser Land hineinragen.<br />
So konnte ich für uns bis jetzt keine Medaille oder<br />
Plakette für Kongregationen, Erstkommunion, Firmung, Primiz<br />
und Mission nachweisen. In manchen Familien wurden<br />
mir zwar gute Tauf- und Erstkommunionandenken gezeigt,<br />
doch sie zeigten nur allgemeingültige Darstellungen und Beschriftungen;<br />
es fehlte der zollerische Einschlag. Gleiches ergab<br />
sich für die häufig bei uns anzutreffenden Kongregationsmedaillen.<br />
Doch nun zu dem, was wir wirklich haben. Beginnen wir<br />
mit unseren Landespatronen. St. MEINEADUS ist nicht<br />
zollerischen Stammes, aber er kommt aus unserem engeren<br />
<strong>Heimat</strong>gebiet und, was wohl entscheidend ist, er genießt seit<br />
Jahrhunderten beim Volke und dem Fürstenhause eine warmherzige<br />
Verehrung, die ihren Ausdruck in immer wiederkehrenden<br />
Wallfahrten zu seiner Wirkungsstätte, dem Benediktinerkloster<br />
Einsiedeln findet. Sein Bildnis und sein Martyrium<br />
vor der Holzkapelle in Finsteren Wald finden wir schon seit<br />
Jahrhunderten auf zahlreichen Pilgerzeichen und Wallfahrtsandenken<br />
dargestellt. Das ältere Stück ist aus Blei durchbrochen<br />
gegossen, zum Annähen an den Pilgerhut oder Mantel<br />
bestimmt, und stammt aus dem 14. Jahrhundert. Viereckige<br />
sog. Klippen, hoch- und querovale sowie runde Medaillen<br />
aller Art und Größe und in vielerlei Metallen, vom<br />
Gold bis zum Aluminium, sind uns aus den nachfolgenden<br />
Jahrhunderten bis auf unsere Tage bekannt. Bedeutende<br />
Kleinbildhauer ihrer Zeit, wie J. A. Gaap im 17. Jahrhundert,<br />
Joh. Carl Hedlinger im 18., Drentwett im 19. und Hans Frei-<br />
Basel sowie Prof. Zütt-Zürich in unserer Zeit fertigten bei<br />
besonderen Anlässen Meinradusmedaillen für Kloster Einsiedeln,<br />
die dann zu allen Zeiten durch Pilger auch in unser<br />
Land kamen, wo sie, vielfach als Rosenkranzanhänger, treu<br />
bewahrt wurden. Nur eine einzige Meinradsmedaille ist hohenzollerischen<br />
Ursprungs: die von Fürst Friedrich 1934 für<br />
die hohenzoll. Pilger gestiftete Bronzemedaille auf die Tausendjahrfeier<br />
des Klosters. Besonders wirkungsvoll sind die<br />
Groß-Stücke aus den Jahren 1680, 1748, 1861 und 1934, von<br />
denen jeweils etliche in Gold ausgeführt wurden, die der<br />
Abt den vornehmsten Gönnern des Klosters zum Andenken<br />
verehrte.<br />
Der Sammler mag darauf achten, daß in Einsiedeln<br />
neuerdings Weihemedaillen mit dem Bildnis des Bruders<br />
Ivleinrad Eugster O.S.B, verkauft werden, den man nicht mit<br />
unserem Hl. Meinradus verwechseln darf.<br />
Unser zweiter Patron, der Hl. FIDELIS von Sigmaringen,<br />
ist ein echtes hohenzoll. Landeskind. Für den Sammler<br />
ist auch 'lier Vorsicht geboten, damit keine Verwechslung<br />
mit dem HL. Fidelis von Mailand vorkommt. Aus der Zeit der<br />
Heiligsprechung unseres Fidelis, also aus der Mitte des 18.<br />
Jahrhunderts, kennen wir mehrere z. T. sehr gute Gußmedaiilen<br />
in Bronze und Messing. Es scheint, daß der Kapuzinerorden<br />
diese Stücke herstellen und vertreiben ließ. Aus<br />
unserer Zeit sind mir nur zwei Medaillen bekannt. So trugen<br />
bis vor wenigen Jahrer die Angehörigen der Marianischen<br />
Studentenkongregation der Universität Freiburg i. B. eine<br />
stattliche versilberte Messingmedaille mit dem Bildnis des<br />
Heiligen nach dem einzigen zeitgenössischen Gemälde, das<br />
die Familie Frh v. Stotzingen in Steißlingen bei Stockach<br />
besitzt. Markus Roy (= Geburtsnarne des Heiligen) war Studienfreund<br />
und Reisebegleiter eines Freiherrn v. Stotzingen.<br />
Neuerdings wurde diese Medaille auch in Aluminium geprägt.<br />
Eine kleine Aluminiumprägung mit dem Bilde des<br />
Heiligen kann man heute im Feldkircher Kapuzinerklösterle<br />
kaufen; sie entstand aus Anlaß des 300. Todestages i. J. 1922.<br />
In früheren Zeiten hatten wir in unserem Lande eine beachtliche<br />
Zahl von Klöstern und Wallfahrtsorten. An Weihemedaillen<br />
ist von ihnen nichts auf unsere Zeit gekommen.<br />
Für Kloster Beuron bezieht sich dieses Urteil nur auf das<br />
ehemalige Augustinerklosor, denn das seit etwa 90 Jahren<br />
bestehende Benediklinorkloster bietet uns eine reiche Auswahl.<br />
Unter diesen BEURONER WALLFAHTSAi,'-<br />
DENKEN fand ich nur ein Stück in der alten behaglichen<br />
Art des schlichten Messingovals. Es ist ein kleiner dünner<br />
Rosenkranzanhänger mit weichen Linien, dem man es ansieht,<br />
daß er wohl tausendmal durch fromme Hände glitt.<br />
Unter den übrigen neueren Prägungen haben nur wenige silberne<br />
oder versilberte eine gefällige Form, manche sind recht<br />
unruhig im Umriß. Und gar erst die scharfkantigen Fabrikate<br />
des Aluminiumzeitalters! Kein Wort darüber. Aufdringlich<br />
wirken die mit Zellschmelz „ausgestatteten" Medaillen.<br />
Wo bleibt da der Beuroner gute Geschmack? Erst das letzte<br />
Erzeugnis, eine stattliche, gediegen gearbeitete versilberte<br />
Auto-Plakette versöhnt uns wieder.<br />
Das Benediktinerkloster ALPIRSBACH liegt zwar<br />
nicht in Hohenzollern, aber ein Zollergraf gründete es in<br />
Gemeinschaft mit den Grafen von Sulz und Hausach. Als<br />
man 1898 die 800-Jahrfeier festlich beging, wurde eine Erinnerungsmedaille<br />
geprägt mit den Wappenschilden der drei<br />
Klosterstifter im Sechspaß auf der einen, und einer guten<br />
Darstellung der Klosteranlage auf der anderen Seite. Leider<br />
bescherte uns die 850er Jahrfeier 1948 keine neue Medaille.<br />
Hier ist auch der Platz, einer hundertjährigen Episode<br />
geistlicher Landeshoheit in unserem Lande zu gedenken. Als<br />
Kaiser Leopold I. die Benediktineräbte von KLOSTER<br />
MURI i. d. Schweiz in den Reichsfürstenstand erhoben hatte,<br />
ging ihr Trachten danach, auf Reichsboden Landbesitz zu erwerben.<br />
In der Zeit von 1706 bis 1743 kauften sie aus reichsritterschaftlichem<br />
Besitz die Herrschaften Glatt, Dießen mit<br />
Dettlingen, Dettensee, Dettingen und Neckarhausen und ließen<br />
diesen nunmehr reichsfürstlichen Besitz durch drei Statthalter-Patres<br />
verwalten. Der erste Fürstabt Placidus Zurlauben<br />
(1684—1723 Abt) ließ zur feierlichen Inauguration als<br />
Fürst am 26. März 1702 zwei verschiedene Denkmünzen prägen.<br />
Als er dann 1720 sein goldenes Priesterjubiläum beging,<br />
prägte man neben einer Festmedaille in Gold, Silber und<br />
Bronze auch goldene, silberne und kupferne Münzen. Es sind<br />
auch Bleiabschläge bekannt. Sie alle zeigen sein Brustbild<br />
mit einem prächtigen Profil.<br />
Ob es wohl von der Deutstetter (Veringenstadt) und der<br />
Haigerlocher St. Annawallfahrt Andenken gibt? Dafür aber<br />
bringt unser jüngster Wallfahrtsort JUNGINGEN seit<br />
einigen Jahren zwei ansprechende Stücke, je mit der Junginger<br />
Einsiedeinmadonna. Die Rückseite der größeren Medaille<br />
zeigt Kirche mit Pfarrhaus, die kleinere die Junginger Pieta.<br />
Leider sind beide aus Aluminium, sie würden sich in Bronze<br />
oder Mattsilber recht gut ausnehmen.<br />
Bei unseren LAN DESBISCHÖFEN denke ich in<br />
erster L-nie an die Erzbischöfe von Freiburg und an die bedeutenden<br />
Ereignisse zur Geschichte ihrer Diözese. Wir kennen<br />
Medaillen auf ihre Gründung 1827, auf Hermann v. Vicari,<br />
die Konvention von 1859 die Inthronisation des Erzb.<br />
Roos und auf das hundertjährige Bestehen der Erzdiözese<br />
1927 mit dem Bildnis des Erzb. Karl Fritz. Vielleicht gibt es<br />
noch weitere? Ueberaus reizvoll ist eine Sammlung von<br />
Porträtmedaillen und Münzen der höheren Werte mit Bildnissen<br />
der Fürstbischöfe von Konstanz. Sie bietet uns eine<br />
auserlesene Schar von Charakterköpfen, wobei über die Zeit<br />
von etwa 1500 bis '800 die Merkmaie der jeweiligen Zeitströmung<br />
in Bekleidung, Haar- und Barttracht, Wappenkunde<br />
und künstlerischer Auffassung zum Ausdruck kommen.<br />
An hohenzoll. Medaillen auf EHESCHLIESSUNG<br />
und JUBELHOCHZEITEN kennen wir, mit einer<br />
Ausnahme, nur Prägungen der fürstlichen Familie. Da haben<br />
wir zunächst die große Medaille von 75 mm Durchmesser auf<br />
die Eheschließung der Prinzessin Stephanie mit König Don<br />
Pedro V. von Portugal in Bronze, Silber und vergoldet, aus<br />
dem Jahre 1858. Fast von gleicher Größe sind die Vermählungsmedaillen<br />
der Prinzessin Marie mit dem Grafen von<br />
Flandern aus dem Jahre 1867 und des Fürsten Carol von<br />
Rumänien mit Prinzessin Elisabeth (Carmen Silva) von Wied<br />
i. J. T869. Die le gten Hochzeitsandenken besitzen wir von<br />
zwei Söhnen des Fürsten Leopold. 1893 heiratete Prinz Ferdinand<br />
die Prinzessin Marie von Großbritannien und Irland,<br />
und Fürst Wilhelm ließ zu seiner 2. Eheschließung mit Prinzessin<br />
Adelgunde von Bayern 1915 eine besonders gelungene<br />
silberne Medaille prägen.<br />
Zur Silberhochzeit aes Fürstenpaares Leopold und Antonie<br />
entstand 1886 eine kleine ovale Erinnerungsmedaille in Silber<br />
und ein in Goldrand gefaßter ovaler silberner Anhänger<br />
von gleicher Größe. Sie zeigen nur verschlungene Namensbuchstaben,<br />
Daten und Beschriftung. An die Silberhochzeit<br />
Köniji Carols I. von Rumänien erinnern 2 Stücke: eine große<br />
Medaille von 1894 mit den Brustbildern des Paares von 65<br />
mm und eine von 30 mm, die von einem Bukarester Juwelier<br />
herausgegeben wurde.<br />
Eine goldene Hochzeit im Fürstenhaus wurde uns nur einmal,<br />
1884, überliefert, und zwar durch eine Mtedaille von 50
46 H O H E N Z O L L F R I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />
mm mit den Bildnissen des Fürstenpaares Carl Anton und<br />
Josefine von Baden (Gold, Silber, Bronze) und eine quadratische<br />
Klippe von 20 mm Seitenlänge, die auf einer Seite<br />
die verschlungenen Namensanfänge, auf der anderen den<br />
Anlaß in Wort und Zahl zeigt.<br />
Und nun die oben erwähnte Ausnahme. Es ist di» i. J.<br />
1949 geschaffene Erinnerungsmedaille zur Goldenen Hochzeit<br />
des Sigmaringer Jubelpaares Max Frick und Maria Berger.<br />
Diese Medaille wurde in Bronze, Silber und Gold<br />
führt.ausge-<br />
Auch auf GEBURT und TAUFE bringt uns nur<br />
das Fürstenhaus einige Stücke. Als dem rumänischen Fürstenpaar<br />
Carol und Elisabeth 1870 die einzige Tochter Maria<br />
geboren wurde, gab es eine offizielle Medaille von 24 mm<br />
mit den Bildnissen des Elternpaares, und eine von der Hauptstadt<br />
Bukarest veranlaßte von 27 mm. Eine silberne Medaille<br />
von 34 mm aus d. J. 1900 erinnert an die Geburt der<br />
Fürstin Margarethe von Hohenzollern, geb. Prinzessin von<br />
Sachsen. Auf der Vorderseite sieht man die verschlungenen<br />
Anfangsbuchstaben von Name und Titel, auf der anderen<br />
das Bild des KG L. PALAIS<br />
DRESDEN".<br />
AM TASCHENBERG<br />
Und nun zum Abschluß noch eine Erinnerung an die unruhigste<br />
und trübste Zeit der Geschichte unseres Landes.<br />
Die Palästinafahrt des Deutschen Kaisers Wilhelm II. anno<br />
1898 wurde der Anlaß zur Prägung eines Pilgertalers von<br />
35 mm. Eine Seite zeigt die Köpfe des Kaiserpaares, die andere<br />
bringt unter der Ueberschrift HOHENZOLLERN<br />
PILGER eine Aufzählung von Angehörigen des Gesamthauses,<br />
die je eine Fahrt ins Heilige Land unternahmen. An<br />
dritter Stelle lesen wir „Graf Friedrich von Zollern 1443".<br />
Das ist der Oettinger, der sein stürmisches Leben mit einer<br />
Pilgerfahrt beschloß. Seine <strong>Heimat</strong> hatte er in trostlose Armut<br />
und Elend geführt, seine Stammburg der Zerstörung<br />
anheim gegeben!<br />
Denke ich an das Zustandekommen meiner Sammlung<br />
religiöser Medaillen zurück, dann muß ich auch von einer<br />
oft erfolgreichen Sammelmethode reden. In vielen Familien<br />
unserer Städte und auf dem Lande gibt es in irgendeiner<br />
Schublade oder einem Schrankwinkel eine alte Knopfschachtel<br />
oder eine mit einem Bändel zugebundene alte Hosentasche<br />
oder Tabaksbeutel aus Urgroßvaters Zeiten. Dahinein<br />
verstaute man jahrzehntelang neben abgetrennten Knöpfen<br />
und Oesen oder Schnallen auch gerne Geldstücke ehemaliger<br />
oder fremder Währung, Vereinsmedaillen, Daehle und sonstigen<br />
Kleinstkram, den man nicht fortwerfen wollte. Diese<br />
Schatzgruben muß man ausfindig machen, und man wird<br />
staunen, wie ergiebig sie für unsere Zwecke sind.<br />
H. Faßbender, Hechingen.<br />
Ein bunter „Strauß" von Geldsorten 1759<br />
Was für ein tolles Durcheinander verschiedener Geldsorten<br />
unsern Vorfahren die Umrechnung erschwerte, zeigt folgende<br />
Wertvergleichung. Zur Stärkung der allzeit leeren Staatskasse<br />
mußten Klerus und Klöster der Diözese Konstanz um<br />
die Mitte des 18. Jahrhunderts den zehnten Teil (daher Decimations-Geld)<br />
ihres Einkommens abgeben, und das viele<br />
Jahre hindurch.<br />
Sorten-Designation<br />
Wie die Decimations-Gelder von dem gesamten venerablen<br />
•Clero Dioecesis Constantiensis bey der Kayserl. Coimmissions-Cassa<br />
pro Anno 1759 angenommen werden.<br />
Ein ganzer Carl d'Or, oder dreyfacher Gold- fl. kr. pf.<br />
gulden, exclusive der Montforter, Nassau-<br />
Weilbuirg, und Hohenzollerisch 10 50<br />
Max d'Or 7 15<br />
Cremnitzer und andere vollgewichtige Ducaten 4 50<br />
Königl. Französische Schild-Louis d'Or 10 45<br />
Sonnen-Louis d'Or 10 30<br />
Mirleton 8 —<br />
Alte Louis d'Or und Dopien, so gewichtig 8 30<br />
Kayserlich-Bayrische-Salzburgische und andere<br />
neue Conventions-mäßige Thaier 2 24<br />
Derley neue so genannte Cronen- u. Feder-Tnaler 2 42<br />
Alte Französische Thaler, oder so genannte<br />
Louis-Bianc 2 24<br />
Herzoglich Lothringische 36 Kreuzer-stüek — 38<br />
Französiche halbe Gulden — 30<br />
Alte Bayrische halbe Gulden, so bishero 29<br />
Kreuzer gegolten - 30<br />
detto von jetziger Regierung — 30<br />
Halbe detto jetziger Regierung — 15<br />
Aeltere Churbayrisch halbe Gulden, oder bisher<br />
24 Kreuzer<br />
Kayserl. Bayrisch. Salzburgische und andere<br />
— 28 —<br />
Conventions-mäßige Kopfstück — 24 —<br />
Halbe detto — 12 —'<br />
Alte Churbayrische 15ner, oder bisher 12 Kreuz. — 14 —<br />
Chur-Maynzische, Hessisch-Nassauische,<br />
Frankfurtische und andere alte Zwölfer<br />
oder 6 Albus-Stücke<br />
Jünger Chur-Bayrische Zwölfter von annis<br />
— 12 —<br />
1747 bis 1752 — 12 —<br />
detto Chur-Bayrische Sechser, oder Doppel-Groschen<br />
— 6 —<br />
Chur-Bayrische und Salzburgische Groschen — 3 —<br />
Chur-Trierisch-Würzburgisch-Ansoachisch-Augspurgisch-Nürnbergische<br />
und andere alte 5<br />
Kreuzer-Stück<br />
Chur-Maynzische, Chur-Pfälzische, Salzburgische<br />
und andere alte Batzen, oder 2<br />
Albus-Stück — 4 —<br />
Chur-Bayrische, Salzburgische, Württembergische,<br />
Augsburgische, Regensburgische alte<br />
Landmünzen — 2 3<br />
Kayserl. Bayrisctie, Salzburgische, Augspurgische,<br />
Regenspurgische und Nürnbergische<br />
alte Kreuzer — 1 —<br />
(Dom. Arch. Hohenz.-Heching. R 78, 293; Ka 11, 12; Sigmar.)<br />
Ein paar Jahre drauf war die Liste noch größer, ohne<br />
Zweifel auch der dadurch entstandene Wirrwarr. Wie froh<br />
sind wir über eine einheitliche Währung! Kr.<br />
Ein alemannischer Friedhof zu Ringingen<br />
Die schon lange vergebens gesuchte älteste Begräbnisstätte<br />
der Alemannensiedlung Ringingen (Kreis Hechingen) wurde<br />
anläßlich der Grabungen zu einem Hausbau von Lukas Hochsticher<br />
auf' ¿iner bisherigen Pfarrwiese mitten zwischen den<br />
Ortsgassen Neuer Weg, Im Lai und Ufm Lai am 2. April dieses<br />
Jahres angeschnitten. Als man hart südlich vom vielhundertjährigen<br />
Fußweg, der vom Lai herab durch die alten<br />
Hanfgärten zur Rauße führt, in 2 Terrassen die Baugrube<br />
aushob, stieß man plötzlich nach Abhub des Rasens und der<br />
Ackererde in ca. 40 cm Tiefe auf eine Kiesschicht und ein<br />
darin eingetieftes Kindergrab. Ein wenig östlich davon lag<br />
eine erwachsene Person, offenbar Frau, deren Gebein jedoch<br />
ziemlich schwach war. Das nach Norden gedrehte Haupt lag<br />
im Westen, die Füße im Osten, sodaß sie bei der Auferstehung<br />
gerade der aufgehenden Sonne entgegensieht, so wie<br />
alle folgenden und viele Toten anderwärts. Der Kopf war<br />
etwas zusammengedrückt, das Kinn vom Druck gesprungen.<br />
Ein Loch an der rechten Schläfe, das man zuerst als Todesursache<br />
ansah und deswegen auf ein Verbrechen schließen<br />
wollte, enlpuppte sich später als neu. Funde lagen keine da-<br />
bei. Der Name Lai (1406 Leh) deutet nach M. R. Buck auf<br />
„Grabhügel", doch hatte man bisher dessen Lage eher weiter<br />
oben (westlich) erwartet. An der westlichen Grubenwand<br />
kam im gewachsenen weißen Kiesgrund eine auffallende, ca.<br />
1,50 Meter tiefe, unten über 2 m, oben fast 6 m breite, mit<br />
tief schwarz spt^kiger Erde gefüllte Mulde zutage. Hier fast<br />
am rechten Ende der Baugrube, also am westlichen Eck der<br />
künftigen Scheuer fand sich auf dem Kies im L e n m in 1<br />
m Tiefe ein drittes Grab, dessen nach Norden gedrehtes<br />
Haupt noch in die Grubenwand hinein nach Westen ragte.<br />
Die Tote hatte je ein Ohrringlein aus Bronze von 1 mm<br />
Stärke und 2,5 cm Durchmesser am Kopf, den i^ehrer Rauser<br />
mit seinen Schülern geborgen. An der Terrasse weiter östlich<br />
zeigte sich wieder die schwarze Mulde ab, aber weiter im<br />
Süden. Hier auf dem Kies in Höhe des künftigen Kellerbodens<br />
in 1,20 m Tiefe fand man ein Männer grab, dessen<br />
Oberkörper noch in der stehen bleibenden Wand steckte,<br />
und zu dessen Freilegung man Herrn Dr. Scniek vom Tübinger<br />
Landesamt für Denkmalspflege rief, während das ersta<br />
Frauengrab Studienrat Faßbender von Hechingen freigelegt
Jahrgang 19 54 H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 47<br />
hatte. Besonders anerkennenswert war die tatkräftige und<br />
umsichtige Unterstützung durch den Bauherrn und dessen<br />
Bruder, Bürgermeister Heinrich Hochsticher, denen die Rettung<br />
der Gräber überhaupt zu danken ist. Nach sorgfältiger<br />
Freilegung mit Spachtel und Pinsel am 27. 4. zeigte sich ein<br />
1,65—1,70 m großes kräftiges Skelett, das man fotografierte<br />
und sorgfältig erhob. Neben der rechten Hand und Hüfte<br />
lagen drei Pfeile mit 13 cm langer Eisenspitze nach oben,<br />
die Holzschäfte noch teilweise gut zu erkennen. Ein wenig<br />
oberhalb kam ein Eisenstück zutage, wohl die Gürtelschnalle<br />
und auf der linken Seite ein Eisen, dessen aufgebogene hörnerartige<br />
Enden es als Feuerstahl kennzeichneten. „Wenn<br />
alles stimmt, müssen jetzt auch Feuersteine kommen" sagte<br />
der Fachmann. Und nach einigem Abschaben der Erde: „Sieh<br />
da sind sie schon!" Feuerzeug und Waffen, die wichtigsten<br />
Werkzeuge für den Menschen der Frühzeit! Die Dreizahl<br />
scheint kultische Bedeutung zu haben. Fast auf dem nach<br />
Süden gedrehten Haupt des Toten fand man einen kleinen<br />
roten Scherben und auch sonst in dem schwarzen Boden zerstreut<br />
Kohlen und kleine dicke schwarze Scherben aus der<br />
Frühgeschichte. Spuren des Sarges unter dem Toten<br />
und rings um die Gebeine waren deutlich kohlschwarz zu<br />
erkennen, der Maserung nach von Eichenholz. Jedes Mal<br />
war es speckiger Lehm, der konserviert hatte. Etwas weiter<br />
östlich am Grubenrande trat eine metergroße Brandplatte<br />
heraus, in der Nähe eine Art Pfostenlöcher, dabei Scherben<br />
eines Gefäßes des 12./13. Jahrhunderts n. Chr. Nachträglich<br />
fand sich hier eine wohl aus einem Erdklumpen losgelöste<br />
Kurznachrichten<br />
Sommerwetter 1903 auf der Alb. Am 7. Juli kamen die<br />
Kinder eines Bauern zu ihrer Mutter und sagten: „Mutter,<br />
gib uns auch Handschuhe, wir wollen in die Erdbeeren!"<br />
Am 7. Dezember 1365 urkunden Schultheiß und Rat der<br />
Stadt Trochtelfingen für sich und die Heiligenpfleger<br />
Hainz den Schneider und Benz den Kaiser, daß sie ihrem<br />
gnäd. Herrn Swigger von Gundelfingen von Tegnek zehn<br />
Schilling ewigen Gelds aus Stähilis Gut, gelegen zu Hohenberg<br />
(Hochberg) verkauften um 8 Pfund Heller, die für<br />
des Heiligen Nutzen verwertet wurden. Sie und die Heiligenpfleger<br />
verzichten auf alle Rechte an das genannte Gut zu<br />
Hochberg. Pfaff Hans Dachs, Kilchherr zu Trochtelfingen<br />
willigt in den Verkauf und siegelt neben der Stadt Tr. Gegeben<br />
nächsten Sunnentag nach st. Nikolaus 1365. (Perg.<br />
Urk. Donaueschingen: 82, Cist A 121 Lat 2 Fase VI, 1). Hans<br />
Dachs war noch 1417 Pfarrer daselbst; er stammte von Mägerkingen.<br />
Kr.<br />
Das Wort Stube für einen heizbaren Raum wurde von<br />
einigen Gelehrten mit dem Stieben des Was'serdampfes<br />
in den alten Badstuben zusammengebracht. Doch redet man<br />
eher vom Zerstieben des Wassers bei einem Wasserfall, als<br />
daß man den Dampf als „Staub" bezeichnen könnte. Im Althochdeutschen<br />
hieß das Wort stuba. Das nächst verwandte<br />
englische Woirt heißt Stove • Ofen das italienische stufa und<br />
französische etuve (das e war altes s!), beides in den Bedeutungen<br />
Badstube und Ofen. In Konstanz hieß nach Fr. Beyerle<br />
das Gerichtszimmer hezw. der Versammlungsraum der<br />
Kleriker in der bischöflichen Pfalz „der Stauf". Ein Stauf<br />
war im Schwäbischen auch ein „Becher ohne Fuß". Nach der<br />
Form umgi .tülpier Becher sind die Bergnamen Staufen und<br />
Stoff! ' gebildet. Sollte der Ofen ursprünglich nach s e in<br />
r F o r m eben Stauf geheißen haben? Kluge und Götze<br />
möchten in ihrem Etymologischen Wörterbuch (11. Aufl. 1934)<br />
''ac Grundwort im Lateinischen suchen, weil stufare im Italienischen<br />
und etuver im Französischen soviel wie „bähen,<br />
dämpfen, erwärmen" bedeute, während es nach Zeugnis des<br />
Tacitus L n< Seneka bei den Germanen keine Oefen und gewärmte<br />
Stuben gab. Kr.<br />
Am 23. Mai 1737 schrieb der Baron F. Joh. Speth zu Hetlingen<br />
an den Weihbischof F. A. von Sirgenstem nach Konstanz,<br />
die Pfarrer "on Garn Hertingen und Feldhausen<br />
sperrten sich, an der jahri. Wallfahrt zur St. Sebastianskapelle<br />
zu Hettingen, die seit unvordenklichen Jahren<br />
am Freitag nach Christi Himmelfahrt stattfinde, ferner teilzunehmen,<br />
trotz der 10 Reicnstaler Strafe, die im Vorjahr durch<br />
den Generalvikar ihnen zudiktiert sei. Dieses Jahr wäre der<br />
Pfarrer von Gammertingen an der Reihe mit Predigt und<br />
Amt daselbst. Die Geistlichen konnten jedoch darauf hinweisen<br />
daß die Sache für sie ebenso freiwillig sei, wie für<br />
die Gläubigen, also könne man sie auch nicht bestrafen.<br />
(Freiburg, Stehende Register, unter Hettingen.) K»<br />
Eisenschnalle, deren Dorn fehlt. Die Gräber selbst werden<br />
kurz vor 700 n. Chr., datiert. In christlicher Zeit, in der sich<br />
die Beigaben ganz verlieren, hat man die Toten bei der<br />
Pfarrkirche beerdigt. Bei der 1834 abgerissenen Galiuskirche<br />
in 100 m Entfernung südlich von der Fundstelle, aber getrennt<br />
durch den uralten tiefeingeschnittenen Hohlweg des<br />
Lai, befand sich 1661 der Gottesacker, ein weiterer (wohl älterer?)<br />
am Ostrand der Siedlung bei der Martinspfarrkirche.<br />
Nach einer Ueberlieferung von 1806 soll die Galluskirche<br />
einst Mutterkirche gewesen sein (Zollerheimat 1941, 1—3).<br />
Erst 1840 hat man den bisherigen Friedhof von der Pfarrkirche<br />
zur Marienkapelle verlegt. Ueber den Umfang des<br />
Alemannenfriedhofs ist noch nichts bekannt. Ein unbestimmter<br />
Knochenrest wurde kurz zuvor bei Grabungen zur Wasserleitung<br />
dieses Neubaus weiter östlich und weitere bei<br />
Kellergrabungen des Hauses 17 unterm Neuen Weg freigelegt.<br />
Die gefundenen Toten, die ausgezeichnete vollständige<br />
Zähne besaßen, sodaß sie unser aller Neid<br />
erregen könnten, sind ausgesprochene Langschädel. Sie wurden<br />
zu Studienzwecken nach Tübingen genommen. Zweifellos<br />
gehören sie zu den Urahnen der jetzigen Bewohner<br />
Ringingens und sprachen ein Schwäbisch, das wir freilich<br />
nicht verstehen würden. Selbstverständlich wurde ein<br />
genauer Lageplan aufgenommen. Daß gerade eine Pfarrwiese<br />
die Gräber enthielt, mag Zufall sein. Möglicherweise aber<br />
hat das eindringende Christentum aus Ehrfurcht vor den Toten<br />
dieses Feld der Kirche in Obhut gegeben!<br />
Joh. Aa. Kraus.<br />
Der aus Sigmaringen stammende, 1609 geborene, Konstanzer<br />
Musikus und Kleriker Jakob Banwart (alias<br />
Jakob Avia) wird von E. F. Schmid besprochen in der Allg.<br />
Enzyklopädie „Die Musik in Geschichte und Gegenwart",<br />
hg. von Friedrich Blume im Bärenreiterverlag Kassel, S<br />
1230. Ums Jahr 1641 wurde er Domkapeilmeister und veröffentlichte<br />
eine Motettensammlung, der noch mehrere<br />
Werke folgten Er ist einer der markanteren Vertreter des<br />
süddeutschen Kirchenstils aus der Zeit Johann Stadlmayrs.<br />
Seine musikalische Schulung stand wohl noch im Zeichen<br />
der großen kirciienmusikalischen Sammelwerke seines hohenzollerischen<br />
Landsmanns Johannes Donfried aus Veringen.<br />
Kr<br />
Ueber die Familie Gebele von Waidstein berichtet Alfr.<br />
Lederle im 33. Heft (1953) der Zeitschrift „Die Ortenau" S.<br />
4;j—57. Jakob Bonaventura Wunibald Gebele von<br />
Waldstein, der 1754 in Wolfach geboren wurde, war 1794<br />
Obervogt in J u n g n a u, seit 1804 in Trochtelfingen,<br />
1820 bis 40 im Ruhestand in Ueberlingen, seit 1791 verheiratet<br />
mit Maria Josepna von Senger und hatte 10 Kinder.<br />
Der Sohn Josef Bonaventura (1793- -1864) wurde hohenzollerischer<br />
Verwaltungsbeamter, 1840 Ooeramtmann in<br />
Gammertingen, dann in Sigmaringen. Herkunft,<br />
Wappen und Familiengiieder sind a. a. O. näher ausgeführt.<br />
Kr.<br />
An das<br />
in<br />
Postamt
48 H O II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />
Burladingen. Um Fidelistag herum hat man „Im Rauns"<br />
zwischen der Bahn und dem Stettener Sträßle bei Grabarbeiten<br />
frühalemannische Funde gemacht, die den<br />
Neid der Fachleute erregen werden. Neben Waffen ist es<br />
vor allem eine Vogelfibel (Sicherheitsspange), die einen<br />
Raubvogel darstellt, dessen Auge ein roter Edelstein<br />
von unbekannter Masse bildet. Die Funde werden<br />
z. Zt. in Tübingen bearbeitet und sollen dann der Sammlung<br />
auf dem Zoller einverleibt werden. Kr.<br />
Das neue Wappen der Gemeinde Stetten u. Holst, stellt<br />
weder einen Pflug, noch auch einen Flug im Schild dar, wie<br />
in der Tageszeitung irrig zu lesen stand. Es ist vielmehr ein<br />
silberner Flügel in blauem Schildfeld, wie<br />
ihn die Herren von Holnstein führten. Allerdings findet man<br />
bei ihnen gelegentlich auch einen Flug, d. h. zwei Flügel.<br />
Man redet in der Wappenkunst von einem offenen Flug,<br />
wenn die beiden Flügel nebeneinander stehen, von einem<br />
geschlossenen Flug, wenn der eine den andern teilweise<br />
verdeckt. Kr.<br />
„Jukigingens Fahne" soll angeblich nach Blättermeldung im<br />
neuen Deutschen Soldatenkalender 1954 abgebildet sein. Dies<br />
dürfte einen irrigen Schluß einer Bildunterschrift bilden.<br />
Denn dargestellt ist die Fahne des Deutschen Orden<br />
s, während im beigefügten Gedicht vom Totenschild<br />
Ulrichs von Jungingen geredet wird, der als Hochmeister bekanntlich<br />
im Jahre 1410 bei Tannenberg fiel. Sein Wappen<br />
zeigte einst jedoch — allerdings wohl mit dem Ordenskreuz<br />
kombiniert - den blausilbern gevierteten Schild,<br />
Davon ist jedoch auf dem Bild nicnts zu sehen. Ein blauer<br />
Randsireifen an der Fannenstange entlang kann dafür auch<br />
keinen Ersatz bilden! Kr.<br />
Die Petruskapelle auf der Ruine Veringen. Das sogenannte<br />
Johannisglöcklein auf dem Türmchen der Petruskapelle<br />
wurde in früherer Zeit jedes Jahr am Skt. Johann Baptist-Tag<br />
24 Stunden geläutet. Im Jahre 1680 war geplant,<br />
die Kapelle abzubrechen. In einer Eingabe der Veringer an<br />
den Fürsten T Ieinrad stehen die Worte: Seit unfürdenklichen<br />
Zeiten ist dieses Glöcklein alljährlich an Johann Baptist<br />
24 Stunden Tag und Nacht geläutet worden. Bereits i. J. 1626<br />
existierte das Johannebglöckiein. Es zersprang in diesem<br />
Jahre wegen zu langen Läutens. Durch Stiftungen konnte<br />
es bald wieder neu gegossen werden. Aus dieser Zeit datierte<br />
auch die Inschrift: Herr R D Jakob Bernhard, Pfarrer zu<br />
Veringenstadt. Schultheiß Martin Eggstein, Bürgermeister<br />
Kaspar Specker anno 1628. Fracle Lotharingus me fecit.<br />
Erschatz oder Ehrschatz? Herr Pfarrer Dr. Schupp schreibt.<br />
Zu Hohenz. <strong>Heimat</strong> Nr. 2 S. 22: Erschatz. Es wird wohl nach<br />
der jetzigen Rechtschreihung „Ehrschatz" heißen müssen.<br />
Das Schwäbische Wörterbuch v. Fischer, II. Band, hat<br />
wohl „Erschatz", aber die altertümliche Schreibweise.. Fischer<br />
fügt aber, gleichsam erklärend, das lateinische Wort<br />
'audemium an, das mit iauaare loben, ehren zusammenhängt.<br />
Recognition, Anerkennung des<br />
gelegentlich einer Neubelehnung.<br />
Vasaiienverhältnisses<br />
BESTELL-SCHEIN<br />
zum Bezug der „<strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Heimat</strong>"<br />
Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug durch<br />
die Post Stück „<strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong>", Verlagspostamt<br />
Gammertingen, zum halbjährigen Bezugspreis<br />
von 60 Pfennig.<br />
Vor- und Zuname<br />
Genaue Anschrift<br />
Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bezw. Nachbestellungen<br />
der nächsten Poststelle aufzugeben. Um deutliche<br />
Schrift wird gebeten.<br />
<strong>Heimat</strong>literatur<br />
„Die Landes-, Grund- und Leibherrschaft<br />
der Grafen von Zollern"<br />
So nennt sich eine viel zu wenig gekannte Doktorarbeit<br />
unseres Burladinger Landsmanns Johannes<br />
Heim (jetzt Villingen) vom Jahre 1922, von der die <strong>Hohenzollerische</strong><br />
<strong>Heimat</strong>bücherei in Hechingen eine Abschrift besitzt.<br />
Der 260 weitgeschriebene Seiten umfassende, in der<br />
Abschrift näher zusammengerückte Aufsatz ist zwar in einigen<br />
Abschnitten inzwischen überholt (Maße vgl. Hohz. Jahreshefte<br />
1936, 120—178, Landesordnung von angeblich 1557<br />
Hohz. Jahreshefte 1939, 1—15.). Aber der Autor hat mit<br />
großem Fleiß die 13 Bände des Hagen'schen Lagerbuchs vom<br />
Jahre 1544 und die Erneuerungen von Ramminger 1584 und<br />
Joh. Pfeffer 1598 im fürstl. hohenzoll. Archiv Sigmar ingen<br />
ausgiebig durchforscht und den Inhalt in eil juristisches System<br />
gegossen. So behandelt er ausführlich die Gerichtshoheit,<br />
Strafrecht, Gericht des Vogts, Apellationen, Gesetzgebung,<br />
Besteuerung, Fronen, Zehnten, Militärhoheit,<br />
Forsthoheit, Kirchenregiment (der Graf fühlte sich als Obereigentümer<br />
der Kirchengüter, trotzdem er es nicht war), Beamtenreform,<br />
Kanzlei, Rentmeister, Baumeister (Aufseher<br />
über Ackerbau), Räte, Amtmann. Vogt. Forstmeister, Einspänner<br />
(eine Art Polizeibeamter), Heimburgen und Heiligenpfleger.<br />
Dann verbreitet er sich über die Grundherrschaft,<br />
wobei man noch den fremden und Klosterbesitz innerhalb<br />
des Landes beiziehen muß, Ein weiterer Abschnitt<br />
behandelt die Herrschaftsgüter (llbf) Das K rc<br />
h e n g u t, das vielleicht zum Teil auf ehemaliges Familiengut<br />
zurückreichen könnte, bildet nur dem Namen nach eine<br />
Gesamtmasse, ist jedoch in Wirklichkeit in jeder Pfarrei für<br />
sich getrennt. Die Gemeindewälder- und Felder sind ebenfalls<br />
in Erwägung zu ziehen, ebenso die Möglichkeit, daß. wie<br />
in Ringingen seit 1453, auch in der Grafschaft schon Erblehen<br />
vor Hagen bestanden.<br />
Unter den Abgaben, besonders an den Grundherrn,<br />
sind u. a. erläutert: Hellerzinsen, Handlohn, Wegiösin, Landgarbe,<br />
Zehnt, Fronen, Steuern, Abzug, Rauch- und Fastnachtshennen,<br />
Umgeld (— Getränkesteuer), Bis 1615 gibt es<br />
noch einige Leibeigenen-Verzeichnisse aus jener Zeit, die im<br />
Archiv erhalten sind (Höhend. Jahreshefte 1935, 113—130).<br />
Unter den verbotenen Kartenspielen werden auch „böck und<br />
mumen" aufgeführt, die in späteren Abschriften zu „Boith<br />
nehmen" verlesen sind. Statt Steuern kennt man anderwärts<br />
„Beden". Einige hohenzollerische Gemeinden waren davon<br />
ganz frei (auch das nur zu V4 zollerische Ringingen), was<br />
wohl von der Verschiedenheit der früheren Besitzer herrührt.<br />
Die Arbeit ist allen wärmstens zu empfehlen, die sich<br />
mit den Verhältnissen unserer <strong>Heimat</strong> im 16. Jahrhundert<br />
beschäftigen wollen. Kr.<br />
Das Tailfinger <strong>Heimat</strong>buch, hgg. im Auftrag der Stadt von<br />
Studienrat Dr. Herrn. Bizer, 1953 (576 Seiten mit vielen Bildern,<br />
Pr. 18 DM), kann den Neid der <strong>Heimat</strong>freunde erwecKen.<br />
Ueber die Erdgeschichte, Pflanzenwelt, Frühgeschichte, zur<br />
Geschichte, Gemarkung, Stadtentwicklung, Gewerbe und<br />
Handel, Geschlechter und Namen, volkstümliche Ueberlieferungen,<br />
Haus und Hof und Mundart führt das geradezu<br />
vornehm ausgestattete Buch nach einem vielfarbigen Titelbild<br />
durch alle Sparten der <strong>Heimat</strong>kunde. Nur das Flurnamenkärtchen<br />
ist etwas undeutlich. Beigezogen hätte im geschichtlichen<br />
Teil von Dr. Ernst Bizer S. 10t noch gehört<br />
der Aufsatz über die Freie Birsch (Hohenzoll. Jahreshefte<br />
1940, 1—56) und die Erneuerung der Einkünfte des hl. Gall<br />
zu Trochtelfingen" vom 12. Jan. 1610 (früher im Rathaus<br />
Truchtelfingen, das inzwischen eingemeindet ist). Mit großer<br />
Liebe wird die gesamte Flur „erwandert", dazwischen immer<br />
wieder eine Unmenge Anekdoten in Mundart eingestreut,<br />
die mit der unsern um Burladingen fast gleichlaufend<br />
klingt. Um so reizvoller wird man es finden, die Unterschiede<br />
festzustellen.<br />
- „Die mittelalterliche Burg" von Herbert Graf Caboga<br />
(Gallunsveriag Berti in Rapperswii, Schweiz, 76 Seiten mit<br />
vielen sehr schönen Zeichnungen, Preis 3 DM, zu beziehen<br />
durch Buchhandlung Helmut Tenner, Heidelberg, Bergheimer<br />
Straße 59). Freunde unserer Burgen und Ruinen seien auf<br />
dieses überaus brauchbare Büchlein dringend aufmerksam<br />
gemacht. Es eignet sich gleichermaßen für das Studium, als<br />
auch für die Schule. Herausgeber ist das Internationale Burgenforschungs-Institut<br />
auf Burg Rapperswii am Zürchersee,<br />
wo eine ausführliche Kartei mit 12 000 Karten über die Burgen<br />
und Ruinen samt allem Zubehör weit über Süddeutschland<br />
und Schweiz hinaus Auskunft geben kann. Kr.
<strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong><br />
Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />
Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />
in Verbindung mit<br />
Schriftleitung:<br />
Josef Wiest, Gammertingen<br />
Preis halbjährlich 0.60 DM<br />
Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />
der hohenz. Lehrerschaft<br />
Druck:<br />
Buchdruckerei S. Acker, Gammertingen<br />
Postverlagsort Gammertingen<br />
Nummer 4 Gammertingen, Oktober 1954 4. Jahrgang<br />
Aus der Geologie von Hohenzollern<br />
(11. Fortsetzung)<br />
III. Der Keuper<br />
2. Mittlerer Keuper (a Gipskeuperlandschaft)<br />
Auf dem Maienbühl bei Rangendingen<br />
Von der Ebene der Lettenkohlen- oder Gäuiandschaft beginnt<br />
nach Osten und Süden hin das Gelände anzusteigen.<br />
Wohlgeformte Hügel und langgestreckte Rücken wechseln<br />
mit flachen Mulden. Einer der schönsten dieser Hügel ist<br />
der mit einer alten Linde, dem alten, heiligen Baum der<br />
Deutschen gekrönte Maienbühl südlich von Rangendingen,<br />
der „m o n s s a c e r", der heilige Berg der Rangendinger,<br />
auf den sich seine wehrbar^n Bürger flüchteten, wenn<br />
sie wegen einer „Missetat" eine Strafexpedition zu befürchten<br />
hatten, um von dort aus bei der Annäherung der fürstlichen<br />
Truppen auf das benachbarte ausländische Gebiet<br />
übertreten zu können. Für Owingen nennen wir das Waren-<br />
Von Michael Walter<br />
bergle und den Geisberg und für Empfingen<br />
den Hungerbühl als die wichtigsten<br />
Erhebungen in der Vorhügelzone der<br />
Gipskeuperlandschaft, hinter der sich<br />
der Gipskeuper in ziemlich steilem Anstieg<br />
zu der eigentlichen Keuperstufe<br />
als einem wichtigen Gliede der Schwäbisch-fränkischen<br />
Stufenlandschaft zusammenschließt.<br />
Der Gipskeuper setzt sich aus<br />
rotbraunen, dunkelvioletten, öfters auch<br />
graugrünen, schieferigbröckeligen Mergeln<br />
zusammen, in die an manchen Orten<br />
Gips in Schichten, Stöcken oder<br />
Bändern in meist weißer Farbe sowie<br />
Steinmergel- und Sandsteinbänkchen<br />
eingelagert sind. Da sich der Gips im<br />
Wasser allmählich löst, so entstehen im<br />
Innern der Gipsmergel manchmal Hohlräume,<br />
die Mergel sacken ein und verbiegen<br />
sich, wie Gipsgruben hie und da<br />
zeigen, deren durch den lebhaften Farbenwechsel<br />
auffallendes Bild durch<br />
solche Verbiegungen noch einen neuen,<br />
besonderen Reiz erhält. Auf der Oberfläche<br />
entstehen muldenförmige Vertiefungen,<br />
den Dolinen in der Kalklandschaft<br />
vergleichbar. In dem Waldgebiet<br />
westlich von Rangendingen, der „Richtstatt",<br />
liegen mehrere solcher Dolinen im<br />
Gipskeuper und vor wenigen Jahren<br />
brach in einer Mulde in dem Ackergelände<br />
südwestlich von der Rangendinger<br />
Kirche ein Loch von 18 m Tiefe ein,<br />
das sich durch Auslaugung eines Gipsstockes<br />
gebildet hatte. Die Zeitungen<br />
meinten, die vorausgegangenen Regentage<br />
hätten den Gips aufgelöst und so<br />
sei das Loch entstanden. So rasch geht<br />
das aber nicht. Zur Auflösung eines<br />
solchen Stockes sind Jahrhunderte, wenn<br />
nicht gar Jahrtausende nötig. Das Wasser,<br />
das aus solchen Gipsgebieten kommt,<br />
ist hart und schwer und riecht mitunter<br />
nach Schwefel.<br />
Der Gips ist ein Mineral, das sich aus Kalk, Schwefelsäure<br />
und Wasser zusammensetzt und wird deshalb auch als<br />
schwefelsaurer Kalk bezeichnet. (Der Chemiker drückt seine<br />
Zusammensetzung durch die Formel CaS04 . 2H20 aus.) Der<br />
Gips besitzt eine Reihe von Eigenschaften, die ihm die verschiedensten<br />
Verwendungsmöglichkeiten verschaffen. Im<br />
Bauwesen braucht ihn der Gipser, um die Häuser zu verputzen,<br />
um Gipsdielen herzustellen und kunstvolle Stukkaturen<br />
zu gestalten. Der Künstler formt aus ihm Figuren und<br />
Abgüsse aller Art. Der Chirurg verwendet ihn zur Herstellung<br />
von Verbänden. In der Technik dient er vielfach als<br />
Füll- und Farbstoff. Der Landwirt benützt ihn zum Düngen<br />
seiner Felder.
50 H O H E N Z O L L E E I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />
Als vor etwa 180 Jahren die reine Brache allmählich aus der<br />
Dreifelderwirtschaft verschwand und de: Brachesch angebaut<br />
wurde, brauchten unsere Aecker als Ersatz für die<br />
durch die Brache bedingte Ruhe- und Erholungspause eine<br />
stärkerei Düngung. Jetzt griff man auf den schon den<br />
Römern als Düngemittel bekannten Gips zurück. Eine starke<br />
Werbung für die Gipsdüngung setzte ein. Männer wie Johann<br />
Christian Schub art (1734 787), der wegen seiner<br />
Förderung des Kleeanbaues als „Edler von Kleefeld" vom<br />
Kaiser Joseph II. im Jahre 1784 in den Adelstand erhoben<br />
wurde, und Johann Friedrich Mayer aus Herbsthausen im<br />
Kreis Mergentheim, Pfarrer in Kupferzell, Kreis Oehringen,<br />
der „Gipsapostel" (1719—1798) wiesen mit allem Nachdruck<br />
auf die hohe Bedeutung des Gipses als Düngemittel hin, insbesondere<br />
für den neueingetührten Kleeanbau. Jetzt entstanden<br />
auch bei uns zahlreiche Gipsgru'oen und zwar sowohl<br />
im Muschelkalk, auf die wir schon früher hingewiesen<br />
haben (<strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong> 2. Jahrgang Nr. 2, Seite 17)<br />
als auch im Gipskeuper. Die Gipsvorkommen im Muschelkalk<br />
wurden hauptsächlich in Dettingen, Glatt und Imnau<br />
ausgebeutet, jene im Gipskeuper in Empfingen, Owingen und<br />
Rangendingen.<br />
Rangendingen hatte in jener Zeit zwei Gipsmühlen. Die<br />
eine davon war am Ausgang des Dorfes gegen Hirrlingen<br />
hin im Jahre 1801 mit fürstlicher Erlaubnis an dem alten,<br />
damals noch fürstlichen Mühlgraben von der Gemeinde erbaut<br />
worden, ging aber schon im Jahre 1803 laut Kaufvertrag<br />
vom 12. Dezember 1802 um den Betrag von 1050 Gulden<br />
in Privatbesitz über und zwar in die Hände des Zimmermanns<br />
Xaver Dieringer. Später wurde ihr noch eine Säge<br />
Das Warenbergle bei Owingen<br />
angebaut. Heute steht an ihrer Stelle die neue Glaserei<br />
Widmaier. Die zweite Gipsmühle lag dem Gasthaus zur<br />
„Krone" gegenüber. Auch sie ist eingegangen, da der Kunstdünger<br />
den Gips verdrängte, und jetzt in Wohnräume umgebaut<br />
worden.<br />
Welchen Absatz die Rangendinger Gipsmühlen hatten und<br />
welch reges Leben der Gipsmühlenbetrieb in der Zeit seiner<br />
höchsten Blüte nach Rangendingen brachte, das hat Schulrat<br />
a. D. J. Wannenmacher in der „<strong>Hohenzollerische</strong>n Zeitung"<br />
(3. Dezember 1951) anschaulich geschildert. Wie sehr in jenen<br />
Jahren der Gips von den Bauern als Düngemittel geschätzt<br />
und begehrt wurde, das konnte ich vor einigen Jahren von<br />
der im Jahre 1952 verstorbenen Alt-Löwenwirtin Agnes Abt<br />
in Freudenweiler bei Neufra erfahren, die mir erzählte, daß<br />
sie als junges Mädchen oft nach Rangendingen gekommen<br />
sei, um von dort einen Korb voll Gips auf dem Kopfe nach<br />
Hause zu tragen! Aus dem benachbarten Württemberg wurde<br />
viel „würtenbergischer" Gips in Rangendingen geholt. Der<br />
Hügel, dem der meiste Gips entstammte, heißt nämlich Würtenberg.<br />
Schon 1544 wird ein „Egertenfeld uf Würtenberg"<br />
erwähnt (Katasterblatt S. W. XIV. 12.). Die Gipsgewinnung<br />
in Rangendingen hörte, wie schon erwähnt, auf, als der<br />
künstliche Dünger in den Handel kam. Ein Versuch, sie neu<br />
zu beleben, kam durch die Währungsreform vom 20. Juni<br />
1948 zum Scheitern.<br />
Auch in Owingen begann man zu Anfang des vorigen<br />
Jahrhunderts die reichen Gipsschätze zu heben, die in den<br />
Gipskeuperhügeln zu beiden Seiten des Eyachtales verborgen<br />
lagen, und sie der gipshungerigen Landwirtschaft zuzuführen.<br />
Das Gipswerk der Gebrüder Häusel in Owingen, das
Jahrgang 1954 H O H E N Z O L L E R I S C H E N 13 H A T 51<br />
im Jahre 1806 angelegt wurde, hat sich bis heute erhalten.<br />
Es ist das einzige Werk dieser Art nicht nur in Hohenzollern,<br />
sondern in ganz Süddeutschland, das in die alte und erste<br />
Blütezeit der Gipsgewinnung zurückreicht. Bis zum Jahre<br />
1908 widmete es sich der Herstellung von Düngergips, dann<br />
stellte es sich auf Bau- und Putzgips um. Das Rohmaterial<br />
wird in aer stattlichen Gipsgrube nordöstlich von Owingen<br />
durch Sprengung im Tagbau gewonnen und durch Lastkraftwagen<br />
zu dem Gipswerk gebracht, das in landschaftlich<br />
schöner Lage am Austritt des Mittels- und Lützelbaches in<br />
die Talaue der Eyach, unweit der alten Owmger Weilerkirche<br />
liegt. Dort werden die größeren Gipssteine zunächst<br />
zerkleinert und dann in einem Spezialbrennverfahren 78—80<br />
Stunden gebrannt. Der so gewonnene Baustoff kommt unter<br />
dem Namen „Häusels Zollergips" in den Handel und<br />
findet in weitem umkreis guten Absatz, der sich im Jahre<br />
auf 2000—3000 Tonnen beläuft. Das Werk beschäftigt über<br />
ein Dutzend Arbeiter.<br />
In Empfingen war die Gipsgewinnung im vorigen j'ahrhundert<br />
besonders rege. Um das Jahr 1840 arbeiteten dort<br />
sechs Gipsmünlen, die das Rohmaterial im Auchtet und auf<br />
dem Hungerbühl holten. Sie stellten Dünge- und Baugips<br />
'.er. Der besonders feine und weiße Frauengips kam in die<br />
Porzellanfabrik nach Schramberg. Aber auch in Empfingen<br />
gingen die Gipsmühlen alle ein. Vor zwei Jahren hat Johann<br />
Reich im alten Gipsgrubengelände ein neues Gipswerk<br />
angelegt. Sein Gips findet als doppelt gebrannter Baugips<br />
guten Absatz.<br />
Die Gipskeuperlandschaft besitzt nicht die hohe Fruchtbarkeit<br />
der Gäulandschatt. Wohl liegen in ihren flachen Mulden<br />
Gipssteinbruch bei Owingen<br />
ergiebige Aecker und feuchte Wiesen, aber schon an flachen<br />
Hängen fehlt auch in altbebautem Gelände der Humusboden.<br />
Selbst bei flachem Pflügen kommt immer wieder der unverwitterte<br />
Mutterboden zum Vorschein, weil offenbar die zehrende<br />
Wirkung des Gipses keine Humusbildung aufkommen<br />
läßt. Die Hänge und Hügel tragen deshalb nur magere<br />
Aecker und dürftig' Wiesen. Meist sind sie als Allmende im<br />
Besitze der Gemeinde und werden entweder als „Teile" an<br />
die Bürger vergeben oder dienen als Weiden. Die von den<br />
Ortschaften abgelegneren Gebiete und die steileren Hänge<br />
sind heute meist mit Wald bestockt.<br />
In früheren Jahrhunderten dienten die Hänge in sonnigen<br />
Lagen öfters dem Weinbau, wie uns noch Flurnamen wie<br />
Weinberg, Weinberghalde, Kelterrain, Kelterwasen zeigen,<br />
die wir im Bereiche des Gipskeupers auf den Gemarkungen<br />
Gruol, Heiligenzimmern, Owingen und Rangendingen finden.<br />
Ueber diesen alten Weinbau in der Gipskeuperlandschaft ist<br />
schon oft geschrieben worden, so brachte in dieser eitschrift<br />
(1. Jahrgang 1951, Nr. 2, Seite 31) Hauptlehrer J. Wiest einen<br />
Beitrag „Zur Geschichte des Weinbaues in Rangendingen"<br />
und Max Schaitel erzählte in der „Zollerheimat" (5. Jahrgang<br />
1936, Nr. 6, S. 27/29) „Vom einstigen Weinbau im Stünzachtal"<br />
(Gruol und Heiligenzimmern).<br />
Heute ist der Weinbau in der hohenzollerisehen Gipskeuperlandschaft<br />
verschwunden, aber wie in den Flurnamen so<br />
haben sich seine Spuren an manchen Orten auch noch im<br />
Landschaitsbild erhalten. Alte Weinbergsmauern, künstliche<br />
Terrassen im Gelände, Kleinparzellierung, schmale Ackerund<br />
Wiesenstreifen, die an den Hängen herunterziehen, erzählen<br />
noch von ihm, aber auch manche Anekdoten sind
52 H O H E TT Z O L L E R T S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />
noch im Umlauf, die von der „Güte" des hier erzeugten Weines,<br />
von Mißjahren und ähnlichen Dingen zu berichten<br />
wissen. An die Stelle der Rebe ist in weniger günstigen<br />
Lagen der Wald getreten, oft ist sie auch von Beerenpflanzungen<br />
und Obstanlagen abgelöst worden. Das Weinberghäuschen<br />
wurde zum Gartenhäuschen oder zum Wochenendhäuschen.<br />
So blieb uns noch als wohltuender Rest das anheimelnde<br />
Bild der alten Weinbau-Kulturlandschaft.<br />
Die Druckstöcke zu diesem Aufsatz sind von Herrn Fabrikant Chr.<br />
Maute in Bisingen unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden. Hierfür<br />
recht herzlichen Dank.<br />
<strong>Hohenzollerische</strong> Jahreshefte 1954<br />
Band 14 Jahrgang 1954 „<strong>Hohenzollerische</strong> Jahreshefte" enthält folgende<br />
Abhandlungen:<br />
Vorwort: S. K. H. Prinz Franz Joseph von Hohenzollern.<br />
Bumiller Anton, Direktor a. D. (Sigmaringen):<br />
Zur Geschichte des Handwerks in Stadt und Grafschaft Sigmaringen.<br />
Schmid Ernst Fritz, Dr. (Gersthofen bei Augsburg):<br />
Gestalten und Begebenheiten aus der Sigmaringer Musikgeschichte<br />
des 16. und 17. Jahrhunderts.<br />
Kraus J o h. Ad., Ordinariatssekretär (Freiburg i. Br.):<br />
Die Herren von Ringelstein und Killer genannt Affenschmalz.<br />
Wunder Gerhard, Dr. (Gelbingen bei Hall):<br />
Die frühesten Regesten der Schenken von Stauffenberg, Zell,<br />
Neuenzell, Andeck, Erpfingen.<br />
Kraus J o h. Ad., Ordinariatssekretär (Freiburg i. Br.):<br />
Zollerisches aus dem Stadtarchiv Reutlingen.<br />
Kraus J o h. Ad., Ordinariatssekretär (Freiburg i. Br.):<br />
Das Melchinger Fleckenbüchle.<br />
Pfeffer Anton, Kustos i. R. (Weilheim bei Hechingen):<br />
August Pfister-Gruol — Ein hohenzollerischer Künstler und<br />
sein Schicksal.<br />
Kraus Joh. Ad., Ordinariatssekretär (Freiburg i. Br.):<br />
Berichtigungen und Ergänzungen.<br />
Mitgliederbeitrag jährlich 6.— DM. Hierfür erhalten die Mitglieder<br />
das Jahresheft. Anmeldungen an den Schriftführer Herrn Fürstl.<br />
Archivrat Dr. Joh. Maier, Fürstl. Dom.- und Hausarchiv, Sigmaringen,<br />
Karlstr.<br />
Die Bader-Ann von Veringenstadt<br />
1619 wurde in Leißa bei Köln dem Taglöhner Joh. Kramer<br />
und seiner Ehefrau Elisabeth eine Tochter geboren, der sie<br />
den Namen Anna gaben. Sehr bald starb die Mutter an der<br />
Pest, und ehe die Anna 12 Jahre alt war, starb auch der<br />
Vater. Eine Base nahm sie auf, und die Anne wuchs dort<br />
zu einem schönen, aber eigensinnigen Mädchen heran, das<br />
frühzeitig verstand, den Männern den Kopf zu verdrehen.<br />
Im Winter des Jahres 1634 bezogen die schwäb Kreistruppen<br />
in Leißa Winterquartier, und in das Haus der Anne kamen<br />
der Schnapphan und der Völlehans aus Sigmaringen<br />
und der Feldscheerer Albert Kohler von Veringenstadt. Der<br />
Albert, ein sauberer Bursche, kam mit der Anne in ein Verhältnis<br />
und heiratete sie am 20. Februar 1635. Die junge Frau<br />
zog mit ihrem Mann mit dem Heer und stand ihm in seiner<br />
Arbeit bei. Doch bereits nach einem Jahr bekam Kohler den<br />
Abschied und kam mit seiner Frau nach Veringenstadt, wo<br />
ihm seine Mutter einige Grundstücke und eine Badstube<br />
übergab. Nun betrieb er das ehrsame Geschäft eines Baders,<br />
Barbiers und Arztes, wie es sein verstorbener Vater schon<br />
tat. Aus der ziemlich friedlichen Ehe entsproßten 5 Kinder.<br />
Für die Anne war es eine besondere Liebhaberei, heilbringende<br />
Kräuter in den Wäldern zu suchen, daraus Tränke zu<br />
brauen und diese gegen gutes Geld in den umliegenden<br />
Orten an die Leute zu verkaufen.<br />
Als aber Kohler im Jahr 1656 starb und Anne den 51jälirigen<br />
Hufschmied Andreas Endriß heiratete, änderte sich<br />
das Leben dieser Frau grundlegend. Diese Ehe war sehr unglücklich,<br />
der Mann plagte sein Weib und weckte in ihr Haß<br />
und rauhe Redensarten. Alltäglich hörte man im Hause<br />
schimpfen, fluchen und toben, daß die Nachbarn sich beim<br />
Rat beklagten. Dieser nun klagte beim Fürsten in Sigmaringen,<br />
und eine strenge Verwarnung erfolgte, „da man ein<br />
solches nicht dulden könne, in Befürchtung göttlicher Strafe<br />
für die ganze Gemeind". Für eine Zeit war Ruhe geschaffen,<br />
jedoch dann ging es wieder aufs neue los und das noch gräßlicher<br />
als zuvor. Der Mann selbst nannte sein Weib eine<br />
Hex, eine Bluthexe, und war es da ein Wunder, wenn die<br />
Bürger sich still zutrugen, „die Baderann sei nichts Rechts,<br />
nichts Guts, ein bös Mensch, ein Unhold. 7 ' Im Herbst 1668<br />
wurde sie von der Ww. Anna Herre der Hexerei beschuldigt,<br />
da sie beim Hanfbrechen von der Baderann einen verhexten<br />
Musbrei bekommen habe. Darauf sei sie todkrank geworden<br />
und nac Ti T Annehmen von Geweihtem sei ein Wurm wie ein<br />
Eggeß (Eidechs) von ihr gegangen, welches von Hexerei<br />
komme. Den 21. Nov. 1668 kam der Vizekanzler von Sigmaringen<br />
zu einem strengen Verhör, das aber ohne Resultat<br />
Gipsmiihle bei Owingen<br />
w H B H B H<br />
verlief. Das Gerede aber blieb im Volk, und erst im Jahr<br />
1680 kam es zum Bruch. Der Maurer Mathias Allgäuer behauptet,<br />
die Baderann habe sein Weib und den Sohn Paule<br />
so verhext, daß erstere gestorben und der Sohn sehr krank<br />
sei. Auch habe sie ihm Roß und Vieh malefizisch angegangen<br />
und dadurch ihm großen Schaden verursacht.<br />
Am 10. Mai 1680 wurde die Baderann verhaftet und unter<br />
Vorsitz des Vicekanzlers Dr. Kirsinger begann ein peinliches<br />
Verfahren wegen Hexerei. Das unglückliche Weib bestand<br />
ein zehnmaliges Befragen sehr günstig. Doch es traten du<br />
weiteren Zeugen auf, so gab eine Martha Roth auf Ehr und<br />
Seligkeit dem Gericht kund, die Baderann habe ihr mit dem<br />
Finger auf die linke Achsel getupft, daß sie unmenschlich<br />
Schmerzen bekommen habe, und der Arm sei nach drei<br />
Tagen ganz schwarz herunter gehangen. Der Jakob Abt von<br />
Harthausen habe ihr dann Ueberschläg mit geweihten Sachen<br />
gemacht, so daß es wieder gut wurde. Jedoch sie spüre<br />
es immer noch. Weitere Zeugen sagen, sie habe ihnen die<br />
Rede genommen, sie hat ihnen Bauchweh gemacht, Hagel<br />
hergehext usw. Das arme Weib aber beteuert seine Unschuld.<br />
Das Gericht legt sie in die Folter, und erst, nachdem<br />
die unmenschlichen Qualen nicht mehr zu ertragen sind,<br />
macht sie ein Geständnis. Sie gesteht noch mehr, als daß üir<br />
angeheftet ward, jedoch nach der Folter widerruft sie alles,<br />
das sie gestanden hatte.<br />
Am 5. Juni 1680 spricht man das Urteil — Feuertod! Als<br />
der Vizekanzler nach Sigmaringen das Urteil bringt, läßt<br />
sich Fürst Maxemilian den Fall genau berichten. Nicht nur<br />
die Anklage, die Verhandlung, nein auch das Vorleben der<br />
Baderann läßt er sich erzählen und lange Zeit steht er ruhig<br />
am Fenster. Vizekanzler Dr. Kirsinger wartet ergebenst auf<br />
die Unterschrift des Urteils. Fürst Maxemilian dreht sich um<br />
und fragt nochmals: „Dann nat sie also erst in der Folter<br />
gestanden?" „Ja, Euer Durchlaucht!" „So nehmt mein Urteil<br />
und schreibt: Die der Hexerei beschuldigte und geständig<br />
Anna Kohler wird vom Leben zum Tode durch das Schwert<br />
verurteilt. Hernach soll ihr Leib dem Feuer übergeben<br />
werden."<br />
Unter dem Läuten der großen Glocke ziehen Tausende von<br />
Menschen der Richtstätte zu, wo der Baderann, laut das<br />
Vaterunser betend, das Haupt vom Leib getrennt wurde und<br />
sodann dem Scheiterhaufen überantwortet wurde. Raben<br />
flogen krähend darüber hinweg, eine häßliche Kröte kam<br />
unter dem Holzstoß hervor, das Volk hatte die Gewißheit,<br />
die Baderann war eine Hexe.<br />
Nach alten Aufzeichnungen erzählt von J. Halm.
Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 53<br />
Aus der Postkutschenzeit Hohenzollerns<br />
Mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes und mit der Einführung<br />
von Kraftwagen sind die gelben Postkutschen aus<br />
dem Straßenbild verschwunden. Nur die Aeltesten von uns<br />
wissen etwas von Postwagen und Postillionen aus eigener<br />
Anschauung. Vielleicht ist es angebracht, jene Zeit noch einmal<br />
ins Gedächtnis zu rufen. Im Zusammenhang damit<br />
steht auch die Geschichte des Postwesens; deshalb soll auch<br />
darüber etwas berichtet werden, soweit sie sich auf unsere<br />
engere <strong>Heimat</strong> bezieht.<br />
Ein geordnetes Postwesen iund regelmäßige Postverbindungen<br />
sind im Fürstentum Hohenzollerr Sigmaringen verhältnismäßig<br />
spät eingeführt worden. Man 1 nn es fast nicht<br />
glauben, daß es zu Anfang des 19. Jahrhunderts noch keine<br />
Postniederlage bei uns gab. Und doch ist es so. Nicht einmal<br />
in der Residenz Sigmaringen gab es damals ein Post - nt.<br />
Die fürstliche Regierung in Sigmaringen hat sich viele Jahrzehnte<br />
vergeblich bemüht, von dem Generalpostmeister der<br />
damaligen Zeit, dem Fürstenhaus Thum und Taxis, eine<br />
Postlinie und ein Postamt au erlangen. Gründe für die ablehnende<br />
Haltung sollen gewesen sein: schlechte Wege, große<br />
Wälder, die nachts nicht ohne Gefahr befahren werden<br />
konnten, vor allem aber der Umstand, daß Sigmaringen von<br />
dem Hauptkurs Ulm-Schaffhausen abseits lag. Da also regelmäßige<br />
Postverbindungen fehlten, so konnte damals die<br />
Beförderung von Briefen und sonstigen Postsachen nur<br />
durch besondere Boten geschehen, die im Auftrage eines<br />
Einzelnen oder einer Gemeinde zwischen bestimmten Orten<br />
verkehrten. Die Beförderung lag vielfach in den Händen<br />
der Metzger, die gezwungen waren, zium Ankauf von Vieh<br />
aufs Land zu fahren. Nebenher besorgten sie die Post. Die<br />
Gemeinden schlossen Verträge mit ihnen, worin sie zum<br />
Halten von Pferden und Mitnehmen der Post verpflichtet<br />
wurden. Daneben bestanden aber die sogenannten „Ordinariposten"<br />
und „Ordinariboten", die von der Grafschaft<br />
oder der Regierung unterhalten wurden und die regelmäßig<br />
an bestimmten Tagen zwischen bestimmten Orten verkehrten.<br />
Meistens waren es Boten zu Fuß, die von ihren Auftraggebern<br />
eine feste Vergütung bezogen, aber auch von<br />
jedermann private Sendungen mitnehmen durften. Damit<br />
war der Bevölkerung schon viel geholfen und ein Schritt<br />
vorwärts getan. Eine solche sehr wichtige Ordinaripost in<br />
unserer Gegend bestand zwischen der fürstlichen Regierung<br />
in Sigmaringen und ihren Verwaltungssteilen in Haigerloch<br />
Die dortigen Grafen waren schon im Jahre 1634 ausgestorben;<br />
ihr Gebiet war an Sigmaringen gefallen, lag also weit<br />
ab vom Stammland und getrennt durch das Fürstentum<br />
Hechingen, Der Weg des Ordinariboten führte über Hechingen—Zollersteig—Winterlingen<br />
nach Sigmaringen. Nachfolger<br />
der Ordinariboten waren später die Boten und Bötinnen,<br />
die df i Verkehr der Gemeinden mit den Behörden am Sitzedes<br />
Oberamts besorgten — Amtsboten oder Gemeindeboten<br />
— die man immer noch, fast bis in die jetzige Zeit<br />
hinein, mit ihrem Wägelchen und mit ihrer Tasche auf der<br />
Landstraße sehen konnte.<br />
Da die Wünsche des Fürsten von Sigmaringen von der<br />
Taxischen Post nicht berücksichtigt wurden, so wandte sich<br />
der Fürst an Württemberg. Dort fand er größeres Entgegenkommen.<br />
Am 9. 2. 1819 wurde in Sigmaringen ein Kgl.<br />
württemb. ,Postamt errichtet, und zwar im Gasthaus zur<br />
Krone. Am 1. 4. 1829 ging das Postwesen des ganzen Gebietes<br />
an die Taxische Post über. Das Postamt hieß nun<br />
„Fürstlich Hohenzoilern-Sigmaringisches Thum- und Taxisches<br />
PostamtT Sigmaringen erhielt gute Postverbindungen.<br />
Eilwagen kamen von Stuttgart über Tübingen—Hechingen<br />
und fuhren weiter nach Mengen—Saulgau—Ravensburg—<br />
Friedriclishafen. Ferner: Eilwagen von Ulm, weiter nach<br />
Stockach—Schaffhausen. Kariolposten verkehrten über Ebingen<br />
nach Hechingen, ebenso über Gammertingen nach<br />
Hechingen.<br />
Etwa um die gleiche Zeit (1825) erhielt Gammertingen<br />
seine erste regelmäßige Postverbindung, und zwar aus Riedlingen.<br />
Bei Sonnenwirt Schmid an der Straße nach Bronnen<br />
— das Gebäude heißt heute noch „alte Post", wurde 1889<br />
eine Poststelle und 1825 eins Postexpedition eingerichtet.<br />
In (.er Familie Schmid verblieb die Posthalterei bis zur<br />
Eröffnung der Bahn. In ihrem Besitz befindet sich als Andenken<br />
noch eine Ehrenurkunde des Generalpostmeisters v.<br />
Stephan über langjährige treue Dienste.<br />
Wesentlich günstiger als in Sigmaringen lagen die Verhältnisse<br />
zur Einrichtung von Posten im Fürstentum Hohenzollern-Hechingen.<br />
Hechingeri lag an der wichtigen Verkehrsstraße<br />
Stuttgart—Tübingen—Balingen—Tuttlii) seil—Schaff-<br />
haiuisen. Nach der Hechinger Stadtchronik soll schon im Jahre<br />
1642 im Gasthaus zur Krone in Hechingen ein Kaiserliches<br />
Postamt eingerichtet gewesen sein. (Da Taxis im Auftrage<br />
des Kaisers handelte, hießen die Postämter „Kaiserlich" )<br />
Anscheinend ist es aber bald wieder aufgehoben worden.<br />
Auch ein späteres auf der Wüstenmühle (jetziger Stadtteil)<br />
Friedrichstraße) errichtetes Postamt war nicht von Dauer.<br />
Erst am 1. Oktober 1756, aber doch ein halbes Jahrhundert<br />
früher als in Sigmaringen, wurde durch den Postmeister<br />
aus Cannstatt ein Postamt in Betrieb gesetzt. Kaiserlicher<br />
Posthalter wurde ein Hechinger Bürger namens Josef Blumenstetter.<br />
Hechingen bekam hierdurch Anschluß an das<br />
allgemeine Postamt; doch gab es zunächst nur reitende<br />
Posten (keine Wagen), die wöchentlich zweimal zwischen<br />
Stuttgart und Schaffhausen verkehrten. Im Jahre 1796<br />
wurde die Post in Hechingen auf kurze Zeit von der französischen<br />
Republik beschlagnahmt. Der Grund für diese<br />
Maßnahme ist nirgends mehr ersichtlich.<br />
Im Jahre 1806, nachdem also in Hechingen schon 50 Jahre<br />
ein Thum und Taxisches Postamt bestanden hatte, sah sich<br />
der Fürst gezwungen, um die Postverbindungen nicht zu<br />
verlieren, in seiner Residenz ein Kgl. Württ. Postamt aufzunehmen.<br />
Herzog Friedrich von Württemberg hatte in diesem<br />
Jahre die Königswürde erhalten. Das Postwesen, bisher<br />
auch in Württemberg Taxisch gewesen, wurde kurzerhand<br />
als Staatsbetrieb übernommen. Im Jahre 1809 übertrug schon<br />
Württemberg die Verwaltung seiner Posten wieder den<br />
Thum und Taxis. Das Kgl. Württ. Postamt in Hechingen<br />
wurde aufgehoben und hieß, ähnlich wie in Sigmaringen,<br />
Fürstlich Hohenzollern-Hechingisches Thum- und Taxisches<br />
Postamt. Aber erst im Jahre 1829 wurden beide Fürstentümer<br />
zu einem einheitlichen Postgebiet zusammengeschlossen.<br />
In Haigerloch wurde 1819 der Lammwirt Schöner Posthalter<br />
und Postreiter. Sein Nachfolger wurde Sebastian<br />
Linsenmann, in dessen Familie die Posthalterei bis zur Bahneröffnung<br />
verblieb (heute Hotel Post). Wie in Gammertingen<br />
und Haigerloch, so wurden später Postexpeditionen errichtet<br />
in Jungingen, Imnau, Dettingen, Trochtelfingen, Veringenstadt,<br />
Ostrach, Krauchenwies und Klosterwald. Damals kostete<br />
ein Brief von Hechingen nach Berlin 35 Kreuzer, ein<br />
Einschreibebrief nach Sigmaringen 14 Kr., ein kleines „paquet"<br />
von Haigerloch nach Schramberg 15 Kr. Auch mit dem<br />
Bezug von Zeitungen und Zeitschriften befaßte sich damals<br />
schon die Post. Bei den Akten der inzwischen aufgehobenen<br />
Museumsgesellsdiaft Gammertingen befand sich eine Postquittung<br />
vom Jahre 1853 über bezogene Zeitungen und zwar.<br />
1 Literaturblatt Menzel, jährlicher Bezugspreis 6 fl, 1 Morgen!<br />
att aus Stuttgart, jährlicher Bezugspreis 14 fl, 1 Schwäbischer<br />
Merkur aus Stuttgart, jährlicher Bezugspreis 6 fl<br />
Nebe: dem Bezugspreis mußte für diese Zeitungen ein<br />
Steuerbetrag an das Überamt entrichtet werden, da die<br />
'''erlagsanstaiten nach damaligen Verhältnissen im „Ausland"<br />
lagen. Die Steuer war nicht gering. Sie betrug z. B.<br />
beiiv „Schwäbischen Merkur" vierteljährlich 1 fl 5 1 /: Kr.<br />
Mit dem ufschwung der Wirtschaft wurden im Laufe<br />
der lahre die Posteinrichtungen erweitert und ausgebaut.<br />
In den Jahren 1863/64 wurden Landpostboten angestellt,<br />
auch die Landorte erhielten Postzustellung. Briefkasten<br />
wurden aufgestellt, doch mußten zunächst die Gemeinden<br />
die Kosten tragen. Allmählich entstanden regelmäßige Verbindungen<br />
mit dem angrenzenden badischen und württembergischen<br />
Gebiet. Auch nachdem Hohenzollern an Preußen<br />
gefallen war, übte Thum und Taxis noch das Postrecnt<br />
aus. Die Postämter hießen: Kgl. preußisches Thum und<br />
Taxisches Postamt. \n 1. Juli 1867 wurde das Postwesen<br />
auch auf den preußischen Staat übertragen. Hohenzollern<br />
wuide der Oberpostdirektion Frankfurt/Main zugeteilt. Als<br />
im Jahre 187? das bacfrscKe Postwesen auf das Reich überging,<br />
wurde Hohenzollern der neu geschaffenen Oberpostdirektion<br />
Konstanz unterstellt. Die Postanstaiten führten die<br />
Bezeichnung „Kaiserlich" Als die Oberpostdirektion Konstanz<br />
im Jahre 1934 mi, Karlsruhe vereinigt wurde, ging<br />
auch das Gebiet Hohenzollern dahin. Am 1. 10. 1940 wurde<br />
Hohenzollern aus praktischen Gründen von Karlsruhe abgezweigt<br />
un-, der '"»berpostdirektion Stuttgart unterstellt, wohfn<br />
es gebietsmäßig gehört; seit 1945 ist Tübingen zuständig.<br />
Diese vic'ien Aenderungen und Schwierigkeiten in der Verwaltung<br />
-er Posten sind ein Bild der damaligen deutschen<br />
Zerrissenheit. Solche Folgen hatte die Vielstaaterei der damaligen<br />
Zeit. Bewundernswert sind jedoch die technischen<br />
Fortschritt : die in der letzten 70 Jahren gemacht worden<br />
sind und die es ermöglicht haben, das Post- und besonders
54 H O H E N Z O L L E N I S C H E H E I M A T<br />
das Fernmeldewesen auf die Höhe zu bringen, auf der es<br />
heute steht.<br />
Rund 50 Jahre sind es nun her, daß die gelben Postwagen<br />
ihre Fahrten durchs Killertal, Eyachtal, Starzel- und Laucherttal<br />
eingestellt haben. Nur im Postmuseum und in manchen<br />
Wirtschaften auf dem Lande sind ihre Bilder noch zu<br />
sehen. Es waren große Kutschen, bespannt mit 2, 3 oder<br />
manchmal 4 Pferden, die im Innern für vier Reisende Platz<br />
boten, im Schwarzwald teilweise für 6 Personen. Bei großem<br />
Schnee traten Schlitten an die Stelle der Wagen. Auf<br />
dem hohen Bock saß der Postillion in schmucker Uniform,<br />
Horn und Tasche umgehängt, Zügel und Peitsche in Händen.<br />
Er war der Herr der Landstraße, wenn er das Signal<br />
gab, mußte Platz gemacht werden; er hatte Vorfahrtsrecht.<br />
Nun sind auch sie, die Postillione, der Vergessenheit anheimgefallen.<br />
Nur noch einige von ihnen leben hochbetagt als<br />
Pensionäre. Es waren meistens heitere Gesellen, die trotz<br />
des schweren Dienstes und des schmalen Lohnes lustig das<br />
Horn und die Peitsche erklingen ließen. Ueberall waren sie<br />
gerne gesehen als Reisebegleiter und Ueberbringer der neuesten<br />
Nachrichten. Wenn ihr Aufenthalt in den Dörfern auch<br />
nur eine „Schoppenlänge" betrug, soi wußten sie doch den<br />
rasch herbeikommenden Dorfbewohnern stets was zu erzählen.<br />
Hatten sie mehr Zeit, so erzählten sie von ihren<br />
Fahrten in Nacht und Nebel, bei Sturm und Schnee und<br />
Großvater wanderte mit seinem Enkel durch das sonnenwarme<br />
Tal der Starzel.<br />
Als er mit ihm in die Nähe des Dorfes Killer kam, verfinsterte<br />
sich die Sonne. Denn über die Albberge stieg ein drohendes<br />
Meer von schwarzen, dicken Wolken. Gleich einem Untier<br />
grollte ein Gewitter auf - den beiden Wanderern entgegen.<br />
„Lauf, Bue!" mahnte der Großvater zur Eile, „daß mir<br />
onter Dach kommet, voar's Wetter eisetzt!"<br />
„Weards g'fährlich?" fragte der Enkel etwas ängstlich.<br />
„Noi, noi, Bue, onser Glock weard scho sorga, daß noiz<br />
bassiera ka".<br />
„Wieso, Großvattr, soll die grauß Glock helfa?"<br />
„Des will i dir jetzt saga, Bue! Die treibt die Wetterwolka<br />
auseinander — ond zwar dur iehr schös, eidringlichs Wondergläut.<br />
S'ischt grad als wenn sie a Schar Raubvögel vrjaicha tät".<br />
„Ja, Gro.. ^attr, worum saischt du vo deara Glock, sie hett<br />
a Wondergiaut?<br />
„Ha, des ischt so, Bue: Die Glock hanget seit urdenkliche<br />
Zeita z' Killer, en unserm Hoimetkirchle ond läutet so schö,<br />
Den älteren Lernen von Grosselfingen ist der „Weißputzur",<br />
d. h. der Gipser, ein wohlbekannter Begriff. Der<br />
Weil.' jtzer war ein Meister seines Handwerks und hatte<br />
auch Energie und Mut. Als der Kirchturm in Ostdotrf ein<br />
neues Gewand erhalten sollte, schreckten die Ortsväter<br />
schon vor den hohen Gerüstkosten zurück. Da machte auch<br />
unser Weißputzer ein Angebot, das nur einen Bruchteil des<br />
Voranschlags betr-.t und ihm wurde die Arbeit übertragen.<br />
Dazu brauchte er kein Gerüst. An ein langes „Wurfseil", das<br />
bekanntlich zur Spannung des „Wiesbaumes" nötig ist,<br />
machte e einen bequemen Sitz, band es oben im Turme<br />
fest und ließ sich daran an der Außenwand des Turmes<br />
herunter, höher und tiefer, so wie er es zur Ausführung<br />
seiner A beit brauchte. Zur Mittags- und Vesperzeit kletterte<br />
er dann an dem Seil empor. Zu Dutzenden, ja oft<br />
Hund ."ten standen die Ostdorfer da unten und schauten<br />
dem Wagemutigen zu, der die Arbeit tadellos zu Ende führte.<br />
Der Weißputzer aber hatte einen charakterlichen Fehler.<br />
Wenn er sich ein nettes Sümmchen verdient hatte, zog es<br />
ihn unwiderstehlich in die Krone, den Ochsen oder die Färb;<br />
..f^nn das ,Braunbier" liebte er über die Maßen So kam es,<br />
da r i er sich bis zum Abend oft einen ordentlichen Ueberschwang<br />
angetrunken hatte Darauf '.latten wir „Malefiznuben"<br />
nur gewartet. De"n ging er dann im Zickzack nach<br />
H,:use, so ließen wir auf der Straße einige Schattersteine<br />
roller., ^er MI '. imals genug umherlagen. Vor Steinen aber<br />
hatte der Weißputzer eine Höllenangst, und er sprang, so<br />
gut er es noch konnte, davon. Das machte uns einen Heidenspaß,<br />
unc wi. haben das Gaukelspiel oft wiederholt, weil<br />
wir den Maulheiden an seiner schwächsten Stelle getroffen<br />
hatten, dp'- sonst, was sein beständiger Heldenausdruck war,<br />
den Teufel nicht fürchtete.<br />
Mnmal war es aber doch anaers. Eines Abends saß er<br />
mit andern in der „Kutsche" in Weilheim und erzahlte von<br />
Die große Glocke von Killer<br />
Der Teufel und der Ziegenbock<br />
T ruang 19. s '<br />
von ihren Fahrgästen. Oft waren es bedeutende Persönlichkeiten,<br />
die mitfuhren. Das meiste Glück in dieser Hinsicht<br />
hatte der Postknecht Kästle aus Starzein, der anfangs der<br />
70iger Jahre den alten Kaiser Wilhelm I. nach Hechingen fahren<br />
durfte. Der greise Monarch stieg im „Höfle" in Starzein<br />
aus und fuhr mit Extrapost nach Hechingen weiter. Kästle<br />
erhielt die Ehrenpeitsche und war stolz darauf sein Leben<br />
lang. Ehrenpeitsche und Ehrenhorn wurden sonst nur nach<br />
langer einwandfreier Dienstzeit verliehen.<br />
Jeder Postillion mußte das Horn blasen können. Vor<br />
Abgang der Post blies er das Signal, eine Art Weckruf, um<br />
noch etwaige Reisende herbeizurufen. Bei der Einfahrt in<br />
die Städte und Dörfer mußte er wieder blasen, um seine<br />
Ankunft anzuzeigen. Mancher brachte es zu einer großen<br />
Fertigkeit im Blasen des Horns, und so kam es, daß in den<br />
Abend- und Nachtstunden, besonders in der schönen Jahreszeit<br />
Posthornklänge ertönten im Tal und auf der Höhe.<br />
Es waren zumeist schwermütige Lieder vom Abschiednehmen,<br />
von Sehnsucht und Heimweh, die dem einsamen Wanderer<br />
und dem daheim noch Wachenden Herz und Gemüt<br />
ergriffen. Kein Wunder, daß in einer solchen Stimmung zahlreiche<br />
Lieder und Gedichte entstanden, die die Post und den<br />
Postillion zum Gegenstand haben.<br />
Das war die gemütliche, die gute, alte Zeit.<br />
K. Barth, Oberpostmeister a. D.<br />
von Maria E. Flad<br />
wie du jo selber Dag für Dag hairscht. Nau oimol hot sie<br />
ausg'setzt — und des ischt igsei, wo d' Schweda dur's Ländle<br />
ond dur des Dal zoga send. Bei iehrem Eizug hot die Glock<br />
grad s'Bet g'litta. Auf des na haut sie da Glockaturm<br />
g'schtürmt, haut die Glock ag'henkt ond mitg'nomma. Die<br />
Killermer send drüber ganz onglücklich gsei. Aber was<br />
moischt, Bue, am andera Dag hot die Glock auf oimol em<br />
Glockaturm g'litta. Ja, ja, gelt Bue, do schtaunscht! Koi<br />
Mensch woiß, wie des zueganga ischt — wear die Glock<br />
wieder en da Glockaturm g'schaffet hot. Seit deara Zeit<br />
läutet se ons en fraidiga ond au en trauriga Daga. Ond sie<br />
schitzt ons voar jedem schwera Durnwetter".<br />
„Ha, wenn seil war!" seit dr Bue, „no haun i vo jetzt a en<br />
graußa Reschpekt voar iehrem schena G'läut."<br />
Unter diesem Gespräch ist der Großvater mit seinem<br />
Enkel zu Hause angekommen.<br />
Das Gewitter ai>er verzog sieb bei dem wundersamen Geläut<br />
der großen Glocke von Killer.<br />
Bearbeitet nach einer Sage von Ludwig Egler.<br />
seinen Heldentaten und besonders von seiner Furchtlosigkeit.<br />
„Ja", ief er seinen Zechkumpanen zu 1 , „ich fürchte mich<br />
selbst vor dem Teufel nicht, und wenn er jetzt leibhaftig da<br />
hereinkäme, so würde ich ihm mein Bierglas", das damals<br />
noch einen festen Handgriff hatte, „mitten auf den Kopf<br />
schlagen." So prahlte der Weißputzer.<br />
Aber alles hat einmal ein Ende, selbst das Zechen und<br />
Biertrinken, und geger Mitternacht verabschiedete sich der<br />
Weißputzer; denn er hatte noch einen weiten Weg nach<br />
Hause. Doch schon nach 10 Minuten Kam er wieder, zitterte<br />
am ganzen Leib und erzählte stotternd, daß ihm draußen<br />
vor dem Dorfe der Teufel wirklich erschienen sei. Dort<br />
stehe er in einem Garten, habe feurige Augen und zwei<br />
wirkliche Hörner; er habe sich nicht getraut, weiterzugehen,<br />
sie sollen nur kommen und es selbst sehen. Die Männer<br />
machten ernste Gesichter; nur einer lachte verschmitzt in<br />
sich hinein und Jagte: ,.So gehen wir halt vor das Dorf und<br />
schauen uns den Teufel an." Sie gingen hinaus, und richtig,<br />
dort stand der unheimliche Geselle mit glühenden Augen<br />
und zwei wirklichen Hörnern, so daß selbst die Männer ein<br />
kalter Schauer überlief. Doch der Verschmitzte sagte:<br />
„Ki'-nmt nur] Wii wollen dem Kerle zeigen, daß wir uns<br />
nicht vor ih n fürchten." Sie gingen tatsächlich auf das Ungetüm<br />
zu, A 5 sie ganz nahe waren, meckerte es ganz ziegenböckisch.<br />
Da war das Teufeisrätse 1 gelöst; denn der vermeintliche<br />
Teufel war der Ziegenbock dessen, der so versenmitzt<br />
gelacht hatte. /Ms sich der Weißputzer rühmte, er<br />
fürehtc selbst den Teufel nicht, war er ausgetreten und<br />
hatte oa er ganz nahe wohnt, seinen Ziegenbock losgebunden,<br />
und dieser war dem Weißputzer in den Weg getreten.<br />
Wenn später der Weißputzer wieder von seinen Heldentaten<br />
und seine r Furchtlosigkeit erzählte und prahlte,<br />
dann brauchte man ihn nur an den Ziegenbockteufel erinnerr<br />
Dann wurde er mäuschenstill, trank sein Bier aus und ging<br />
nach Hause. Der prahlerische Prolet war geheilt. J. Sti-bel,
.'ahrpana 1fi54 H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 55<br />
Die Erneuerung der St. Anna-Wallfahrtskirche in Haigerloch<br />
iL reu in den Jahren 1952 bis 1954<br />
Ein wertvolles Kleinod spätbarocker Kunst ist vor dem Zerfall gerettet<br />
In Haigerloch vereinigen sich malerische Lage, Vielgestaltigkeit<br />
der Landschaft und ein einzigartiges reiches Erbe<br />
einer großen künstlerischen Vergangenheit zu wunderbarer<br />
Einheit und Schönheit. Die Perle unter allen Kunstschätzen<br />
ist ohne Zweifel die weitbekannte und seit Jahrhunderten<br />
vielbesuchte St. Anna-Wallfahrtskirche, die in den Jahren<br />
1752 bis 1755 von Fürst Joseph von Sigmaringen nach Plänen<br />
des großen Münchner Baumeisters Joh. Mich. Fischer erbaut<br />
wurde. Der Fürstliche Auftraggeber berief zur Ausführung<br />
seiner kirchlichen Stiftung die besten Künstler der<br />
damaligen Zeit: Stukkator Joh. Mich. Feichtmayr aus Augsburg;<br />
Bildhauer Joh. G. Weckenmann; den Sigmaringer Hofmaler<br />
Meinrad von Aw und den Haigerlocher Baumeister<br />
Großbayer. Seit 200 Jahren gilt die St. Annakirche als das<br />
wertvollste nachmittelalterliche Baudenkmal des ganzen Landes,<br />
mit dem die Kunst jener Zeit hereinragt, die sich internationale<br />
Geltung errang. Die Kirche ist im Aeußern in feinlinigem<br />
Ebenmaß gegliedert und an der Giebelfassade durch<br />
ein Sandsteinportal mit guter Dekoration durch Pilaster, geschwungene<br />
Voluten und Wappen geziert. Das Innere ist eine<br />
herrliche Symphonie von Altären, Figuren und Stukkaturen,<br />
die jeden Vergleich mit den besten Schöpfungen des oberschwäbischen<br />
und bayerischen Barocks aushält, etwa mit<br />
Birnau, Zwiefalten und Ottobeuren, ja die St. Annakirche<br />
besitzt sogar einen besonders intimen Reiz. Sie steht inmitten<br />
eines geräumigen Platzes, umgeben von einer großen<br />
Umfassungsmauer mit 24 figuren- und vasengeschmückten<br />
Pfeilern: prachtvolle Steinplastiken von Joh. G. Weckenmann<br />
aus dem Jahre 1755. Gegenüber der Kirche steht das<br />
Kaplaneihaus: ein schöner Barockbau mit Mansardendach,<br />
geschwungenem Sandsteinportal und einem sehr wertvollen<br />
schmiedeisernen Balkongitter. Die gesamte Anlage ist ein<br />
einzigartiges Kleinod spätgotischer Kunst. Und eine erhe-<br />
Haigerloch, St. Annakirche. Inneres gegen die Orgelempore<br />
bende, selten feierliche Stimmung umfängt jeden, der den<br />
idyllischen Platz betritt und die erhabene Schönheit des<br />
Gotteshauses auf sich wirken läßt.<br />
Nahezu 200 Jahre sind nun seit der Erbauung dieser kostbaren<br />
Anlage verflossen. Seit der Erbauung der Kirche<br />
wurde noch nie eine umfassende, durchgreifende Instandsetzung<br />
durchgeführt. Darum waren auch seit längerer<br />
Zeit unersetzliche Einzelwerke im Kircheninnern sowie die<br />
Mauer mit den wertvollen Steinplastiken einem fortschreitenden<br />
Zerfall ausgesetzt. Bei einer großen Anzahl von Figuren<br />
und Vasen war der natürliche Verwitterungsprozeß<br />
schon soweit fortgeschritten, daß man die ursprüngliche<br />
Form nicht mehr erkennen konnte. Barockanlagen mit<br />
dieser Fülle von einzelnen Schönheiten und Feinheiten bedürfen<br />
laufender sorgfältiger Pflege. Jedem Einsichtigen<br />
und Kunstverständigen erschien es darum als unverantwortlich,<br />
diese Originalkunstwerke ihrem Schicksal zu überlassen<br />
und sie „in Schönheit sterben zu lassen". Aus diesem<br />
Grunde faßte im Jahre 1952 das Kath. Stadtpfarramt den<br />
schweren Entschluß, innerhalb von drei Jahren die gesamte<br />
Anlage mit Umfassungsmauer, Figuren, Vasen, Kaplanei und<br />
Kirche vollständig instandzusetzen, auf diese Weise die weitbekannte<br />
Gnadenstätte vor weiterem Zerfall zu bewahren<br />
und sie kommenden Generationen zu erhalten. Zuerst wurden<br />
die Holzplastiken von Weckenmann: die lebensgroßen<br />
Figuren des Hl. Fidelis und Meinrad, die allegorischen Gestalten<br />
des Alten und Neuen Testamentes, sowie 24 holzgeschnitzte<br />
Putten — eine schöner als die andere — von Herrn<br />
Hofrestaurateur Andreas Knupfer in Jungnau restauriert,<br />
gegen sehr starken Holzwurm behandelt und konserviert.<br />
Unmittelbar darauf wurde das schadhafte Kaplaneigebäude<br />
vom hiesigen Malermeister Joseph Staib neu verputzt und<br />
die 24 Steinplastiken der Umfassungsmauer durch die Bild-
56 H O II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />
hauer Franz Vees und Alfred Vees von Haigerloch, Heinrich<br />
Schneider aus Rottenburg und Heinrich Bergmann aus Dettensee<br />
einwandfrei und äquivalent kopiert und die Originale<br />
ir. einerr „Weckenmann-Museum" der Kaplanei abgestellt<br />
und auf diese Weise gerettet. Diese Arbeiten werden erst<br />
bis nach einem Jahre vollständig vollendet sein. Im Frühjahr<br />
dieses Jahres begann nun die Erneuerung der St.<br />
Annakirche selber, durch die Firma Joseph Lorch, Kirchenmaler<br />
und Restaurateur in Sigmaringen und Gipsermeister<br />
Max Ade in Haigerloch und Bauunternehmer<br />
Hans B ü r k 1 e in Haigerloch. Die Verantwortung für die<br />
Inner- und Außenrenovation hatte Herr Kirchenmaier Joseph<br />
Lorch. Die Oberleitung führte Herr Regierungsbaurat<br />
Walther Genzmer aus Sigmaringen, Landeskonservator für<br />
H lenzollern. Auch das Staatliche Landesamt für Denkmalspflege<br />
in Tübingen erwarb sich um dieses Werk in ideeller<br />
und finanzieller Hinsicht große Verdienste. Vor der Instandsetzung<br />
hatten die Wandflächen im Innern der Kirche<br />
ein sehr schmutziges Aussehen. Die Stukkaturen und farbenfrohen<br />
Freskobilder waren von Pilzwucherungen und Sporen<br />
stark bedi ht. Die Deckenbilder hatten viele schadhafte<br />
Stellen und bedenkliche Verputzrisse. Die kunstvolle Bemalung<br />
der Emporenbrüstung wai ruiniert. Diese und viele<br />
andere Schäden sind nun sachgemäß behoben: die gesamten<br />
Wandflächen sind neu gefaßt, die Freskobilaer instandgesetzt,<br />
die vielen Bisse in den Gewölben geschlossen, der<br />
lose Verputz befestigt, lose und abblätternde Stellen an den<br />
Bildrahmen der Gewölbe, an den Gewölbe-Gurtbögen und<br />
an den herrlichen Brokatmustern restauriert. Die großartigen<br />
Stukkverzierungen an den Wänden, besonders unter den<br />
Fenstern und an der Emporebrüstung sind durch einen erfahrenen<br />
Stukkateur ausgebessert und ergänzt. Die alte Vergoldung,<br />
besonders an den Gewölben und oberen Wandpartien,<br />
ist wieder in Ordnung gebracht und die fast völlig<br />
zerstörte Vergoldung an den unteren Verzierungen der Altäre<br />
und besonders an den Basen der Aitarsäulen ist wieder<br />
in der alten Technik, in Polimentvergoldung hergestellt<br />
worden. Die schöngegliederte Orgel, die unter Denkmalschutz<br />
steht und auch im alten klangreichen Tonwerk unversehrt<br />
erhalten ist, wurde in der alten, faszinierend schönen<br />
Fassung wieder hergestellt: Zinnoberrot auf Siibergrund<br />
und darüber die formenreichen vergoldeten Holzornamente.<br />
Somit bildet die neurenovierte Orgel einen prachtvollen Hintergrund<br />
für die vornehme Fürstenloge. Hand in Hand mit<br />
dieser Innenerneuerung ging die Instandsetzung der Außenfassade<br />
der Kirche. Die herrlich gefaßten Außenwände mit<br />
der betonten Herausstellung der einzigartigen feingegliederten<br />
Architektur der Fenstirumrahmungen und -bekrönungen<br />
sowie der Spiegel unterhalb der Fenster geben dieser Kirche<br />
auch nach außen jene Feierlichkeit und Schönheit, die nur<br />
dem Barock eigen ist.<br />
Sämtliche Firmen, die an der Instandsetzung der gesamten<br />
Anlage beteiligt waren, haben sich um die in jeder Hinsicht<br />
wohlgelungene Renovation große Verdienste erworben und<br />
sich in allen Einzelheiten mit großer Ehrfurcht vor den<br />
wertvollen Kunstwerken einer schöpferischen Vergangenheit<br />
für die Erhaltung des künstlerischen Bestandes eingesetzt,<br />
darunter vor allem Herr Kirchenmaler Joseph Lorch aus<br />
Sigmaringen und Gipsermeister Max Ade aus Haigerloch.<br />
Zum Abschluß der gesamten Renovationsarbeiten wird in<br />
den feuervergoldeten Knauf der Wetterfahne mit dem kunstvollen<br />
Fürstlichen Wappen des Erbauers der Kirche eine Erneuerungsurkunde<br />
in einer Messingkassette eingeschlossen.<br />
Die von Herrn Gebrauchsgrafiker Alfred L a u b i s, Haigerloch<br />
kunstvoll geschriebene Urkunde hat folgenden Text:<br />
Ad multos annos<br />
1755 * 1955<br />
Urkunde zur Erneuerung der St. Anna-Wallfahrtskirche<br />
in Haigerloch in den Jahren 1952 bis 1954.<br />
Die weitbekannte St. Annakirche wurde in den Jahren<br />
1750 bis 1755 von Fürst Joseph von Sigmaringen nach Plänen<br />
des großen Münchner Baumeisters Joh. Mich. Fischer<br />
erbaut. Die führenden Künstler des Barocks: der Stukkator<br />
Joh. Mich. Feichtmayr aus Augsburg; der Bildhauer J. G.<br />
Weckenmann; der Sigmaringer Hofmaler Meinrad von Aw<br />
und der Haigerlocher Baumeister Großbayer schenkten uns<br />
hier ein herrliches Bauwerk von höchstem Rang und seltener<br />
Vollkommenheit. 200 Jahre hat diese Kirche glücklich<br />
überstanden, sogar den zweiten Weltkrieg 1939 bis 1945, wo<br />
am 20. April 1945 beim Einmarsch der Franzosen ein Haus<br />
in allernächster Nähe der St. Annakirche total niederbrannte'.<br />
Auch die mehrfache tödliche Gefahr für Stadt und Bevölkerung<br />
von Haigerloch durch die Uranbatterie (Atomkeller)<br />
unterhalb der Schloßkirche wurde überwunden und die am<br />
23. April 1945 von amerikanischen Truppen versuchte Sprengung<br />
des Schloßkellers verhindert. Auf diese Weise blieb<br />
Stadt und Land unversehrt und die wunderbare St. Annakirche<br />
erhalten. Aus Dankbarkeit für diesen sichtbaren<br />
Schutz des Himmels, zur Erhaltung dieser vielbesuchten<br />
Gnadenstätte für kommende Generationen und als Vorbereitung<br />
auf das 200-Jahrjubiläum der Kirche im Jahre 1955<br />
wurde die gesamte kunstvolle Anlage in den Jahren 1952<br />
bis 1955 durchgreifend renoviert: Kaplanei; Umfassungsmauer<br />
mit Pfeilern, Figuren und Vasen und schließlich die<br />
St. Annakirche selber. Die Originale der Steinplastiken von<br />
der Umfassungsmauer wurden in der Kaplanei in einem:<br />
..Weckenmann-Museum" abgestellt. Die Oberleitung dieser<br />
denkmalpflegerischen Arbeiten hatte Herr Regierungsbaurat<br />
Walther Genzmer aus Sigmaringen, Landeskonservator für<br />
Hohenzollern. Die Verantwortung für die Innen- und Außenrenovation<br />
der St. Annakirche lag in den bewährten Händen<br />
von Herrn Kirchenmaler und Restaurator Joseph Lorch<br />
aus Sigmaringen, so daß die Kirche und die stimmungsvolle<br />
Gesamtanlage jetzt wieder wie neu dastehen ...<br />
Als Abschluß dieser Urkunde folgen dann die Unterschriften<br />
führender Männer aus Staat, Gemeinde und Kirche und<br />
der beteiligten Handwerker sowie ein Hinweis auf den jetzt<br />
regierenden Papst Pius XII. in Rom, Professor Dr. Heuß,<br />
Bundespräsident, und Dr. Konrad Adenauer, Bundeskanzler<br />
in Bonn.<br />
Am diesjährigen St. Annafest präsentierte sich die St.<br />
Annakirche im neuen schmucken Gewände den vielen Wallfahrern<br />
und Kunstfreunden wie ein „Stück Himmel auf<br />
dieser Erde" und machte auf alle einen unvergeßlichen Eindruck.<br />
M. G.<br />
Die Flurnamen der Markung Sigmaringen<br />
In der schwäbischen Siedlungsgeschichte werden die Ortsnamen<br />
auf -ingen allgemein zu den UrSiedlungen gerechnet,<br />
welche bald nach der Besitznahme des heutigen Schwabenlandes<br />
durch die Alamannen entstanden sind. Eine der<br />
wenigen Ausnahmen von dieser Regel ist die Stadt Sigmaringen.<br />
Denn die nach einem Sippenhaupt Sigmar begründete<br />
Doi'fsiedlung ist Sigmaringendorf. Die heutige Markung<br />
Sigmaringen ist dagegen aus den Urmark: ingen verschiedener<br />
Dörfer entstanden. Angelegt wurde die Stadt auf der<br />
Markung des Dorfes Hedingen. Die Markung dieses Dorfes<br />
umfaßte ursprünglich nur den südlich der Donau gelegenen<br />
Teil der heutigen Markung Sigmaringen. Nördlich der<br />
Donau muß sich vor dem 10. Jahrhundert ein Dorf Dettingen<br />
befunden haben, etwa in der Gegend des Hanfertals, dessen<br />
Markung etwa vom Mühlberg bis zur Deutenau und Nonnenhölzle<br />
reichte. Diese Markung wurde vor dem Jahr 1000<br />
mit der Markung des Dorfes Hedingen verschmolzen, wobei<br />
der Schönenberg in den Besitz der Ortsherrn von Hedingen,<br />
später der Volkwin von Hedingen, kam. Als weitere alte<br />
Siedlung entstand im Westen nördlich der Donau das Dorf<br />
Gorheim, dessen Markung bis nahe an den später entstandenen<br />
Ort Laiz ging. Als jüngere Siedlung entstand wohl<br />
von Dr. Alex F r i c k<br />
im 8. oder 9. Jahrhundert bei der Quelle am Fuße ies<br />
Brenzkoferberges das Dorf Brenzkoten Etwa um das Jahr<br />
1000 haben die Grafen, welche sich bisher nach dem Dorfe<br />
Sigmaringen nannten, auf Markung Hedingen an einem hervorragenden<br />
Felsen über der Donau eine Burg gebaut, die<br />
sie nach ihrem bisherigen Wohnort Sigmaringen nannten. Im<br />
Anschluß an diese Burg legten die Grafen wohl in der ersten<br />
Hälfte des 13. Jahrhunderts eine Stadt an. Im 14. Jahrhundert<br />
zogen viele Bauern aus der Umgebung in die Stadt,<br />
wodurch diese ungefähr in der Mitte des 14. Jahrhunderts in<br />
den Besitz von Zwing und Bann der Dörfer Hedingen, Gorheim<br />
und Brenzkofen kam. Brenzkofen verschwand in der<br />
Folgezeit als Ort ganz; daß Hedingen und Gorheim nicht<br />
verschwunden sind, verdanken diese beiden Siedlungen den<br />
dortigen Klöstern. Im Jahre 1449 kaufte die Stadt von Brun<br />
von Hertenstein den Burgstall Hertenstein mit Wald und<br />
Feld. Damit hat die Markung Sigmaringen im wesentlichen<br />
ihre heutige Größe erhalten.<br />
Das folgende Verzeichnis ist eine kurze Zusammenfassung<br />
und Erklärung der Namen aus dem Flurnamenbuch von Sigmaringen,<br />
das in der <strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Heimat</strong>bücherei<br />
Hechingen, im Stadtarchiv Sigmaringen (über das dortige
Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 57<br />
Staatsarchiv) und beim Landesamt für Denkmalspflege in<br />
Stuttgart in je einem Durchschlag aufliegt. Dort stehen bei<br />
den Namen auch die ältesten Nachweise des Vorkommens.<br />
Die mit einem * bezeichneten Namen sind ausgestorben.<br />
1. Ablacher Weiher. Liegt im Wildpark Josefslust<br />
und ist wohl der Rest eines Glestschersees aus der dritten<br />
Eiszeit.<br />
2. A i s p e n. Wiese südöstlich von Hedingen. Name kommt<br />
von e = Rechtszustand und span. Liegt immer dicht beim<br />
Dorfe (Hedingen), ist außerhalb des Dreifelderverbands und<br />
wurde gern als Spiel- und Festplatz benützt.<br />
3. Alienhau. Waldstück im Wildpark Josefslust, benannt<br />
nach der Allee, welche vom Eingang zur Försterei<br />
führt.<br />
4. Allierinum*. 1350: „acker auf Millegarten den man<br />
nemt Allierinum"; lag beim Galgenbühl westlich der Kaserne.<br />
5. Alte Donau. Graben, der früher mit Wasser gefüllt<br />
war, zwischen Laizer Landstraße und Donau. War jedoch nie<br />
das Bett der Donau, sondern künstlich angelegt. Hieß früher<br />
Altroms (siehe Nr. 7).<br />
6. Altes Schloß. Felsvorsprung und Walddistrikt<br />
über der Lauchert. Auf dem Felsen befand sich früher die<br />
Burg Hertenstein. Die Linie Hertenstein entstand Anfang des<br />
13. Jahrhunderts, als ein Glied der Familie von Hornstein<br />
sich auf der Felsspitze eine Burg Hertenstein erbaute. 1499<br />
verkaufte Brun von Hertenstein, um größerem Schaden vorzukommen,<br />
an die Stadt Sigmaringen seinen „burgstal Hertenstein<br />
zwischen Jungnau und Bungen an der Louchet gelegen<br />
und wie das genant und gestalt ist mit holz, mit velde,<br />
mit ackern, wisen, gerten, egerden ... per 150 Rhein. Gulden.<br />
7. Altroms*. Runs bedeutet Wasserrinne, Graben; der<br />
Name findet sich im 14. und 15. Jahrhundert und ist der alte<br />
Name für die heutige Alte Donau.<br />
8. Amerika. Im März 1848 beschloß der Stadtrat, hinter<br />
der Ziegelhütte ca. 100 Morgen vom Ziegelholz urbar zu<br />
machen. Jeder Bürger bekam davon als Stadtgut ein bestimmtes<br />
Stück. Schon im folgenden Jahre gab es Streit, ob<br />
die nach Amerika ausgewanderten Bürger diesen Bürgernutzen<br />
weiter behalten dürfen. Aus diesem Streit heraus<br />
erhielt dieses Gewann den Namen Amerika.<br />
9. St. Anna Kapelle. Bei der Wegkreuzung Laiz-Sigmaringen<br />
und Laiz-Gorheim standen zwei Kapellen. 1497<br />
wird eine Kapelle zwischen Straße und Alter Donau erwähnt,<br />
1615 die obere Kapelle in Bergen. Die letztere war<br />
der hl. Anna geweiht. Sie fiel, wie manche andere, der Aufklärung<br />
zum Opfer.<br />
10. St. A n t o n i. Auf der Südseite des Schönenbergs beim<br />
Nonnenhölzle. Hier wurde wahrscheinlich von den Augustinerinnen<br />
zu Inzigkofen, denen diese Flur nach Aufhebung<br />
des Klosters Inzigkofen zugefallen war, ein Bildstock errichtet.<br />
Der hl. Antonius war ursprünglich Augustinerchorherr.<br />
11. Antonitäle. An der Jungnauer Straße steht abseits<br />
der Straße unterhalb der Hohen Tannen ein Bildstock zum<br />
hl. Antonius. Wird 1844 an. der neuen Straße nach Jungnau<br />
erwähnt.<br />
12. Anwanderle*. Ein Acker im Ziegelösch wird 1755<br />
als Anwanderle bezeichnet. Die Anwand ist das Ende eines<br />
Ackers, das zum Wenden des Pfluges benützt wird und nicht<br />
ausgemessen ist. Bezeichnet oft auch ein größeres Stück<br />
Acker.<br />
13. Artzischer Garten. Ursprünglich ein großer<br />
Garten, der etwa vom Zollamt bis Hedingen reichte. Um 1614<br />
kaufte Schultheiß Nikolaus Sarvay verschiedene Gärten dort<br />
zusammen. Im Jahre 1648 wird dem Junker Jägermeister<br />
Karl von Arzt des „Sarvayen Garten" verliehen. Obwohl<br />
ein großes Stück dieses Gartens überbaut ist, sieht man<br />
doch noch heute zwischen Bismarckstraße und Hedinger<br />
Kirche ein großes Stück Gartenland.<br />
14. A s p a ch*. Waldstück im heutigen Wildpark. Asp —<br />
Espe.<br />
15. A u. Ursprünglich ging die Au von der Donau bis zum<br />
Fuße des Josefberges und war zum großen Teil Ackerland.<br />
Das Wort bedeutet Land am Wasser, Insel oder Halbinsel.<br />
1594 kaufte Graf Karl den größten Teil der Au auf und ließ<br />
ihn mit einer Mauer umgeben. Heute versteht man unter Au<br />
nur noch das kleine Stück zwischen Donau und dem Bahngelände.<br />
16. Aublins Furt*. Furt beim Hanfertal über die<br />
Donau; dort hatte ein Auberlin Müller Ende des 15. Jahrhunderts<br />
eine Wiese. Um 1500 wurde dort eine Brücke, die<br />
Kreuzkapellenbrücke gebaut.<br />
17. B a c h t a 1. An der Markungsgrenze zwischen Sigmaringen<br />
und Sigmaringendoirf geht dieses Tal zwischen Kappenbühl<br />
und der Hochwaghalde hindurch. Der Name kam<br />
Ende des 16. Jahrhunderts für den alten Namen Dysmarstal<br />
auf . (Fortsetzung folgt.)<br />
Wo stand die alte Burg Stauffenberg?<br />
Bekanntlich versahen die Herren von Stauffenberg das<br />
Schenkenamt bei den Grafen von Zollern und nannten sich<br />
zuerst Schenken von Zell (d. i. heute Mariazell, wo Weiler<br />
und Burg abgegangen sind), auch von Neuen- oder Niedernzell,<br />
Andeck und Erpfingen. Darüber hat der beste Kenner<br />
Willi Baur-Hechingen ir den Blättern des Schwab. Alb-<br />
Vereins 1931 S. 289—294 berichtet. Vorher kennt man im<br />
13. Jahrhundert ein anderes Geschlecht von Stauffenberg,<br />
welches wohl das Truchsessenamt der genannten Grafen bekleidete.<br />
Ein Heinrich von Stophenberg schenkte 1132 Gü-<br />
;r zu Owingen ans Kl. Sankt Georgen im Schwarzwald.<br />
Eine Erbtochter scheint dann den Namen Stauffenberg in<br />
die Familie der Schenken von Zell übertragen zu haben.<br />
Wo dagegen Neuen- oder Niedernzell lag, ist bisher unbekannt<br />
geblieben. Die Vermutung auf ein Neuenzell bei St.<br />
Blasien ist wohl abwegig. Es scheint eine etwas tiefer als<br />
Zell gelegene Burg damit gemeint gewesen zu sein, mit<br />
deren Verschwinden natürlich auch der Name ausging, weil<br />
die Schenken, die sie wohl für nachgeborene Söhne gebaut<br />
haben dürften, einen andern Wohnsitz suchten. Vielleicht<br />
hieß Niedern- oder Neuenzell die Spitze des heutigen Roßberges<br />
zwischen Zoller und Boll, wo man ehemalige Zurichtung<br />
zu erkennen glaubt, oder der heutige Hügel Bürstel<br />
(Burgstall) am Nordende des Neuberges zwischen Stetten<br />
und Schlatt.<br />
Nun wird mir jedermann sagen, Burg Stauffenberg lag<br />
doch zwischen Rangendingen und Weilheim beim jetzigen<br />
Stauffenburger Hof! Dort stanc tatsächlich zuletzt eine Burg<br />
Stauffenberg, für die Junker Wernher der Schenk 1472 und<br />
1482 Erlaubnis erhielt, auf einem Tragaltar Messe lesen zu<br />
lassen. Noch um 1600 wird daselbst ein zollerischer Burgvogt<br />
erwähnt, nämlich im J. 1606 ein Kaspar Ruef von Boll<br />
und 1610 ein Jerg Schuemacher (Zollerheimat 1941, S. 33).<br />
Diese Burgstelle, die noch rechts über dem Hof zu erkennen<br />
ist, zeigt jedoch einen Grundfehler; sie stellt nämlich keinen<br />
Stauf dar (d. h. umgekehrten Becher ohne Fuß, vgl. die<br />
Berge Staufen, Stoffeln, Hohenstaufen, Stauffeneck). Man<br />
hat daher schon länger in Kreisen der <strong>Heimat</strong>forscher die<br />
älteste Stauffenburg in der Nähe der Zollerburg vermutet,<br />
wenn man auch der Zimmerischen Chronik keinen Glauben<br />
schenken darf, die behauptet, die Stauffenb erger Herren<br />
hätten ursprünglich auf dem Zoller selbst ihren Sitz gehabt,<br />
Aber irgend eine alte Ueberlieferung könnte doch in der<br />
Erzählung liegen.<br />
Nun berichtet der verstorbene Pfr. Kernler Wunib. von<br />
einer Urkunde vom J. 1343, die auch Baur im erwähnten<br />
Aufsatz anzieht, worin das Kloster Stetten eine jährliche Gült<br />
von 16 Sehilling Heller aus einem Brühl erwirbt, „der zu<br />
Stauffenberg unter dem Hörnlein gelegen ist". Es fragt sich<br />
nur, wo dieser Brühl und das Hörnlein lagen? Einen Fingerzeig<br />
scheint das Bickeisbergische Lagerbuch vom J. 1435 zu<br />
geben, das nach Herberholds Ausgabe S. 119 vom „Wessinger<br />
Hörnlin mit dem Burgstall" berichtet. Nun bezog das Kloster<br />
Stetten laut Lagerbuch von 1688 obige 16 Schilling Heller<br />
aus einer Wiese zu Wessingen, die „stößt hinauf an das<br />
Hörnlin". Man geht wohl nicht fehl, dieses Hörnlin mit dem<br />
heutigen K ä p f e 1 e südlich des Brie! hofs gleichzusetzen,<br />
dessen Rüc'.en vom Zollerberg gegen Wessingen vorspringt,<br />
und vom Dorf aus tatsächlich die Form eines auffallenden<br />
Stauf zeigt. Die Spitze hat ebenfalls eine Art künstlicher Zurichtung,<br />
die vor Bepflanzung mit den Tännchen auch<br />
von der Straße aus zu erkennen war. Auf Karten steht<br />
dafür Bismarckhöhe oder auf älteren „Belvedere"<br />
(— Schöne Aussicht). Sagen und Ueberlieferungen scheinen<br />
keine zu bestehen, wenigstens blieb ein Aufruf in der Tageszeitung<br />
ohne Echo. Aber Grabungen würden sicher noch<br />
irgendwelche Spuren zutage fördern. Nach Aufgabe der Burg<br />
müßten die Adligen den Namen Stauffenberg vor 1343 an<br />
den heutigen Platz bei Rangendingen mitgenommen haben,<br />
ein Vorgang, der sich auch anderwärts belegen läßt.<br />
Joh. A. Kraus.
58 H O H E N Z O L, L, E R I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />
Neues über altes zollerisches Geld<br />
In Emil Bahrfeldts 1900 erschienenem Buch „Das Münzund<br />
Geldwesen der Fürstentümer Hohenzollern" besitzen<br />
wir das einzige Druckwerk, das uns über unser ehemaliges<br />
Landesgeld ausführlich unterrichtet. Der Verfasser konnte<br />
allerdings nur über die Stücke berichten, die ihm bei seinen<br />
Nachforschungen in öffentlichen und privaten Sammlungen<br />
vorgelegt wurden, oder über die ihm Angaben aus Archivalien<br />
und sonstigem Schrifttum zugänglich waren. Inzwischen<br />
ist seit Abschluß seiner Arbeit mehr als ein halbes Jahrhundert<br />
vergangen, und in dieser langen Zeit hat sich unsere<br />
Kenntnis über zollerische Münzen erweitert. Was mir darüber<br />
bekannt wurde, sei hier kurz berichtet.<br />
Dem Grafen Eitelfriedrich I. (1401—39) wird ein sogenannter<br />
Lilienpfennig oder „Pfennig auf Straßburger<br />
Art" zugeschrieben. Es ist dies ein zierliches Silberstück von<br />
14 mm Durchmesser, das bei einseitiger Prägung in einem<br />
Perlenkreis eine stilisierte Lilie zeigt, auf deren unterem<br />
Teil der einfache Zollernschild liegt; Durchschnittsgewicht<br />
0,34 g. Ueber diese Pfennigsorte wird in der Frankfurter<br />
Münzzeitung Nr. 95 v. J. 1908, Seite 337/8 durch X. Nessel,<br />
und bei Otto Bally (Beschreibung von Münzen und Medaillen<br />
Badens) im 2. Bande von 1911 berichtet. Die eigentlichen<br />
Lilienpfennige der Bischöfe von Straßburg zeigen nur die<br />
Lilie, später treten dann Stücke mit den Wappenschildern anderer<br />
Landesherren auf, die nach Straßburger Schlag prägten.<br />
In den „Blättern für Münzfreunde" 51. Jahrgang von 1916<br />
S. 88, sagt in einer langen Arbeit über „Untersuchungen zu<br />
den spätmittelalterlichen Münzreihen usw." H. Buchenau in<br />
Abschnitt II bei den Nachahmungen der Straßburger Pfennige<br />
mit der Lilie: „vielleicht war der Graf von Zollern beteiligt".<br />
Er verweist dann auf Engel u. Lehr „numis. d' Alsace,<br />
XXXII, 18, Zollernschild unter Lilie. Vgl. auch Julius<br />
Cahn in „Münzgeschichte Straßburgs". Bemerkenswert ist<br />
nun, daß Lilienpfennige mit dem Zollernschilde in unserem<br />
schwäbischen Gebiet bei Bodenfunden festgestellt wurden,<br />
wie aus folgenden Angaben ersichtlich ist:<br />
1.) „Beiträge zur Süddeutschen Münzgeschichte. Festschrift,<br />
Stuttgart 1927". S. 75 berichtet darin E. Schwarzkopf über<br />
den Tübinger Münzfund und sagt, daß in diesem Funde 6<br />
Stücke Pfennige Straßburger Schlages mit der Lilie über<br />
quadriertem Schild (Zollern) auftreten und er setzt hinzu:<br />
„trotz Fehlens beweisender Urkunden muß dieser Pfennig<br />
bis jetzt Zollern zugeschrieben werden Es kommt danr, da<br />
seine Prägung 1400—1410 anzusetzen ist, Graf Eitelfriedrich<br />
von Zoilern (1401—^39) in Betracht. (Diese Stücke sind jetzt<br />
in der Württ. Staatssammiung).<br />
2.) ^Württemberg. Vergangenheit. Festschrift, Stuttgart<br />
1932". Hier berichte S. 243 E Schwarzkopf über die Münzfunde<br />
von Bopfingen und Jesingen-, Ais N 1 " 11 des Jesinger<br />
Funaes nennt er 2 Stück zollerische Lilienpfennige und<br />
äußert sich S. 271 über die Bedeutung der Straßb. Lilienpfennige<br />
für unsere Gegend; er sagt, daß um 1400 die Straßb.<br />
Pfennige in Tübingens Umgegend ganz sicher im Umlauf<br />
waren.<br />
Bahrfeidt berichtet nun S. 7, daß in der Verieihungsurkunde<br />
der Münzgerechtigkeit an Graf Jos Nikias I. i. J. 1471<br />
gesagt wird, schon seine Vorfahren hätten das Münzrecht<br />
besessen. Danach spricht nichts dagegen, daß sein Vater Eitelfriedrich<br />
dieses Recht ausübte.<br />
3.) In der Zeitschrift f. die beschichte des Oberrheins, 97.<br />
Bd. von 1949 schreibt Ff. Wieiandt-Karisrune über „Die Anfänge<br />
des Landesherrlichen Münzwesens des Markgrafen von<br />
Baden". Ich entnehme daraus: Die Straßb. Lilienpfennige<br />
älterer Art, also ohne angehängte Wappenschilde, treten<br />
nach dem Jahre 1334 auf. Später wurden der Lilie Wappenschilde<br />
angehängt, so von Baden und Zollern. Um das Jahr<br />
1390 muß sich wohl Markgraf Bernhard I. von Baden (1372<br />
bis 1431) or der schwäbischen Hellermünze abgewandt und<br />
dem Straßb Pfennig angeschlossen haben, der mit dem Zeichen<br />
der Lilie zu den häufigsten Geprägen Straßburgs gehört.<br />
Da Baden 1409 mit Kurpfalz und Speyer eine neue<br />
Münzkonvention eingeht, wird man den Liiienpfennig und<br />
von Weingarten bei Duriach vor 1409 ansetzen, vielleicht<br />
schon auf 1400. Der Liiienpfennig von Zollern ist dem des<br />
Markgrafen von Haden aus dem Jahrzehnt 1390—1400 nachgeprägt.<br />
Soweit Wielandt.<br />
Wenn ich nun alle diese Klein-Nachricnten abwäge, so<br />
komme ich zu dem Schlüsse, daß wohl nur der Geschlechtsäiteste<br />
des zollerischen Grafennauses, Graf Fritz der Aeltere<br />
von de- Hohenzollern (1379—1401) aus der sog. Straßburger<br />
Linie (Großmanns Genealogie Nr. 453), Münzherr des Lilien-<br />
pfennigs war. Dafür spricht folgendes: enge Beziehungen<br />
dieser Linie zu Straßburg und dem Hause Baden. Seine beiden<br />
Söhne, der Oettinger und Eitelfriedrich, die 1401 die<br />
Herrschaft übernahmen, waren noch zu jung und „unruhig",<br />
um sich um Münzprägungen zu kümmern. Die Linie der<br />
Schwarzgrafen ist über und über verschuldet, ihr ganzer Besitz<br />
an die Straßburger verpfändet. Die Schwarzgrafen und<br />
die Schalksburger Linie kommen gegen die Hauptlinie der<br />
Straßburger nicht auf. Graf Friedrich der Aeltere von den<br />
Hohenzollern ist der starke Repräsentant des Grafenhauses.<br />
Wenn der Lilienpfennig schon zollerisch ist, dann gehört er<br />
diesem Grafen. Auf alle Fälle wäre dieser Pfennig die älteste<br />
uns bekannte Münze des Grafenhauses. Aber!<br />
Im Sommer 1952 wird der Straßburger Lilienpfennig mit<br />
dem Zollernschild im Versteigerungskatalog 247 der Frankfurter<br />
Münzhandlung Dr. Busso Peus als Nr. 287 zum Verkauf<br />
gestellt:<br />
„Hohenzollern. Eitel Friedrich 1401—39. Nachahmung<br />
des Straßburger Lilienpfennigs mit Zollernschildchen<br />
unter die Lilie. Fund Tübingen 12/13; Cahn 22, Engel<br />
u 1 . Lehr 328. Wahrscheinlich ein Gepräge der Abtei<br />
Schwarzach, deren Obervögte die Grafen von Hohenzollern<br />
waren (Braun v. Stumm).<br />
Dazu wäre noch einiges zu sagen' Der Klammerinhalt bezieht<br />
sich auf die Schrift von G. Braun von Stumm „Münzen<br />
der Abtei Hornbach. Beiträge zur Münzgeschichte vom Speiergau<br />
und Elsaß im 12, bis 14. Jahrhundert 1926". Die Abtei<br />
Schwarzach liegt im Bezirksamt Bühl i. Baden. A. v. Berstett<br />
„Münzgeschichte des zähringisch-badischen Fürstenhauses,<br />
1846" behandelt das Münzrecht der Abtei Schwarzach,<br />
kennt aber keine Münzen derselben. Im Verstg.-Katalog<br />
Nr. 78 der Firma Jul. Cahn vom 15. September 1932 werden<br />
die 4 Nummern 1440—43 erstmals als Pfennige Straßburger<br />
Schlages aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts der Abtei<br />
Schwarzach zugewiesen. Die Abtei besaß seit d. J, 965 das<br />
Münzrecht durch Kaiser Otto III. Wie soll nun der Zollernschild<br />
auf die Münzen der Abtei kommen? Es steht fest,<br />
daß Burggraf Friedrich von Nürnberg, der auch den Zollernschild<br />
führt, i. J. 1283 Obervogt der Abtei ist. Ferner ist zwischen<br />
1336 und 1363 Burggraf Johann von Nürnberg für<br />
das Bistum Speyer als Obervogt der Abtei nachgewiesen,<br />
der 1332 bis 57 regierte. Ob die Obervogtei dauernd bei den<br />
Nürnberger Burggrafen ;var? Es bleibt aiso die Möglichkeit<br />
offen, daß ein Burggraf unter Beifügung seines Schiides für<br />
sich >der sein Schirmkloster Schwarzach diese Pfennige prägen<br />
ließ. Wenn dem so ist. dann ist es immerhin bedenklich,<br />
die Burggrafen, die Ta zollerischen Stammes sind, in diesem<br />
Zusammenhang als Grafen von Hohenzollern zu bezeichnen!<br />
Dem Grafel. Eitelfriedrich II. (1488—1512) weist Bahrf.<br />
einen einseitige^ silbernen Schüsselheller von<br />
etwa 12 mm zu, der in einem Perlkreis das zollerische Wappen<br />
mit den Erbkämmererstäber ?eigt, über dem der Buchstabe<br />
Z steht. Er führt auch seine guten Gründe dafür an.<br />
Das Münzchen, vor dem B nur 4 Stücke kennt, ist seitdem<br />
in weiteren Exemplaren bekannt > ;eworden und hat bzgl. der<br />
Datierung etliche Kenner zu anderen Ergebnissen geführt.<br />
Die Blätter für Münzfreunde nehmen wiederholt Stellung zu<br />
unserem Schüsselheller:<br />
1.) 44, Jgg. 1909; Spalte 4079--81 bespricht H. Buchenau<br />
den Schüsselpfennig und von Schönstadt bei Marburg. Dieser<br />
Fund von etwa 1500 Pfennigen wurde 1909 bekannt und bestand<br />
größtenteils aus Schüsselhellern. Als Nr. 38 nennt Buchenau<br />
den Schüsselpfennig mit Z über quadriertem Schilde<br />
im Perlreifen; 12 mm" 0,275 g; stempelfrisch. Er weist ihn<br />
dem Grafen Johann Georg zu Hechingen (1605—23) zui Er<br />
sagt danr, daß die Zuweisung bei Bahrfeld zu berichtigen<br />
sei und gibt s.ine Gründe an. Diese Münze des Fundes gehöre<br />
zu den allerjüngsten des ganzen Bestandes. Nach Größe,<br />
geringem Feingehalt und Fo^m des Schildes und des Buchst^<br />
:ns Z passe sie nicht zu der frühen Datierung bei Bahrfeidt.<br />
Aus wei^ren münztechnischen Gründen kommt er zu<br />
dem ^chluß, daß dieser Pfennig zu den Hechinger Prägungen<br />
vom Jahre '606 gehöre, die auf dem Münzprobationstage am<br />
15. Mai 1607 in Nürnberg als zu geringwertig befunden<br />
wurden.<br />
2.) 54. Jgg. 1919, S. 565 „Verschiedenes". Eine kleine Fundmass.<br />
ungewisser Herkunft (Handel) von Kleinmünzen enthielt<br />
folgendes bemerkenswertere Stück: ein geringhaltiges<br />
Exemplar des Schüsseipfennigs von Hohenzollern. Z über gcviertem<br />
Schild, Bahrf. Nr. 1 b macht von neuen wahrscheinlich,<br />
daß lie Stücke Nr. la und lb bei Bahrf. die in Nürnberg<br />
1607 zu gering befundenen zollerischen Pfennige sind,
Jahrffang 1954 H O H E N Z O L L E R I S C E E H E I M A T 59<br />
Hier ist wohl auch der Platz, um ein erst kürzlich aufgetauchtes<br />
Stück anzuführen, das sich jetzt i. d. Sam lung<br />
Max Frick-Sigmaringen befindet und nach meinem Wissen<br />
noch nie beschrieben wurde. Es ist auch einS hüsselheller,<br />
einseitig, etwa 13 mm, von ziemlich tiefer Napf-<br />
Form, kupferrot, weil ohne Silbergehalt Die Ausprägung ist<br />
recht mangelhaft, doch läßt sich deutlich der einfache vierteilige<br />
Zollernschild erkennen (also nich i das Gevierte Wappen<br />
mit 2mal Zollernschild und 2mal die ge' reuzten Erbkämmererstäbe),<br />
der von einem Perlkranz umfaßt ist. Oberhalb<br />
des Schildes ist links ein einfaches Rankenornament zu<br />
erkennen und ganz deutlich links neben dem Schild die Zahl<br />
16, während rechts neben dem Schild die zur Jahrzahl erforderlichen<br />
Ziffern nicht auszumachen sind. Wir gehen wohl<br />
nicht fehl, das Stück in das Jahr der geringhaltigen Kipperprägungen<br />
zu setzen, also die rechts fehlenden Ziffern mit<br />
22 zui ergänzen und damit auf das Jahr 1622 zu kommen.<br />
Damit würde dieser Pfennig wohl auch zum Grafen Johann<br />
Georg von Hechingen gehören.<br />
Weiter sagt Bahrf. S. 115 seines Hohenz. Mün^.buches, daß<br />
ein Kupfer-Vierer, der auf der einen Seite den einfachen<br />
Zollernschild, auf der anderen die Wertzahl II - II,<br />
beide Seiten mit Laubkranz zeigt, wohl irrtümlich dem Grafen<br />
Johann von Hohenzollern-Sigmaringen (iu06- '8) zugeteilt<br />
werde Er spreche das Stück dem Markgrafen Christian<br />
v. Brandenburg-Bayreuth zu. Nun fand ich in Bahrfeldts<br />
durchschossen gebundenem Handexemplar seines Buches<br />
von ihm selbst eingeklebt ein Blatt aus den Numismatischen<br />
Mitteilungen, Jgfe 1913, Nr. 152, S. 1032. Unter dem Titel<br />
Brandenburg-Franken oder Hohenzollern-Sigmaringen?<br />
sagt dort C. F. Gebert unter ausführlicher Angabe seiner<br />
Gründe, daß dieser Kipper-Kupfer-IHI Pfenniger sicher dem<br />
Grafen Johann von Hhz.-Sigmaringen zuzuschreiben ist. Und<br />
dann wörtlich: „Herr Dr. Bahrfeldt hat sich von der Richtigkeit<br />
meiner Anschauungen gewiß auch in der Zwischenzeit<br />
überzeugt." Das scheint ja auch der Fall gewesen zu sein,<br />
denn Bahrf. hat dies Blatt ohne weiteren Zusatz seinem<br />
Werke beigelegt offenbar, urr es bei einem etwaigen Neudruck<br />
zu verwerten. Die Ausfuhrungen Geberts wurden im<br />
Auszug in die Blätter für Münzfreunde, 48 Tgg. 1913, Nr. 3,<br />
Spalte 5246 übernommen. Ich füge nach hinzu, daß ich inzwischen<br />
von diesem Vierer 5 verschiedene Varianten aus<br />
eigener Anschauung kennen lernte Der Unterschied besteht<br />
in wechselnder Gestaltung der Umrahmung beider Seiten mit<br />
Perlkranz bezw Laubkranz.<br />
Kaiser Mathias II bestätigt durch Urkunde vom 8. Nov.<br />
1612 dem Grafen Jobann Georg von IIohz.-Hechmgen und<br />
seinen Vettern das Münz- und Bergwerksrecnt. Bei Erwähnung<br />
dieses Ereignisses gibt Bahrf. S. 34 an, daß dieses Recht<br />
dem Grafen Johann Georg (Hechingen) und seinen Vettern<br />
Johann (Sigmaringen), Ernst Georg (Kr&uchenwies-Veringen)<br />
und Johann Christof und Carl (beide Haigerloth) erteilt wird.<br />
Die Klammern habe ich hinzugefügt, damit sichtbar ist, daß<br />
aus den seit der Erbteilung v. J. 1576 entstandenen drei gräflichen<br />
Linien.<br />
Stammgrafschaft Hechingen — Eitell'riedrich IV.<br />
Sigmaringen und Veringen — Karl II.<br />
Haigerloct und Wehrstein — Christoph<br />
bis zum Jahre 1612 durch Nachfolge in der Herrschaft, verbunden<br />
mit einer Erbteilung von Sigmaringen-Veringen im<br />
Jahr 1606, zeitweise die vier gräflichen Linien<br />
Hechingen Johann Georg<br />
S'gman'ngen Johann<br />
Krauchen wies-Veringen Ernst Georg<br />
Haigerloch Johann Christoph (u.<br />
sein erbfolgeberechtigter<br />
Bruder Karl)<br />
entstanden waren von denen die Linie des Grafen Ernst<br />
Georg nur 1606- -25 bestand. Das Gebiet fiel, da er nur Töchter<br />
hin' irfieß, an seinen Bruder Fürst Johann zurück. Dieser<br />
Graf Ernst Georg hat talei'förmi ge Kippermünzen<br />
(Doppelgulden), von denen bis jetzt nur ein Stück<br />
bekannt wurde:<br />
Vs.: ERNESTVS . GEORGIUS . COMES IN ZOLLERN<br />
Das vie .±eldige Wappen (2 ma> Hirsch und 2 mal Zoljernschild,<br />
als Herzbilc die Erbkämmererstäbe) in reicher<br />
Umrahmung, die oben rechts und links ein Fabeltier erkennen<br />
läßt.<br />
RS.: FERDI II ROM : IMPERA : SEM : AVG 1622.<br />
Gekrönter Reichsdoppeladler mit dem Reichsapfel auf<br />
der Brust.<br />
40 mm; 18,3 Gramm- Billon d. h. geringnaltige Silberlegierung;<br />
jetzt in der Fürsti. Hohz. Sammlung<br />
Ueber dieses Stück spricht H. Buchenau in der Blättern<br />
für Münzfreunde, 46 Jgg. 1911 Spalte 4887/88. Danach stammt<br />
es aus der Sammlung Frh. M. Lochner von Hüttenbach in<br />
Lindau. Baron Lochnei teilt in den gleichen Blättern 47. Jgg.<br />
1912 Spalte 4929 noch mit, daß die Silberprobe etwas ; Iber,<br />
aber viel Kupfer ergab. Im Jahre 1931 wurde dieses Stück als<br />
Nr. 1201 des Auk' onskatalogs 69 von Ad. E. Cahn-Frankfurt/M.<br />
mit einer Vortaxe von 1500 bis 1800 Mark ausgebuten<br />
und blieb unverkauft. Die Fürsti. Sammlung hat es danach<br />
wesentlich billiger freihändig erworben.<br />
Als die Firma Karl Kreß-München im Versteig.-Kat. 95<br />
vom 30. Nov. 1953 als Nr. 3095 e und f acht Stück einseitige<br />
Kupfervierer von 16 mm als zollerisch ausschrieb, habe ich<br />
sie angesehen. Der sog. Zollernschild darauf war aber nicht<br />
unser einfacher Schild, er gehörte nach Konstanz. Bestechend<br />
war allerdings, daß über dem Schild die Wertziffer 4 zwischen<br />
zwei Buchstaben stand: E 4 G, sodaß ich zunächst vermutete,<br />
einen Kippervierer des eben genannten Grafen Ernst<br />
Georg vor mir zu haben.<br />
Und noch ein seltenes zollerisches Stück kannte Bahrf.<br />
nicht, nämlich das 24 Kreu'zerstück des Grafen<br />
von Hohenzollern-Sigmaringen. Die Firma Otto<br />
Hclbing Nach! in München bot in ihrem Versteigerungs-<br />
Katalog 81 v. J. 1940 als Nr. 1877 aus:<br />
Vs.: JOHANN : G. Z. ZOLL : D : H ; R. R. ERBC<br />
Vierteiliges Wappen mit 2mal die Erbkämmererstäbe<br />
und 2 mal der quadrierte Schiid.<br />
Rs : FERDINAND II. ROM unleserlich.<br />
Gekrönter Doppeladler, Brustbild mit der Zahl 24.<br />
Gelocht; Silber; 28 mm; Exemplar Kraaz Nr. 777; Taxwert<br />
300 DM. Das Stück wurde für 255.— RM für die Reichsmünzsammlung<br />
ersteigert und ist damit wo'nl in Berlin in Verlust<br />
geraten. Dieses oder ein gleiches Exemplar soll am 7. III<br />
1924 bei A Riechmann u. Co- in Halle-Saale für 560 DM versteigert<br />
worden sein.<br />
Zu den vielen Hechinger Prägungen zur Kipper<br />
;eit, z. B. die Nr. Ii, 17 und 19 bei Bahrfeldt, sind Tn-<br />
•.-"lschen noch weitere Stempelvarianten bekannt geworden.<br />
Die bemerkenswerteste ist wohl die zu Nr. 11, Rückseite b,<br />
ein Sechsbätzner, der auch die Jahrzahl mit. verstellten Ziffj<br />
p zeigt, aber ir. der Form 2261, und nicht in Spiegelschrift<br />
wie beim Bahrfeldtschen Stück.<br />
Im Versteig.-Katalog vo-i M. Jos Hamburger-Frankfurt<br />
a. M. auf den 16. Okt. 1905 wird als Nr. 3765 ein Kippergroscnen<br />
von Jon. Georg von Hohenzoliern-Hecningen beschrieben<br />
Der Münzherr ist als COMES bezeichnet, dazu<br />
aber die Jal sahl 1623. Die Beschreibung stimmt überein mit<br />
Bahrf. Nr. 18, bis auf die Jahrzahi, Bei Bahrf. 1622. Falls<br />
d Verfasser des Katalogs nicht irrtümlich 1623 statt 1622<br />
gelesen hat, handelt es sich bei dem Stück um ein bisher<br />
inbekannt.es Kuriosum, denn seinen Taler, bei Bahrf. Nr. 21,<br />
läßt Johann Georg 1623 mit dem Neuen Titel PRINCEPS<br />
prägen.<br />
Ich besitze ein merkwürdiges Stück des Sechskreuzers<br />
Sigmai .ngen von 1846: es fehlt die Wertziffer, oder besser,<br />
bei Schräglicht glaubt man, einen Schimmer der 6 zu erkennen,<br />
Es sieht so aus, als wäre ein quadratisches Plättdien<br />
neim Ausprägen unter den Stempel geraten! Sonst ist<br />
das Stück gut und sehr scharf ausgeprägt.<br />
Bei den Sigmaringer DreiKreuzern und den silbernen Ein •<br />
kreuzern (Bahrf. Nr. 113- 22) macht Bahrf. die Angabe, daß<br />
der Rand glatt sei Ich habe viele dieser Stück besehen, aber<br />
bei allen ist der Rand geriffelt! Bei den Dreikreuzern von<br />
Hecningen (Nr. 59—61) macht Bahrf. Keine Angabe über den<br />
Rand: dieser ist glatt. Auch bei den preußischen Prägungen<br />
ir ' 16—48 irrr Bahrf. Der Gulden, Halbgulden und das<br />
Sechskreuzerstück sind am Rande nicht gezahnt (geriffelt)<br />
wie er angibt, sondern mit vertieften Vierecken versehen;<br />
das Oreikreuzerstück hat glatten Rand.<br />
Von den preuß. Stücken d. J. 1852 wurden Sonderprägungen<br />
angeboten: vom Sechskreuzer Bahrf. Nr 148 i. J. 1936<br />
ein Feinsilberabschlag „mit glattem Rand", Preis 30.— RM.<br />
tfom gleichen Stuck i. J, 1940 ein Feinsilberabschlag für<br />
25.— DM. Ein Dickabschlag in Silber des Dreikreuzerstückes<br />
Nr. 149 wurde 1936 für 75,— RM. angeboten.<br />
Nun mögen noch einige Nacnrichten folgen, die für Sammier<br />
eine gewisse Bedeutung haben:<br />
1.) Das Banrfeldtsche Münzwerk über Hohenzollern wurde<br />
in nur 100 Exemplaren gedruckt und für 20.— Mk verkauft.<br />
2.) Wir sammeln auch hohenz. Falschstücke. So gibt es eine<br />
versilberte Bleiprägung des Doppelguldens von Karl Anton
60<br />
1849, Bahrf. Nr. 136. Hier lag sicher Betrug vor. Ein ganz<br />
raffinierter Betrug wurde mit dem Zwitterdoppelgulden<br />
Bahrf. Nr. 134 versucht. Vorder- und Rückseite sind galvanoplastisch<br />
aus Kupfer hergestellt und dann auf schmale<br />
Pappstreifen geklebt;, die Randleiste fehlt. Durch Ausgießen<br />
der Zwischenräume mit Blei hätte man das „richtige" Gewicht<br />
hergestellt, den Randstreifen angebracht und dann das<br />
Stück versilbert. Bei der großen Seltenheit dieses Stückes<br />
hätte sich die mühsame Arbeit wohl gelohnt. Also Vorsicht<br />
bei Ankauf von Raritäten! Nicht zu den<br />
Falschstücken zählen die offen erkennbaren Bleiabschläge<br />
von alten Münzstempeln, wie sie immer wieder angeboten<br />
werden.<br />
3.) Zu den Kipperprägungen in Sigmaringen erfahren wir<br />
in den Blättern für Münzfreunde 54. Jgg. von 1919, S. 539<br />
durch Gustav Schoettle in seinem Aufsatz „Kaspar Bernhard<br />
von Rechberg ... ", daß Augsburger Handwerksbetriebe in<br />
den Jahren 1620—22 Einrichtungsstücke zu Kipperwerkstätten<br />
nach Sigmaringen lieferten.<br />
4.) In Geberts Numismat. Mitteilungen v. J. 1889 Nr. 19,<br />
S. 147 wird gesagt: Graf Karl von Hohcnzollcrn-Sigmaringen<br />
beabsichtigte 1595 in Nürnberg Dukaten prägen zu lassen.<br />
Vgl. dazu Bahrf. S, 109/10, wo er sagt, es lasse sich nicht<br />
nachweisen, daß Graf Karl II. von Hhz.-Sigmaringen von<br />
seinem Münzrecht Gebrauch gemacht habe.<br />
5.) Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 95. Bd.<br />
vom Jahre 1943, S. 31. Frdr. Wielandt „Die Münzstätten der<br />
H O II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />
Markgrafen v. Baden". Auf S. 60 sagt er: 1743 wurden in<br />
Durlach für den Fürsten von Hhz.-Hechingen Carolinen geschlagen.<br />
Auf meine Nachfrage antwortete Dr. W., er habe<br />
diese Nachricht irgendwo in badischen Münzarchivalien gefunden,<br />
könne aber nicht mehr sagen wo. Von dem damals<br />
reg. Fürsten Friedrich Ludwig wissen wir nur, daß er sich<br />
wiederholt mit dem Gedanken der Münzprägung trug, So<br />
plante er 1741 eine Tälerprägung und verhandelte 1746 mit<br />
den Münzstätten in Langenargen und Stuttgart über Prägungen.<br />
Er erwog auch die Wiedereinrichtung der Hechinger<br />
Münze. Vielleicht hat er auch mit Baden-Durlach verhandelt.<br />
6.) Auf Seite 60/61 schreibt Bahrf, daß nach d. J. 1623 in<br />
mehr als hundert Jahren weder in noch für Hohenzollern<br />
der Münzhammer gerührt worden sei. Allerdings habe Fürst<br />
Friedrich Wilhelm (1671—1735) sich 1697 entschlossen, sein<br />
Münzregal wieder auszuüben, allerdings nicht in Hechingen,<br />
sondern in der Montforter Münzstätte Langenargen. Er verhandelte<br />
mit dem Grafen v. Montfort über „reichsmünzordnungsmässige<br />
Ausmünzung" von 10-Pfennigstücken und<br />
Kreuzern. Die Ausführung sei aber unterblieben. Fürst<br />
Friedrich Wilhelm hat aber doch wohl sein Vorhaben ausgeführt,<br />
wenn auch Bahrfeldt die Unterlagen dafür nicht fand:<br />
Noch während die Drucklegung dieses Aufsatzes im Gange<br />
war, erreichte mich die Nachricht, daß in diesem Jahre 1954<br />
ein bei einem Gartenfund in Wimpfen festgestelltes Einkreuzerstück<br />
des Fürsten Friedrich Wilhelm v. Hohenz.-Hechingen<br />
aus dem Jahre 1707 vorgelegt wurde!<br />
H. Fassbender.<br />
Alte Gemeinderechnung von Jungingen<br />
von Casimir Bumiller<br />
1779/80: fl. kr.<br />
An dem Gieretztag dene Schuolkinder zolt<br />
—.48<br />
Den Wuocher Rinder einen Strickh<br />
—. 6<br />
Dem Grotzl von Ringingen vor 1000 Bretter negel zuom<br />
Krautt Thoill zolt<br />
3.—<br />
Weyn Steyer nocher Rottenburg zolt<br />
2.14<br />
Dem Briderle beim Hl. Kreutz und dem Meßner zuo<br />
Maria Zell zolt<br />
—.12<br />
Am Frohn Leichtnahmstag Herrn Pfarr Kirchensinger<br />
Kreutz und Fahnenfihrer und Vorgesetzten zolt 11.22<br />
Titl. Herrn Pfarr an der Himmelfahrt Christi und nocher<br />
Maria Zell zolt<br />
1.—<br />
Zuo Ringingen wegen dem Heyfeld mit dene Vorgesetzten<br />
verzehnt<br />
1.46<br />
Baptist Schuoller wegen dem Pferch Karren zuo machet<br />
und Boeden flickhen<br />
6.48<br />
Dem Schreiner darvon anzustreichen<br />
2.—<br />
Fortstrof wegen denen Hirthen zolt<br />
6.40<br />
Titl. Herrn Pfarr seyn Bresentgelt zolt<br />
2.—<br />
Wegen 6 Kreutz gingen zu sonst anna zolt<br />
2.—<br />
Friedrich Speidel vor 8 Feir Kibel zu flickhen zolt<br />
2.—<br />
Dem Stettemer under Hollstein von 8 Feier Kibel zu<br />
machen und kite zolt<br />
1.31<br />
Johannes Bumiller mit seynem Bericht an Herrn Hof<br />
rath geschickht wegen der ormohlschuoll<br />
Den 11 Deputierten wegen Weiler Hof zuo Hechingen<br />
gewesen zolt<br />
Dem Mesner Baum Ehl zolt<br />
Jackob Kollers son einen Arrestant auf Hechingen gefiert<br />
ihme zolt<br />
Sebastian Speidel soltz fir die wuocher Rinder zolt 5 Imi macht<br />
Dem Vogt seyn Worthgelt zolt wegen schreiben<br />
Den ohnschmettinger Brandsteyer zolt<br />
An dem Mihlstein fohrwerk zolt<br />
Dem Casimiry Riester aus eynem Pferd zolt an dem Umrith<br />
Wie die solldaten gestreifft haben 4 M. ihnen zolt<br />
Wie man das Jagen im Killer Hau gemacht Reitt Knecht<br />
und Jager C asper zolt<br />
Wie man die 9 Frohnen zur Stattkirchen ausgefahren und<br />
ohn geschlagen den Vorgesetzten zolt<br />
Dene Burger Meyster wie sie im friejohr mit dem Hirthen<br />
beym Forstamt geweßt zolt<br />
Johannes Bumiller zwey Mol beym Herrn Weg Enspektor<br />
geweßen wegen der Landstroß<br />
Johannes Bumiller Zwey mol beym Steglege geweßt<br />
Johannes Bumiller und der Schiz das Allmosen nocher<br />
Wilflingen ein gesammelt<br />
Wie man die Herner abgeschnitten denen Vorgesetzten<br />
und Hirthen ihren Lon zolt<br />
Dem Vogt und Johannes Riester auf den Heyfeld die<br />
Lochen eyngesehen<br />
Johannes Riester bey Herr Groß Bayer gewesen wegen<br />
dem Stein fihren<br />
Mehr beym Herrn Stattschreiber wegen dem Steinfihren<br />
er Johannes Riester gewesen<br />
Dem Toden grever seyn Warthgelt zolt<br />
Dem Schreiner von den Schuoll Tafflen zu flickhen zolt<br />
Dem Vogt Zwey mohl zu Hechingen auf der Kamer<br />
wegen dem Weiler Hof<br />
1782/83: fl.<br />
Am Gieretztag dem Schuoll Meister und schoull Kinder zolt<br />
Dem Sebastian Speidel vor zwey wuocher Rinder vor<br />
zwey Johr ging soltz zolt<br />
Der Heb muotter vor ihr ging zolt 17 Tag<br />
Vor die Gemeynd Jungingen Zins nocher Tibingen zolt<br />
An der Gemeyndsschuld auf Tibingen zolt<br />
Dem Jäger Carle wegen Deichel anweisen zolt<br />
Dem schuol Moister zolt wie man mit ihme abgerechnet<br />
und Trinkhgelt geben<br />
Dem Nicodemus Haißen 2 Kinder schuoll lon zolt —.24<br />
Wie man die Herner abgeschnitten 5 Man zolt 1.08<br />
Weyn steyer nochher Rottenburg zolt 2.14<br />
Titl. Herrn Pfarr wegen Esch Ritt und Corps Christi zolt 1.30<br />
An Corps Christi Vogt und Burger Moister, Kirchensenger<br />
creutz und fahnen fihrer zolt 9.26<br />
Vor die Gemevnd wegen einem Mihi stein zu der Killer<br />
Mille zolt 1-24<br />
Vor eynen Kaufbrief vom Weilet Hof zolt —.24<br />
Wie der Herr Hofrath hier gewesen und die schuoll ein<br />
gesehen denen Vorgesetzten gemeynds depentirten<br />
und schuoll Moister zolt 3.—<br />
Dem Herrn Statt Pfarr und Lehrei zolt 9.25<br />
Dem Herrn Pfarr wegen 9 Creutz geng zu santanna zolt 3.—<br />
Der Gemeynd Schlatt aus dem ./eiler wald und Kucheneckhern<br />
zolt Boden Zins 1-26<br />
Dem Vogt Matheis BOmilie vor der Cantzley geweßen<br />
wegen dem schuoll Moister ihme zolt —.37<br />
Dem Schuster wogen 14 Nechten zu pferchen in der Hagen<br />
wis zolt<br />
Dem Sebastia; Riester wegen Bilderstock an zu streichen zolt 1.—<br />
Dem Zimer Mon darvon zu machet zolt —.58<br />
Dem Sylvester Bumiller mit dem Beyremer Jäger zu<br />
Heching 0 — .15<br />
2.50<br />
—.24<br />
" geweßen wegen dem Lochenbeschrieb<br />
weg'_._ Weiller wald zoll —.30<br />
Dem Vogt I Drentz schuoller und M chioi lais mit denen<br />
schlattemer wegen dem Hunds Mehl in der Cantzley<br />
f —.15<br />
1.40<br />
4.—<br />
—.12<br />
1.19<br />
—.24<br />
—.48<br />
—.47<br />
—.50<br />
ew. — 44<br />
Friedrich Bosch vor schnidarbeit 1-19<br />
Leonzi Bösel vor StSWidäTbeit zolt 1-21<br />
Der Heb muottei ihr Warthgelt zolt 1.20<br />
Dem Hatschier Eberle und ein Soldat I Izapfel und Meßner<br />
vor Contingent wegen Streiffer zolt —.23<br />
Vor 54 Deichel zu bohren und zwei Deichelbohrer zu<br />
Hechingen abgeholt und wieder hinunter trogen<br />
lassen in allem Kostet 6.22<br />
Dem Vogt und Sylvester Bumiller zollt wie sie mit Georg<br />
Speidel wegen dem Weg an der Hl. Mithe zu Cantzley<br />
sind zitiert ^ordf . 32.—<br />
Wie man cie" 1 —.30<br />
—.31<br />
—,15<br />
—.30<br />
1.08<br />
—.35<br />
—.15<br />
—.15<br />
1.20<br />
—.52<br />
—.40<br />
. kr.<br />
—.50<br />
Weiler wald iiusgelo&iet 7.43<br />
Dem Jerg Speidel wegen 4 ift oh "Roden von seiner<br />
Hofstatt beym Weiler Hof zu einem Allmandweg<br />
zolt 2.37<br />
Dem Feldmesser vogt und Burger Meister zolt weil man<br />
einen Wtg vo 1 der Hof-Statt gemessen hat —.50<br />
Weil man auf lern Hinberg mit den Starzeimer ausge<br />
lochet 11°', vogt Burger Meister und Under genger<br />
sambt Jägerei n allem Kostet 3.06<br />
Mehr wieder auf Bremelherd gewesen wegen den Bahn<br />
Lochen wie die Herren vom Forstambt do gewesen<br />
vogt Under Genger und Eirger Meister ihnen zolt 1.04<br />
"ie man die Lehen richten geschitt 2.06<br />
WiS man in zwey Mohien zwey Hirsch ausgehauen denen<br />
Metzger zolt und in Allem Gekostet 1.27<br />
Der Vogt mit der Heb am zu Hechingcn gewesen wie<br />
man sie beoic hot ihne zolt —.35<br />
Dem Wanger Joseph ^cliuoller und Sebastian und Mareen<br />
Riester wie sie den Bronnen gelegt und Boden<br />
gemacht zolt —.57<br />
Vor ein Pferd Herrn Pfarr an dem Esch ritt zolt<br />
Wie man das Hagen Hey und Em 1 4.15<br />
;.. 4<br />
44.23<br />
2.11<br />
—.30<br />
1.30<br />
eingetan dene" Vorgesetzten<br />
und Johannes Kuonantz und Frantz<br />
Carle Speidel die einen Wagen umgekeit hot aufaufgericht<br />
zolt —.66<br />
Denen 3 Rotten wo dieses Johr Brunst gelaufen auf jeden<br />
"ni zolt 4 Kr. macht 4.—<br />
Dem Meßmer für Baum Ehl zollt —.24<br />
Summa die gantze Ausgab belauft Fl. 262.26 Kr.<br />
(Fortsetzung folgt.)
Jahrgans 1954 H Ö H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 61<br />
Zwischen Rottenburg und Tübingen erhebt sich der weithin<br />
sichtbare Wurmlinger Berg mit seinem uralten Kirchlein<br />
und dem Friedhof, die durch Ludwig Uhlands Gedicht „Droben<br />
stehet die Kapelle" berühmt geworden sind. Schon im 11.<br />
oder 12. Jahrhundert, so berichtet die Ueberlieferung, stiftete<br />
ein Graf (Anselm?) von Calw für sich und die Seinen hierher<br />
einen Jahrtag, dessen regelmäßige Feier das Kloster<br />
Kreuzlingen bei Konstanz zu überwachen und z;u finanzieren<br />
hatte, wofür ihm der Stifter den Kirchensatz dieser Wurmlinger<br />
Pfarrkirche und andere Einkünfte übertrug. (Der<br />
Kirchensatz umfaßte alle Einkünfte der Kirche und deren<br />
Pfründen.)<br />
Am Montag nach Allerseelen hatte sich der Kammerer des<br />
Landkapitels Tübingen-Wurmlingen auf den Berg zu verfügen,<br />
wo der Verwalter des genannten Klosters am Kirchhoftor<br />
bereits einen Wagen gespaltenen Brennholzes und<br />
einen Sack guter Holzkohlen, sowie einen geladenen Heuwagen<br />
und eine braun gebratene Gans bereit hielt. Die Gans<br />
bekam der Fuhrmann, der den Heuwagen gebracht. Ferner<br />
waren gerichtet: ein fetter Ochse von drei Jahren, ein Spanferkel,<br />
ein jähriges und ein zweijähriges Schwein, genügend<br />
Bier (vor einem, zwei und drei Jahren gesotten) Brot von<br />
Weizen-, Veesen- und Roggenmehl, und zwar je 3 Laibe im<br />
Werte von einem Schilling, sowie genügend Gänse und anderes<br />
für die Gäste. Ein gewandter Metzger und ein wohlunterrichteter<br />
Koch standen ebenfalls bereit.<br />
Nachdem der Kammerer alles genau geprüft, nahm er dem<br />
Verwalter des Abts von Kreuzlingen, dem Metzger, Koch und<br />
dem übrigen Gesinde den Eid ab, alles genau nach der Ordnung<br />
herzurichten und bei der Feier des Totenamts am folgenden<br />
Tag zu verwenden und nichts zu veruntreuen.<br />
Am Dienstag bei Sonnenaufgang zog dann der Dekan mit<br />
seinen Kapitelsherren samt übrigen Geistlichen von Tübingen<br />
und Rottenburg zu Pferd oder Fuß in schwarzen Kleidern<br />
und Kapuzen auf den Berg, jedoch bei Strafe eines Scheffels<br />
Weizen für jeden, der seine Kapuze daheim ließ, und zu spät<br />
oder (ohne Entschuldigung) gar nicht kam. Jeder durfte auch<br />
seinen Schatten, d. h. den Mesner oder Diener mit sich nehmen.<br />
Wenn einer zu Roß kam, so stand ihm eine neue Mulde,<br />
ein Viertel Haber und ein neuer Strick zu, die sein Diener<br />
nachher heimbefördern mochte.<br />
Wenn alles bereit war, traten die Geistlichen ohne Stiefel<br />
und Sporen, in ihre Kapuzen gehüllt, um die Tumba des<br />
Stifters (der vielleicht in der Krypta begraben lag) zum<br />
Beten der Psalmen der Vigil. Der Dekan zelebrierte das Totenamt,<br />
die Kapitular gingen zum Opfer und lasen einige<br />
stille Messen. Einer verlas laut den» versammelten Volk die<br />
Der Wurmlinger Jahrtag<br />
Namen des Stifters sowie seiner Gemahlin und Kinder. Endlich<br />
wurde die Vesper mit dem Placebo und den Collecten<br />
gesungen, darauf das Testament des Stifters verlesen und<br />
schließlich öffentlich umgefragt, ob alles den Vorschriften<br />
gemäß begangen worden sei.<br />
War dies bejaht, so lädt der Kammerer die Geistlichen und<br />
übrigen Teilnehmer am Wäldchen unten, wo der Wind nicht<br />
so pfiff, zum Mahle ein. Während die hochwürdigen Herren<br />
sich in Bescheidenheit um die untersten Plätze an der aufgeschlagenen<br />
Tafel stritten, breitete er unweit davon die<br />
Haut des geschlachteten Ochsen aus und hieß die Armen und<br />
Bresthaften sich herum lagern. Dann schnitt er den Kapitularen<br />
und Gästen einen Laib Weißbrot vor und empfing<br />
von jedem eine Gabe, einen Pfennig oder mehr, die er aber<br />
gleich den armen Leuten beim Ochsenfell austeilte. Dreierlei<br />
Brot wurde von den Dienern aufgesetzt, allgemein das Tischgebet<br />
gesprochen und dann mit den drei gebratenen Sauköpfen<br />
der Anfang des Mahles gemacht. Es folgten Gänse,<br />
Hühner, Fische, Rindsbraten, Wurst, Käse, Kuchen, Trauben<br />
von der Neckarhalde, Nüsse, Aepfel, Birnen nacheinander,<br />
und die überreichen Reste samt Suppe, Fleisch und Bier<br />
wurde unter die Armen verteilt. Lediglich die gebratene<br />
Gans und in ihr ein gebratenes Hühnchen und in dem Hühnchen<br />
eine Wurst behielt jeder Gast für sich und mochte es<br />
wohl auch heimnehmen. Nach dem Essen folgte das allgemeine<br />
Dankgebet. Wieder wurde gefragt, ob alles richtig ausgeführt<br />
sei und auf das gemeinsame Ja erklärte der Dekan<br />
dem Stellvertreter des Abts von Kreuzlingen, daß er seiner<br />
Pflicht Genüge getan habe.<br />
Würde aber je die Stiftung nicht erfüllt werden, so sollten<br />
fallen alle ihre Einkünfte dem ältesten Besitzer der Burg<br />
Calw zu, der dann zu Pferd herkommen und in den Steigbügeln<br />
stehend einen Goldgulden über den Kirchturm werfen<br />
und in Zukunft für die Vollziehung der Stiftung nach eigenem<br />
Gutdünken sorgen möge.<br />
Der Stiftungsbrief dieser merkwürdigen Totenfeier ist zwar<br />
nicht mehr vorhanden, aber eine von Zeugen bestätigte Nachricht<br />
vom Jahre 1348 macht die Sache unzweifelhaft. Zur<br />
Zeit der Glaubensänderung in Württemberg 1534 wurde er<br />
noch gehalten, nur verwendete man damals dreierlei Wein<br />
statt Bier. Der lutherisch gewordene Pfarrer von Derendingen<br />
(Jak. Hegner von Ringingen) mit andern wollten sogar<br />
noch am Schmause teilnehmen, trotzdem sie keine Messe<br />
mehr lasen. In weit bescheidenerem Maße fanden sich einst<br />
auch anderwärts ähnliche Jahrtagsfeiern mit mehreren Geistlichen,<br />
einem Imbiß und Gaben an die Armen. (Nach Freibg.<br />
Diöz. Arch. Bd. 9, S. 301—303 und Note S. 267).<br />
Johannes A. Kraus.<br />
Vergleich über die Fronen in Kettenacker im Jahre 1751<br />
Als der minderjährige Marquard Carl Anton Speth im<br />
Jahre 1741 den Spei-h'schen Besitz übernahm und derselbe<br />
bis zur Volljährigkeit des Junkers von einer Vormundschaft<br />
verwaltet wurde, gab es in Kettenacker erhebliche Meinungsverschiedenheiten<br />
über den Umfang der Fronarbeiten.<br />
Strittig waren folgende Fronen:<br />
Die mgemessenen Reit-, Kutschenfronen, Befördern herrschaftlicher<br />
Bagage und Mobilien, die Weinfuhrfronen gegen<br />
Reichung vom Futter, Mahl, Stahl und Eisen; die Aufbereitung<br />
von 2 Klaftern Holz von jedem Tagwerker je Klafter zu<br />
6 Kr.; jährlich ein Tag in der Ernte von morgens bis abends<br />
6 Uhr zu schneiden; jedes zweite Jahr mit Hermentingen<br />
haben die Frauen zwei ha'be Tage Hanf zu liechen; jährlich<br />
sind 13 Mannsmahd Wiesen zu heuen, öhmden, dörren,<br />
auf- und abzuladen, auch heim in die Sennerei zu fahren;<br />
zur Residenzmahlmühle in Hettingen sind ungemessene<br />
Hand- und Mähnefronen zu leisten, ebenso sind sämtliche<br />
Baumaterialien zur Mühle auch aus der Fremde fronweise<br />
zu holen.<br />
Der aus Vertretern der Herrschaft und der Gemeinde<br />
Kettenacker bestehende Ausschuß legte für die Gemeinde<br />
Kettenacker am 19. Mai 1751 im Amtshaus in Gammertingen<br />
die Fronen folgendermaßen fest:<br />
Das Lustbergische Ackerfeld (Lusthof) mit Einschluß des<br />
mit Vesen angeblümten Stücks an der Wiese oben und unter<br />
der Egert, ungefähr 4 Jauchert und das umgerissene Stück<br />
langwegs an der Wiese am Kettenacker Weg 3 Jauchert sind<br />
in der Habersaat zu ackern, säen, eggen, brachen; einmal zu<br />
falgen, über Herbst zu säen und zu eggen. Die Herrschaft<br />
hat hierfür jeder ganzen Mlähne vor der Ernte 16 Pfund<br />
Fronbrot gegen Quittung zu reichen und folgenden 8 Einrößlern<br />
(Anton Schaden, Joseph Steinhart, Nikolaus Hanner,<br />
Felix Berner, Hansjerg Fauler, Michel Fauler, Christian<br />
Eisele, Iohann Schlaghauten) jedem 28 Kr., insgesamt 3 11 44<br />
Kr. zu geben und den Bauern und Tagwerkern 14 fl 25 Kr.<br />
an der Herbstrechnung als Frongeld abzuziehen. Das obenerwähnte<br />
Ackerfeld ist jederzeit zu schneiden und zu binden,<br />
die Garben sind auf- und abzuladen und auf den Lustberg<br />
zu fahren. Die Herrschaft hat den Schnittern morgens<br />
früh einen Haberbrei und eine Suppe, mü.ags Suppe und<br />
Milch, beide Male auf jeden Tisch mit 10 oder 11 Personen<br />
besetzten Tisch einen Laib Brot, jedem Wagen, der einführet<br />
(ob ein- oder mehrmal) 2 Pfund Brot, auf einen Karren 1<br />
Pfund Brot, den Schnittern abends mit Ausschluß des Essens<br />
jedem ein Pfund Brot ziui reichen. Die Tagwerker haben gegen<br />
Reichung des Morgen- und Mittagessens wie beim<br />
Schneiden, auch des Laibs Brot auf jeden Tisch, doch ohne<br />
Abendbrot mit Ausschluß der Bauern und Einrößler den<br />
Haber allein zu mähen. Beim Aufrechen und Binden haben<br />
letztere zu helfen. Die Bauern, Einrößler und Oechsier, die<br />
Haber einfahren, sind zum Aufrechen, Binden und Aufladen<br />
nich' verpflichtet; diese Arbeit ist von den Handfronern<br />
zu verrichten. Die Einfahrenden sind von Handfronen befreit;<br />
sie erhalten von einem mit einer ganzen Mähne bespannten<br />
Wagen 2 Pfund Brot, der Karren 1 Pfund. Die<br />
Handfroner bekommen morgens und abends je 1 Pfund Brot.<br />
Die Kettenacker haben von den Wiesen, die die Herrschaft<br />
auf ihre Kosten mähen lassen muß, Heu und Oehmd zu<br />
dörren und auf den Lustberg einzufahren. Der auf dem<br />
Lustberg erzeugte Dung ist fronweise auf die Wiesen und
62 H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T Jahrgan? 1954<br />
Aecker zu fahren, zu laden, spreiten und zu klopfen. Jeder<br />
Fuhrfroner (er fahre ein- oder mehrmal) und jedsr Handfroner<br />
bekommt täglich 2 Pfund Fronbrot. Der Baumeister<br />
auf dem Lustberg hat Kettenacker die Zeit, die Anzahl der<br />
Froner und Mähne, die zur Fron erforderlich sind, bekannt<br />
zu geben.<br />
Kettenacker ist dem aufgestellten Baumeister auf dem<br />
Ljustberg keine Fronen schuldig.<br />
Dem Junker muß Kettenacker noch folgende Fronen<br />
leisten:<br />
1.) Die Verfronung des Pfarrhofes mit Mähne und Hand.<br />
Handfroner erhalten hierbei morgens Haberbrei und Suppe,<br />
mittags Suppe und Knöpfle, abends Suppe und Milch und<br />
1 Pfund Brot oder nach herrschaftlichem Belieben statt Essen<br />
und Brot Vh Kr.; Mähnefroner bekommen für einen ganzen<br />
Tag 2 Pfund Brot und, wenn sie über Land fahren müssen,<br />
Futter, Mahl, Stahl und Eisen.<br />
2.) 40 Winter- und 40 Sommergarben sind unentgeltlich<br />
einzufahren; für die übrige Garbeneinfuhr wird je Fuder 40<br />
Kr. bezahlt und insgesamt 3 Malter Haber. Die gedroschenen<br />
Früchte sind in der Fron nach Gammertingen zu fahren;<br />
für jede Mähne werden 2 Pfund Brot gereicht, für 1 Karren<br />
1 Pfund.<br />
3.) Die ungemessenen Fronen für Wachen bei Malefikanten<br />
sind unentgeltlich.<br />
4.) Ungemessene Jagdfronen sind ziui leisten (mit Ausnahme<br />
der Lerchenfangfron). Das Wildbret ist in der Fron<br />
nach Gammertingen zu bringen.<br />
5.) Kettenacker muß Jagdhunde halten.<br />
6.) Ungemessene Fronbotengänge in alle Speth'schen Ortschaften<br />
gegen 1 Pfund Fronbrot.<br />
7.) Beamte für Gemeinde- und Bürgergeschäfte sind in der<br />
Fron zu holen.<br />
8.) Die der Herrschaft gehörigen Rüben in Kettenacker<br />
sind in der Fron nach Gammertingen zu fahren. Hierfür<br />
gibt die Herrschaft das Fronbrot wie in Punkt 2.<br />
Die eingangs in 7 Punkten erwähnten Fronen brauchen,<br />
solange dieser Vergleich in Kraft bleibt, nicht mehr verrichtet<br />
werden. Dieser Vergleich hat Gültigkeit, bis Baron<br />
Marquard Carl Anton volljährig wird.<br />
<strong>Heimat</strong>literatur<br />
Das Freiburger Diözesanarchiv, die Zeitschrift des kirchengeschichtlicnen<br />
Verein?, ist im 73 Jahrgang (1953) jetzt<br />
erschienen. Neben den Arbeiten über eine Allensbacher Kapelle,<br />
Liturgisches Leben in Murbach. Wessenbergs Briefe,<br />
interessiert vor allem der Aufsatz „Bild und Bildstock in<br />
der Flurnamengebung" von E. Schneider, ferner der umfangreiche<br />
Bericnt aus den Visitationsakten des ehm. K a -<br />
pite's Trochtelfingen 1574—1709 (S. 171 ist leider<br />
die Jahrzahi 1651 verkehrt gedruckt als 1615!), dann eine<br />
Abhandlung Iber die Alt-Beuroner Klosterbibliothek,<br />
über die Anfänge des Bistums Konstanz und<br />
aer Schluß der schon länger erscheinenden Investiturprotokolle<br />
der Diözese Konstanz bis 1500, hier die Buchstaben<br />
Schw—Z. Nächstes Jahr soll dazu noch ein Personenregister<br />
kommen. Trotz aller Umsicht des Herausgebers M. Krebs<br />
haben sich einige Irrtümer eingeschlichen: S. 817 Z. 4 v. u.<br />
fehlt der Name Lukas Kröul. S. 819 gehört die Angabe von<br />
Stetten D. Stuttg. richtig nach Stetten u. Holst., wo Friedrich<br />
Schenk als Kaplan nachzuweisen und im Jahr 1304 der<br />
dort igegebene Altar gestiftet wurde. S. 1013: Zaiselhausen<br />
ist nicht abgegangen, sondern identisch mit Hausen an der<br />
Laudiert (Hohenzoll. <strong>Heimat</strong> 1954 S. 37). S. 708 gehört der<br />
Eintrag vom 13. Jan. 1463 nach Ringingen bei Blaubeuren.<br />
Die Zeitschrift für Württbg. Landesgeschichte, 12. Jahrg.<br />
>953, II. Teil, ist wichtig wegen der umfangreichen Bücherbesprei/.ung<br />
und wegen eines Aufsatzes von Elis. Nau über<br />
die Währungsverhältnisse am oberen Neckar 1180—1330 (Tübinger<br />
und Kottweiler Pfennige, Häller und dem Fundeverzeichnis.<br />
Erwähnt wird ein Fund an einem unbekannten<br />
hohenzollerischen Ort 1858 (viele Hundert Münzen) wobei<br />
Hechingen oder Ringingen infrage kommen. Eigentlich müßte<br />
die Ueberlieferung doch noch darüber ziemlich wach sein!<br />
Früher erschienene Nummern der „Hohem.<br />
<strong>Heimat</strong>" können nachgeliefert werden,<br />
per Stück 30 Pfg.<br />
D' Ladaglocka<br />
Auszug aus den Ratsprotokollen der Stadt Sigm; ngen. 27. April<br />
1754. „Weiteres haltet Johann Alseits bittlich um ein Ladoenglöckchen<br />
an. Ebenfalls auch Herr Saurer, item Bürgermeister (Johann<br />
Georg) Fr._:':n und Wunibald Schmid.<br />
Bescheid: Weilen sie bedürftig seien, also soll jedem eine Glock<br />
vergönnet sein."<br />
Bei Frick's ist heut a großes Fest<br />
do kommet viel Verwandte,<br />
und kommet sonst no viele Leut,<br />
viel Freunde und Bekannte.<br />
Dr Max Frick hot Geburtstag heut,<br />
denn der ist, des ist wohr,<br />
wenn du es au it glaube Witt,<br />
doch ganze 80 oh'<br />
Die meiste Zeit von dena Johr<br />
stoht'r im Lada drinna,<br />
hot Stoff und Kloidr do verkauft<br />
und Seide und au Linna.<br />
Dann dut'r von r Lotterie<br />
Au seile Los verkaufa.<br />
Doch wenn du moist, du gwimrst amol,<br />
do kannst bei Gott lang laufa.<br />
Und weil er viel im Lada war<br />
In dena 80 Jahr,<br />
Do hant mir heut im Lada drin<br />
Halt no an Jubilar.<br />
Es sind nämlich gerade jetzt<br />
200 Johr verganga,<br />
seit bei dr Firma Frick im Gschäft<br />
a Ladaglock tut hanga.<br />
So ka rr reut no lesa,<br />
im Stadtratspro _ koll,<br />
Und i seh gar it ei, warum<br />
ma deer it ira soll.<br />
Wenn d'Ladaglocka an dr Tür<br />
Im Tag gar oft tu laufa,<br />
freut sich dr K lfmamn, denn die Leut,<br />
dia tant im Lada - :ai a.<br />
Se kaufet in dem Lada ei,<br />
was es det alles geit:<br />
an NahruiiJ und an Kleidung au<br />
für alt und junge Leut.<br />
Kaum ist des Gschäft am Morga auf<br />
Schau noch am Kirchagau,<br />
— dr Hans Jerg Frick trinkt no Kaffee —<br />
do bimmblets s.Glöckle schau.<br />
D' Frau Nochbere, dia holt a Salz,<br />
Er tut viereinhalb verlange;<br />
dr Stadtrat schimpft zwar, denn dofür<br />
Tätet viel Kreuzer langa.<br />
Jetzt sch.ägt bedächtig s' Glöckle a,<br />
Herein kommt, ei do ,ehau,<br />
Dr M er, weit ist er bekannt,<br />
Dr M" niad ,-or dr Au.<br />
Hans Geo ; Frick begrüßt ihn senr,<br />
Wünscht ihm an guta Tag<br />
Und bietet, weil es halt so Brauch<br />
Ihrr. a an Schnupftabak.<br />
„I möcht a Färb hau, it so hell",<br />
Sait do dr Meinrad au,<br />
„A wengle rot, a wengle gel<br />
Und au a wengle blau".<br />
Bald läutet's wieder, doch s'ischt bloß<br />
dr Fr •'., der's läuta lost;<br />
Der gol. ,.iol sehnt vor d'Ladatür,<br />
ienn 'erfahra tut d'Post.<br />
Jetzt könnt a Mädle, holt a Band<br />
für ihre neue Röck.<br />
r - kauft an Puder für Perück,<br />
am Bua an Bäradreck.<br />
Und immer kHng des Glöckle laut,<br />
des an dr Tür det hanget,<br />
/er. Kunda kommet ins Geschäft<br />
Und " "=nr se wieder ganget.<br />
S'ist Freitag, drum kommt schnell daher<br />
vom Lehle s'äll Mädle,<br />
und holet Stockfisch und se schwätzt,<br />
Des Maul goht wia am Rädle.<br />
Weil m i-ga ist Fidelistag<br />
do schickt dr Pfarrer her,<br />
lost hola no an Weihrauch<br />
So um a Pfund rum schwer.<br />
Beim Hans Jerg Frick, beim Franz Xaver,<br />
beim Hans ^rg, sein n Sohn,<br />
beim Benedil-,, leim Alex au,<br />
Des Glöckle f 'bt sein Ton.<br />
Des Glöckle klingt am Karlsplatz dann<br />
Seit über 50 Jahren;<br />
ob s' C'"ihäft mol gut ging oder schlecht,<br />
Des GlücJ-.ie hots erfahren.<br />
Des Glöckle läutet jeden Tag,<br />
200 Joh" nds her.<br />
Des Gschäft wird r»r< , an Stock könnt nauf,<br />
'¡„-3 Glöckle läutet weiter.<br />
Mähe Tiol do klingt des Glöckle au,<br />
dr I tax Fric^ -jringt schnell naus,<br />
Und guckt in d'Sonna, daß er nießt,<br />
noch s Vetteret jedes Haus.<br />
Und als 9 Johr lang fremde Leut<br />
Im Lada drin sind gstanda,<br />
dia Ladaglocka an dr Tür<br />
Hot au des überstanda.<br />
Jetzt 1 an e anara Ladatür:<br />
dr Max T 'rick sait, o luget,<br />
Dia Tür aia kön" it schör^r sei,<br />
des gibts it mol in Stuagert.<br />
Drum wella mr an diesem Tag<br />
ans Ladaglöckle denka<br />
i nd es dem heut'gen Jubilar<br />
Zu -Jim Geburtstag schenka.<br />
Die Firma Frick soll lange blühn,<br />
sie ka au nichts erleida,<br />
solang det an dr Ladatür<br />
des Glöckle oft tut läuta. Alex Frick.
Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 63<br />
Kurznachrichten<br />
Die Pfarrer von Killer<br />
Das Killertal verdankt seinen Namen nicht einem Bach<br />
(denn der heißt Starzel), sonderr dem ehemaligen Pfarrdorf<br />
Killer, dessen Name aus Kilchwiler •= 'tirchweiler zusammengezogen<br />
ist. Zu ihm gehörten die Talorte Hausen, Starzein,<br />
Killer und Jungingen, vermutlich _-:och mit Weiler ob<br />
Schlatt. Von den Pfarrern dieser kirchlichen Verwaltungseinheit<br />
kennen wir noch folgende mit Nar ;n:<br />
1.) H(einricus) Kaplan, genannt von Kilwilar 1256, vermutlich<br />
identisch mit dem piebanus oder Leutpriester H ei n -<br />
rieh, der 1262 genannt wird, und später Dekan war. 2.)<br />
Graf Rudolf von Zoller:i, 127, r (FDA I, 83). 3.) Albertus,<br />
vor 1300 Vizeplebanus in Kilwiler. 4.) Pfaff Konrad<br />
der Esel von Kilwiler, 17. März 1330. 5.) Wilhelm<br />
Rüeber um 1420, war vorher oder nachher Pfarrer<br />
in Erpfingen. 6.) Wilhelm Körninger 1431—49. 7.)<br />
Dietrich oder Theoderich Kümmerlin 1449 -63, wo<br />
er tot genannt wird. Am 5. Juni 1449 hatte er als „Erstfrüchte"<br />
seinem Bischof 35 Gulden zu zahlen (etwa der Wert<br />
von 7 Kühen). 8.) Berthold Schuler von Hechingen<br />
1463- -88 War als Pfarrer proklamiert am 29. 4. 63 und am<br />
10. Mai investiert auf Präsentation von Graf Jos Nikiaus<br />
von Zoliern, Schuler 1469—71 Dekan des Kapitels Trochtelfingen,<br />
zu dem das Killertal gehörte. Am 30. 7. 1471 erhielt<br />
ei Absenz auf 1 Jahr, ebemr. am 5. 8. 1480 und 7. 3 1482<br />
(Krebs, Invest. Protok. 441). 8a) Bis 1464 war als Frühmesser<br />
am St. Katharinenaltar zu Killer ein Johannes Kimmerlin<br />
(Kümmerlin), der in diesem Jahr nach Rangendingen<br />
ging. 8b) Ihm folgte am 28. 8. 1464 in Killer ein<br />
Michael Husner von Gärtringen, der am 12. 7. 1469<br />
Absenz auf 1 Jahr erhielt. 9.) Kaspar Schüler 1488<br />
bis 92 Pfarrer, zahlte am 14. August des erster Jahres als<br />
Erstfrüchte 22 Gulden, nachdem ihm die restlichen 13 fl<br />
nachgelassen waren. Kaspar erlangte am 18. 8. 88 auf 1<br />
Jahr Absenz, ebenso am 30. 1, 1493 bis Johannes Bapista.<br />
10.) Johannes Sattler (Sellatoris) von 1493 an. Er<br />
war seit i486 der erste Pfarrer der (von Killer getrennten)<br />
Pfarrei Hausen gewesen. 11.) Johannes Kern 1511 bis<br />
1531, wo er starb. Auch er war bisher, seit 1494, Pfarrer im<br />
nahen Hausen gewesen. (Angeblich sei er 1513 Pfarrer in<br />
Stein, vorübergehend?) 12.) Johannes Kempter von<br />
Ueberlingen, wurde am -3. Juni 1531 als Pfarrer von Killer<br />
proklamiert, blieb aber nicht lang. 13.) Mathis Lux,<br />
hier Pfarrer 1533—1542 und vielleicht länger. Er war um<br />
1515 Pfarrer in Gauselfingen gewesen. Im Jahre 1544 war,<br />
nach dem Hagenschen Lagerbuch zu schließen, die Pfarrei<br />
nicht mehr besetzt und gehört seitdem zu Hausen. Doch verkaufte<br />
1545 die Heiilgenpflege Killer ein Haus daselbst an<br />
(den alten?) Pfarrherrn Mathissen um 26 Pfund Heller.<br />
(Erzb. Aich. Freiburg und Seelbuch des Kap. Trochtelfingen.)<br />
J. Ad. Kraus.<br />
Aus Rangendingen. 1323, 1. Mär (Zinstag vor Mittfasten).<br />
Konrad der Stoiker von Rangendingen verkauft an Hermann<br />
von Aw, Herrn Marquarts Bruder von Aw (oder Ow),<br />
alle seine Güter zu Rangendingen um 15 Pfund Heiler. Doch<br />
behält er sich daraus gehenden jährliche Gilten vor, solang<br />
er lebt. Ausgenommen vom Verkauf sind für seine Tochter<br />
Sopnie dei Acker vor der Mühle, das Mühlländli in Größe<br />
von 2 Jauchert, der Acker auf den Malmen, der an den<br />
Burgacker grenzt, und das Ländli auf Benzenbach in Größe<br />
von 2 Jaucliert, ^erner 1 Jauchert auf Bühel und 1 Jauchert<br />
in Renntal, die Hirnwies und die Biunde bei dem Brunnen,<br />
alles Lthen des Grafen Rudolf von Hohenberg. Zeugen sind:<br />
Ritter Marquart von Aw, Johanne? von Salbadingen (Salmendinrjn),<br />
'er Hargendinger Kirchherr Marquard Pfinneblater,<br />
Dietrich der Mann, Stainmar der Mann und Konrad<br />
der Ms:jei von Bietenhausen. (Aus dem Archiv Hirrlingen,<br />
Sammeiband S. 217.) Fritz Staudacher.<br />
Weiler bei Mariazell? Nääi einer Notiz des 1743 Verstorbepen<br />
^ing-.r Pfarrers Joh. Jak. Schmid hat anno 1452<br />
Pfaff Heinrich H?uck von Rottweil den Grafen Ludwig<br />
und Eberhard von Württemberg all sein Recht an der Vogtei<br />
unc' dem Gericht is Dorfes Weiler bei Marienzell,<br />
welches die Hälfte laselbst umfaßte, um 20 rh. Gulden<br />
verkaufl Schwerlich Weiler hinter Zollern, eher in der<br />
Rottweiler Gegend? (Württbg. Landesbibliothek cod. hist.<br />
fol. 757.) Krs.<br />
Von :r Firma ßaruch und Söhne in Hechingen erfolgte<br />
(1854) die Aufstellung der ersten Dampfmaschine in Hohenzollern.<br />
Auf unbekannten Reichenauer Besitz zu Bisingen ums J. 1200<br />
erstmals hingewiesen zu haben ist das Verdienst von Dr.<br />
Hans Jänichen in Reutlingen-Sondeifingen. Und zwar scheint<br />
es sich um die Aufzählung von einer Reihe Eigenleute mit<br />
bedeutenden Gütern zu handeln, die in dem „ V e r b r ü d erungsbuch"<br />
des Inselklosters eingeschoben ist. Dieser „Liber<br />
confraternitatis" ist in der Reihe der Monumenta Germaniae<br />
längst im Druck erschienen aber der Herausgeber<br />
Piper hat den Eintrag irrig auf Biesingen bei Donaueschingen<br />
bezogen, das doch in alter Zeit immer Boasinheim hieß, also<br />
gar nicht infrage kommen kann. Da überdies ein Mann von<br />
Steinhofen unter den Namen vorkommt, dürfte an der Zugehörigkeit<br />
zu unserem Bisingen bei Hechingen nicht zu zweifeln<br />
sein. Hoffentlich kann der Entdecker seinen Fund bald<br />
den <strong>Heimat</strong>freunden vorlegen und erläutern. Auf alle Fälle<br />
sei hier schon darauf hingewiesen, da der Bearbeiter des<br />
neuen Bisinger <strong>Heimat</strong>buchs die Sache noch nicht erwähnt. Kr.<br />
Klage der Gemeinde Beuren gegen den Pfarrer von Hechingen,<br />
beim Bischof. Durchlauchtigster Fürst, Gnädigster Fürst<br />
und Herr, Herr, daß bei Euer hochfürstlichen Durchlaucht<br />
wir untertänigst klagend einkommen, treibt uns die höchste<br />
Necessität (Notwendigkeit). Es hat Herr Pfarrer zu Hech'igen<br />
nit allein den Heu-, Blut- ind Kleinzehnten, so jährlich<br />
ein namhaftes ertraget, sondern auch andere pfärrüche<br />
Genüß von uns Untertanen zu Beuren einzunehmen und zu<br />
erheben. Dabei aber solle er verpflichtet sein, was seine<br />
Vorgänger fleißig beobachten, alle 14 Tage einen Kaplan zu<br />
uns herauf schicken, der den Gottesdienst uni die Kinder -<br />
lehr haltet und versieht. Da aber solches eine Zeit lang liederlich<br />
und bisweilen gar nicht beschehen, hingegen bei uns<br />
nunmehr der Kinder und Leut viel sind, die in den Glaubensartikeln<br />
schlecht unterlichtet und hierdurch des Gottesdienstes<br />
beraubt, zumal auch viele hl. Massen zurückbleiben.<br />
Also ist an Ew Hochfürstliche Durchlaucht unser untertänigste<br />
und fußfällig*: Bitte, diesorts gnädigst abzuhelfen<br />
und Verfügung zu tun, daß der alten Ordnung nach der<br />
Gottesdienst wieder zu des Allerhöchsten Ehr und des Menschen<br />
Jfferbaulichkeit be uns gehalten und vollbracht möcht<br />
wercien. Diese hohe fürstliche Gnad wird Gott der allmächtige<br />
erkennen, wir aber durch unser aligemeines Gebet untertäniges<br />
abverdienen. Ewer hochiürstlichen Durchlaucht<br />
unte-tänigst getreue und gehormsambste Untertanen, Vogt,<br />
Gericht und ganze Gemeind des Dorfes Beuren. Datum 29.<br />
August 1699. Kr.<br />
Weilerkapelle ob Schlatt wurde nicht, wie in Hohz. Heinai<br />
lfei S. 47 angegeben, im Jahre 1810, sondern schon im<br />
'September 1806 abgebrochen, worauf mich in frdl. Weise C.<br />
Bumiller-Jungingen aufmerksam macht. Er fand in Aufzeichnungen<br />
eines Urgroßvaters, des Lehrers Christian 3umiller,<br />
am 10. September 1806 den Eintrag, daß ihm an diesem<br />
Tag beim Abbruch des Weiler-Kirchels ein<br />
„Gsparren" am rechten Fuß das obere Schenkelbein abgeschlagen<br />
habe. Kr.<br />
An das<br />
Postamt
64 H O H E N Z O L L E HI S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />
Sachregister des Jahrganges 1954<br />
Alemannen-unsere Vorfahren 5 Heesingen, Bürgergarde 23 Owingen-Fuchsfeiertag 13 u. 27<br />
Am; ilatt-Flurname-Rangendingen 15 Hechingen-Hl. Aurelius 32 Papi" -fabrik-K »ige \igen 8<br />
Annakapelle Jungnau 16 He .gk juzkirche 64 Po.'tkut^ .lienzcit i. Hohenzollern 53<br />
Aurelius-Fest in Zwiefalten 64 Heiligenzimmern-Tannbach 15 Rangendingen-Kaufvertrag 63<br />
Bader-Ann-Veringenstadt 52 Hermann der Lahme 33 Ringingen 1714 41<br />
Banwart Jakob, Musikus 47 Hermannsdorf c0 Ringinger Alemannenfriedhof 46<br />
Beuren-Pfarrdienste 63 Hohenjungingen 39 Hm • i - ;en-Anna v. Freiberg 14<br />
Beuren, Pfarr-Rechte u. -pflichten 16 Höhlen und Höhlenbildung der Alb 4 Rudolf von Sigmaringen 16<br />
Bisingen-Reichenauer Besitz 63 Hungersnot 1816/17 (Ebingen) 37 Schlatt-Pfarrliste 32<br />
Bisingen-Steinhofen-<strong>Heimat</strong>buch 32 Huntare 32 Schneeglöckchen 19<br />
Bodenloser See 1 Jungingens Fahne 48 Sebastianskapelle-Hettingen 47<br />
Burgenkunde 43 Jungingen-Feldkreuze-B ildstöcke 13 ! ¿maringen-Flurnanen 56<br />
urladingen-Grabfunde 43 Jung] gen-Gemeinderechnung 60 Sigmaringen-Lindenbaum 35<br />
Burladingen-Kinderbüechle 32 Jungingen-Sylvesterabend 6 Sommerwetter 1903 47<br />
Burg Stßuffenberg 57 Jungingen z. Zt. d. franz. Revolution 24 u. 40 St. Annakirche-Haigerloch 55<br />
Collegiatstift-Hechingen 44 Kai ;tseen-Karstbäche 1 u 17 St. Anna-Haigerloch. A. u. N. Testame.it 23<br />
Dekanats-Entstehung 16 Kettenacker-Frondienste 61 Steinfuhre Bernstein-Zwiefalten 31<br />
Ebingen-Chronik 1771 32 Killertal-Hausierhandel 32 Stetten b. Haigerloch-Brauchtum 21<br />
Ehr, latz-Erschatz 48 Killer-Pfarrerliste 63 Straliberg-Pfarrei 15<br />
Eineck-Ringelstein 16 Kleidung der Geistlichen 64 Stube-Wortdeutung 47<br />
Eremit-Taberwasen 64 Klosterchronik-Inzigkofen Bauernkrieg 5 Südwesten, der deutsche, v. Bader 16<br />
Falschmünzerei-Hechingen 9 Konversen-Kloster Wald 43<br />
Tailfingen-<strong>Heimat</strong>buch 48<br />
Fehla und Starzel-Wanderung 20 Ladenglocke-Frick ¿2 Teufel und Ziegenbock 54<br />
Frank Reinhold 36 Landesherrschaft d. Graf. v. Zollern (Heim) 48 Trochtelfingen Steuerverkauf 47<br />
Freiburger Diözesanarchiv 1953 62 Lehnswesen 23 Veringen-Petruskapelle 48<br />
Gammertingen-Gräberfunde 31 Lenau-Der Postillion 13 Volkstrachten 7<br />
Gebele von Waldstein 47 Lettenkohlenformation 34 Wappen-Stetten u. Holstein 48<br />
Geldsorten 1759 46 Märchen vom Fehlatal 3 Wässerwiesen auf der Alb 22<br />
Gipskeuperlandschaft 49 Medaillen (religiöse in Hohenzollern) 45 Weggenmann-Meinrad v. Au 15<br />
Glocke von Killer 54 Melchingen-Kirc± —lbau 10 Weiler bei Mariazell 63<br />
Grosselfingen-Rausegarten 19 Michaelskapelle-Zollerburg 64 Weilerkapelle-Schlatt 63<br />
Haigerloch-Niederburg 31 Missionshaus Haigerloch 38 Wurmlinrer Jahrtag 6i<br />
Hausen a. A. aeisbach-Flurnamen 11 U. 26 Oberämter Hohenzolierns 1Ö54 15 Zell-Orte 64<br />
Hausen a. d. Laudiert, kath. Pfarrer 31 Oefen in der Bauernstube 2 Zollerisches Geld 58<br />
Zum Entstehen der Zell-Orte bietet die Gemeinde Heiligenzell<br />
(A. Lahr in Baden) ein zwar spätes, aber doch bemerkenswertes<br />
Beispiel. Ein Berthold von Uttenheim, Keller<br />
des Kl. Schuttern, stiftete im Jahre 1313 unter dem Patronat<br />
des Klosters eine Pfründe und erbaute zugleich für sie zu<br />
Ehren des hl. Georg in den Freihof des Klosters zu Hückersweiler<br />
eine Kapelle, wo 1404 ein Kaplan angestellt war. Im<br />
Jahre 1367 taucht dann erstmals der Name Heiligenzell auf<br />
und 1492 heißt es: „der frie hoff genannt Heiligenzelle gelegen<br />
in dem dorfe Ruokerswiler". Letzterer Name wurde<br />
seit Anfang des 16. Jahrhunderts völlig von 1 Heiligenzell verdrängt,<br />
das 1942 Pfarrei wurde. Die Heilige Zelle ist das<br />
Kirchlein, nicht die Wohnung des Kaplans! Die Zell-Orte<br />
brauchen also keineswegs einsame Mönchszellen zu sein!<br />
Graf Liuthold von Achalm redet in einer Schenkungsurkunde<br />
an Zwiefalten von diesem als cella sanctae Mariae Zwifildae<br />
und meint zweifellos die Kirche. Dies war 1097. Das<br />
gleiche Bild ergibt sich aus den Notizen des Kl. St. Georgen:<br />
cella st, Georgii und Sankt Märgen als cella st. Mariae. Aus<br />
dem 9. Jahrhundert dagegen nennt Ahlhaus (Landdekanate<br />
des Bistums Konstanz S. 17) eine ganze Anzahl Zell-Orte, die<br />
zweifellos den Namen des Gründers als nähere Bestimmung<br />
tragen. K.<br />
BESTELL-SCHEIN<br />
zum Bezug der „<strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Heimat</strong>"<br />
Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug durch<br />
die Post Stück „<strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong>", Verlagspostamt<br />
Gammertingen, zum halbjährigen Bezugspreis<br />
von 60 Pfennig.<br />
Vor- und Zuname<br />
Genaue Anschrift<br />
Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bezw. Nachbestellungen<br />
der nächsten Poststelle aufzugeben. Um deutliche<br />
Schrift wird gebeten.<br />
Michaelskapelle Burg Hohenzollern. Beim Abbruch des Altars<br />
in der Michaelskapelle i. J. 1823 fand man folgende<br />
Weiheuirkunde: Im Jahre des Herrn 1461, am vorletzten T~ g<br />
des Monats September, also am Tage des hl. Erzengels<br />
Michael, ist dieser Altar geweiht worden vom hochw. Herrn<br />
Johannes Bischof von Crisopolis vom Orden des hl. Franziskus,<br />
und zwar zur Ehre der seligsten Jungfrau Maria,<br />
des hl. Michael, der hl. drei Könige und des Ritters Georg.<br />
Kr.<br />
Heiligkreuzkirchlein. Am 6. September 1655 hat Weihbischof<br />
Georg Sigismund von Konstanz das Kirchlein Heiligkreuz<br />
mit seinen 2 Altären neu geweiht, den einen zum hl.<br />
Kreuz und Petrus und Paulus, den andern zur Ehre des Abtes<br />
Bernhard, Papst Marzellus, Bischof Erhard und 1er<br />
Märtyrer Procus und Fortunatus. Auch 2 Glocken wurden<br />
geweiht, die eine zu Johannes und Paulus, die andere zu<br />
Petrus und Paulus.<br />
Fürst Josef Friedrich von Hohenzollern-Sigmaringen hat<br />
am 22. Oktober 1752, dem Fest des Hl. Aurelius im Zwiefalter<br />
Münster in eigener Person ministriert, und als man<br />
ihm 2 Polster ninlegte, damit er an den Altarstufen weicher<br />
knie, hat „seine Durchlaucht solche selbsten zur Seite getan<br />
und ist wie ein gewöhnlicher Ministrant auf den Boden<br />
hingekniet" B. Schurr, Das alte und neue Münster Zwiefalten<br />
S. 218.).<br />
Von der Kleidung der Geistlichen im Dekanat Haigerloch<br />
heißt es 1709: Das Kleid der Geistlichen ist mannigfaltig<br />
(varius) oder merkwürdig. Sie tragen viel zu kurze Röcke<br />
(wohl Soutanellen). Viele haben auch nach Art der Bischöfe<br />
Kreuze und ähnliche Zeichen an Ketten um aen Hals hängen.<br />
Allgemein sind Fußschnallen (Schuhschn- ^n, wohl<br />
aus Silber) und Knieband beim Klerus. Der Vikar von<br />
Mühringen will einige eigene Predigten über die hl. K u! -<br />
m e r a n a im Druck erscheinen lassen, wie er auch schon<br />
einige Litaneien in Augsburg drucken ließ. (Visit. Dek. Haigerloch,<br />
Erzb. Arch. Ha. 67).<br />
Als Eremit aus Trochtelfingen wohnte im Jahre IVOS der<br />
Frater Michael A1 b e r auf dem Taberwasen bei De*tensee.<br />
Er zählte damals 39 Jahre und war seit 13 Jahren<br />
Eremit. Eingekleidet hatte man ihn einst in Türren (Düren?)<br />
bei Köln, wo er die drei Gelübde ablegte. Von Bor E zwar<br />
Gärtner, konnte er „mit Wachs bossieren und mit Krippeliwahr<br />
umbgehen". Vom Bischof hatte er keine Erlaubnis,<br />
seine Klause zu bewohnen, sagte aber, sie liege beim Dek n<br />
selig in Binsdorf, wo man sie verlegt habe. Ueber seine<br />
Sakristei bei der Kapelle hinaus ist er voll beschaffet. Zr<br />
beichtete laut einiger Zeugnisse alle 14 Tage. Zum Eremitorium<br />
oder zur Zelle kämen viele Männer und Frauen, die<br />
der Dekan nicht oft genug visitiere. Alber konnte weder<br />
lesen noch schreiben. Er war auch sein eigener Koch und<br />
daher viel behindert (Visitationsakten im Erzb. Archiv Ha<br />
67, Dek. Haigerloch).