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Hohenzollerische Heimat - Hohenzollerischer Geschichtsverein

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<strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />

Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />

in Verbindung mit<br />

Schriftleitung:<br />

Josef Wiest, Gammertingen<br />

Preis halbjährlich 0.60 DM<br />

Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />

der hohenz. Lehrerschaft<br />

Druck:<br />

Buchdruckerei S. Acker, Gammertingen<br />

Nummer 1 Gammertingen, Januar 1954 I 4. Jahrgang<br />

?um T7euiat)r 1954: Jn (Ütottes Hamm fahren tuir,<br />

auf feine Tköftung ¿offen toir.<br />


2 HO II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

Man spricht heute so viel von <strong>Heimat</strong>tagen, von innerem<br />

Erleben der <strong>Heimat</strong>. Ein <strong>Heimat</strong>abend am „Bodenlosen See",<br />

bei dem Goethes „Fischer", Lenaus „Auf dem Teich", Annette<br />

von Droste-Hülshoffs „Weiher" und ähnliche Gedichte<br />

mit feinem Empfinden vorgetragen werden, ergänzt durch<br />

Vorlesung von Maria Flads kleiner Erzählung und umrahmt<br />

von einigen stimmungsvollen Liedern, wäre sicher für manchen<br />

ein Erlebnis von tiefem Eindruck und eine bleibende<br />

Erinnerung an die schöne <strong>Heimat</strong>, zugleich aber auch ein<br />

wertvolles Beispiel für die kostbaren Schätze, die in der <strong>Heimat</strong>landschaft<br />

auch nach der gemütvollen Seite hin stecken.<br />

Sie müssen nur mit Liebe und Verständnis von kundiger<br />

Seite gehoben werden.<br />

Fast will es uns nach diesen Ausführungen trocken und<br />

nüchtern erscheinen, wenn wir noch einige sachlichen Angaben<br />

hinzufügen. Zunächst sei bemerkt, daß es eine kleine<br />

Uebertreibung ist, die aber auch bei anderen Seen vorkommt,<br />

wenn der See als bodenlos bezeichnet wird. Bürgermeister<br />

Lugebühl hat seine Tiefe vor zwei Jahrzehnten zu ergründen<br />

versucht, indem er ihn während des Winters, als er eine Eisdecke<br />

trug, mit Stangen auslotete und dabei Tiefen bis zu<br />

neun Metern feststellte. Er ist also etwas tiefer als dir Tteiligengrub<br />

beim Kremensee und kommt dieser an Wasserfläche<br />

etwa gleich, wenn sie ihren höchsten Wasserstand<br />

hat, aber sein Wasserstand ist keinen großen Schwankungen<br />

unterworfen. Der Bodenlose See liegt 530 m über dem Meeresspiegel,<br />

während die Heiligengrub eine Meereshöhe von<br />

482 m hat. Beide liegen in den gleichen geologischen Schichten.<br />

Diese fallen also vom Bodenlosen See bis zur Heiligengrub<br />

um 48 m. Dieses Gefälle entspricht im allgemeinen dem<br />

Einfallen der geologischen Schichten in der Richtung von<br />

Nordwesten nach Südosten. Es verteilt sich in der Luftlinie<br />

auf 8V2 Kilometer. Die Verbindungslinie von beiden Seen<br />

geht über Bad Imnau, und zwar liegt der Bodenlose See in<br />

der Luftlinie 5 km westlich und die Heiligengrub 3V2 km<br />

östlich vom Bad Imnau entfernt, so daß die Badegäste leicht<br />

beide Seen besuchen können.<br />

Von den altmodischen Ofen in der Bauernstube<br />

Mit besonderer Berücksichtigung Straßbergs<br />

Von Nikolaus M a i e r, Dekan<br />

In dieser kalten Jahreszeit ziemt es sich, daß die Leser<br />

der <strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Heimat</strong> demjenigen Gegenstand in der<br />

Stube einmal ihre Aufmerksamkeit etwas zuwenden, der die<br />

behagliche Wärme ausstrahlt, dem Ofen.<br />

diese Zeilen dem gußeisernen Ofen.<br />

Und zwar gelten<br />

In der Bauernstube ist er oft ein Erbstück aus alter Zeit,<br />

meistens leider das einzige- Alles haben die „Kunsthändler""<br />

den Bauern abgeschwätzt: dit alten Statuen aus der Tischecke,<br />

und die Unterglasbilder (wenn sie nicht noch hinter dem<br />

„Trog" (Truhe) in der Kammer vt borgen und vergessen<br />

liegen) und das alte Porzellangeschirr aus dem „Stubenkasten"<br />

und die Zinnteller, ja seibst die Uhr und der schöngeschmjpuete<br />

Pfannenknecht und das „Kerzenscnerle" —<br />

eben aiies, was nicht angenagelt war, ist verschwunden.<br />

Manchmal sagte man dem Bauern noch, er könne froh sein,<br />

für das alte Zeug jetzt etwas Neues zu bekommen. Leider<br />

hatten aber auch Besitzer die Achtung vor dem Erbstück<br />

verloren und tauschten es gern in der Stadt um klingende<br />

Münze, ja in der Inflationszeit um einen Papierschein ein.<br />

Auch manch neumodische junge Frau mag schuld sein, daß<br />

das Alte aus der Stube und aus dem Hause kam.<br />

Doch, der auf dem Dorf meist gußeiserne Ofen blieb der<br />

Stube treu, selbst wenn er den Besitzern heut manchmal<br />

zu behäbig und breit dasteht und sogar wie mancher Mann<br />

„auf der Unwerte" ist. Aber darf er nicht mehr Platz beanspruchen<br />

als so ein modernes Fabrikstück? Er sah deinen<br />

Vater, deinen Großvater, deinen Urgroßvater schon als Kinder<br />

in der Stube spielen. Er kannte noch die Leute, deren<br />

Grabsteine längst verschwunden sind, in der alten malerischen<br />

Tracht. Geschlechter kamen und gingen. Er blieb. Er<br />

war Zeuge glücklicher Stunden. Aber auch Unglück und<br />

Krankheit haben sich manchmal Hausrecht bei ihm in der<br />

Stube angeeignet. Manchen Sarg hat man am Ofen vorbeigetragen.<br />

Für die Familie kamen schwere Zeiten. Schulden<br />

drückten die junge Witwe. Der Wucherer kam oft ins Haus,<br />

damals, als es noch keine Spat- und Leihkasse gab. (Die<br />

vielen, mit einem Faden zusammen gehefteten Zettel in der<br />

Schublade im alten „Kästle" sind noch aus jener Zeit.) Der<br />

Ofen weiß das alles noch gut. Er konnte aber auch ein Lied<br />

singen vom Gottvertrauen deiner Vorfahren. Er hörte ja die<br />

Gespräche, er hörte jeden Tag den Chor der täglichen Gebete,<br />

bei denen alt und jung vor dem Herrgottswinkel stand<br />

und andächtig mitmachte. Er hörte, wie an den Winterabenden<br />

aus der dicken Legende von einem Schulkind das Heiilgenleben<br />

vom folgenden Tag vorgelesen wurde, während<br />

die Frauen stickten oder das Spinnrädle schnurren ließen<br />

und ab und zu einen gedörrten Apfelschnitz in den M jnd<br />

nahmen. (Nur wenn ein Rädle nicht „geschnürt" war, verstand<br />

man die klare Kindesstimme nicht gut.) Ein armseliges<br />

„Aempele" erhellte die „Lichtstube" notdürftig. Euer<br />

Ofen weiß auch viel von den Sorgen und Aengsten des<br />

Krieges. Wie spannend hat der Urgroßvater, in dem „Ohrenstuhl"<br />

sitzend, den Kindern erzählt, was er mit. seinen<br />

Kameraden auf den Eisfeldern Rußlands mitgemacht hat.<br />

Und sind in jenen Zeiten nicht gar oft Truppen durchmarschiert,<br />

bald Oesterreicher, bald Franzosen? Und als 1813<br />

gar lie Kosaken kamen. Bei Nacht wars. Mutter und Kinder<br />

hatten Todesangst. Man ging nicnt ins Bett. Das brennende<br />

Licht stellten sie ins Ofenröhrle, daß der Schein nicht<br />

auf der Straße zu sehen war. Und das traurige Hungerjahr<br />

1817 sah der Ofen. Er weiß auch noch von der Aufregung<br />

im Revolutionsjähr 1848. Ja, was hat denn dein Stubenofen<br />

nicht schon alles erlebt. Immer als treuer Freund deiner<br />

Voreltern. Er verdient darum, mit einer Art Ehrfurcht angeschaut<br />

zu werden.<br />

handeln.<br />

Mit Liebe und Schonung ist er zu be-<br />

Sicher hast du dir diese Platten schon als kleiner Bub angeschaut.<br />

Als du dir die .Füße wärmtest nach dem Schlitt-<br />

:nuhfahren. Weißt du aber auch, was diese Figuren bedeuten?<br />

Es Oietet sich uns natürlich keine erstklassige<br />

Kunst für gewöhnlich dar. Meist aber sind die Stücke doch<br />

eine Zierde der Stube. Drei Platten sind nötig für den Heizraum<br />

des Ofens, der von der Küche aus mit Hoiz gespeist<br />

wird. Die schmaiere Stirnplatte hat meist ein Wappen, die<br />

^eitenpiatie gewöhnlich ;ine Szene oder ein Ornament. Der<br />

Tragstein der Platten ist oft kunstvoll behauen. Zuweilen<br />

erfüllen aber zwei eiserne Stützen diesen Dienst oder ein<br />

Mauers' besonders wenn nach altem Brauch der Wohnort<br />

der Turteltaube unter dem Ofen war.<br />

Ueber die Herkunft der Platten schreibt Konservator Dr.<br />

Karl Gröber, München (in einem Aufsatz: Die Ofenwand<br />

im altwürttbg. Schwarzwaid): „Die Eisenplatten lieferten die<br />

einheimischen Gießereien und bei der Haltbarkeit des Materials<br />

werden bei neuen Ofenbauten meist die alten Platten<br />

wieder verwendet. Vom 16. Jahrhundert bis herauf ins<br />

Ii- waren es die Erzeugnisse der Hütten des Brenztales in<br />

Württemberg, besonders der Gießereien der ehemaligen Abtei<br />

Königsbronn, die Schwaben bis ins Allgäu versorgten.<br />

Irr 19. Jahrhundert verdrängen die Erzeugnisse der Wasseralfinger<br />

Gießerei allmählich alles andere. Die Platten des<br />

17. Jahrhunderts zeigen meist Szenen biblischen Inhalts oder<br />

die Wappen der Herrschaften, für deren Gebiet sie bestimmt<br />

waren. Damit wurde es allerdings nie sehr genau genommen,<br />

denn das wohl am meisten hergestellte Wappen des<br />

Hauses Württemberg findet sich öfters in Teilen Oberschwabens,<br />

die erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts württembergisch<br />

wurden. Im 19. Jahrhundert treten an die Stelle der<br />

Wappen meist klassizistische Szenen, Bauern, bei der Ar-<br />

Arbeit, Jäger, Tiere usw. Die Modelle dieses allbekannten Reliefs,<br />

die jetzt losgelöst vom Fond als Neugüsse in den Handel<br />

kommen, fertigten Künstler vom Range eines G. K. Weitbrecht<br />

(1796—1836) und Christian Plock (1809—1Ö82) für das<br />

Wasseralfinger Hüttenwerk".<br />

Unsere Gegend wurde auch vom Laucherttaler-Hüttenwerk<br />

versorgt (mitgeteilt von H. Dr. Hebeisen, Sigmaringen),<br />

wo 1708 der Schmelzofen neu erbaut wurde, und wohl auch<br />

von Tiergarten, wo das Hüttenwerk 1671 vom Fürstl. Fürstenbergischen<br />

Haus in Betrieb gesetzt wurde (Stehle, Hohenzollern,<br />

434 und 450). In Straßberg kenne ich nur einen<br />

Ofen mit biblischen Szenen. Er steht in der großen Stube<br />

auf dem Schloß und trägt die Jahreszahl 1695, ein Kreuz<br />

und auf der andern Platte die hl. Familie auf der Wanderung.<br />

Der Ofen soll übrig'ens vom Hettinger Schloß stammen.<br />

In Kaiseringen zeigt ebenfalls ein Ofen das Kreuz.<br />

(In Ringingen ist auf einer Piatte die Hochzeit von<br />

Kana. Sie soll vom Kloster Stetten im Gnadental stammen.)<br />

Besonders bei der Jugend beliebt sind die Szenen der<br />

spielenden Kinder, Jagabilaer usw., die gewöhnlich an den


Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 3<br />

beiden Seitenplatten zu sehen sind. Entwürfe, die auf Figürliches<br />

verzichten und nur Rokoko- oder Empireornamente<br />

anbrachten, gefallen weniger. Fast ganz ratlos stehen wir<br />

aber oft dem Wappen an der Stirnseite des Ofens<br />

gegenüber. Zur Erleichterung des Verständnisses sei einmal<br />

versucht, die einzelnen Zeichen zu erklären. Da meist auch<br />

bei uns auffallenderweise württembergische Wappen<br />

sind, sei mit diesen begonnen. Meist zeigen sie nur<br />

einen Schild. Gelegentlich dabei noch die sogenannte<br />

Helmzier, und aus der Zeit des Königreiches sah ich<br />

Ofenwappen mit den schildhaltenden Tieren.<br />

Der älteste Teil des württ. Schildes, die 3 Hirschgeweihe<br />

unter einander, ist auf allen Wappenbildern vertreten.<br />

Er stammt übrigens von den Grafen von Veringen.<br />

Durch die Erwerbung Mömpelgards kamen 2 Barben (Fische)<br />

ins Wappen, etwa seit 1450. Seit dem Jahr 1495 führt Graf<br />

Eberhard im Bart nach der Belehmung durch Kaiser Maximilian<br />

die „W ecken" von Teck (schwarz und goldgeweckter<br />

Schild, Rhombusformen) und die Reichssturmf<br />

a h n e mit dem Adler. Württemberg war berechtigt, im<br />

Krieg und bei besonderen Anlässen diese Fahne voranzutragen.<br />

1693 kam in den Titel und das Wappen der „Herr in<br />

H e i d e n h e i m", das Brustbild eines bärtigen Mannes mit<br />

gestülpter Mütze. Nun wurden die Hirschstangen, also das<br />

Stammwappen in die Mitte der vier andern Wappen gelegt,<br />

d. h. zum Herzschild gemacht.<br />

Gelegentlich finden wir über diesem Schild die „Helraz<br />

i e r" dieser Wappenteile: Hiefhorn (Jagdhorn), Weibrumpf<br />

mit den Barben statt der Arme, Adler und „Heide". Ich kann<br />

mich nicht erinnern, auf Oefen ausführlichere Wappen gesehen<br />

zu haben. Da aber da oder dort doch vielleicht auch<br />

solche Exemplare vorhanden sind, seien auch die späteren<br />

Wappenteile genannt.<br />

1751 kam Justingen, 1782 Limpurg, 1784 Bönningheim an<br />

Württemberg. Ersteres hat einen Schrägbalken von<br />

links oben nach rechts unten und als Helmschmuck: S c h w anenrumpf<br />

mit Pfauenspiegeln. — Limpurg ist geviert; 1<br />

und 4 zeigen die „fränkischen Heerspitze n", 2 und 3 die<br />

Streitkolben der Grafen von Limburg. Als Zierde oben<br />

2 Büffelhörner.<br />

Bönnigheim zeigt die Mondsichel an.<br />

1803 wurde Herzog Friedrich 2. Kurfürst, Die Erwerbungen<br />

vom Reichsdeputationshauptschluß kamen ins Wappen.<br />

Probstei Ellwangen (Bischofsmütze), Hall (Kreuz oben,<br />

Schwurhand unten), Reichsstädte (schwarzer Adler).<br />

1806 war die Erhebung zum Königtum. Herzschiid: links<br />

(vom Beschauer) 3 Hirschstangen, rechts 3 schwarze Löwen<br />

übereinander. Das ist das Wappen der staufischen Herzöge<br />

von Schwaben, wegen des Erwerbs der großen obetschwäbischen<br />

Gebiete. Das Feld ist viermal geteilt: 1. Teck und<br />

Tübingen (Kirchenfahne), 2. Ellwangen und Mompelgard. 3.<br />

Reich^sturmfahne und Justingen, 4. Limpurg, Heidenheim,<br />

Bönnigheim, Hall und Reichsstädte.<br />

Als Schildhalter: bekrönter Löwe und Hirsch, je das<br />

Reichsbanner tragend.<br />

Von 1817 an finden wir nur noch i_,öwe und Hirsch als<br />

Schildhalter und je 3 Hirschstangen und 3 Löwen als Wappen.<br />

Diese Art ist noch auf vielen Oefen zu finden.<br />

Die lateinischen Buchstaben über dem Wappen bedeuten<br />

den damaligen Herzog zu Württemberg. Sie seien hier auch<br />

angeführt.<br />

Friedrich Karl 1677—1693<br />

Eberhard Ludwig 1693—1733<br />

Carl Alexander 1733—1737<br />

Carl Eugen 1737—1793<br />

Ludwig Eugen 1793—1795<br />

Friedrich Eugen 1795—1797<br />

Kurfürst und König Friedrich 1797—1816<br />

König Wilhelm 1816—1864<br />

(Vergl. v. Alberti Württ. Adels- und Wappenbuch.)<br />

Es sei noch bemerkt, daß gelegentlich die Zahlen nicht genau<br />

mit den Herrschernamen stimmen. Ob dabei den Ofenfabrikanten<br />

ein Irrtum unterlief oder ob Geschäftsinteressen<br />

eine Rolle spielten, wird schwer zu entscheiden sein.<br />

2. Das <strong>Hohenzollerische</strong> Wappen fand ich seltener auf<br />

Oefen vertreten. Es besteht aus dem in Silber (weiß) und<br />

Schwarz viergeteilten Zollerschild, der auf den mir bekannten<br />

Oefen immer die 1. und 4. Stelle einnimmt. Die Felder<br />

2 und 3 nimmt der Sigmaringer Hirsch ein. Das Herzwappen,<br />

in der Mitte dieser 4 Schilde, sind die 2 kreuzweis übereinander<br />

gelegten Zepter. Im Jahre 1505 erhielt nämlich Graf<br />

Eitel Friedrich das Erb-Kämmeramt mit diesem Wappenschild.<br />

Zum vollständigen fürstlich-hohenzollerischen Wappen gehört<br />

außerdem der Nürnberger schwarze Löwe in goldenem<br />

Schild mit rotweiß gestickter Einfassung. — Haigerloch, silber<br />

(weiß) und rot quergeteilter Schild. — Veringen, drei rote<br />

Hirschstangen in Gold. — Grafschaft Berg (kam 1781 an Hohenzollern-Sigmaringen)<br />

roter Löwe in silbernem Schild. Auf<br />

dem schwarzen Rand 11 goldene Kugeln. Das Wappen halten<br />

die beiden Bracken (Hunde). (Näheres bei Zingeler, das<br />

Fürstl. Hohenz. Wappen.)<br />

3. In einem Haus hier sah ich als Ofenwappen: einköpfigen,<br />

gekrönten Adler als Wappentier. Auf dem 1. und 4.<br />

Feld ist die Werdenberger Fahne, die im 2. und 3. Feld dreimal<br />

stufenweise gebrochenen Schrägbalken bedeuten die<br />

Grafschaft Heiligenberg. Es ist das Fürstenberger Wappen,<br />

stammt also von Tiergarten.<br />

4. Von Zizenhausen stammend weist sich laut Inschrift ein<br />

anderer Ofen aus, den je ein Hirsch und ein Löwe im<br />

Walde schmücken.<br />

Es ist selbstverständlich, daß hier kaum alle Ofenfirmen,<br />

die für unsere Gegend in Betracht kommen, genannt sind.<br />

In andern Gemeinden werden, entsprechend oft ihrer Geschichte,<br />

wohl auch noch andere Wappen vorkommen. Nur<br />

wenn man anfangt, die Aufmerksamkeit auf diese oft verachteten<br />

Stücke zu richten und das, was man findet, bekannt<br />

macht, kann eine Uebersicht gewonnen werden.<br />

Mit einer kleinen Anregung möchte ich schließen. Ich fand<br />

derartige Ofenplatten schon öfters in Museen, und das mit<br />

Recht; ich fand sie aber auch schon vor Stallungen über —<br />

Jauchegruben. Ich moine, wenn man sc^on den Ofen außer<br />

Dienst setzen muß dann könnten die Platten in der Stube<br />

irgendwo an der Wand befestigt werden und gäben da, immer<br />

gut geschwärzt und geglänzt, nicht nur einen würdigen<br />

Wandschmuck, sondern auch einen Anschauungsunterricht<br />

für die Jugend, Jie <strong>Heimat</strong> und das Ererbte zu lieben, das<br />

Alte und das Alter zu achten und zu ehren.<br />

Die Schlange mit der goldenen Krone<br />

Vor langer Zeit stand über der Vehla die iolze Burg eines<br />

gewaltigen Raubritters, der Kunibert hieß und über die<br />

Maßen reich war. Keine StralJe war vor ihm sicher, und<br />

all :n Reichtum hatte er gestohlen. Seine Burg zierten fünf<br />

Türme, und auf dem höchsten saß ein Hahn, der sprechen<br />

und über sieben Berge sehen konnte. Kunibert hatte ihn um<br />

seinen Sohn von einer Hexe eingehandelt und wußte nicht,<br />

wie sehr sie ihn betrogen hatte. In Wirklichkeit war der<br />

Hahn nämlich ein verzauberter Jüngling, und niemand anders<br />

als Kuniberts eigen Fleisch und Blut. Dieser Wächter<br />

war mit Gold nicht aufzuwiegen; er verriet alles, was sich<br />

auf ien Straßen tat, und Kunibert zog mit seinen Streitgeselien<br />

dorthin, wo ihm reiche Beute sicher war.<br />

Diewef mußte seine Tochter, die schöne Walburga, den<br />

goldenen Schate getreulich hüten. Mit den Wachhunden ihres<br />

Vaters saß sie in den tiefen Kellern; sie war so schön, daß<br />

aller Glanz und Reichtum neben ihr verolaßte.<br />

Eines Tages karr ein Königssohn und wollte die Prinzessin<br />

sehen. Walburga hütete den Schatz und ließ ihm sagen, daß<br />

Bruno Ewald Reiser<br />

er sich gedulden möge. Der Königssohn hörte aber nicht auf<br />

zu bitten. Da zog sie ihre schönsten Kleider an und ging ihm<br />

frohgemut entgegen. Sie gefiel ihm auf den ersten Blick; er<br />

neigte sich tief vor ihrer Schönheit, setzte ein goldenes<br />

Kröniein auf ihr Haupt, und sie freute sich, seine Königin<br />

zu sein.<br />

Da hatten sich zwei Menschenkinder gefunden und liebten<br />

sich und glaubten, sie wären allein auf der Welt. Eng umschlungen<br />

gingen sie im Burggarten auf und nieder. Walburga<br />

hatte 'vrgessen, ihren Schatz zu hüten, und der<br />

Königssohn achtet nicht mehr der Gefahr.<br />

Da '.'am der böse Kunibert von einem Raubzug heim und<br />

sah die beiden und das goldene Krönlein auf Walburgas<br />

schwarzen Locken. „Balm Teufel", brummte er, „wie ist das<br />

zugegangen? Geht da mein einzig Kind mit einem fremden<br />

Manne und trägt ein goldenes Krönlein auf dem Haupt. Das<br />

wird ^us meinem Schatze stammen, den ich zui hüten ihr geboten!"<br />

Er sah, wie sich die beiden küßten ohne Unterlaß.<br />

„Du Schlange, Du erbärmliche!" fluchte er in wildem Zorn,


4 HO II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

zückte sein blutiges Schwert und stieß es dem Königssohn so<br />

tief in den Rücken, daß er zusammenbrach und auf der<br />

Stelle tot war. Walburga kniete zu ihm nieder, und als der<br />

rohe Vater das Schwert abermals erhob, ging sein Fluch an<br />

ihr in Erfüllung. Da lag sie nun am Boden und war eine<br />

Schlange mit giftgrünen Augen und zischelnder Zunge. Auf<br />

ihrem Haupt war noch das Krönlein, und das Gold strahlte<br />

wie die Sonne, weil Blut um eine Liebe floß, die ohne Erfüllung<br />

blieb.<br />

Die Wachhunde vor den Schatzkammern rochen das Blut.<br />

Sie kamen, fielen über Kunibert her und rissen ihn in<br />

Stücke. Da war die alte Burg ausgestorben; nur der Hahn,<br />

der auf dem höchsten Turme saß und die Schlange, die ein<br />

Krönlein trug, waren noch am Leben.<br />

In diesen Tagen kamen die Feinde Kuniberts zu Haufen.<br />

Sie verwüsteten die schönen Gärten und zerstörten die feste<br />

Burg; aber der goldene Schatz blieb ihnen verborgen. Er<br />

liegt heute noch tief unter dem zerfallenen Gemäuer. Kunibert,<br />

der leben und nicht sterben darf, muß ihn hüten und<br />

seine gebannten Kinder helfen ihm dabei.<br />

Düster dräuende Wacholderstauden wachsen seither in<br />

diesem Land und trauern um die längst entschwundene Pracht.<br />

Wenn sommertags die Sonne darüber glastet, dann leuchten<br />

sie in dunklem Grün. Das ist die Hoffnung der Verwunschenen,<br />

die immer noch auf die Erlösung warten, die ihnen nur<br />

ein Kind vom Vehlatale bringen kann.<br />

Fällt man im Bannkreis der zerfallenen Burg zuweilen<br />

eine Tanne, aus der ein Kinderwieglein wird, dann kommt<br />

ein Jubelschrei von ihren Wurzeln her, so freut sich da die<br />

Schlange. Sie glaubt, daß jetzt das Kind geboren sei, das sie<br />

vom Bann erlösen werde. Und wer in solcher Wiege lag,<br />

wird irgendwann in seinem Leben die Schlange mit der goldenen<br />

Krone sehen und mit ihr sprechen wie mit einem<br />

Menschenkind.<br />

An einem sonnig hellen Tag — grad sind es zehnmal hundert<br />

Jahr — lag einst die arme Schlange auf einem Stein im<br />

Vehlatal. Da kam ein junger Mann gegangen und wunderte<br />

sich sehr: „Was trägst du auf dem Haupt für eine Krone?"<br />

Und die Schlange sprach:<br />

„Walburga werde ich genannt,<br />

ein böser Fluch hat mich gebannt;<br />

tust Du mich dreimal küssen,<br />

dann ist der Bann zerrissen."<br />

Da kniete der junge Mann auf die Erde. Er nahm den<br />

Kopf der Schlange in beide Hände und küßte sie, und die<br />

Schlange lachte dazu und küßte ihn auch. Und es wurde ihm<br />

warm ums Herz und er meinte, heiße Lippen eines jungen<br />

Menschenkindes hätten ihn berührt. Und dann küßte er zum<br />

andernmal, und es krähte ein heiserer Hahn und eine zornige<br />

Männerstimme schrie: „Du Schlange, Du erbärmliche!"<br />

Da wackelte das Krönlein auf dem Kopf der Schlange; das<br />

Gold strahlte wie eine Sonne, und die Edelsteine funkelten<br />

wie Blut; ihre Augen blitzten giftgrün, aus ihrem Mund kam<br />

blauer Odem, und ihr Zünglein zischelte: „Küsse mich! —<br />

Küsse mich!"<br />

Da packte den jungen Mann helles Entsetzen. Er hob die<br />

Schlange empor und schleuderte sie weit in den Wald hinein.<br />

Da kroch sie still und traurig unter eine dicke Wurzel. Ganz<br />

heiser krähte irgend woi ein Hahn, und eine wehe Männerstimme<br />

sagte traurig: „Mein armes Kind!"<br />

Seither wartet die verwunschene Schlange auf den dritten<br />

Kuß. Aber nur alle hundert Jahre gibt es einen Tag, an dem<br />

man sie erlösen kann. Es fielen ungezählte Tannen dort<br />

im Wald, und viele Wiegen wurden schon gezimmert, und die<br />

Verwunschene tat manchen Jubelschrei. Seither ist die<br />

Schlange manchesmal erschienen, wenn jemand einsam im<br />

Vehlatal wanderte; aber niemand fand den Mut, sie wie ein<br />

Menschenkind zu küssen.<br />

Bald sind die hundert Jahre wieder um. Dann wird vielleicht<br />

ein stolzer Jüngling kommen, die Schlange mit der goldenen<br />

Krone küssen, und sie entbannen wiederum zum<br />

Menschenkind. Sie wird ihn mit dem goldenen Schatz, mit<br />

ihrer hohen Lieb' belohnen.<br />

Dann aber wird im Vehlatal kein heiserer Hahn mehr<br />

krähen, wenn eine Tanne fällt, kein Jubelschrei wird mehr<br />

erschallen, kein Ritter Kunibert wird mehr nach seinem<br />

Kinde fragen, und die Schlange mit der goldenen Krone wird<br />

nimmermehr auf heißem Fels zu sehen sein.<br />

Dann wird die Sage traurig aus dem Tale wandern, und<br />

wenn sie fortgegangen ist, werden die Menschen so arm<br />

sein, daß sie gerne den goldenen Schatz und mehr darum<br />

geben wollten, wenn sie wiederkäme.<br />

Höhlen und Höhlenbildung der Alb<br />

Unsere Alb besitzt eine Menge Höhlen, mehr als mancher<br />

Alhbewohner zu ahnen vermag. Außer den bekannten,<br />

äußerlich wahrnehmbaren, sind noch weit mehr Höhlen im<br />

Innern der Erde vorhanden lie noch kein menschliches Auge<br />

sah und noch kein menschlicher Fuß betreten hat. ^ie alle<br />

sind auf die zersetzende und auflösende Kraft des Wassers<br />

zurückzuführen. Bekanntlich besteht unsere ganze Hochalb<br />

aus den Schichtenreihen des „Weißen Jura". Das Gestein<br />

bildet keine feste Masse, sondern ¿st schicntenweise gelagert.<br />

Jeder Steinbruch zeigt klüftige, zerrüttete Kalkfelsen. Häulig<br />

finden wir tonige Zwischenschichten innerhalb der Kalkbänke<br />

eingelagert. In einem solchen Kalkgebirge muß alles<br />

Wasser versinken. Bei jedem Regen, beim Schmelzen des<br />

Schnees, bei Reif und Tau dringt eine Menge Wasser in<br />

die Erde ein und sickert durch die zahlreichen Ritzen,<br />

Sprünge und Klüfte im Kalkgestein. Im Bereich der verwesenden<br />

Massen von Gras, Waldlaub und Modererde nimmt<br />

das in den Boden versinkende Wasser stets Kohlensäure auf.<br />

Die Kohlensäure verleiht dem Wasser eine erhöhte Lösunj; -<br />

kraft. Der Jurakalk gehört zu denjenigen Gesteinsarten die<br />

am leichtesten löslich sind. So löst das kohlensäurereiche<br />

Wasser im Berginnern bei der Durchsickerung des Gesteins<br />

beständig Kalk auf und erweitert die Ritze zur Spalte und<br />

die Spalte zur Kluft, bis es, tief drinnen im Berg, auf eine<br />

tonige und deshalb wasserdichte Schicht kommt. Hier wird<br />

die Wanderung gehemmt und die Einwirkung auf das Nebengestein<br />

erhöht. Es bilden sich langsam Hohlräume, die<br />

sich solange weiterführen und erweitern, als Wasserzuzuig<br />

da und kein Abfluß vorhanden ist. Endlich schafft und findet<br />

das Wasser einen Abfluß, meistens nach unten, und die entstandene<br />

Höhle ist entwässert. Dieser Höhlenbildungsprozeß<br />

geht freilich sehr langsam und allmählich vor sich, denn<br />

über tausend Teile kohlensäurehaltiges Wasser sind nötig,<br />

um nur einen Teil Kalkstein zui lösen; aber was tut das!<br />

Das Wasser hat ja viel Zeit zur Verfügung, und seine Mengen<br />

sind so sehr betrachtlich. Der Geologe rechnet bei diesen<br />

Vorgängen nicht mit Monaten und Jahren, sondern zieht ruhig<br />

Jahrhunderte und Jahrtausende in Betracht, und in<br />

einem Jahrhundert fließt gar viel Wasser aus unseren Alb-<br />

tälern. Alle unsere zutagetretenden Aibhöhlen sind ehemalige,<br />

unterirdische, früher unzulängliche Höhlungen, die in<br />

ihrer Bildung unabhängig von ihrer jetzigen Oeffnung sind.<br />

Durch oberflächliche Abwaschung des Gebirgsrandes oder<br />

durch die Talbildung wurden sie angeschnitten und geöffnet.<br />

Daher finden wir sie alle an schroffen, felsigen Talgehängen.<br />

Das Innere ist unregelmäßig, bald hoch, bald niedrig, bald<br />

schmal, bald breit, oft mit den wunderbarsten Tropfsteinbiidungen<br />

geziert. Die Tropfsteine sind bekanntlich Niederschläge<br />

von kristallinischem kohlensaurem Kalk, gebildet<br />

aus an Wänden nerabrinnendem oder an Vorsprüngen herabtropfendem<br />

Wasser. Dasselbe Wasser, das als Regenwasser<br />

beim Durchsickern der Spalten Kalk auflöste, gibt von diesem<br />

Kaiic wieder geringe Spuren ab, sobald es mit der Luft<br />

in Berührung kommt und ein wenig verdunsten kann. So<br />

wachsen allmählich von der Decke abwärts Zackengebilde,<br />

die der Geologe „Stalaktiten" nennt, während ihnen vom<br />

Höhlenboden die Stalagmiten entgegen wachsen, bis schließlich<br />

beide vereinigt eine schöne Tropfsteinsäule darstellen.<br />

Solche zugängliche Tropfsteinhöhlen hat Honenzollern allerdings<br />

nicht aufzuweisen; in allernächster Nähe jedoch, in der<br />

Bären- und Nebelhöhle und in den Höhlen des Echatztales<br />

finden wir eine unendliche Mannigfaltigkeit dieser Bildungen.<br />

In Hohenzollern weist die meisten Höhlen das Laucherttal<br />

auf. Diese Höhlen haben keine Tropfsteingebilde, weil<br />

das Gestein zu tonhaltig ist. Es zerbröckelt, ehe sich Stalaktiten<br />

bilden können. Das Wasser hat hier zu leichte Arbeit<br />

und sickert zu rasch durch. Nicht selten gelangt man durch<br />

eine kleine Oeffnung, oft auch nur durch ein Loch oder eine<br />

enge Spalte in eine zweite Höhle, auf die manchmal in derselben<br />

Weise eine dritte folgt. Veringenstadt hat wohl die<br />

meisten Höhlen. Die St. Nikolaushöhle liegt am linken Lauchertabhang,<br />

ist ca. 25 Meter lang, 10 Meter breit und 3--5<br />

Meter hoch. Kleiner, aber zahlreich sind die andern Höhlen<br />

um Veringenstadt. Klein ist auch das Hexenloch bei Jungnau.<br />

Bei Hermentingen ist das Durbeleshäusle in einem Felsen<br />

links vor dem Dorfe. Hettingen hat verschiedene kleine Höhlen,<br />

z. B. das Kachelstüble. Bei Gammertingen sind das<br />

Eulenloch und die Weihhöhle und bei Neufra das Bualoch


Jahrgang 1954 H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T<br />

und das Nagloch. Der Eingang des Bröllers bei Hausen a. d.<br />

Laudiert mündet in eine langgezogene, schlundartige Höhle,<br />

die im Hintergrund wasserführend ist und zu einem gewaltigen<br />

unterirdischen Wasserbecken führt, dessen Wasser<br />

wohl sich, wie anfangs beschrieben, einen unterirdischen Abfluß<br />

geschaffen hat, bei reichem Wasserzufluß, d. h. in starken<br />

Regenperioden sich aber füllt und dann durch diesen<br />

Höhleneingang den Ueberfluß abgibt. Jahrelang kann hier<br />

kein Tropfen Wasser herauskommen, da auf einmal heißt es:<br />

„Der Hungerbrunnen läuft". In Feldhausen liegt mitten im<br />

Dorfe die Hüle. Bei starken Niederschlägen kann diese nicht<br />

alles Wasser aufnehmen. Das überfließende Wasser strömt<br />

dem nahe gelegenen „Höllenlöchle" zu, wo es gurgelnd in<br />

unbekannter Richtung in die Tiefe stürzt. Es gibt wohl keine<br />

Gemeinde auf der Alb, die nicht auf ihrer Gemarkung kleine<br />

oder größere Höhlen aufzuweisen hat. Sicherlich sind viele<br />

davon einst größer gewesen. Steingeröll, Laub und tierische<br />

Ueberreste haben sie im Laufe der Zeit verkleinert. Füchse<br />

I. 142: Infolge der neuen Lehre ist es dazu kommen, daß<br />

der gemeine Mann keine Obrigkeit mehr haben wollte und<br />

dem Adel nicht mehr dienstbar und Untertan sein mochte. Es<br />

haben sich die Bauern zusammengerottet und unter einander<br />

verbunden wider ihre Herrschaft und sind gegen solche mit<br />

großer Macht in das Feld gezogen. Sie haben denselben großen<br />

Schaden zugefügt, ihre Schlösser eingenommen und verbrannt<br />

und die Gotteshäuser zerstört. Dieser Bauernkrieg<br />

hat im Jahr 1525 angefangen und länger als ein Jahr<br />

gedauert. In dieser Zeit (1525) sind wir mitten unter ihnen<br />

gewesen, denn ober uns ist ein großer Haufe gestanden und<br />

unter uns über 100 000 Mann, welche täglich auf und ab zogen<br />

hart an unserm Kloster vorüber. Darum standen wir in<br />

großer Sorge, denn wir wußten nicht wo wir hinfliehen<br />

sollten und hatten eine gar harte Fasten (-zeit. 1. März bis<br />

15. April). Alle Tage brachte man uns neue Schrecken; also<br />

flehneten (flüchteten) wir unsere besten Sachen in das Gewölbe<br />

und inneren Kuchelkeller und vermauerten solchen<br />

selber. Es kamen aber so trübe Zeitungen (Nachrichten), daß<br />

wir das Gev/ölb wieder aufbrachen und die Briefe (Urkunden),<br />

das Silbergeschirr und andere kostbare Sachen unseres<br />

Klosters nach Sigmaringen führten. Da hatten wir aber neue<br />

Angst, denn die Truchen waren schon alt und so waren die<br />

kostbaren Sachen und Brief nit wohl darin versorgt. Und<br />

als man solches i ch Sigmaringen in das Schloß gebracht,<br />

mußte sie unser Knecht zu oberst unter das Dach tragen.<br />

Auch schickten wir in Fässern in das Schloß unsere besten<br />

Bücher, Gesang und Betbücher, waren aber in großer Angst<br />

und Unruhe, die Schriften und das Silbergeschirr wären vor<br />

dem Feuer nit versorgt, weil sie nit in einem Gewölb<br />

waren. Wir hätte: - viel geben, daß wir gleich anfangs des<br />

Krieges alles nach Ueberhngen geschickt hätten. Wir flehneten<br />

(flüchteten) auch Korn und Wein nach Sigmaringen in<br />

unser gnäd Herren Graf Felix (von Werdenberg) Behältnis.<br />

Viel unterschiedliche Dinge haben wir in das Gewölb und<br />

Kuchelkeller vermauert. Wer es. aber gesehen hat, gab uns<br />

schlechten Trost, daß es vor dem Feind versichert sei. Wir<br />

waren trotz aller Angst entschlossen, beieinander leben und<br />

sterben zu wollen. Wir waren auch so verlassen, daß wir<br />

'icht gewußl '-rtten wohin fliehen, wenn man uns aus dem<br />

Kloster vertrieben hätte.<br />

Auch die Bauern im hiesigen Dorf wollten sich zu den<br />

Rebellen schlagen, und verlangten, daß wir mit ihnen halten<br />

sollten. Aber der größte Teil des Konvents war Willens, eher<br />

das Gotteshaus zerstören zu lassen, als sich gegen den<br />

Bekanntlich drangen die Alamarmen, zu denen die Schwaben<br />

gehörten, von Nordwesten her ums Jahr 213 n. Chr. über<br />

den ömischen Grenzwall in aas sog. Dekumatenland, unsere<br />

heutige Gegend, ein und hatten nach wiederholten Angriffen<br />

gegen den römischen Machthaber um 260 den größten Teil<br />

des Gebietes in ihrer Gewalt. Die Ortsnamen auf ingen<br />

stammen aus ener Zeit. Trotz einer Niederlage des urwüchsigen<br />

germanischen Stammes durch Kaiser Probus, der aie<br />

schon ins Elsaß vorgestoßenen Eindringlinge über Rhein und<br />

JSeckar und teils über die schwäbische Alb zurückwarf, bildeten<br />

in Zukunft Rhein—Bodensee—Argen—Tller—Donau die<br />

Grenze gegen das Römer reich, das Gebiet östlich und nörd-<br />

Vom Bauernkrieg<br />

(Aus der Chronik des Klosters Inzigkofen.)<br />

Von unseren Vorfahren<br />

und Dachse suchen darin Unterschlupf und Schutz gegen ihre<br />

Verfolger.<br />

Ehemals, als der Mensch die Kunst des Bauens noch nicht<br />

kannte, als er noch an kein Heim gebunden war und als<br />

ruheloser Jäger die Wälder durchstreifte und dem Wilde<br />

nachging, da dienten ihm die Höhlen als Unterschlupf und<br />

Wohnstätte. Leicht war sein Dasein freilich nicht. Galt es<br />

doch den Kampf mit der damaligen Tierwelt aufzunehmen,<br />

die ihm den Besitz der Höhle vielfach streitig machte. Die<br />

Albhöhlen sind als Wohnstätten längst verlassen. Der Mensch<br />

wurde seßhaft und baute sich Häuser. Oft aber brausten<br />

Gewitterstürme des Krieges durch das Land und fegten die<br />

menschlichen Wohnstätten hinweg Die Menschen flohen in<br />

die Wälder, in die Klüfte und Höhlen des Gebirges und<br />

suchten wieder Schutz daselbst. Wie oft das geschehen sein<br />

mag! Wie oft auch ein Einzelner hier Unterschlupf gesucht<br />

haben mag! Das kann niemand sagen. Niemand hat es aufgeschrieben.<br />

Schutzherrn (Graf Felix von Werdenberg zu Sigmaringen)<br />

aufzulehnen. In der Osterwoche am Freitag (21. April 1525)<br />

kamen bei dreißig Bauern ZIUI uns und begehrten Wein und<br />

Brot, was ihnen auch gegeben wurde, mehr als sie begehrt<br />

haben. Man hat ihnen auch solches mit unsern Knechten und<br />

Rossen nach Engelswies geführt. Unser Schirmherr, Graf<br />

Felix von Werdenberg, bei dem wir anfragten, was wir zu<br />

tun hätten, schickte den Bauern gleich seine Soldaten und<br />

reisigen Knechte nach, welche sie zu Engelswies im Wirtshaus<br />

antrafen. Da war nun ein starkes Fechten und Schießen<br />

von beiden Seiten uind kamen zwei Bauern ums Leben. I n<br />

derselben Nacht verbrannte unser gnädiger<br />

Herr Vilsingen, denn etliche Bauern waren von dort,<br />

die bei uns gewesen sind. Nun stieg unsere Angst noch höher<br />

denn man drohte, kein Stein soll von unserm Kloster auf<br />

dem andern bleiben, worauf Graf Felix ohne unser Wissen<br />

allenthalben stärkere Wachen ausgesetzt hat. (Damals in<br />

Engelswies hat unser lieber Herr den Konrad, unsern Fuhrknecht<br />

und den Hans, unsern Herrenknecht behütet, daß<br />

ihnen nichts geschehen, ob sie schon mitten unter den Schützen<br />

gewest, ohne Gewehr. Desgleichen ist unsern Pferden<br />

nichts geschehen.) Aber was für großen Schrecken und Jammer<br />

wir untereinander gehabt, kann nit beschrieben werden.<br />

In Zukunft mußte das Dorf und insere Knechte täglich<br />

wachen, viel Wochen lang und hat Graf Feiix oft Wächter<br />

zu dem Gotteshaus (Kloster) geschickt, daß wir nichts davon<br />

gewußt, weil wir schliefen. Er empfand es auch sehr hart,<br />

daß ihm die Bauern an dem liebsten Ort, so er hatte, zu Inzigkofen<br />

angegriffen haben, wie er es dann an allen abgestraft<br />

und sie büßen lassen, die zu uns gekommen und uns<br />

erschreckt haben.<br />

Man sagt uns nachher, es sei rühmlich gewesen, daß wir<br />

nicht zu den Bauern abgefallen seien. Unsre Lb. Herr und<br />

Hausvater, die Mutter der Barmherzigkeit und das Gebet<br />

vieler unschuldiger frommer Seelen haben uns Hilf und Gnad<br />

erlangt, daß wir väterlich beschirmt und behütet wurden<br />

und daß kein merklicher Schaden geschehen, weder an Leib<br />

noch Gut. Darum sollen wir unserm 'ieben Herrn ewig Lob,<br />

Ehr und Dank sagen. Denn durch diesen Krieg sind viel in<br />

Armut kommen und unzählige Witwen und Waisen geworden,<br />

dieweii mehr als 100 000 Bauern umgekommen und ohne<br />

Zahl geköpft und gehenkt worden, desgleichen viel Geistliche<br />

und Ordensperscnen ums Leben kamen".<br />

(Nach S. Lochers Manuskript im fürstl. Archiv Sigmaring. K.)<br />

lich davon aber gehörte den Germanen. Von weiteren Vorstößen<br />

sei nur die Eroberung des Elsaßes im Jahre 454 genannt.<br />

Die große Schicksalsschlacht im Kampf mit den Franken<br />

kostete die Alamannen um 496 oder 506 nicht nur ihr Königtum,<br />

sondern auch ihre Macht und Selbständigkeit. Ihr Gebiet<br />

wurde in der Folge unter die drei Nachbarreiche aufgeteilt.<br />

Der Sieger Tnlodwig, der zum katholischen Christentum<br />

übertrat, erhielt den Löwenanteil: die Gaue im Eisaß,<br />

i'falz Baden, Württemberg und Hchenzollern. Das weiter<br />

östliche Gebiet stellte sich freiwillig unter Theoderich den<br />

Großen, das südliche kam unter burgundische Herrschaft.<br />

I


ti H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T • T ahrgpr-g ltí54<br />

In die Pfalz, nördliches Baden und Württemberg scheint<br />

dann eine starke bäuerliche Einwanderung der Franken<br />

stattgefunden zu haben, vor der viele Alamannen nach Süden<br />

abzogen.<br />

Schon im Jahre 526 war jedoch das gesamte Alamannengebiet<br />

unter der Frankenherrschaft vereinigt. König Theudebert,<br />

der in Metz seinen Sitz hatte, organisierte 534 bis 48<br />

das Herzogtum jenes Stammes neu, gewährte ihnen eigenes<br />

Heer mit einheimischen Führern, nationales Recht und nationalen<br />

Glauben. Dieser aber bestand im Festhalten an<br />

ihren heidnischen Ansichten und Gebräuchen. Das Christentum<br />

hatte bisher lediglich in den ehemals römischen Städten,<br />

wie Konstanz, Rottweil, Rottenburg, Fuß gefaßt und erhielt<br />

sich jetzt unter der neuen Herrschaft nur kümmerlich. Bald<br />

erblickten die Frankenkönige in der Bekehrung ihrer Untertanen<br />

zum Christentum das beste Mittel, um auf die<br />

Alamannen politischen Einfluß zu gewinnen. Sie vermieden<br />

jedoch die Gewalt, ließen vielmehr schon bald nach der Besitzergreifung<br />

auf ihrem Krongut christliche Kirchen bauen<br />

und durch fränkische Priester Gottesdienst halten für ihre<br />

Heeresabteilungen und Verwaltungsbeamten. Krongut war<br />

das von ihnen angeeignete meist vormals römische Siedlungsgebiet.<br />

Diese königlichen Eigenkirchen liegen daher<br />

sehr oft an römischen Straßen und sind durchweg dem fränkischen<br />

Nationalheiligen Martinus von Tours geweiht. Doch<br />

bildeten sie nur Oasen des Christentums ohne viel werbende<br />

Kraft für die Masse des übrigen Volkes. Das gleiche darf<br />

man sagen von den Eigenkirchen, die eingewanderte fränkische<br />

Grundherrn auf ihren Gütern für Angehörige und<br />

Untergebene errichtet haben. Noch ums Jahr 575 berichtet<br />

der oströmische Geschichtsschreiber Agathias, daß Alamannien<br />

noch überwiegend heidnisch sei. Man verehre dort<br />

Bäume, Flüsse, Berge und Schluchten und bringe Tieropfer<br />

dar. Erst die Vernünftigeren seien durch Umgang mit den<br />

Franken für das Christentum gewonnen.<br />

Als erste namentlich bezeugte christlichen Missionare sind<br />

Gallus und Kolumban in der Bodenseegegend um 609 bekannt,<br />

als Konstanz bereits Bischofssitz war für das südlichere<br />

Gebiet. Die vom ersten errichtete Gallenzelle (St.<br />

Gallen) blieb jedoch im ganzen 7. Jahrhundert noch wesentlich<br />

Einsiedelei. Der christliche Herzog Gunzo hatte 613<br />

seinen Sitz zu Ueberlingen am See. Doch ist der Einfluß des<br />

Christentums im ältesten Gesetzbuch der Alamannen, das<br />

um 640—50 entstand, noch ziemlich gering. Nur eine Stelle<br />

zeugt vielleicht von ihm, dort wo bestimmt ist, daß die Freilassung<br />

von Sklaven nicht nur vor dem Heere sondern auch<br />

in der ecclesia = Kirche erfolgen könne. Demnach waren<br />

Kirchengebäude wohl etwas Bekanntes. Die Klöster St. Trudpert<br />

im Breisgau, Säckingen am Rhein blühten empor und<br />

wurden zu Missionsmittelpunkten. Zu den urfränkischen<br />

Martinskirchen gesellten sich langsam solche der hl. Michael<br />

und Stephan (angeblich gern an ehemaligen Opferstätten<br />

errichtet), Peter- und Paulskirchen (an Dingstätten), während<br />

Taufkirchen dem hl. Johannes geweiht worden seien.<br />

U. E. hat man jedoch in allen Pfarrkirchen getauft. Zu Kirchen<br />

der fortschreitenden fränkischen Mission rechnet man<br />

die der hl. Remigius, Hilarius, Arnulf, Desiderius, Dionysius,<br />

Germanus, Leodegar (z. B. Gammertingen) und Medardus. Im<br />

8. Jahrh. entstanden dann klösterliche Eigenkirchen zu Ehren<br />

besonderer Heiliger. Das unter Herzog Landfried um 719<br />

entstandene zweite Gesetzbuch der Alamannen steht ganz<br />

unter dem Einfluß des bereits starken Christentums. Das<br />

Asylrecht der Kirche ist anerkannt, deren Vermögen unveräußerlich.<br />

Vergehen gegen den Bischof werden geahndet wie<br />

solche gegen den Herzog, für den Pfarrer wird ein dreifaches<br />

Wergeid, für den Diakon und Mönch ein doppeltes<br />

festgesetzt und die Sonntagsruhe eingeschärft. (Wergeid<br />

Bußgeld bei Tötung eines Mannes).<br />

=<br />

Das im Jahre 724 von Pirmin gegründete Inselkloster Reichenau,<br />

sowie das schon genannte Skt. Gallen, zu denen sich<br />

noch Lorsch an der Bergstraße gesellte, gelangten bald in<br />

Blüte, reich beschenkt im weiten Land von edeldenkenden<br />

Alamannen. Seit Ende des 6. Jahrhunderts war das uralte<br />

Konstanz Bischofssitz des Alamannengebiets und blieb es<br />

bis 1821. Doch haben sich die Grenzen der riesigen Diözese,<br />

die vom großen Skt. Bernhard bis Stuttgart, vom Rhein bis an<br />

die Iiier reichte, erst nach und nach gebildet bis Mitte des<br />

8. Jahrhunderts. Kraus.<br />

Silvesterabend vor 50 Jahren im alten Jungingen<br />

Ein Jahr versinkt, ein kurzer Traum,<br />

ein welkes Blatt am Lebensbaum,<br />

ein Tropfen in dem Meer der Zeit.<br />

Ein leiser Hauch der Ewigkeit,<br />

so zeichnet Max Dreyer das Bild des Jahres vom Standpunkt<br />

der Ewigkeit aus.<br />

Aber für den Menschen, der noch im Strom der Zeitlichkeit<br />

schwimmt, ist ein Jahr ein wichtiger Zeitabschnitt. Und für<br />

all' die Menschen, die vor 50 Jahren in ihr verschneites Killertal<br />

zurückkehrten, waren die Tage zwischen Weihnachten<br />

und Neujahr eine Zeit der Einkehr bei sich und bei guten<br />

Freunden.<br />

Die Hausierer, die während der Zeit der Feiertage ihrer<br />

Arbeit draußen ja doch nicht nachgehen konnten, benutzten<br />

sie, nun ihre Kinder zu sehen und gleichzeitig mit ihren Lieferanten<br />

abzurechnen.<br />

So sah man überall — in wohlgeheizten Stuben, auf der<br />

Dorfstraße und in den Wirtshäusern — Bekannte sich begrüßen<br />

und ihre Erlebnisse austauschen. Alle sind sauber gskleidet,<br />

um auch nach außen hin zu zeigen, daß sie draußen mit<br />

Erfolg gearbeitet haben.<br />

Füi lie Gemeinde Jungingen aber hat der letzte Tag im<br />

Jahr, der dem heiligen Silvester geweiht ist, noch eine besondere<br />

Bedeutung. Denn dieser Heilige ist der Schutzpatron<br />

3 sr Gemeinde — und soi fällt das Kirchenpatrozmium mit der<br />

Jahresschlußfeier zusammen. Es wird auch in aller Herzlichkeit<br />

begangen, weil die Koffer, Kisten und Schachteln der<br />

Weihnachtsurlauber für den baldigen Abschied schon wieder<br />

gepackt sind.<br />

Arn Nachmittag des Festes finden sich die Hausierer auf<br />

der „Post" mit ihren Geschäftsreisenden zusammen, um<br />

deren Warenproben gründlich zu mustern und gleichzeitig<br />

abgesetzte Ware zu verrechnen. Wenn dann die Geschäfte erledigt<br />

sind, ist es guter Brauch, ein Glas Wein mit einander<br />

zu trinken und sich des hart erkämpften Erfolges zu freuen.<br />

Im „Bierthedor" sitzen die Bauern, Holzhauer und Jäger<br />

zusammen, rauchen ihren Knaster und erzählen sich absonderliche<br />

Geschichten, die auf 2 Fremde, die mit am Tisch<br />

jtzen, zugeschnitten sind. Der Waldschütz berichtet von<br />

Kreuzungsergebnissen, die sich in seinem Stall zwischen der<br />

Hauskatze und seinen Kaninchen ergeben haben. Die seien<br />

wie Gift auf die Ratten; er hätte keine Maus mehr im gan-<br />

zen Haus. Die Tischrunde zweifelt erst, stimmt aber dann,<br />

durch Beispiele belehrt, überzeugt zu. Einer der beiden Fremden<br />

will ein Pärchen kaufen, erhält aber den Bescheid, am<br />

Werktag mit einer soliden kleinen Holzkiste wieder zu kommen,<br />

weil die Nager jeden Rucksack durchbeißen.<br />

Des Abends, schon um 7 Uhr, sammeln sich die Hausiererfamilien<br />

im „Adler" zu einer Abschiedsfeier. Gute Freunde<br />

und Bekannte finden sich bei ihnen ein, und die geräumige<br />

Gaststube füllt sich langsam mit Gästen, die noch einmal<br />

fröhlich und guter Dinge sein wollen, bevor sie ihre Grätzen<br />

wieder von Hof zu Hof tragen. — Eifrig bedient der Adlerwirt<br />

seine Gäste, die sich, so wie sie kommen, an den Tischen<br />

zusammen finden. Nur für die Dorfhonorationen bleibt<br />

— nach altem Brauch — der runde Tisch am Ofen frei.<br />

Am Silvesterabend wild repräsentiert; familienweise und<br />

einzeln. Die Männer sind in bester Form —, und auch die<br />

Frauen haben sich gut herausgemacht. Schon ist, durch den<br />

Wein angeregt, die allgemeine Unterhaltung im Gang. Es<br />

wird nicht in kleinen Gruppen getuschelt, sondern von Tisch<br />

zu Tisch Rede und Gegenrede getauscht.<br />

Jetzt haben sie den Waldschütz vor, dessen Kreuzungsversuche<br />

sich rasch im Dorf verbreitet haben. Die ersten Bestellungen<br />

gehen ein. Als sich aber weitere Liebhaber melden,<br />

muß auf den nächsten Wurf vertröstet werden. Auch<br />

das Fangen der jungen , Rattenbeißer" sei nicht so einfach,<br />

denn die Luder säßen entweder unter der Futterkrippe —<br />

oder sie gehen an der Obertennenleiter hoch. Und vom Tisch<br />

der Waldläufer kommt der Zuruf: „Weil se halt am Relling<br />

noschlaget!" —<br />

Nun finden sich auch die Gruppen der Ledigen ein, die den<br />

ganzen Ort abgestreift haben, bis sie sich nach Wunsch zusammengefunden<br />

haben.<br />

Ein Lied wird von den Ledigen angestimmt: Dann fallen<br />

auch die Alten ein. Glockenrein klingen die Mädchenstimmen:<br />

Drum sag ichs nocheinmal -— schön sind die Jugendjahr!<br />

Schön ist die Jugend — sie kommt nicht mehr! —<br />

Auch der „Posthalter" hat seinen hellen Tenor erklingen<br />

lassen — und vor ihm angeregt, rundet der volle Baß des<br />

Schmieds den Refrain ab.<br />

Nun suchen die Augen von Tisch zu Tisch: Auf einen Wink<br />

des Provisors findet sich am Ecktisch ein Quartett zusammen.<br />

— Eine Stimmgabel wimmert leise .,,


Tahreang 195¿ H O F E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 7<br />

Die Unterhaltung verstummt. Vorsichtiges Proben der<br />

Stimmlage: ein ermunternder Augenaufschlag des Dirigenten<br />

— und nun rollt majestätisch und stufenweise ansteigend<br />

der Baß des Schmieds durch den Raum:<br />

Wem bring ich wohl das erste Glas?<br />

Und des Posthalters Tenor fällt ein:<br />

Wer lehrt mich das?<br />

Und dann alle vier:<br />

Das erste Glas dem großen Geist,<br />

Der Trost im Wein uns finden heißt;<br />

Der uns're Welt so schön gemacht;<br />

Ihm sei das erste Glas gebracht'<br />

Ais in Einzeiwiederholungen — und dann in melodischem<br />

Zusammenklang der erste Vers beendet ist, herrscht weihevolle<br />

Stille! —<br />

Nur einer, vom klingenden Tenor hingerissen, packt sein<br />

Glas: „Prost Posthalter".<br />

Aber der, im geheiligten Dienst der hohen Kunst, nimmt<br />

keinerlei Notiz. Seine Augen sind beim Schmied, dessen Baß<br />

in diesem Augenblick zum zweitenmal anrollt:<br />

Wem bring ich wohl aas zweite Glas?<br />

Wer lehrt mich das?<br />

Das zweite Glas dem Vaterland,<br />

Wo meiner Kindheit Wiege stand,<br />

Wo Muttersorgen mich bewacht.<br />

Ihm sei das zweite Glas gebracht!<br />

Kein Laut! — kein Beifall!<br />

Die dritte Strophe klingt an:<br />

Wem bring ich wohl aas dritte G:as?<br />

Wer lehrt mich das?<br />

Das dritte Glas dem treuen Weib,<br />

Das mein gehört, mit SeeJ und Leib;<br />

In dessen Blick mir Liebe lacht:<br />

Ihm sei das dritte Glas gebracht!<br />

Nun bricht dankbarer Beifall durch und von allen Tischen<br />

lohnt Zuruf und Zutrunk die Sänger. —<br />

Nach einer angemessenen Pause, die lebhafter Unterhaltung<br />

gewidmet ist, melden sicn die Ledigen wieder.<br />

Langsam, getragen und feierlich stimmen die Mädel an:<br />

„Wie die Blümiein draußen zittern,<br />

wenn die Abendwindo wehn —"<br />

Und die Burschen fallen ein:<br />

„Und du willst mir s' Herz verbittern,<br />

willst schon wieder von mir genn".<br />

Und alle:<br />

„Ach bleib bei mir und geh' nicht fort,<br />

An meinem Herzen ist der schönste Ort."<br />

Ais aie letzte Stropne verklungen ist, rüsten die einen zum<br />

Aufbruch — Die andern sammeln sich um das Quartett, das<br />

sich zum Leiblied des Schmieds noch einmal zusammengefunden<br />

hat.<br />

Am Neujahrstag weht ein anderer Wind. Nicht nur der<br />

scharfe Nord-Ost, der durchs Tal fegte, sondern auch die<br />

Sorgen des Packens und des Abschiednehmens.<br />

Noch ein letzter Abend in der Familie. Dann — noch mitten<br />

in der Nacht — werden die schweren Rucksäcke umgehängt<br />

und die prall verschnürten Schachteln aufgenommen:<br />

rüstig schreiten die genagelten Stiefel auf der hart gefrorenen<br />

Straße fürbaß, denn es gilt, den Frühzug in Hecningen<br />

zu erreichen, der guten Anschluß nach dem Schwarzwaia hat.<br />

Ein halb Jahrhundert ist verstrichen<br />

Was einst geblüht — ist lang verblichen —<br />

Gewichen einer neuen Zeit! —<br />

Doch neue Zeit bringt alte Sorgen<br />

Nur wer sich rüstet, ist wohlgeborgen<br />

Drum: Augen auf und seid bereit!<br />

Bumiller-Sigmaringen.<br />

Volkstrachten — ein Stück heimatliche Tradition<br />

Noch entsinne ich mich meiner Jugendjahre, als ich zum<br />

erstenmal Zeuge des Lebens und Treibens auf einem Markt<br />

sein durfte. Es war in Rosenfeld, einer Gemeinde des Kleinen<br />

Heubergs. Wie es so* ist, wurde ich auch auf verschiedene<br />

Leute mit einer gar eigenartigen, aber schönen Kleidung<br />

aufmerksam, und immer wieder blieben meine Blicke haften<br />

an den Häubchen der Frauen, den langen Röcken, an den<br />

eigenartigen Hüten, Jacken und Hosen der Bauern des Kleinen<br />

Heube r gs. Natürlich hörte man dann auch in der Volksschule<br />

ir <strong>Heimat</strong>kunde und Geographie über Menschen,<br />

Sitten und Gebräuche unserer schwäbischen <strong>Heimat</strong>, hörte<br />

hier besonders über die schönen alten Volkstrachten des<br />

Kleinen Heuberges, des Schwarzwaldes, des Allgäus und<br />

nicht zuletzt Hohenzollerns. Diese Trachten sind ein lebendiges<br />

Stück heimatlicher Tradition und versinnbilden die<br />

Liebe zur <strong>Heimat</strong>, zum angestammten Grund und Boden.<br />

Oft wurde nach dem Kriege die Meinung geäußert, daß<br />

die Trachten nunmehr endgültig überlebt seien, und binnen<br />

kurzem würden die letzten Exemplare im höchsten Falle<br />

noch in den Museen zu finden sein. Tatsächlich aber erleben<br />

wir, wenigstens hier im hohenz. Unterlande, wo ein urwüchsiges<br />

Bauerntum noch stark an seinem Boden hängt,<br />

daß die Freude an den überkommenen Trachten wieder auflebt<br />

und stärker wird. Diese Tatsache hat siel, in den letzten<br />

2 Jahren besonders bei den großen Trachtenfesten in Dettingen,<br />

Oberndorf, Betra und Trillfingen bewiesen. Auch<br />

anderweitig haben Trachtengruppen und Landjugendgruppen<br />

in ihrer kleidsamen schönen Tracht den ungeteilten Beifall<br />

des Volkes gefunden.<br />

Natürlich sind wir nun keineswegs der Meinung, daß man<br />

die alten Trachten wieder zur aligemeinen bäuerlichen Klei-<br />

Von Josef Schneider - Gruol<br />

dung macnen soll. Wohl aber meinen wir, daß es etwas<br />

Schönes und Wertvolles ist, wenn bei festlichen Anlässen<br />

alte und junge Menscnen ihren Stolz darein setzen und ihre<br />

Freude daran haben, die traditionellen Trachten als Zeichen<br />

der engen Verbundenheit mit der <strong>Heimat</strong> und dem Erbe der<br />

Väter zu tragen. Ja, es wäre sehr wohl zu überlegen, ob<br />

der von den Landjugendgruppen beschrittene Weg, eine<br />

Kleidung zu schaffen, die mit diesen alten Trachten viel Gemeinsames<br />

hat, nicht weiter gegangen wird. Denn man hat<br />

' ei den genannten Festen und auch beim vorjährigen Gruoier<br />

<strong>Heimat</strong>spiel von der Lorettokapelle feststellen können,<br />

daß die ländlichen, zeitentsprechenden Trachtenkleider, wie<br />

sie z. B. in der Haigerlocher Webschule gefertigt werden,<br />

eine große Resonanz im Volke finden. Deshalb dürfte es<br />

J.n überaus glücklicher Gedanke sein, die zeitlos gültigen<br />

Werte der Tracht, das Echte und Gediegene und <strong>Heimat</strong>verbundene<br />

in eine neuzuschaftende ländliche Kleidung für<br />

Feiertage und Alltag geschmackvoll zu übertragen.<br />

Trachten sind ein lebendiges Stück <strong>Heimat</strong>, ein wesentlicher<br />

Bestandteil alten Volkstums, dessen Erhaltung und<br />

Pflege unser aller Anliegen sein möge. Heute, wo soviel<br />

sinnvolles bäuerliches Brauchtum verflacht und verloren<br />

geht, müßten die Herze" des Volkes für diese Ideale wieder<br />

mehr geöffnet werden. Und hier muß begonnen werden mit<br />

dem Standesgemäßen und <strong>Heimat</strong>verbundenen, für das in<br />

Hohenzollern noch viel Idealismus vorhanden ist. Er bildet<br />

die Voraussetzung, daß wir auf äiesem Gebiet weiterkommen.<br />

Sitte una Brauchtum sind eine starke Substanz der<br />

ländlichen Lebensart, deren Erhaltung von außerordentlicher<br />

Bedeutung ist.<br />

Von sämtlichen bis jetzt erschienenen Nummern der „Hohenzoilerischen <strong>Heimat</strong>" ist noch ein<br />

kleiner Vorrat vorhanden. Für 30 Pfennig pro Stück können sie bezogen werden von der<br />

Buchdruckerei S. Acker in Gammertingen.


8<br />

HO II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

Die ehemalige Papierfabrik Kaiseringen<br />

Es war um 1800, als in Frankreich und England die ersten<br />

Papiermaschinen zur Aufstellung kamen. Bis diese Erfindung<br />

auch in Deutschland Eingang fand, vergingen nochmals<br />

zwei Jahrzehnte Dem vordrängenden Maschinenbetrieb, der<br />

mit jeder Vervollkommnung der Papiermaschine leistungsfähiger<br />

wurde, konnten auf die Dauer die alten Papiermühlen<br />

nicht standhalten und mußten früher oder später zum<br />

Erliegen kommen. Dies erkannte aucn der Papierer J o -<br />

harne; Lang, der in Laufen a. d. Eyach mit seinem<br />

Bruder Christian die vom Vater Andreas Lang übernommene<br />

Handp'piermühle betrieb 1 ). Johannes faßte daher den<br />

J ian, sich selbständig zu machen, eine neue Mühle zu errichten<br />

und darin eine Papiermaschine aufzustellen. Bei der<br />

Ui schau nach einem geeigneten Gelände entschied er sich<br />

für Kriseringen 2 ) im Fürstentum, heute Kreis Sigmaringen,<br />

wo die vorbeifließende Schmeie 3 ) die nötige Wasserkraft liefern<br />

sollte.<br />

Unter dem 2. März 1838 richtet Lang an die fürstl. Regierung<br />

zu Sigmaringen eine entsprechende Eingabe und ersucht<br />

um die behördliche Genehmigung zur Errichtung einer<br />

„Fabrik für endloses Papier"! Er verfehlte nicht, darauf hinzuweisen,<br />

daß er in seinem Unternehmen dauernd 40—50<br />

Personen beschäftigen werde und daß dadurch der „armen<br />

Bevölkerung des Straßberger Bezirks" eine gute Verdienstmöglichkeit<br />

geboten werde. Ueber seine beruflicnen Fähigkeiten,<br />

sowie über sein Vermögen könne er jederzeit die gewünschten<br />

Zeugnisse vorlegen. Im übrigen bittet er um die<br />

gleichen Rechte hinsichtlich der Pachtung des Lumpensammler-Bestandes,<br />

wie solche den Untertanen zuständen. In ihrer<br />

Antwort weist die fürstl. hohenz. Regierung darauf hin, daß<br />

der Papiermacher Stähle in Gammertingen bis zum 31. März<br />

1840 das ausschließliche Recht zur Papierherstellung im Fürstentum<br />

besitze. Das Recht zum Lumpensammein sei ein Regal<br />

und werde von den Rentämtern auf bestimmte Zeiträume<br />

verpachtet. Es sei jedermann freigestellt, bei der<br />

Verpacl .*ung mitzusteigern, solange der Zollverein besiehe.<br />

Sfflfc 'dieser einmal zu bestehen aufhören, so könne Lang<br />

für eine im Sig'maringer Territorium zu erbauende Papiermühle<br />

das gleiche Recht wie den Landesangehörigen zuerkann'<br />

werden. Der Erteilung der Konzession zum Bau und<br />

Betriebe einer Papierfabrik dürfte kaum etwas im Wege<br />

stehen, wenn der Antragsteller sich über seine Person und<br />

sein Vermögen hinreichend ausweisen könne. Der Gemeinderat<br />

von Laufen bescheinigt hierauf, daß Lang noch unbestraft<br />

und ein* biederer Mann" sei, auch ein „hinlängliches<br />

Vermögen" besitze, un: das geplante Werk aufführen zu können.<br />

Der Papierer selbst bittet nun um die Bauerlaubnis,<br />

denn "jis der Betrieb eröffnet werden könne, sei Stähle's<br />

Privilegium abgelaufen. Unter dem 29. 11. 38 teilt die Regierung<br />

in Sigmaringen dem Oberamt Straßberg mit, daß<br />

'em Johannes u,ang die erbetene Konzession zu erteilen sei,<br />

daß diese jedoch erst ab 1. 4. 1840 ausgeübt werden dürfe,<br />

sotern der Gesuchsteller mit dem bis dahin privilegierten<br />

•apierer Stähle wegen früherer Eröffnung der Fabrik keine<br />

Einigung erzielen sollte. Am 9. März 1839 legt Lang dem<br />

Oberamt Straßberg einen Lageplan, ein Nivellement der<br />

Schmeie von der interen Mühle Straßberg bis zur Mühle<br />

StoIdingen und den Vertrag mit den Wasserberechtigten<br />

vor 1 ) Aber nochmais vergingen 5 Monate, bis am 14. 8. 39<br />

di-: Maurer- und Zimmererarbeiten zum Fabrikgebäude vergebt<br />

i werden konnten. Am 12. März des folgenden Jahres<br />

wirri nochmals eine Vergebung von Maurerarbeiten ausgeschrieben.<br />

Im Dezember 1840 konnte dann der Betrieb mit<br />

zwei Holländern (Maschinen zum Zerkleinern der Lumpen)<br />

efÖfihei werden. Die Anzeige im „Schwäbischen Merkur"<br />

vom 18. Dezember 1840, Seite 1379, hat folgenden Wortlaut:<br />

„Ich beehre mich hier ii . die ergebene Anzeige zu machen,<br />

daß ich au. hiesigem Platze eine Papieri^bri . welche lede<br />

ueliebige öorte i i endlosem Druck-, schreib- und i-ostpapier<br />

liefert, b< rundet habe. Mich stets bestrebend, die<br />

volle Zufriedenheit meiner verehrlichen Abnehmer zu erwerben,<br />

empfehle ich mich noch besonders den Herren Buchhändlern<br />

und Kaufleuten.<br />

Kaiseringen (Sigmaringen), im Dezember 1840<br />

Johannes Lang, Papierfabrikant."<br />

Auch in den folgenden Jahren wurden immer wieder bauliche<br />

Veränderungen oder Erweiterungen vorgenommen. Das<br />

Geschäft blühte rasch auf, und seine Erzeugnisse an alien<br />

gängigen Papiersorten wurden laufend abgenommen. Aus<br />

einem Bericht des Oberamtmanns in Straßberg ist zu entnehmen,<br />

daß das verfertigte Papier einen guten Absatz fand,<br />

so daß Lang gar nicht in der Lage war, die verlangten Mengen<br />

herzustellen und aiie Aufträge zu erfüllen, Es wurden<br />

Von M. Schaitel<br />

denn auch bald zwei weitere Holländer in einem Nebenwerk<br />

aufgestellt, um die Leistungsfähigkeit der Fabrik zu steigern.<br />

Um diese Zeit dürften etwa 30 Personen im Betriebe Arbeit<br />

und Brot gefunden haben. Gelegentlich einer Zählung der<br />

evangelischen Bevölkerung Hohenzollerns vom Mai 1 352<br />

werden unter Kaiseringen neben der Familie Lang noch 18<br />

Arbeiter namentlich aufgeführt, die aus den umliegenden<br />

Ortschaften Württembergs stammen 5 ). Da wohl mit Sicherheit<br />

angenommen werden darf, daß auch Leute aus Kaiseringen<br />

oder dem nahen Straßberg in der Papierfabrik Beschäftigung<br />

fanden, so dürfte die genannte Zahl nicht überschätzt<br />

sein. Was den Fabrikbetrieb zweifellos ungünstig beeinflußte,<br />

das war die geringe Wassermenge, die die Scnmeie<br />

in den Sommermonaten, vor allem in trockenen Jahren, lieferte.<br />

So ist es auch erklärlich, wenn in dem schon genannten<br />

Bericht gesagt wird, daß zwei Holländer fast immer still<br />

lägen. Lang erkannte auch bald, daß ein gleichmäßiger und<br />

ungestörter Antrieb der Papiermaschine nur durch °ine<br />

Dampfmaschine gewährleistet werde. Da deren Anschaffung<br />

aber über seine finanziellen Kräfte ging, machte er im Jahre<br />

1858 über die Regierung in Sigmaringen an da Kgl. Preuß.<br />

Ministerium für Handei, Gewerbe und öffentliche Arbeiten<br />

in Berlin eine Eingabe, ihm aus staatlichen Mitteln eine<br />

Dampfmaschine von etwa 24 Pferdekräften zur Verfügung zu<br />

stellen. Das Ministerium habe schon so viele Beweise für<br />

das Emporbringen gewerblicher Etablissements in den Hohenzollernschen<br />

Landen geliefert, daß auch er lie untertänigste<br />

Bitte einreiche, um seinen Betrieb durchhalten und<br />

ausdehnen zu können. Bei einer Familie nit 10 Kindern<br />

habe er jetzt für den Ankauf der rötigen Grundstücke, für<br />

den Bau der Geoäulichkeiten und die Ausstattung der Fabrik<br />

bereits 100 000 Gulden aufgewendet. Mit einer ausführlichen<br />

Aeußerung über die ganzen Verhältnisse, über die<br />

Persönlichkeit und gewerbliche Tüchtigkeit des Bittstellers,<br />

wurde dann Oberamtmann Stehle beauftragt. Der Bericht<br />

datiert vom 1. April 1858 und bezeichnet Lang in seinem<br />

Fache als ungemein tüchtig. Leider sei er viel abwesend und<br />

müsse seine Geschäfte fremden Leuten anvertrauen. Bis<br />

zum Tode seiner Ehefrau im Jahre 1846 habe der Betrieb<br />

nur Aufschwung genommen, seitdem gehe es aber langsam<br />

bergab. Den Kindern, die keine Aufsicht haben, fehle die<br />

Mutterhand, der älteste Sohn Jakob sei ein Taugenichts und<br />

schon mit dem Strafgesetz in Konflikt gekommer. jas Fabrikgebäude<br />

sei zu 40 000 fl brandversichert, der Wert der<br />

Güter betrage 5000 fl, während an Schulden 20 000 fl ausgewiesen<br />

würden. Welche Kapitalien -vorhanden seien, wäre<br />

unbekannt! Zweifellos würde durch die unzureichende Wasserkraft<br />

der Schmeie dem Betriebe schwerer Schaden z (gefügt,<br />

aber auch die persönlichen Verhältnisse würden ihren<br />

Teil dazu beitragen, das Geschäft langsam zu Grunde zu<br />

richten. Sollte dem Gesuche Längs entsprochen werden, so<br />

wäre der Papiermacher verpflichtet, mehr Arbeiter aus honenzollerischen<br />

Gemeinden einzustellen. Bis heute würden<br />

fast nur Württemberger beschäftigt! Mit Schreiben vom 22.<br />

4. 1858 ging der Sigmaringer Regierung aus Berlin der Bescheid<br />

zu, das Gesuch des Papierfabrikanten abzulehnen.<br />

Diesem gelang es nicht mehr, die nötigen Mittel zur Anschaffung<br />

einer Dampfmaschine 6 ) aufzubringen; sein Betrieb blieb<br />

weiterhin von der unzulänglichen Wasserkraft der Schmeie<br />

abhängig und konnte somit nie voll ausgenützt werden. Inzwischen<br />

war das Jahr 1866 gekommen, in dem bekanntlich<br />

Preußen und Oesterreich um die Vorherrschaft in Deutschland<br />

rangen. Württemberg, mit dem Lang hauptsächlich in<br />

Geschäftsverbindung stand, hielt mit den übrigen süddeutschen<br />

Staaten am Deutschen Bunde und Oesterreich fest,<br />

mußte aber infolge des unglücklichen Ausgangs der Kampfhandlungen<br />

8 Millionen Kriegsentschädigung an Preußen


Tahreang 195¿ H O F E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 9<br />

zahlen. Wie immer in Kriegszeiten, so blieb auch diesmal das<br />

Wirtschaftsleben nicht ohne Erschütterungen. Die Zahlungen<br />

gingen schlecht ein, die Gläubiger kündigten ihre Guthaben,<br />

Geld war nur schwer und zu hohen Zinssätzen zu bekommen.<br />

Von besonderem Nachteil für Lang war, daß sein Bankier<br />

7 ) unerwartet starb und die Erben auf der Eintreibung<br />

der Außenstände beharrten. Die auf die Stuttgarter Bank<br />

gezogenen Wechsel wurden nicht mehr akzeptiert, so daß<br />

Lang nach seinen eigenen Worten geradezu von einer „Flut<br />

von Wechselklagen überschüttet" wurde. Zwar gelang es ihm<br />

nochmals, durch Ausstellung von Hypotheken einen Teil seiner<br />

Gläubiger zu beruhigen, die finanzielle Lage des Betriebes<br />

blieb nach wie vor äußerst gespannt und unsicher.<br />

Alle Bemühungen Lang's, von Privatleuten oder Geldinstituten<br />

neues Betriebskapital zu erhalten, schlugen fehl, er<br />

versuchte es daher noch einmal, den preuß. Staat um Hilfe<br />

anzugehen. Mit Eingabe vom 26. 2. 1867 bittet Lang um die<br />

Gewährung eines Darlehens in Höhe von 20 000 fl, die er mit<br />

5 °/o verzinsen will. Die Sigmaringer Regierung gibt jedoch<br />

das Gesuch gar nicht weiter, weil sie sich auf Grund der<br />

Richtlinien für die Gewährung von Staatsbeihilfen für gewerbliche<br />

Zwecke höheren Orts keinen Erfolg verspricht.<br />

Lang's Kredit ist erschüttert, der Betrieb steht vor dem<br />

finanziellen Ruin! Auf Antrag der Erben des Stuttgarter<br />

Bankiers wird am 15. 7. 1868 die Subhastation, d. h. das<br />

Konkursverfahren eingeleitet. Glücklicherweise hatte Lang<br />

seinen Kindern schon vor Jahren ein Voraus von 10 000 fl<br />

sicherstellen lassen. J. C. Streich und Krimmal-Zeller in<br />

Ebingen, vermutlich Gläubiger, erstanden das Anwesen mit<br />

allem Zubehör 8 ). Vier Jahre später verkauft Wilhelm Krimmel<br />

die ehemaligen Lang'schen Liegenschaften in Kaiseringen,<br />

bestehend aus Wohnhaus mit Keller, Scheuer mit Stallungen,<br />

Waschbaus, Holzschopf, Fabrik- und Holländergebäude<br />

nebst einigen Aeckern und Wiesen an den Manchesterfabrikanten<br />

Johannes Kaufmann in Ebingen um den<br />

Preis von 5 000 fl 9 ) ' Das bereits in den Jahren 1880—90 erweiterte<br />

und umgebaute Gebäude ist im Laufe der Jahre<br />

modernen Fabrikgebäulichkeiten gewichen und heute Hauptwerk<br />

der Firma: J. C. Kauffmann Sohn K.G., Sammetfabrik<br />

Kaiseringen/Hohenzollern 10 ).<br />

Wenn die Erzeugnisse der Papiermühle Laufen a. d. Eyach,<br />

wo Lang's Vater und Bruder und er selbst aus der Bütte<br />

schöpften, durch ihre Wasserzeichen bekannt sind, so weisen<br />

die Papiere der Papierfabrik Kaiseringen, wie alle Erzeugnisse<br />

der ersten Papiermaschinen, keinerlei Wasserzeichen<br />

oder Meistermarken auf. Indessen wissen wir aus der Anzeige<br />

zur Geschäftseröffnung, daß Lang mit seiner Maschine<br />

all< Sorten "er gebräuchlichsten Papiere herstellte. So soll<br />

auch der „Schwarzwälder Bote'' in Oberndorf a. N. einige<br />

Jahre sein Zeitungspapier aus Kaiseringen bezogen haben.<br />

Johannes Lang "var am 15. 4. 1799 in Laufen a. d. Eyach<br />

als Sohn des Papierers Andreas Lang und seiner Ehefrau<br />

Anna Katharina, geb. Krimmel geboren. Die Kunst, wie die<br />

Handpapiermacher ihr Handwerk nannten, hat er bei seinem<br />

Vater erlernt und sich dann in fremden Betrieben weiter<br />

ausgebildet. Arr 11. 5. 1827 reichte er der Maria Magdalena<br />

"Verner, geb. 20. 8. Oft, Tochter des Hopfenhändlers Jakob<br />

Vcrncr und dessen Ehefrau Regina, geb. Storz, in Ebingen<br />

die Hand zum Lebensbunde und trat als Teilhaber in die<br />

väterliche Papiermühle ein. Der Ehe entsprossen 14 Kinder,<br />

von denen 3 in Ebingen, 8 in Laufen und 3 in Kaiseringen<br />

geboren wurden. Während vier Kinder in frühester Jugend<br />

starben, überiebten die übrigen 10, 5 Buben und 5 Mädchen,<br />

die Eltern. Die Tochter Anna Katharina, geb. 2. 9. 1837 in<br />

Laufen, heiratete am 27. 8. 1861 den Witwer Johannes Kauf-<br />

mann in Ebingen, der 1872, wie bereits erwähnt, die Gebäulichkeiten<br />

der ehemaligen Papierfabrik erwarb und einen<br />

Betrieb zur Herstellung von Manchesterstoffen errichtete.<br />

Dieser Ehe entsproß der spätere Firmen-Inhaber Johann<br />

Caspar Kaufmann, geb. 1871 und gest. 1930. Johannes Lang<br />

lebte später teils in Ebingen, teils in Kaiseringen, wo er im<br />

Alter von 82 Jahren starb und auf dem Kaiseringer Friedhof<br />

neben seiner Ehefrau beigesetzt wurde. Die Grabstätte ist<br />

noch erhalten, desgleichen der in zwei Felder geteilte Grabstein.<br />

Die Inschrift des rechten Feldes lautet: Hier ruht die<br />

Hülle der Maria Magdalena, geb. Werner, Gattin des Papierfabrikanten<br />

Lang hier, geb. in Ebingen 20. 8. 08, gest. 23. 6.<br />

1846. Der trauernde Gatte und 10 unversorgte Kinder! Auf<br />

der linken Seite des Steines ist zu lesen: Johannes Lang,<br />

Papierfabrikant, geb. zu Laufen 15. 4. 1799, gest. 28. 3. 81.<br />

Ruhe sanft!<br />

Lang war, wie uns allseitig bestätigt wird, ein Meister<br />

seines Faches. Er war klug genug, rechtzeitig erkannt zu<br />

haben, daß die Zukunft auch auf dem Gebiete der Papierherstellung<br />

der Maschine gehöre und führte den Plan der Umstellung<br />

durch. Daß ihm von einer großen Kinderschar die<br />

Gattin und Mutter allzu früh wegstarb und seine finanziellen<br />

Kräfte es ihm nicht erlaubten, die unzulängliche Wasserkraft<br />

der Schmeie durch Dampfkraft zu ersetzen, war das<br />

tragische Verhängnis. — Immerhin ist es von kulturgeschichtlichem<br />

Interesse, daß in Hohenzollern neben den Papiermühlen<br />

von Weilheim bei Hechingen und Gammertingen,<br />

in Kaiseringen eine Papierfabrik stand. (Eine Papiermühle<br />

bei Weilheim bei Hechingen von M. Schaitel in „<strong>Hohenzollerische</strong><br />

Blätter" Nr. 220, vom 19. 9. 1942 und Die privilegierte<br />

Papiermühle zu Gammertingen von M. Schaitel in<br />

„Der Papierfabrikant, Wochenblatt für Papierfabrikation",<br />

Heft 5, Mai 1944).<br />

Quellen:<br />

Akten „Preuß. Regierung f. d. Hohenz. Lande, 1—6 Nr. 892" im<br />

Staatsarchiv Sigmaringen.<br />

Anmerkungen:<br />

1) Württ. Papiergeschichte von Fr. v. Hössle, Biberach .'Riß.<br />

2) Laufen a. d. Eyach liegt an der Eisenbahnlinie Balingen—Ebingen<br />

im Krs. Balingen und Kaiseringen an derselben Strecke<br />

halbwegs Ebingen—Sigmaringen, Krs. Sigmaringen.<br />

3) Die Schmie oder Schmiecha entspringt auf der Flur Geififze<br />

der Gemarkung Onstmettingen, nimmt im Dorf beim Rathaus<br />

einen zweiten Quellfluß auf, berührt auf ihrem T=uf Tailfingen,<br />

Truchtelfingen, Ebingen, Straßberg, Kaiseringen. Ober- unc Unterschmeien<br />

und mündet unfern der Bahnstation Inzigkofen in<br />

die Donau.<br />

4) Der Situations- oder Lageplan wurde vom Feldmesser Bantle in<br />

Straßberg, das Nivellement von Geometer Falkenstein in Balingen<br />

gefertigt.<br />

5) Buchhalter johannn Martin K-^uzberger von Talheim, OA. Rotte.."iurg;<br />

Emanuel und Vn ia Link von Tie' ngen; Johann Stotz,<br />

Johann Merz und Jakob ' /izemann von Laufen a. d. Eyach; Jakob<br />

Leibfritz, Jakob Schauer und Gottlieb Lebherz von Bitz;<br />

Johann Ringwald und Anna Single von Pfeffingen; Ursula<br />

Schöller, Anna Maria Dez und Barbara Kern von Tailfingen;<br />

Michael Faigle und Gottlieb Lang von Truchtelfingen; Jakob<br />

Kißling und Karl Kissinger von Winterlingen.<br />

6) Im Jahre 1873 baute die Nachfolgerfirma I. C. Kaufmann Sohn<br />

einen Dampfkessel ein.<br />

') J. G. Schaible in Stuttgart.<br />

8) Die Käufer hatten zu zahlen: 3 743 f a- Jakob Lob und 2 263 fl<br />

an Lazaru T ,ü'u, bei" in Hechingen; 2 433 " an Wi ire J. J. Engel<br />

und 1 479 fl an G. Kißling, beide in Ebingen; 746 fl an die<br />

^rben Schaible in Stuttgart und 308 fl an Pfarrei 'jng in Dürrwangen<br />

bei Balingen.<br />

») Der K ufvÄfr ag datiert _ .. !9. 4. 1872. Die Firma J. C. 'Cauffmann<br />

Sohn konnte den Betrieb in Kaiseringen am 30. Januar<br />

1873 eröffnen.<br />

10) „Kaufmann 'amt seit 1840", Festschrift zum 110jährigen Jubiläum<br />

der Firma J. C. Kauffmann Sohn K.G. in Kaiseringen-<br />

Hohenzollern 1950.<br />

In Hechingen anno 1622 wegen Falschmünzerei zum<br />

Feuertode verurteilt<br />

Auf der S"che nach unveröffentlichten Nachrichten zum<br />

V/nenzoll. Münzwesen fand icn im Sommer 1953 im Fürstl.<br />

Hohenz, Domänenarchiv, Abtlg. Hechingen, i. d. Rubrik 117<br />

die Unterlagen zu einem Malefizprozeß wegen Falschmünzerei,<br />

der in Hechingen durchgeführt wurde.<br />

Zunächst ergibt sich aus mehreren gut und schlecht geschriebenen<br />

Blättern mit Verhörsergebnissen folgendes:<br />

„gue'u u. peinliches Geständnis des Caspar Füchsiin<br />

von H-^hingen vom 29. Juli 1622 über Vorgänge vor<br />

sieben Jahren" also- 1615).<br />

Er Füxlin habe von Muni Halder, Bürger zu Rottenburg,<br />

und Georg Lamparter wissentlicn falsche Münzen zu underschiedlichen<br />

Malen angenommen, selbige in Hechingen und<br />

anderorts ausgegeben und die Leut damit betrogen.<br />

Für diese Taten sei er bestraft worden: drei Janre mit<br />

Weib und Kind des Landes verwiesen.<br />

Nach Ablau:" dieser Zeit habe der Graf ihn in Gnaden<br />

wieder ins Land gelassen.<br />

Nun folgen die Angaben über die neuen Vergehen:<br />

Er habe sich jetzt eingelassen mit dem Bösewicht Hans<br />

Weyler von Gültlingen, dem Zimmermann: er habe von dem<br />

Weyler ganze kupferne und mit bezüglicher kalter Versilberung<br />

angemac-V te Sechs-Bätzner für Fadensilber und<br />

Blei erhalten. Er habe die Stück« für echt ausgegeben. Er<br />

habe Gnadiger Herrschaft Münzprägestöck diebischer Weise<br />

an sich genommen und zum Münzen mißbraucnt. Er Füxlin<br />

und der Mühlmeister haben das gemacht. Er : leugne nicht,<br />

und es sei bekannt, daß er in einer Nacht dem Mühimeiäter


10 H O II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

in dem Büchsenschützenhaus allhier die 200 Stück falsche<br />

6 = Bätzner, die sich, wann sie gerechter Prob waren, in<br />

die 80 Gulden belaufen thäten,<br />

machen.<br />

helfen zurichten und zu<br />

Genannt werden dann die in der Münze gestohlenen und<br />

die sonst gefälschten Prägeisen und eiserne Gießlöffel.<br />

Bei seiner, Füxlins Behausung, habe er eine große Anzahl<br />

der falschen geprägten kupfernen Sechsbätzner zusammen<br />

mit einem geschnittenen Prägeisen solange im Wasser verborgen<br />

gehalten, bis selbige aus sonderbarer Schickung Gottes<br />

durch Jungen, zum Teil noch unmündige Kinder, an das<br />

Tageslicht kamen.<br />

Es folgt nun das Blatt mit dem Urteil:<br />

„Dieweil beklagter Füxlin, der vor sieben Jahren<br />

falsche Münzen von sich gegeben (dafür Landesverweisung<br />

und dann Begnadigung), diese Gnade übel betrachtet<br />

und in den Wind geschlagen, sonderlich aber<br />

mit Zutun des jüngst ausgewiesenen Bösewichtes Mr.<br />

Hanns Weylen von Gültlingen sich abermals eine namhafte<br />

Summe falschen Geldes der kupfernen 6-Bätzner ..<br />

usw. nach der rechten Reichs und Peinlichen Halsgerichtsordnung<br />

zuwider gehandelt und sich höchlich versündigt.<br />

Derowegen Er Füxlin dem Nachrichter in seine<br />

Handt und Bandt geliefert und anderen zu einem abscheulichen<br />

Exempel mit dem Feuer vom Leben<br />

Todt gerichtet werden solle."<br />

Und das alles von Rechts wegen."<br />

Die Rückseite dieses Blattes trägt die Beschriftung:<br />

„Urteil<br />

in Criminal u. Peinlichen Malefizsachen —<br />

contra<br />

Caspar Füxlin von Hechingen<br />

Falschmünzerei betr.<br />

Publiziert Frey tag den 29. Juli 1622<br />

zum<br />

Ist zum Schwert begnadigt und der<br />

auf dem Kirchhof begraben worden."<br />

Leichnam<br />

Bei den Akten liegt noch ein ioses Blatt, auf dem zunächst<br />

vermerkt ist, es sei festgestellt, daß Mr. Johannes<br />

Pfister, der Prägemeister von Tübingen, den Meister<br />

Hanns der Zimmermann (das ist der im Verfahren gegen<br />

Füxlin genannte Mittäter) das Versilbern gelehrt. Ueber das<br />

„Warum" gibt Meister Pfister folgenden Bericht:<br />

Bei einer Trinkung mehrerer Tübinger habe Meister<br />

Hanns der Zimmermann gesagt, er möchte die kalte<br />

Versilberung wohl können. Zimmermann sei auch hernach<br />

etlichemal zu ihm, dem Prägeschneider, gekommen<br />

und habe gebeten, ihn solches zu lehren. Er habe Zimmermann<br />

für einen ehrlichen Meister gehalten und ihm<br />

gesagt: man braucht Salz und Weinstein, und Scheidewasser<br />

dazu. Auf solches der Zimmermann das Scheidewasser<br />

beim Goldschmied allhier geholt, vermelte drei<br />

Materien zusammengetan, ein Silbern Ringlein darin geworfen,<br />

das Wasser abgeseihet und die verbliebene Materia<br />

mit den Fingern zerrieben, sei ein weiß Sälblein<br />

daraus geworden, so der Zimmermann auf ein Kupfern<br />

Blechlin gestrichen und deren gestalt die kalte Versilberung<br />

gelernet. Er, Prägeschneider, habe sich damals<br />

nit besorgt, daß der Zimmermann unredlich damit werde<br />

umgehen, sonsten ihm solches nit wollte gelehrt haben.<br />

Manchem unter uns mag das Urteil „Tod durch Feuer" unmenschlich<br />

erscheinen. Man beachte aber dabei drei Umstände:<br />

1. Die Vorstrafe wegen Münzverbrechens, mit anschließender<br />

Mißachtung der landesherrlichen Gnade.<br />

2. Das Münzrecht war eines der sorgsamst gehüteten Vorrechte<br />

der Regierenden.<br />

3. Man konnte es sich aus wirtschaftlichen Gründen nicht<br />

leisten, die' schon recht minderwertige Landeswährung<br />

durch eine gar ganz silberfreie Legierung des Schrötlings<br />

der Sechsbätzner vollends zu Grunde zu richten.<br />

Ein abschreckendes Urteil war also wohl angebracht.<br />

Ich glaube, in meiner Sammlung ein Stück dieser ganzkupfernen<br />

falschen Sechsbätzner zu besitzen. Die ganze unordentliche<br />

Ausführung der Prägung und Merkmale am Prägebild<br />

lassen darauf schließen. Die schlechten amtlichen<br />

Stücke, die in der Kipperzeit in Umlauf kamen, besaßen<br />

immerhin noch eine Silberlegierung, wenn auch nur eine geringhaltige.<br />

Ein Sechsbätzner hatte etwa 29 mm Durchmesser<br />

und einen Wert von fast 1 ii Taler. Es galt 1 Batzen = 4<br />

Kreuzer, 6 Batzen = 24 Kreuzer, 1 Gulden = 15 Batzen = 60<br />

Kreuzer, 1 Taler = 24 Batzen = 92 Kreuzer, sodaß 1 Taler<br />

etwa IV2 Gulden galt. H. Fassbenaer, Hechingen.<br />

Der Melchinger Kirchenbau 1767 - 69<br />

In vorwiegend landwirtschaftlichen Gemeinden dürfte ein<br />

Kirchenbau zu allen Zeiten eine schwierige Sache gewesen<br />

sein. Auch die alten Melchinger hatten ihren Aerger damit.<br />

Schon im Jahre 1744 melden die Donaueschinger Akten,<br />

Schultheiß Christian Hirlinger habe eine Eingabe an den<br />

Fürsten von Fürstenberg gemacht, worin es heißt' Die Melchinger<br />

Kirche sei viel zu klein, habe nur 20 Schub (zu je<br />

^0.36 ~m) Innenbreite. Angeblich sei sie ursprünglich eine<br />

Kapelle gewesen und vor Zeiten Filiale des jetzt lutherischen<br />

Willmandingen. (Das müßte schon vor 1275 gewesen<br />

sein, was schwer glaubhaft klingt. Allerdings bezog der Pfarrer<br />

manche Einkünfte aus dieser Nachbargemeinde, wie ein<br />

altes Pergamentverzeichnis vor 1500 ausweist; im Pfarrarchiv).<br />

Di>- Christenlehrpflichtigen allein seien so zahlreich,<br />

daß sie die Kirche füllen. Die andern Leute blieben aus Verdrießlichkeit<br />

daheim, denn sie wollten nicht jeder Sonntag<br />

nie gleichen Händel und Streitigkeiten um die Plätze im<br />

Gotteshaus haben. Ein Neubau sei unumgänglich, die Gemeinde<br />

wolle gern die Baufron mit Händen und Gespannen<br />

leisten. — Aliem der gute Wille unserer Vorfahren bekam<br />

durch die nüchterne Antwort der Hofkammer eine arge<br />

Dämpfung. Denn da hieß es, man müsse erst mit Württemberg<br />

vernandein, das den Großen Zehnten als Nachfolger<br />

der Martinspflege Ebingen und der Klöster Pfullingen und<br />

Off^nhausen einnahm. Die Kirche sei doch noch in gutem<br />

Stand Württemberg, das ja protestantisch war, werde wanrscneinhcn<br />

nichts geben, es habe vor etwas über 20 Jahren<br />

zum Steinhiiber Kirchenbau aucn nicht einen<br />

Groschen beigesteuert. Da war nun guter Rat teuer. Das<br />

ganze Kirchenvermögen dahier in M. bestand nämlich in<br />

4256 Gulden '(= 17024 Goldmark).<br />

Aus einer bei den Akten liegenden Skizze sieht man die<br />

ungefähre Form des alten, wohl gotis~hei Baues. Er war<br />

einfach, rechteckig, in dessen Innerem die Chorbogenmauern<br />

hereinsprangen (bei gleicher Breite des Chors) und den beiden<br />

Seitenaltären Rückwände bildeten. Der Turm stand hinten,<br />

wie noch jetzt, und bildete den Haupteingang Die inner*»<br />

Breite maß genau 20,5 Schuh (nürbg. zu je 30,36 cm),<br />

die Lange des Schiffes von den SeitenaJtären an 45 Schuh.<br />

Der Chor maß 20 Breite zu 15 Länge; der Turm war ein<br />

Quadrat von 20 zu 20 Schuh, was der heutigen Breite von<br />

u,14 m ziemlich genau entspricht, da er im unteren Teil<br />

ja stehen blieb.<br />

E r damals vom fürstenbergischen Hofballier ausgearbeitete<br />

Plan eines Neubaus wurde als zu klein verworfen.<br />

Im Jahre 1749 lesen wir, man brenne in M. seit 3 Jahren<br />

ein Ewiges Licht. Obervogt Geppert bezeichnet das<br />

Kircbljin als zu klein und baufällig. Die HeiligenfabriK<br />

fFond) sei arm, man müsse unbedingt den Großzehntherrn<br />

Württemberg angehen. Auch der Schultheiß meldete sich<br />

wieder: Es seien doch 700 Seelen am Ort, aber die Hälfte<br />

müssp außerhs^ der Kirche stehen. Zehntberechtigl seien<br />

iie Klöster Offu»-.hausen und Pfullingen und Martinspflege<br />

Ebingen. Von ihnen, bezw. deren Besitzer Württemberg,<br />

habe man bisher nichts erreicht.<br />

Auf Befehl der bischöfliche)" Behörde in Konstanz mußte<br />

Dekan Christian Döbele von Weiiheim eine Inspektion vornehmen,<br />

die die Richtigkeit der traurigen Zustande nur bestätigen<br />

konnte. Zwei Jahre darauf bleibt eine Bittschrift<br />

des Ortsvorstehers Franz Maichle ebenfalls erfolglos. Die<br />

Melchinger hatten einen Grund, die Sonn-<br />

• agsmesse zu versäumen vorab ind^r kalten<br />

Jahreszeit, und so blieb es 10 Jahre. Die Akten schweigen,<br />

aber die Leute werden umso lauter und unzufriedener<br />

geredet haben!<br />

Im Jahre 1761 hören wir vom Obervogt Hirriinger zu<br />

Trochtelfingen, schon 18 Jahre bettle man an Württemberg<br />

herum, aber es wolle seinen Säckel nicht auftun. Der Ortsheiiige<br />

könne höchstens "2000 Gulden zum Bau zuschießen.<br />

Nach Beschluß des Konzils von Trient (Sitzung 21, cap. 7 de<br />

reformatione) und allgemeiner Uebung nach habe doch derjenige<br />

die Baulast zu tragen, der die Einkünfte oder Zehnten<br />

beziehe, falls die Heiligenfabrik nicht bei Kräften sei.<br />

Der Zehnt sei im 15. Jahrhundert an die bekannten Pfründen<br />

verkauft worden und stehe jetzt Württemberg zu<br />

Aber was kümmere sich dieses um die Konziisbeschlüsse,<br />

dem es wie alle Protestanten ferngeblieben war! Vom<br />

Schultheiß Jakob Löffler. der 1765 verzichten mußte, erfänrt


Tahreang 195¿ H O F E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 11<br />

man ferner von einer Renovation der Zehntbezugsurkunden<br />

Württembergs vor 8 Jahren. Dabei habe man einen mit Siegel<br />

bewahrten Pergamentbrief vorgelesen, worin es hieß,<br />

derselbe Zehnt zu M. sei samt dem halben Kirchensatz an<br />

die St. Martinspfründe in Ebingen durch einen Herrn von<br />

Melchingen verkauft worden. Die Zehntbezieher seien bekanntermaßen<br />

schuldig, das Pfarrhaus zu bauen und zu unterhalten,<br />

ein Kirchenbau aber sei scheinbar seit jenem Zeitpunkt<br />

(15. Jahrhundert) nicht mehr getätigt worden. (Der<br />

bisherige Bau muß also schon weiter zurückgereicht haben.)<br />

Schon 1755 hatte Württemberg geantwortet, in seinen Akten<br />

stehe nichts von einer Baupflicht zur Kirche, wohl aber<br />

zum Pfarrhaus.<br />

Es sollte aber noch mehr Aktenstaub aufgewirbelt werden,<br />

ehe man tatsächlich Baustaub sah! 1765 erging eine neue<br />

Bitte der Gemeinde und des Amts, man möge doch die<br />

Zehntherren angehen, die Kirche sei in Einsturzgefahr, der<br />

Dachstuhl der Sakristei sei schon teilweis herabgebrochen.<br />

Wieder verging ein Winter. Im Mai 1766 erging eine weitere<br />

Eingabe, am 27. August eine zweite. Fürstenberg forderte<br />

nochmal von Amts wegen die Akten ein und schrieb am 17.<br />

Sept. an seinen Nachbar Württemberg: Es möge als Zehntherr<br />

das tragen, was über die Kräfte des Heiligen gehe. Der<br />

Einsturz stehe bevor. Allein es blieb bei der Antwort, in den<br />

Urkunden sei nur die Rede von Baupflicht zum Pfarrhaus.<br />

Hierauf mußte sich das Amt Trochtelfingen in Stetten u.<br />

Holstein erkundigen, wie es dort stehe, da Hechingen die<br />

Nomination, Württemberg die Präsentation des Pfarrers besitze.<br />

Pfarrer Laurenz Mayer antwortet, vor 39 Jahren sei<br />

die Pfarrkirche in Stetten neu hergerichtet worden.<br />

Württemberg beziehe drei Viertel des Gesamtzehntens des<br />

Dorfes und noch darüber, habe jedoch zum Kirchenbau<br />

nichts beigesteuert, sondern nur zum Pfarrhaus. Man riet<br />

hin und her, was zu tun sei. Ein ganz Schlauer riet, das eben<br />

im nahen Talheim feilgebotene e he malige Nonnenkloster<br />

zu kaufen, das für 4—500 Gulden zu haben<br />

sei, aber Eichenholz für wohl 1000 Gulden enthalte. Allein<br />

Fürstenberg riet ab, das meiste Holz sei doch gewöhnlich<br />

unbrauchbar. Auch seien die Transportkosten die Talheimer<br />

Staig herauf viel zu hoch, dazu käme noch der Zoll über die<br />

Landesgrenze, übrigens müßte man das Holz dann in Melchingen<br />

irgendwo unterbringen, sonst verfaule es vollends.<br />

Eine Rechnungsprüfung des Melchinger Heiligen ergab<br />

nach Jahren strengster Sparsamkeit ein Vermögen von 8900<br />

Gulden. Nach Bericht des Obervogts lagen bereits 3 Pläne<br />

vor: 1.) von den Trochteiiinger Maurern Anton Schiffer und<br />

Martin Dietmann, 2.) von Christian Großbayer von Haigerloch,<br />

3.) von Tiberius Moßbrucker von Marchtal; letztere<br />

2 waren renommierte Baumeister. Da der Neubau auf etwa<br />

5000 Gulden zu stehen komme, wagte man nicht, von Württemberg<br />

noch etwas zu erhoffen.<br />

Am 6. August 1767 genehmigte die fürstenbergische Landesregierung<br />

den Plan von Tiberius Moßbrucker,<br />

dessen Ausführung auf 4700 Gulden veranschlagt war, ohne<br />

das von der alten Kirche noch zu übernehmende Brauchbare.<br />

Christian Großbayer von Haigerloch übernahm die<br />

Arbeit um 4500 Gulden am 20. August 1767. Er sollte „die<br />

Kirche nach dem Plan (mit kleinen Abänderungen) in Länge<br />

von 115 Schuh, in Breite von 54 Schuh und in der Höhe von<br />

Grund an bis unters Dach 36 Schuh herstellen. Der Chor<br />

solle eine, das Scniff zwei Kuppeln mit Holz und Latten erhalten,<br />

im Schiff mit Quadratur und Gipsarbeit versehen.<br />

Arn Turm soll der hölzerne Stock abgetragen und ein Achtquadraterstock<br />

von aichenem Holz hinaufgemacht, darauf<br />

eine Kuppel mit Helm oder Stiefel, Ziegei und Grätziegeln<br />

nebst einem Knopf von Kupfer, ob diesem ein Kreuz von<br />

Eisen befestigt werden. Der ganze Turm soll verputzt wer-<br />

den und unter dem Achteck die Mauer an den Ecken abgeschnitten.<br />

Im Innern waren 2 Chor- und 2 Beichtstühle,<br />

Kommunikantengatter und ein Taufstein zu fertigen, das<br />

Material zu beschaffen und die Handwerker zu entlohnen.<br />

So wurde dann 1768 sofort im Frühjahr begonnen. Fürstenberg<br />

schenkte als Landesherr 30 Gerüststangen. Alles<br />

schritt rüstig voran, Kirche und Turm konnten vor Winter<br />

unter Dach gestellt werden. Bereits im Februar 1769 forderte<br />

Großbayer noch weitere 1540 Gulden mit den Begründungen:<br />

a) die Lebensmittel seien teurer geworden, b) er<br />

habe die Bausteine aus Württemberg holen und dafür noch<br />

Zoll zahlen müssen, c) Fundamente und Mauern seien der<br />

Sicherheit halber verstärkt worden, d) über den Akkord<br />

hinaus habe man die 10 Fensteröffnungen, desgleichen auf<br />

dem um 30 Schuh höher aufgeführten Turm die gebrochenen<br />

Eck, ferner je vier große und kleine Schallöcher in gehauenen<br />

Quadern gemacht; e) habe er die Kirche um der<br />

Symmetrie willen etwas länger gemacht, als vorgesehen. Er<br />

selbst habe meist persönlich die Arbeiten geleitet. Obervogt<br />

Hirrlinger billigte die Nachforderung, da das Heiligenvermögen<br />

ja bis Beginn des Baues auf 10 000 Gulden angewachsen<br />

sei.<br />

Die übrigen Gerüststangen hatte die Gemeinde gestellt, da<br />

zu täglich vier Froner und alle Fuhrfronen. Großbayer selbst<br />

mußte 2000 Gulden Kaution stellen, die seine <strong>Heimat</strong>stadt<br />

Haigerloch übernahm. Die Sandsteine bezog man von Wendelsheim<br />

bei Rottenburg, die Ziegelwaren von Trochtelfingen,<br />

Erpfingen und Großengstingen. Die Gemeindedienste<br />

regelte Schultheiß Josef Reinhardt. Pfarrer Klaus wird sich<br />

gefreut haben, als der Bau fertig war. Aber auch dann<br />

fehlte noch manches.<br />

Den Orgelakkord mit Josef Martin von Hayingen hat<br />

die Regierung 1780 nicht genehmigt, da doch niemand die<br />

Orgel schlagen könne; die Gemeinde soll für das Geld lieber<br />

einen Schulfond gründen. Der Ortsvorsteher Konrad Braun<br />

gestand, daß tatsächlich nie eine Orgel dagewesen sei, aber<br />

es habe jemand dazu 200 Gulden gestiftet, eine solche von<br />

10 Register käme auf 400 fl. •— An den Altären fehlte es<br />

übrigens auch noch. Sie werden 1785 als ganz elendig bezeichnet.<br />

Schreiner Joh. Glockner von Hechingen soll neue<br />

fertigen, wozu 780 fl gestiftet sind. 1787 konnte der Hochaltar<br />

von Ambros Reiser von Gammertingen gemalt<br />

werden für 140 fl. Die Nebenaltäre haben bis 1789 die Trochtelfinger<br />

Schreiner Franz und Josef Herter nach Plänen obigen<br />

Glockers erstellt. Erst vier Jahre drauf sollten sie von<br />

den Brüdern Ambros und Anton Reiser, Maler von<br />

Gammertingen, gefaßt werden. Aber da diese nicht immer<br />

schöne Arbeit leisteten, wurden sie dem Hofmaler Konrad<br />

Zoller von Möhringen übertragen, der auch 1793<br />

beide Altarblätter malen sollte.<br />

Noch 1803 bat Pfarrer Straßer um Erlaubnis, eine Orgel<br />

anschaffen zu dürfen. Die Gemeinde woiie einen Organisten<br />

ausbilden lassen. Voranschläge von drei Orgelbauern lagen<br />

bereits vor: Anton Hechinger von Hayingen verlangte 400,<br />

Konrad Köpner von Hechingen 400, und Alois Engelhard von<br />

Mühringen 500 fl. Man hatte aber erst 170 Gulden gesammelt,<br />

weswegen die Bitte abgeschlagen wurde. 1804<br />

mußte man den Kirchturm reparieren für 47 fl 52 kr. Im<br />

Jahre 1795 hielt der hiesige Bürger Jose.' Ott während der<br />

Krankheit des Lehrers Sebastian Faigle die gesamte Werktags-,<br />

Sonn- und Feiertagsschule um 55 Gulden jährlich.<br />

1802 übertrug man ihm aüch die Mesnerei, die er bis zu<br />

seinem Tod 1833 behielt. Das Mesnergehalt betrug zuletzt<br />

ganze 10 Gulden im Jahr, das des damals dann vorhandenen<br />

Organisten aber 12 Gulden. Beide Dienste sollten<br />

werden (Archiv Donaueschingen).<br />

vereinigt<br />

Ueber die kleine Bernhardskapelle zu Melchingen haben<br />

wir schon im Jahrgang 1952 S. 31 berichtet. J. A. K r a u s.<br />

Die Flurnamen der Gemarkung Hausen a. A.<br />

Die Flurnamen sind etwas Persönliches und Charakteristisches<br />

i r jedes Dorf, sind Ausdruck und Niederschlag von<br />

zur Geschichte des Dorfes beziehungsreichen Erscheinungen<br />

aus ^ei Ar hängen bis in unsere Zeit. Die Fülle und Vielgestaltigkeit<br />

ier Flurnamen ist es, die auch dem Dorf und<br />

der Gemarkung Hausen a. A. sein besonders eigentümliches<br />

üftd interessantes Gepräge geben. Viele Flurnamen sind in<br />

den letzten zwei Jahrhunderten verschwunden. Diese sind,<br />

soweit sie nicht nach den Dorfbüchern, Urbarien und Urkunden<br />

noch zu ermitteln sind, unten zusammengestellt. Die<br />

folgende Darstellung mit einer Erklärung oder versuchten<br />

Deutung der Fiurbezeicnnungen beschränkt sich auf die Flurnamen,<br />

die heute noch gebräuchlich sind.<br />

von J. Mühlebach<br />

•'indelsbach. Der \ndelsbaoh ist nach M. Buck und<br />

Otto Sfinger der Bach des Andolf. Letzter mag in der spätalemannischen<br />

Zeit Besitzer des Baches gewesen sein oder<br />

an diesem umfangreichen oder besondere Rechte gehabt<br />

haben.<br />

'.nnenhofer. Das sind die Aecker, die zum Annenhof<br />

/der Annagut gehört haben. Der "".ehensinhaber, später wohl<br />

der Eigentümer des Gutes, war der Annenhofer. Der Annahof<br />

gehörte ebenso wie das St. Klara-Gut einem benachbarten<br />

Frauenkloster.<br />

Band. Das Bant., aufgeteilt in ein inneres, mittleres und<br />

und äußeres Band, ist ms Bann, Bannet entstanden. Mit<br />

Bann oder Band sind Flur- und Waidteile, auch Wege be-


12 HO E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

zeichnet worden, die für die allgemeine Nutzung, für die<br />

Weide und dergl. verboten, „gebannt" waren.<br />

Beschießäcker. Alte Schreibweise Bescheußäcker und<br />

Bescheyßäcker Zwei Pfarrherren von Hausen im 18. Jahrhundert,<br />

Bambser und Hollenstein, beklagen sich bitter darüber,<br />

daß sie bei der Entrichtung des Kleinzehnten durch<br />

die Abgabepflichtigen immer wieder hintergangen und betrogen<br />

werden. Auch den zehntberechtigten Patronatsherren<br />

würde es in dieser Hinsicht nicht besser ergehen. Man kann<br />

annehmen, daß die heutigen Beschießäcker wegen ihrer Lage<br />

nahe dem Dorf — beim südöstlichen Ortsausgang — ihren<br />

Bewirtschaftern das „Bescheißen" (Betrügen) bei Entrichtung<br />

des Groß- und Kleinzehnten — der Zehnte wurde bekanntlich<br />

auf den Feldern ausgezählt — erleichterten und<br />

daß sie sich daher durch dieses Charakteristikum ausgezeichnet<br />

haben.<br />

B i z a i n e heißen Gartengrundstücke im „Winkel" links<br />

der Dorfstraße nach Ettisweiler. Das als Bizaine bezeichnete<br />

Gelände ist auch anderwärts meistens nahe dem Dorfe gelegen,<br />

war in der Regel eingezäuntes Gartenland und vielfach<br />

mit Hackfrüchten, Hanf und Flachs angebaut. Unmittelbar<br />

neben der Bizaine auf unserer Gemarkung liegen die<br />

Hanfgärten.<br />

Bohlgrube. Eine kleine Geländeerhebung mit einer<br />

muldenartigen Vertiefung, einer breiten Grube, an ihrem<br />

Südhang. Bohl ist abzuleiten von ahd. buhil, bol und ist<br />

stammverwandt mit Bühl • Hügel.<br />

Breite, früher häufig auch Breitie, ist die Bezeichnung<br />

für ein ebenes, ausgedehntes Ackerland zu beiden Seiten<br />

der äußeren Triebgasse.<br />

Der Brühl, rechts des Andelsbaches, oberhalb der<br />

Mühle zeigt die gleichen Merkmale, wie sie anderwärts die<br />

Brühlwiesen auch haben: feuchte, äußerst fette und ergiebige<br />

Wiesen nahe dem Bach und in unmittelbarer Nähe des<br />

Dorfes. Die Brühlwiesen waren früher vielfach Viehweide.<br />

Der Brühl war im allgemeinen Wiesenland, das die Grundherrschaft<br />

zu ihrem eigenen Bedarf aus der Acht ausgeschieden<br />

hatte. Unser Brühl wird schon in einer Urkunde<br />

vom 4. 4. 1295 genannt. Nach dieser Urkunde verkauft Burcard<br />

von Kunibach den Brühl zu H. dem Spital Pfullendorf<br />

um 24 Konstanzer Pfund.<br />

Die Bruinnadern werden schon im Urbar des Klosters<br />

Habsthal von 1420 genannt. Der westlich der Krauchenwieser-Straße<br />

liegende Flurteil war früher mit Quellbrünnlein<br />

durchzogen. Am Fuße des Hanges entspringen<br />

heute noch mehrere kleine Quellen.<br />

De r Dreispitz östlich der Rulfinger-Straße entlang<br />

dem Weithart deutet auf eine Dreiecksform hin, die das<br />

Gelände früher, wohl durch einen vorspringenden Waldteil,<br />

gehabt hat. Vielfach hat der Dreispitz, die im Mittelalter gebräuchliche<br />

Kopfbedeckung, den Namen für diese Flurbezeichnung<br />

hergegeben.<br />

Der Egelsee, eine breit hingelagerte, muldenartige<br />

Senkung auf der südlichen Feldgemarkung, etwa 28 Morgen<br />

groß, war bis ins 19. Jahrhundert hineir äin stehendes, 1 bis<br />

8 Fuß tiefes Gewässer, ein Dorado für Blutegel, Frösche und<br />

sonstige Weichtiere. Noch in der letzten Zeit seines Besteh<br />

-ns werden daraus Blutegel in die Apotheken der be<br />

nachbarten Städte geliefert. Mit seiner Trockenlegung hat<br />

sich das Ortsgericht schon um 1835 befaßt, aber erst nach<br />

jahrzehntelangem Planen und umfangreichen Verhandlungen<br />

kam es 1874 bis 1867 zur Trockenlegung. Die Kultivierung<br />

des versumpften und verschilften Bodens war mühsam;<br />

selbst heute noch ist der Graswuchs struppig, aber<br />

langsam und stetig wandelt sich der Grund in ertragreiches<br />

Ackerland und brauchbare Wiesen.<br />

Die Embdwiese (Oehmdwiese) im Dorftal zwischen<br />

Ober- und Unterdorf ist die Wiese, auf der zur Zeit des<br />

Flurzwanges geöhmaet, also ein zweiter Schnitt gemacht<br />

werden durfte. Im allgemeinen waren die Wiesen damals<br />

einmähdig, d. h. es durfte auf ihnen nur e i n Schnitt gemacht<br />

werden.<br />

Die Fahnenäcker leiten ihren Namen vom mhd.<br />

fane = Farn ab. Der Wald, der früher vom Hohholz (Hoehholz)<br />

her bis zu diesem Flurteil vorgestoßen ist. mag nach<br />

seiner Rodung noch lang Gestrüpp mit Farnbeständen hinterlassen<br />

haben.<br />

Frauenberg. Auf dem Berg, auf dem in der Römerzeit<br />

ein römischer Gutshof gestanden hat, war nach den<br />

Aufzeichnungen in der Pfarrchronik einst — man kann dafür<br />

ungefähr die Zeit vom 14. bis 16. Jahrhundert annehmen<br />

— ein kleines Heiligtum erbaut, das Unserer Lieben<br />

Frau geweiht war. Das Kirchlein oder die Kapelle mit einem<br />

Muttergottesbild sei eine weit und breit berühmte Wallfahrtsstätte<br />

gewesen. Der Berg mit der Kapelle zu Unserer<br />

Lieben Frauen war im Volksmund der Liebfrauenberg und<br />

ist später zum Frauenberg geworden.<br />

Die Fretzwiesen leiten ihren Namen von fretzen,<br />

frezen = weiden, abweiden ab. Sie waren mit dem Weiderecht<br />

ausgestattet und durften daher abgeweidet werden,<br />

während die Wiesen ohne Weiderecht gemäht wurden.<br />

Gerenhag oder Gerenäcker. Ackerland zwischen<br />

der Krauchenwieser-Straße und dem oberen Teil des Sengelstales.<br />

Ger ist die Kennzeichnung für ein langgezogenes,<br />

dreieckiges Stück Land, einen Zwickel. Der heute mit Gerenhag<br />

— früher häufig auch mit Gairenhag und Gährenhag<br />

— bezeichnete Flurteil hat seine ursprüngliche Dreiecksform<br />

durch die Flurbereinigung um 1900 verloren.<br />

Greize oder Graize. Man kommt der Deutung dieses<br />

sonst seltenen Flurnamens am nächsten, wenn man iuf<br />

die alte Schreibweise „auf der Gräzen" und „Gräzenhalae",<br />

später auch „Graizenhalde" zurückgeht. Krätze oder Grätze<br />

ist ein geflochtener Rückenkorb. Ursprünglich mag Halde<br />

und Bergrücken, also der „Buickel", mit Gräze bezeichnet<br />

worden sein. Man denke auch an das bei den Kindern beliebte<br />

„Buckelgräzen". Später hat sich der zunächst nur dem<br />

Bergrücken eigene Namen auch auf die Felder, die sich<br />

von seiner Höhe aus zur Hochfläche hinziehen, ausgedehnt,<br />

so daß wir heute eine innere, mittlere und äußere Graize<br />

haben.<br />

G u p f e n ist ein schwer zu deutender Flurname. Gupfen<br />

von Gupf = Kuppe, Bergkopf, ahd. chupp, abzuleiten, wäre<br />

für unseren Flurteil fehl am Platze, weil dieser ein kleines,<br />

topfebenes Stück Wiesengelände im Tal nahe dem Andelsbach<br />

ist. Vielleicht könnte man an Guppe = Juppe (Kleidungsstück)<br />

denken. 1666 findet sich die Schreibweise „auf<br />

der Kufen". Die Entstehung des Flurnamens aus Guppe oder<br />

Kufe kann auf einer Zufälligkeit beruhen. Kufe ist nach<br />

dem Schwäb. Wörterbuch gleich Stande. Will man der alten<br />

Schreibweise „Kufen" folgen, so wäre an die zahlreichen<br />

Haus- und landwirtschaftlichen Geräte zu denken, die häufig<br />

ihren Namen einer Flur geliehen haben, z. B. Rechen,<br />

Gabel, Wagen u. a. Diese Erklärungen sind allerdings so<br />

unbefriedigend, daß man geneigt ist, gupfen nach dem<br />

Schwäbischen Wörterbuch als Osterspiel der Kinder mit<br />

Eiern zu deuten. Noch bis zum ersten Weltkrieg war das<br />

Eierwerfen in den Ostertagen eine beliebte spielerische Betätigung<br />

der Kinder. Dieses Spiel mit den Ostereiern wurde<br />

immer auf einer Wiese in unmittelbarer Nähe der Häuser<br />

betrieben. Was ist näherliegend, als die Annahme, daß dieses<br />

Osterspiel früher auf einem bestimmten Wiesengelände nahe<br />

beim Dorf geübt wurde? Man möchte also doch dieser Deutung<br />

den Vorzug geben. Schon allein deshalb, weil die<br />

Gupfen-Wiese so schön eben ist und sich deshalb für das<br />

Spiel besonders gut eignete und weil die Wiese so nahe bei<br />

den Häusern liegt.<br />

Hau ist ein ausgehauener Waldteil, im Forstbetrieb eine<br />

Schonung, Unweit vom Hau, rechts der Straße nach Rulfingen<br />

am Wald gegen den Dreispitz, liegt das Kreuzhäule,<br />

ein kleiner Hau, bei dem ein Feldkreuz gestanden hat.<br />

Hippen tunk, früher Hippendunk und Hippendung.<br />

Dunk bedeutet Erdhügel, Erderhöhung. Hipp ist ein bekannter<br />

Familienname.<br />

Hoppenzarren, ob dem Fuchsbühl und Sengelstal gegen<br />

den Wald geht vermutlich auf einen Personennamen zurück.<br />

128Ö hat ein Berthold Hoppe, Bärger zu Pfullendorf,<br />

sein ihm gehörendes Gut zu Hausen dem Kloster Habsthal<br />

gestiftet. Wollte man die Ableitung von dem Personennamen<br />

nicht gelten lassen, so könnte man den Flurnamen mit Hoppen<br />

als der Bezeichnung einer mit Gras oder Grasbüschen<br />

bewachsenen Erderhöhung in Verbindung bringen. Für die<br />

zweite Worthälfte „zarren", früher häufig „zahren' 4 ist<br />

schwer eine Deutung zu finden.<br />

Dife Hofäcker, zwischen der Straße nach Schwäbiishausen<br />

und dem äußeren Brühlweg — nahe dem Steinbruch<br />

— verweisen zusammen mit Breite und Brühl auf ein<br />

ehemaliges herrschaftliches Gut, möglicherweise auf das Gut<br />

des Ortsadiigen.<br />

Die Hölle, Bezeichnung einer Häusergruppe im Unterdori,<br />

kann man kaum mit der sonst häufigen Bedeutung als<br />

Schlucht in Verbindung bringen, vielmehr ist der Name hier<br />

von hehlen, ahd. helan = verbergen, verhüllen abzuleiten.<br />

Dieses ist die Bezeichnung für einen abseits liegenden Ortsoder<br />

Fiurteil. Die Häusergrupne im Unterdorf zwischen<br />

Hauptstraße und Embdwiese bildet einen kleinen abseitigen<br />

Ortsteil, der sich dem freien Blickfeld innerhalb des Dorfes<br />

entzieht,<br />

Hürste. früher „auf der langen Hürsten", Hurst und<br />

Hürst, Mehrzahl Hürste, bedeutet Hecke, Gebüsch. Busch-<br />

•" T sld und ist verwandt mit Horst. HecKen und Gebüsch sind<br />

if'ng-st verschwunden, nur die der Ostseite entlang führende<br />

Triebgasse und die Westseite der Hürste sind teilweise noch<br />

vor Büschen gesäumt. Einen Hürsten- (Kirsten-) Esch "ab<br />

es bis ins 18. Jahrhundert auch auf der nördlichen Feldgemarkung<br />

beim Gehrenhag. (Fortsetzung folgt!)


Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 13<br />

Feldkreuze und Bildstöcke in und um Jungingen<br />

Im Pfarrarchiv Jungingen fand sich eine Zusammenstellung<br />

der Feldkreuze und Bildstöcke vom Jahre 1790, die der<br />

damalige von Hechingen gebürtige Pfarrer Johann Konrad<br />

Lukas Vitalowitz aufgezeichnet hat. Da zu den einzelnen<br />

Kreuzen und Bildstöcken spätere Nachträge gemacht wurden,<br />

können Ort und Stelle wohl unschwer vom heutigen Ortschronisten<br />

bestimmt und darüber gelegentlich berichtet werden.<br />

Der Wortlaut des Aufschriebs ist folgender:<br />

Beschreibung über die Bilden-Stöcklein und Creüz, so in<br />

Jungingen in dem Dorf und in dem Feld stehen und auf<br />

Kosten der Gemeind zu unterhalten schuldig, als (im Jahre<br />

1790):<br />

1. Ein Kreüz bei der Set. Anna Kapell (1790) (1796: Ist abgegangen!)<br />

(heute steht am Chor der Annakapelle ein Steinbildstock,<br />

etwa 1,90 m hoch, hinter der vergitterten Nische<br />

eine kleine Herzjesustatue und darunter die Inschrift:<br />

Denkmal des Joseph Schuler von hier, gestorben zu Bohlsbach<br />

(wohl bei Offenburg?) im Jahr 1804.)<br />

2. Ein Kreüz im Heüweeg bei der Schies Maur (1796: Jetzo<br />

in der Reite vom Jahre 1810).<br />

3. Ein Kreüz unter der Lehr am Mesmer Aeckerle (1796:<br />

1810 wieder ganz neu errichtet). Es ist dies wohl das an<br />

der Abzweigung der alten Landstraße von der heutigen<br />

etwas unterhalb des Ortseingangs von Schlatt her noch<br />

stehende Feldkreuz.<br />

4. Ein Bildenstock bei der Pfarr Scheür (1796: abgegangen).<br />

5. Ein Bildenstock an Conrad Haissen Haus (1796: abgegangen).<br />

6. Ein Bildenstock bei Michel Riesters Haus.<br />

7. Ein Bildenstock auf Aigenspott.<br />

8. Ein Bildenstock hinter dem Birgle oder Bronnen Aeckerlein.<br />

von F. St.<br />

Zum Jahre 1842 sind folgende Kreuze und Bildstöcke verzeichnet:<br />

1. Ein Kreüz in der Raithe an Nikiaus Bumillers Wies; neu<br />

errichtet im Jahre 1868.<br />

2. Ein Kreüz unter der Lehr an Johann Speidels Acker; neu<br />

errichtet am 10. Mai 1857. Es wird dies wohl das unter<br />

obiger Nr. 3 aufgeführte Kreuz sein.<br />

3. Ein Kreüz beim Weilerhof an der Gaß. Wohl das sog.<br />

Rote Kreuz, das vor Jahren am Weilerschrofen stand und<br />

sich heute im Pfarrgarten befindet. Da es an seinem alten<br />

Platz umgestürzt war, ließ es Möns. Kramer in jener<br />

stürmischen Zeit im Pfarrgarten wieder errichten.<br />

4. Ein Bildenstcck bei Jung Kristian Bumillers Haus; neu<br />

von Stein errichtet 1863.<br />

5. Ein Bildenstock bei Nikiaus und Sebastian Riesters Haus;<br />

neu von Stein errichtet 1863.<br />

6. Ein Bildenstock auf Eigenspott auf der Mesmerwies, abgegangen.<br />

7. Ein Bildenstock hinter dem Bürgle in Brunnen, abgegangen.<br />

Dabei steht der Name Bosch, wohl Vogt, der wohl damit<br />

die Unterhaltspflicht der Gemeinde anerkannte.<br />

Ob das Kreuz vom Jahre 1935, das dem Fabrikgebäude<br />

Bosch und Speidel gegenüber steht, dort einen Vorgänger<br />

hatte, entzieht sich unserer Kenntnis. Weitere Kreuze stehen<br />

u. W. an der Straße nach Killer, dabei der Flurname „Weilerkreuz",<br />

beim Wasserreservoir und ein Bildstock an der<br />

Bahnlinie nach Killer, zwischen dieser und der alten Landstraße,<br />

heute Feldweg. Doch darüber möge uns der Chronist<br />

berichten und damit einen dankenswerten Beitrag liefern,<br />

damit auch spätere Generationen um den frommen Sinn ihrer<br />

Ahnen wissen.<br />

Ein Fuchs mit einem staatspolitischen Schwanz<br />

In dem „Land und Leute verderblichen Streit sämtlicher<br />

Untertanen der Grafschaft Hohenzollern-Hechingen wider<br />

ihren allergnädigsten Landesherrn" um die freie Birsch und<br />

die andern zahlreichen Dienste und Lasten stand im untern<br />

Teil der Herrschaft neben Rangendingen, Grosselfingen und<br />

Bisingen die Gemeinde Owingen mit in vorderster Front.<br />

Der Konflikt hatte schon Ende des 16. Jahrhunderts hier<br />

begonnen, als i. J. 1584 die Einwohner sich auf althergebrachte<br />

Freiheiten berufend, die Verhaftung ihres Mitbürgers<br />

Georg Fritz verhinderten und, einem herrschaftlichen<br />

Strafkommando ausweichend, „austraten" d. h. über die<br />

naheliegende Grenze gingen. Von dieser Zeit an schwelte die<br />

heimliche Glut der Zwietracht unter leichter Decke weiter,<br />

flammte bei der erstbesten Gelegenheit zu offener Revolte<br />

auf, erlosch scheinbar wieder, um dann einige Jahrzehnte<br />

später mit den andern Gemeinden zusammen in den ein<br />

Jahrhundert dauernden Prozeß auszumünden, der bald vor<br />

dem Reichskammergericht in Wetzlar, bald vor dem Reichshofrat<br />

in Wien sich endlos hinzog und ungeheure Summen<br />

verschlang. Bis zum Jahr 1729 sollen sich die Prozeßkosten<br />

bereits auf mehrere 100 000 Gulden belaufen haben. Erst in<br />

den Jahren 1795/98 fand der fette Prozeß in einem mageren<br />

Stadt- und Landesvergleich ein unrühmliches Ende. Ei starb<br />

wohl an Auszehrung, aber nicht der Richter. Vielleicht wußten<br />

die Enkel schon nicht mehr so genau, um was eigentlich<br />

ihre Urgroßväter gestritten hatten.<br />

Dazwischen hinein spielten noch verschiedene kleinere<br />

„Spenn und Irrungen" zwischen dem „allverehrten und<br />

höchlichst geliebten Landesvater" und „seinen allzeit getrewen<br />

Landtskindern". Diese hatten aber vielfach nur persönlichen<br />

oder lokalen Charakter, zum Teil schlugen allerdings<br />

auch sie ihre Wellen bis nach Wetzlar. Von einem<br />

dieser Zwischenakte sei hier die Rede. Sein siegreicher Ausgang<br />

war für die Owinger bedeutsam genug, daß sie den<br />

Tag zu einem richtigen Feiertag, dem sogenannten Fuchsfeiertag<br />

machten, der sich in der Ueberlieferung fast bis in<br />

die Gegenwart herein erhalten hat.<br />

Wie für die meisten andern Differenzen zwischen Herrschaft<br />

und Untertanen war auch in unserm Falle die drükkende<br />

Last der Frondienste verschiedener Art als Ausfluß<br />

der Leibeigenschaft der Ausgangspunkt des Streites. Es<br />

mag richtig sein, daß es im 15. Jahrhundert in der Grafschaft<br />

Hoiienzollern-Hechingen nur noch wenige Einwohner<br />

gab, die keinem Herrn „mit dem Leibe verwandt" waren.<br />

von J. R i e g g e r, Pfarrer<br />

Daß es aber schon um diese Zeit nur noch „Herren und<br />

Knechte" gegeben habe, diese Behauptung dürfte ebenso<br />

überspitzt sein wie die andere, daß diese „Ungenossen"<br />

ihre Freiheit leichten Herzens oder gar auf eigenen Wunsch<br />

preisgegeben hätten. Wissen wir doch wie vielfältig und<br />

nachhaltig die Lock- und Druckmittel waren, mit denen<br />

eine landesväterliche Fürsorge alle Bedenken gegen einen<br />

solchen Schritt überwinden half. Sicher ist, daß keine dieser<br />

Zwangsmaßnahmen verschmäht wurde, sicher ist auch,<br />

daß dabei nicht in erster Linie das Allgemeinwohl oder der<br />

Schutz des Einzelnen die Hauptrolle spielte, sicher ist endlich,<br />

daß bei den in die Leibeigenschaft Gepreßten die Erinnerung<br />

an die einstige Freiheit noch Generationen hindurch<br />

lebendig blieb. Daß die Leibeigenschaft meist von zwei<br />

Uebeln das kleinere war, befreit sie nicht von dem Brandmal<br />

einer menschenunwürdigen Einrichtung. Entbehrte doch<br />

sogar die Sklaverei nicht gewisser Vorteile.<br />

So hatten auch viele Owinger im 16. Jahrhundert noch<br />

nicht ganz vergessen, daß ihre Ahnen sich einst größerer<br />

Freiheiten erfreuten. Biiligerweise konnte man es ihnen<br />

kaum verdenken, daß sie wenigstens noch einen letzten<br />

kümmerlichen Rest solcher Freiheiten retten wollten. Bald<br />

beriefen sie sich dafür auf „uralten Brauch und Herkommen",<br />

bald auf zweifelhafte Schriftstücke, die man höheren<br />

Orts als „Hosensackbriefe" verspottete. Vielleicht mag ihnen,<br />

die erst spät i. J. 1539 an Zollern verkauft wurden, das<br />

Joch der Leibeigenschaft noch fühlbarer gewesen sein als<br />

jenen, die es schon länger trugen. Tatsache ist jedenfalls,<br />

daß es gerade in dieser Gemeinde immer wieder zu Mißhelligkeiten<br />

kam wegen der drückenden Lasten des Fronens,<br />

Hagen und Jagens.<br />

Um diesen Streitigkeiten ein Ende zu machen, erklärten<br />

sich Graf Eitel Friedrich i. J. 1596 auf ihr „flehentliches<br />

Pitten" bereit, in einem feierlichen Vertrag einer Art ADlösung<br />

zuzustimmen. "Bo kam der „Aubinger Frohno-ief"<br />

zustande, der am 20. Mai 1596 zwischen den beiden Parteien<br />

in aller Form geschlossen und vor dem kaiserlichen Hofgericht<br />

in Rottweil" an den Stab angegeben und konfirmiert<br />

wurde, damit fürohin alle Unrichtigkeit, Irrungen<br />

undt Müßverständ verhütet undt vermitten pleiben auch<br />

beyderseits Erben undt Nachkommen dieser Sach vorgewißt<br />

seyen." Der Vertrag sollte von jedem nachfolgenden<br />

Standesherrn bestätigt werden und hatte folgenden Inhalt:


14 HO II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

1. Wenn an dem Stammhaus und Schloß Hohenzollern<br />

etwas notwendig zu bauen oder in Kriegsläuften Flehnen<br />

und damahls Früchten oder anderes hinaufführen sollten,<br />

darzu sollen sie mit ihrem Leib, Roß undt Wagen zu frohnen<br />

verbunden seyn.<br />

2. Sie sollten wie zuvor die Rüden jederzeit in ihren Kosten<br />

erhalten und, sooft sie darmit erfordert, wohin sie dann<br />

jederzeit beschaiden, ohnweigerlich erscheinen. Sonsten aber<br />

sollten sie aller Frohndienste mit dem Leib und mit den<br />

Roßen außer jetzt vermelten pv.ncten gantz befreyet seyn.<br />

Dargegen sollen sie dreyhundert dreyzehn Gulden jährlich<br />

Frohngeld geben und zwar in vier Ziehlen auf Georgii,<br />

Johannes des Täufers, Michaelis und Johannis des Evangelisten<br />

Tag jedesmal 78 Gulden und 15 Kreutzer. Diese Vergleichung<br />

solle vestiglich wehren und verbleiben, so lang<br />

wir und unser Sohn, welcher die Grafschaft besitzen würdet<br />

und seine Mannliche Leibs-Erben seyend. „So aber der<br />

Stammen und Nahmen der Grafen v. Zollern gar absterben<br />

/: daß doch der allmächtige Gott nach seinem göttl. Willen<br />

gnädig lang verhüetten wolle :/ und also die Grafschafft<br />

oder der Flecken Owingen in andere Händ kommen sollte,<br />

sollen sie keiner Herrschaft mehr weder mit dem Leib noch<br />

Roßen ohne genugsameBelohnung zu frohnen schuldig seyn."<br />

Zugleich wurden für diesen Fall auch die andern Lasten<br />

z. B. die Abgaben für den „Ainspenningen" aufgehoben. „Es<br />

sollen auch unsere Nachkommen vestiglich dahin verbunden<br />

seyn, wann sie die Erbhuldigung von den Unterthanen erfordern,<br />

daß sie ihnen diesen Frohn Brief und Befreiung<br />

von neyem Confirmieren sollen oder die Unterthanen sollen<br />

zu huldigen nit schuldig seyn."<br />

Geben und beschehen den zwanzigsten Monaths Tag Maii<br />

nach Christi unseres Erlösers und Seligmachers Geburth gezehlt<br />

fünffzehen hundert neunzig und sechs Jahr.<br />

E. Friedrich Graf zue Zollern m. p.<br />

Es folgte noch die Anerkennung durch den Bevollmächtigten<br />

des andern Vertragspartners und die Bestätigung<br />

durch den öffentlichen Notar M. Achacius Sturmius beim<br />

Kaiserl. Hofgericht in Rottweil.<br />

Diese Abmachung scheint ein Jahrhundert lang unangefochten<br />

in Kraft gewesen zu sein und hat offenbar gute<br />

Dienste geleistet. Zweifellos sind dadurch manche Streitigkeiten<br />

zwischen Herrschaft und Untertanen vermieden worden.<br />

Dieser schiedlich friedliche Zustand dauerte bis zum<br />

Ende des Jahres 1699. Am 8. Oktober dieses Jahres jagte<br />

der Fürst Friedrich Wilhelm mit Gefolge in den Wäldern<br />

unweit Owingen. Da verschloff sich ein Fuchs in seinen Bau,<br />

und der hohe Herr schickte seinen Reitknecht Christian<br />

Sultzer von Grosselfingen nach Owingen hinein mit dem<br />

Auftrag, es sollten zwei Mann mit „Schauffeien und Bikelen"<br />

von dort holen, daß sie den Fuchs ausgraben. Die<br />

meisten Männer waren zu der Zeit in Untergangs-Sachen zu<br />

einem Augenschein auf dem Feld. Die wenigen Zurückgebliebenen<br />

befürchteten eine Beeinträchtigung ihrer Fronund<br />

Jagdfreiheiten und weigerten sich, der Aufforderung<br />

des Landesherrn zu folgen. Der Reitknecht meldete seinen<br />

Mißerfolg, und darauf erschien der Landvogt im Flecken<br />

und verlangte von der Vogtin in Abwesenheit ihres Mannes,<br />

daß sie zwei „Buben" schicke, um den Fuchs auszugraben.<br />

Diese schickte ihren eigenen und des Schultheißen Sohn mit,<br />

aber unterwegs riet ihnen der Reitknecht — es war wie<br />

gesagt ein Grosselfinger — sie sollten sich verdrücken, was<br />

auch prompt geschah. Nun ritt der Landvogt zum Wirtshaus<br />

und forderte den Wirt auf, mitzugehen. Nach anfänglichem<br />

Zaudern ging der schließlich mit. Unterwegs rief ihm ein<br />

Weib aus dem Fenster zu, er solle nicht gehen, sonst müßten<br />

sie wieder „jagen." Als dann der Reitweg sich vom Fußweg<br />

trennte, gab der Wirt vor, er wolle den letzteren gehen und<br />

verschwand ebenfalls. Am Abend nach der Jagd erschien Se.<br />

Hoheit selbst vor dem Wirtshaus und wollte wissen, warum<br />

„er Wirt" nicht mitgegangen sei. Der stammelte etwas von<br />

keine Zeit gehabt, worauf der Fürst drohend ausgerufen:<br />

„Wartet ihr Schelmen, wo andere Flecken einmahl jagen,<br />

müßt ihr dreimahl jagen." Am andern Tag, den 9. Oktober<br />

erschien der Landrichter auf dem Rathaus in Owingen und<br />

gebot der männlichen Einwohnerschaft, bei „Leib- und Lebensstrafe"<br />

dorthin zu kommen. Zuerst schalt er sie als<br />

„Meinaidige und aydtbrüchige Leuth, die ihrem Herrn weder<br />

underthänig noch gehorsamb weren, da sie ihme doch<br />

mit Guth, Leib und Bluth untergeben seyen. Dann verhörte<br />

er jeden einzeln und schickte sie wieder nach Haus. Die<br />

sieben aber, die sich geweigert hatten samt dem Weib, das<br />

ihnen abgeraten hatte, behielt er auf dem Rathaus und ließ<br />

inzwischen von Grosselfingen Soldaten herbeiholen. Als die<br />

bewaffnete Macht angekommen war, wurden diese acht mit<br />

auf den Rücken gebundenen Händen als Gefangene nach<br />

Hechingen abgeführt und „allda auff zwey Thürme in Verhafft<br />

gesetzt." (Fortsetzung folgt.)<br />

Edelfrau Anna von Freiberg zu Ringingen<br />

In den Konstanzer Investiturprotokollen des Erzb. Archivs<br />

Freiburg fand sich zum Jahr 1464 (Ha 106, Anhang S. 90)<br />

folgender Eintrag:<br />

„Am 15. April 1464 wurde Erlaubnis gegeben zum Zelebrieren<br />

auf einem beweglichen Altar, der .'rau Anna von<br />

F r e i b e r g, Witwe, in der Kirche Ringmgpr ausschließlich<br />

für sie zum Halter der Exequien". (Die XV. ¿.prilis 1464<br />

dat.e sunt iicentie celebrandi in ara mobili domine Anne de<br />

Friberg vidue in ecciesia Ringingen solum sibi pro exequiis<br />

peragendis.)<br />

Unter Exequien versteht man die kirchlichen Nachhaitungen<br />

bei Todesfällen, also: Totenoffizium, Requiemsinessen,<br />

Tumbagebete, Aussegnung, Bee -ligung, und die Totenmessen<br />

am 3., 7. und 30 Tag. Ein beweglicher Mtar<br />

ist ein Tragaltar (portatiie), oder A 11 a r s t e i n, der benötigt<br />

wird, wenn kein konsekrierter fester Altar vorhanden<br />

ist, oder vorhandene nicht ausreichen.<br />

Wer war nun diese Anna von Freiberg, der die<br />

Zelebrationseriaubnis für den Geistlichen zuteil wurde, und<br />

welches Ringingen ist gemeint?<br />

Es kann niemand anders sein als die Witwe unseres<br />

bekannten Ringinger Sch1oßgeistes Kleinhans<br />

Schweiher, der 1453 tot war und von dem die<br />

Zimmerische Chronik (1566^ so merkwürdige Dinge zu erzählen<br />

weiß. Er habe nämlich seine Untertanen so arg gequält<br />

und übervorteilt (Felder verwüstet, Marken "ersetzt,<br />

gemeinsame Backküche erzwungen, eine Kälberweide sich<br />

angeeignet), daß er nach seinem Tod keine Ruhe gefunden,<br />

sondern als unrüebiger Geist umherfahren mußte in großer<br />

Pein und Marter. Immer wieder wollte er seine Witwe,<br />

^eren Namen der Chronist nicht kannte, durch Quälereien<br />

bewegen, seine Ungerechtigkeiten gutzumachen. Er rumorte<br />

!.n Schloß, sperrte die Seinen in überheizte Stuben, ließ die<br />

Speisen am Herd verbrennen, versteckte ein andermal wieder<br />

alles Holz, und schließlich sprengte er gegen Morgen die<br />

Tür zum Schlafgemach, packte seine Frau samt dem Leinlach,<br />

knünfte di- vier Zipfel mit ihr zusammen und hängte<br />

sie vor den Laden hinaus an einem „hiizenen Nagel" Da<br />

versprach die Stolze in ihrer Todesnot die geforderte Wiedergutmachung.<br />

„Man hat ihm in der Kirche allerlei naeh-<br />

geton, wie er es begehrt hat. Und wie die Priester auf dem<br />

Kirchhof zu Ringingen das „De profundis" gesprochen, ist<br />

er ihnen sic'ntbarlich erschienen, hat sich getreulich bedankt<br />

mit Anzaig, daß ihm jetzo geholfen sei und er aller Pein erledigt"<br />

(Hohenz. <strong>Heimat</strong> 1951 S. 18).<br />

Mag sein, wie dem wolle, Furcht vor Geistern<br />

war jedenfalls vorhanden und das Bewußtsein, man könne<br />

sie durch Gebete und Schadenersatz erlösen. Es fragt sich<br />

nur, ob diese obige Notiz auf die Frau selbst und ihre<br />

künftigen Exequien zu bezieh2n sei, was immerhin möglich,<br />

aber doch recht ungewöhnlich wäre! Oder wollte die<br />

Witwe eben die Exequien ihres verstorbenen und an ;e'j-<br />

11 c h noch herumgeisternden Mannes n o c h m a I nachholen<br />

lassen? Wer kann das entscheiden?<br />

Merkwürdigerweise steht auch nicht da „Pfarrkirche", sondern<br />

einfach K i r c ne in Ringingen, was wiederum auffällig<br />

ist, da bei Pfarrkirchen die genaue Angabe kaum zu<br />

fehlen pflegt. So muß man unwillkürlich an die zu Ringingen<br />

seit dem 13. Jahrhundert anzunehmende St. Galluskirche<br />

denken, bei der sich 1661 tatsächlich auch der<br />

Friedhof befand (Zolierheimat 1941 S. 1—3). Vermutlich<br />

sollten in ehr Geistliche als Zeiebranten zugezogen werden<br />

als Altäre vorhanden waren. An die Burgkapelle braucht<br />

man wohl nicht zu denken.<br />

Immerhin haben wir den bisher noch fehlenden klaren<br />

Beweis, daß Anna von Freiberg zu Ringingen<br />

wohnte, die Burg auf dem Nehberg also noch<br />

nicht zerstört war. 1466 findet man dann an der<br />

Galluskirche einen Kaplan oder Frühmesser, vielleicht auch<br />

auf die fromme Stiftung der Schwelher hin. Die Kaplanei<br />

wurde 1535 mit der Pfarrei vereinigt. Anna dürfte auch in<br />

Ringingen beerdigt worden sein. Vgl. die Sage in Gedientform<br />

in Zollerheimat 1931 S. 9—11, und die „Schwelher" in<br />

Hoihenz. Jahreshefte 1938 S. 109—136.<br />

Annas Verwandter, Ludwig von Freiberg, ist 1444 als<br />

Domnerr zu Konstanz und 1474—79 als Bischof daselbst<br />

nachzuweisen, von dem sie wohl die Erlaubnis erlangt nat.<br />

Die Familie stammt nach Alberti von Freyoerg im O.A. Biberach.<br />

Johannes A. Kraus.


Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 15<br />

Kurznachrichten<br />

Heiligenzimmern. Als dieses Frühjahr unsere <strong>Heimat</strong><br />

mehrmals von Hochwasserkatastrophen heimgesucht wurde,<br />

erwähnten die Zeitungsberichte über die Ueberschwemmung<br />

im Stunzachtal wiederholt den „Dambach", einen linken Zufluß<br />

der Stunzach. Die Einwohner von Heiligenzimmern<br />

nennen das Bächlein „Da(n)bach", wobei das „a" gedehnt<br />

ausgesprochen wird und das „n" kaum hörbar ist. So hat<br />

Geometer Wittner, der 1840/41 die ersten Gemarkungskarten<br />

von Heiligenzimmern anlegte, den Bach kurzerhand<br />

„Dabach" genannt und in dieser Schreibweise in das Kartenwerk<br />

aufgenommen. — Unser Bachname hat mit Dam,<br />

Damm oder Dame natürlich nichts zu tun, sondern leitet<br />

sich her vom althochdeutschen Worte „tan", das soviel wie<br />

Wald bedeutet. In der gleichen Sprache der Dichter ist das<br />

Wort Tann heute noch eine bekannte Bezeichnung für<br />

Wald: Der Tann! Als Stammwort findet sich das alte Wort<br />

„tan, tann, dutzendmale in Ortsnamen, und in Flurnamen<br />

gleich unzähligemal. Unser Tannbach kommt aus den<br />

Waldgebieten Hintertann und Im Loch, fließt in west-östlicher<br />

Richtung dem Dorfe zu, durchschneidet die Dorfstraße<br />

und mündet vor dem Mühlkanal in die Stunzach. Die Hänge<br />

linker Hand bis zum Friedhof heißen im Volksmund „Danderoa",<br />

gleichbedeutend mit Tannenrain, und die meist zum<br />

Pfarrgut gehörenden Aecker östlich des Friedhofs sind die<br />

Tannäcker. Der Tannbach wird auch Weiherbach genannt,<br />

da er einst den großen Fischweiher des Klosters Kirchberg<br />

unterhalb des Friedhofs speiste. Das ehemalige Stauwehr<br />

des Weihers ist als mächtige Bodenwelle oder starker Erdaufwurf<br />

im Wiesenstück des Aegidius Schrenk ohne weiteres<br />

zu erkennen. Weiher wird heute auch die Flur vom Dorf<br />

bis zum Weg auf den Birkenwasen genannt, während der<br />

Tannbach dem Ortsteil südlich der Tannbachbrücke seinen<br />

Namen gegeben hat. Man wohnt im Tannbach oder geht in<br />

den Tannbach und die Bewohner dieses Ortsteils sind eben<br />

die „Da(n)bächer"! Der Name unseres Baches ist übrigens<br />

schon in der Dorfordnung des Jahres 1473 urkundlich belegt,<br />

wo er richtig Tannbach geschrieben ist (Hohenz. Jahreshefte<br />

1952, S. 128). — Die Bezeichnung „tan, tann" als Grundwort<br />

eines Flurnamens kommt dann nochmals an der Gemarkungsgrenze<br />

vor. Wer von Heiligenzimmern auf kürze-<br />

-tem Wege nach dem nahen Binsdorf gehen will, der benützt<br />

der alten, allerdings steilen Weg durch den Binsdorfer Stadtwald,<br />

die „Da(n)stoag". M. Sch.<br />

J. G. Weggenmann — Meinrad v. Au<br />

•ls geht uns heute nicht um ihre Kunst, sondern um ihre<br />

Namen, genauer gesagt um die Schreibweise ihrer Namen.<br />

Es ist bekannt, daß noch im 18 Jahrhundert die Schreibweist<br />

der Familiennamen ziemlich willkürlich genandliabt<br />

wuMe. Erst ; m 19. Jahrhundert wurde jedermann, insbesondere<br />

jeoe- Steuerzahler, auf die eine oder aridere Schreibart<br />

seines Namens festgelegt. Da erst trennten sicti endgültig<br />

die Mfffer von den Muliern und die Meier von<br />

Mayern. " 'ich die offiziellen Standesbücher machten von<br />

d.^ser Willküi in 1er Schreibweise keine Ausnahme.<br />

Das hat zur Folge, daß heute noch Menschen jener Zeit es<br />

sich gefallen lassen müssen, ihren Namen bald so, baid anders<br />

geschrieben zu bekommen. Am ehesten dürfte man<br />

hier zu einer Einheitlichkeit kommen, wenn man den Namen<br />

so schreibt, wie ihn der Träger selbst geschrieben hat, wobei<br />

a) Erdings noch zu untersuchen wäre, ob er selbst wenigstens<br />

seinen Namen immer in der gleichen Form gebracht nat.<br />

Im Pfarrarchiv Owingen finden sich zwei Originaiquit-<br />

Lur en von den oben genannten Künstlern, in denen sie<br />

deutlich Joh. Georg Weggenmann und Ivleinrad v. Au unterschrieben<br />

haben. Falls sich die beiden Träger dieser Namen<br />

im—er an diese Schreibart gehalten haben, dann dürfte es<br />

richtig sein, daß auch wir Spätgeborene ihren Willen respektieren.<br />

rr.<br />

Zur Geschichte von Straßberg<br />

<strong>Heimat</strong>freunde werden auf die gedruckten „Regesten der<br />

Bischöfe von Konstanz" (bis 1476t Hingewiesen. Uarin finden<br />

sich folge de Daten bezüglich Straßberg (vgl. Hohenzoll.<br />

<strong>Heimat</strong> 195£ 3. 62).<br />

Im ,i'hre .399 am 3. November inkorporierte Papst Bonifaz<br />

IX. dem Benediktinerkloster St. Georgii in Stein<br />

am R h e i n die Pfarrkirchen von Burg bei Ebingen<br />

(Q. h. Straßberg), Schwenningen bei Tennenbronn, und<br />

Ratzfelden (Schweiz), wo überali das Kloster schon bisher<br />

das Patrc" atsrecht besaß und zusammen 21 Mark Silber<br />

Einkünfte 'lezog (a. a. O. 7618). Burg, unser heutiges Straßberg,<br />

gehörte zum Kl. Stein seit Kaiser Heinrich II., der<br />

das Patronatsrecht ihm gescnenkt hatte.<br />

1418 1. Juli. Ruf von Reischach zu Straßberg gesessen<br />

(8861)<br />

1423 3. Sept. Abt Johann vom Kl. Stein a. Rh. präsentiert<br />

dem Bischof Otto von Konstanz auf die Pfarrei Burg, die<br />

durch den Tod des Heinrich Hainugstain vakant<br />

geworden, den Priester Stephan Uebelherr aus der<br />

Stadt Aibingen oder Oubingen = Ebingen (a. a. O.<br />

9005). Uebelherr oder Uebelhör war also nicht erst 1470<br />

bis 72 hier Pfarrer!<br />

1438 im April schrieb der Konstanzer Generalvikar ans<br />

Dekanat Rottweil, wozu Straßberg-Burg gehörte: Der Kirchherr<br />

der Kirche in Burg (darüber geschrieben: Conrad<br />

Pistor, jetzt Kirchherr in Tuslingen), hat die Erstfrüchte<br />

seiner Pfründe nicht bezahlt. Er wird zur Zahlung gemahnt<br />

und Strafe angedroht (a. a. O. Nr. 10128 nach Conceptb. Y<br />

fol. 184).<br />

1445 der Generalvikar von Konstanz an die Geistlichkeit:<br />

Priester Heinrich Tutlinger klagt, als er alt und kränklich<br />

die Leutepriesterei zu Burg nicht mehr versehen konnte,<br />

wurde zwischen dem verstorb. Abt Johann von Stein a. R<br />

und dem Kirchherr Johannes Vogler von Burg vereinbart,<br />

Heinrich soll in die Hand des Generalvikars auf<br />

die Stelle verzichten und der Kirchherr für seinen Unterhalt<br />

aufkommen. Nun weigert sich dieser jedoch. Daher<br />

werden seine Güter mit Arrest belegt, wenn er die Weigerung<br />

nicht aufgibt (a. a. O. 11 003 nach Conceptbuch B fol.<br />

182 v. im Erzb. Archiv Freiburg).<br />

1470 29. Juni. Papst Paul II. bestätigt dem St. Georgenkloster<br />

zu Stein am Rhein alle Freiheiten und Besitzungen,<br />

besonders die inkorporierten Pfarreien zu Schwaningen,<br />

Burg bei Ebingen und Ratzfelden a. a. O.<br />

Nr. 1 37 33).<br />

Es ist darauf zu achten, daß es auch eine Pfarrei Burg<br />

in unmittelbarer Nähe des Klosters Stein am Rhein auf<br />

dem Schweizer Ufer gab, die jedoch dem Kloster Ein siedeln<br />

inkorporiert war, und so leicht zu unterscheiden<br />

ist.<br />

Pfr. Johannes Cabas 1600—1615 zu Straßberg, stammte<br />

aus Scheer.<br />

Flurnamen Amschlatt in Rangendingen. Wenn man den<br />

Feldweg von Rangendingen nach Hart geht, kommt man<br />

nahe an einer Quelle vorbei, die in trockenen Zeiten beinahe<br />

versiegt. Sie quillt aus einem Quellhorizont der Lettenkohlenschicht.<br />

Bei starker Bodenfei.'chtigkeit drück a: "h<br />

im Weg das Wasser an die Oberfläche. Einstens muß die<br />

Quelle stärker gewesen sein, denn heute noch heißt die<br />

ganze Zeige „Wetzenbach". Nordöstlich dieser Quelle liegt<br />

ein ganz versumpfter Acker, welcher zur Heiligenpflege<br />

Rangendingen gehört und mit Weiden und der Rohrbinse<br />

Heleocharis palustris bewachsen ist. Im Mittelhochdeutschen<br />

wurde diese Binse Slate genannt; hiervon erhielt der ganze<br />

Gewandteil den Namen Amschlatt.<br />

Vor 100 Jahren. Durch königliche Verordnung am 18. Jan.<br />

1854 wurde Hohenzollern in folgende 7 Oberamtsbezirke eingeteilt:<br />

Haigerloch, Hechingen, Trochtelfingen,<br />

gen, Sigmaringen, Ostrach und "Wald.<br />

Gammertin-<br />

An das<br />

in<br />

Postamt


16<br />

Klage der Gemeinde Beuren gegen den Pfarrer von<br />

Hechingen beim Bischof. Durchleuchtigster Fürst, Gnädigster<br />

Fürst und Herr, Herr, daß bei Euer hochtürstlichen<br />

Durchlaucht wir untertänigst klagend einkommen, treibt uns<br />

die höchste Necessität (Notwendigkeit). Es hat der Herr<br />

Pfarrer zu Hechingen nit allein den Heu-, Blut- und Kleinzehnten,<br />

so jährlich ein namhaftes ertraget, sondern auch<br />

andere pfärrliche Genüß von uns Untertanen zu Beuren<br />

einzunehmen und zu erheben. Dabei aber solle er verpflichtet<br />

sein, was seine Vorgänger fleißig beobachteten, alle 14<br />

Tage einen Kaplan zu uns herauf schicken, der den Gottesdienst<br />

und die Kinderlehr haltet und versieht. Da aber solches<br />

eine Zeit lang liederlich und bisweilen gar nicht beschehen,<br />

hingegen bei uns nunmehr der Kinder und Leut<br />

viel sind, die in den Glaubensartikeln schlecht unterrichtet<br />

und hierdurch des Gottesdienstes beraubt, zumal auch viele<br />

hl. Messen zurückbleiben. Also ist an Ew. Hochfürstliche<br />

Durchlaucht unser untertänigste und fußfällige Bitte, diesorts<br />

gnädigst abzuhelfen und Verfügung zu tun, daß der<br />

alten Ordnung nach der Gottesdienst wieder zu des Allerhöchsten<br />

Ehr und des Menschen Ufferbaulichkeit bei uns<br />

gehalten und vollbracht möcht werden. Diese hohe fürstliche<br />

Gnad wird Gott der allmächtige erkennen, wir aber<br />

durch unser allgemeines Gebet untertänigs abverdienen.<br />

Ewer hochfürstlichen Durchlaucht untertänigst getreue und<br />

gehorsambste Untertanen, Vogt, Gericht und ganze Gemeind<br />

des Dorfes Beuren. Datum 29. August 1699. Kr.<br />

Ein Rudolf von Sigmaringen und seine Frau Judentha<br />

schenkten im Jahr 1279 zu ihrem Seelenheil, da die Stunde<br />

des Todes ungewiß sei, alle liegenden und fahrenden Güter<br />

samt dem Haus, das sie neulich von den Frauen des Klosters<br />

Wald kauften, den Minderbrüdern zu<br />

Ueberlingen, bezw. deren Prokuratoren, den beiden<br />

Ueberlinger Bürgern Ulrich genannt Wint und Kunrad genannt<br />

An dem Orte. Doch sollen 10 Pfund von den beweglichen<br />

Gütern dem kleinen Mädchen, Methildis, dem Töchterchen<br />

des Bruders von Rudolf zukommen. Sie verpflichten<br />

sich je auf Martini den Zins dieser Güter, nämlich einen<br />

Denar (Schilling?), den genannten Pflegern zu bezahlen,<br />

ohne Wissen des Quardians und der Pfleger nichts davon zu<br />

veräußern. Sollte das Mädchen noch zu Lebzeiten der Schenker<br />

sterben, dann fallen diese 10 Pfund ebenfalls den Minderbrüdern<br />

zu. Geschehen zu Ueberlingen ¡m Jahr 127? in<br />

Gegenwart folgender Personen: H Monetarii; Andreai; Willehelm<br />

der Sohn des Vogt; Egiloif der Sohn des Abilin; H.<br />

Fasoris; Ulrich Vogt (advocati); Ulrich der Sohn des Ministers<br />

(Amtmanns?); Martin genannt Moro; Liutfned der jüngere<br />

und Jakob Monetarii (Münzer). Im Jahr, da die Stadt<br />

zum größten Teil durch Feuersbrunst zerstört<br />

war. Siegel der Stadt Ueberlingen: Dreieckschild mit<br />

Adler und Umschrift „S. UNIVERSITATIS (eivium in Leberling<br />

EN f". (Erzb. Archiv Freiburg, U. H 290.) Ueber diesen<br />

Rudolf, den man schon als Grafen von Montfort ansprechen<br />

wollte, ist wohl nichts weiteres bekannt? Wo das Haus stand,<br />

ist nicht gesagt, vermutlich Ueberlingen. Interessant auch<br />

die dortige Feuersbrunst! Kr.<br />

BESTELLSCHEIN<br />

zum Bezug der „<strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Heimat</strong>"<br />

Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug durch<br />

die Post Stück „<strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong> - ', Verlagspostamt<br />

Gammertingen, zum halbjährlichen Bezugspreis<br />

von 60 Pfennig.<br />

Vor- und Zuname<br />

Genaue Anschrift<br />

Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bezw. Nachbestellungen<br />

der nächsten Poststelle aufzugeben. Um deutliche<br />

Schrift wird gebeten.<br />

H O II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

Ruinen Eineck-Ringelstein. Durch die Mitteilung in „Hohenzoll.<br />

<strong>Heimat</strong>" 1953, S. 45, könnte der Eindruck entstehen,<br />

daß die Ruinen Eineck und Ringelstein gleichzeitig abgegangen<br />

sind. Nach den vorliegenden Befunden ist das jedoch nicnt anzunehmen.<br />

Die auf Eineck in stark gestörter Lage aufgeiundene<br />

Keramik ist vorläufig vor lzoO anzusetzen. Exakt datierte<br />

Zeitmarken, die diesen Gefäßen entsprachen, sind mir z. Zt.<br />

nicnt bekannt. Ruine Ringelstein wurde nach den keramischen<br />

Befunden in der 2. Hälfte des 13. Janrnunderts zerstört.<br />

Die Datierung beider Ruinen stützt sich auf den Zerstörungshorizont<br />

von Honenjungingen/Jungingen (Hechingen)<br />

aus dem Jahre 1311. Lauer.<br />

<strong>Heimat</strong>literatur<br />

Der deutsche Südwesten in seiner territorialstaatlichen<br />

Entwicklung fand in K. Siegiried Bader, dem nacn Mainz<br />

berufenen Freiburger Rechtsiehrer und Generaistaatsanwalt,<br />

einen Bearbeiter (i950, 202 S., Verlag K. F. Koenier in<br />

Stuttgart, 14.50 DM). Er schildert seit der Staufenzeit die<br />

Entwicklung des Herzogtums Schwaben, die Zeit des Interregnums,<br />

die Habsburger Politik durch die Janrhunderte,<br />

die verschiedenen Zersplitterungen und Staatsneubildung,<br />

wie des Herzogtums Württemberg, Badens, Fürstenbergs,<br />

der <strong>Hohenzollerische</strong>n Grafschaften und der andern weitlichen<br />

Gebilde, auch geistlichen Herrschaften und Klöster.<br />

Das Buch gilt als „wichtigste Veröffentlichung der letzten<br />

Zeit auf dem Gebiet der Landesgeschichtsforschung."<br />

Studr. Benedikt Welser beschreibt in einem handlichen<br />

Büchlein die Geschichte von 76 Wallfahrtsstätten im<br />

Schwabenland (123 S., 23 Tafeln, Verl. L. Feger in<br />

Ehingen a. d. D., 4.50 DM) von Aggenhausen über Beuron,<br />

Bussen, Birnau, Ensmad, Haigerloch, Heiligenbronn,<br />

Jungingen, Mengen, Rottweil, Spaichingen, Weggental,<br />

Weingarten, Wurmlinger Kapelle, Zell a. A. bis Zwiefalten,<br />

um nur einige zu nennen. Es ist ein bunter Strauß aus Blüten<br />

der Verehrung und Liebe des kath. Volkes, sowohl in<br />

vergangenen Jahrhunderten als auch unserer Tage.<br />

Die Entstehung der Dekanate hat Jos, Ahlhaus (Landdekanate<br />

des Bistums Konstanz 1929, S. 34—53) ins 12. Jahrhundert<br />

versetzt. Hat er recht, so bleibt das grenzmäßige Zusammenfallen<br />

dieser relativ jungen Dekanate mit den alten<br />

Gauen der Karolingerzeit ein ungelöstes Rätsel, das z. B.<br />

beim Kapitel Trochtelfingen und dem Burichingagau tatsächlich<br />

vorläge. Nun berichtet neuestens Prof. G. Meersseman<br />

in Freiburg i. Schweiz in einem Aufsatz übel „Die Klerikervereine<br />

von Karl d Gr. bis innozens III. (Zeitschrift für<br />

Schweiz. Kirchengeschichte 1952, S, 1 ff) von der Dekanateinteilung<br />

im fränkischen Reich nach den Kapitularien des<br />

Hinkmar von Reims bereits im 8. und 9. Jahrhundert. Er<br />

sagt, erst gegen I;nde des 11. Jahrhunderts seien einige Diözesen<br />

in eine kleine Zahl von Archidiakonate eingeteilt<br />

worden, deren jedes mehrere Deitanate (die also weiteroestanden!)<br />

umfaßte. Trotz der spärlichen und späten Nachweise<br />

der Dekanate bei uns scheint diese These viel für sich<br />

zu haben. Vielleicht waren die Archipresbyterate vor 1100<br />

andere Namen für die Dekanate. Krs.<br />

Am 20. Mai 023 erhielt der Dekali des Kap. Mengen den<br />

A' Etrag, den Verzicht des Kaplans Laurentius Knuß<br />

(Knaus) auf den Altar der Annakapelle der Stadt<br />

Jungnau (verschrieben Mugnow) in der Pfarrei Veringen<br />

ei^gegenzunehmer (Erzb. Arch. Ha 111, S. 66). Knaus war<br />

schon im J. 1494 Kaplan in Jungnau (FDA 25, 123). Nach<br />

Krebs (investiturprotok S. 429) wurde er schon am 12. Okt.<br />

1473 auf die Stelle investiert. Dort sind auch ältere Kap^ne<br />

angeführt und die Annakapelle erstmals 1436 im Schlo ß.<br />

(castrum) Jungnow erwähnt, die aber damals noch nicnt dotiert<br />

war. Kr..<br />

Bericntigung zu Hohenz. Jahreshefte 1953. S. 121, Zeile 4<br />

ist statt 1430 natürlich 1 3 5 0 und zwei Zeilen weiter statt<br />

„etwa" richtig „angeblich" zu setzen. Auch macht mich Studienrat<br />

Stettner von Ebingen darauf aufmerksam daß S. 176<br />

Mitte statt „ze Bingen" des Originals vermutlich ,,z'Ebingen"<br />

zu deuten sei, da Koni ad Matz tatsächlich 1402—1410 in 1 hingen<br />

als Schultheiß nachzuweisen ist, während Bingen damals<br />

vielleicht noch keinen hatte. Die Schrift dieser nachträglichen<br />

Zeile kann für etwa 1400 passen! Krs.<br />

Zur Beachtung: Unsere Zeitschrift kann nur bei der Post:<br />

bestellt werden. Bei unregelmäßiger Zustellung wende man;<br />

sicn an das zuständige Postamt.<br />

Di° Verfasser tragen für die eingesandten Abhandlungen,<br />

die Verantwortung. Nachdruck der Originalartikel ohne:<br />

Quellenangabe verboten! <strong>Heimat</strong>freunde! Werbt bitte in<br />

Eurem Bekanntenkreis für neue Bezieher. Der Verlag stelle<br />

Probeexemplare zur Verfügung.


Hohenzollerlsche <strong>Heimat</strong><br />

Viertelj ahresblätter für Schule und Haus<br />

Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />

in Verbindung mit<br />

Schriftleitung:<br />

Josef Wiest, Gammertingen<br />

Preis halbjährlich 0.60 DM<br />

Kultur- und Landeskunde in Hohenzallern<br />

der hohenz. Lehrerschaft<br />

Druck:<br />

Buchdruckerei S. Acker, Gammertingen<br />

Nummer 2 Gammertingen, April 1954 4. Jahrgang<br />

/. Teil Aus der Geologie von Hohenzollern<br />

(9. Fortsetzung)<br />

Karstseen und Karstbäche im hohenzollerischen Unterland<br />

3. Karstbäche<br />

Von Michael Walter<br />

Karstbäche sind unterirdisch fließende Gewässer. Sie gehören<br />

zu den eigenartigsten Erscheinungen in der Natur.<br />

Es umwittert sie immer ein Geheimnis. Wir wissen oft<br />

nicht ihren Anfang, kennen nicht ihre verschlungenen Wege<br />

im Dunkel der Erde und manchmal auch nicht die Stelle,<br />

an der sie dem Schattenreiche wieder entsteigen. Darum<br />

spielen die Unterweltflüsse in der Götterlehre der heidnischen<br />

Völker, in unseren Sagen und Märchen eine große Rolle.<br />

Das Vorkommen solcher Flüsse ist immer an Gestein gebunden,<br />

das durch Wasser mehr oder weniger leicht aufgelöst<br />

werden kann, vor allem an Kalklandschaften. Manche<br />

Gegenden sind durch ihre zahlreichen und eigenartigen<br />

Karstbäche und Karstflüsse geradezu berühmt geworden,<br />

so z. B. die Landschaft östlich von Triest, eine Kalklandschaft,<br />

der Karst genannt, in der sich Dolinen, Höhlen,<br />

unterirdische Flußläufe derart häufen, daß sie das Gepräge<br />

der Landschaft bestimmen und daß man ähnliche Erscheinungen<br />

auf der ganzen Erde einfach als Karsterscheinungen<br />

zu bezeichnen pflegt. Im Karst liegt die Adelsberger<br />

Grotte, eine der merkwürdigsten Höhlen der<br />

Welt, die mit ihren Verzweigungen über 9 km mißt. Dolinen<br />

treffen wir hier, in denen Hechingen mit seiner ganzen Gemarkung<br />

Platz genug hätte. Südlich der Adelsberger Grotte<br />

entspringt der Poik, ein echter Karstfluß, der die Grotte<br />

durchfließt, als Unz wieder an die Oberfläche kommt, abermals<br />

untertaucht und schließlich als Laibach endgültig<br />

Oberflächenfluß wird. Auch „Karst"-Seen finden wir hier,<br />

so den merkwürdigen Zirknitzer See, dessen Wasserstand<br />

derart schwankend ist, daß man von ihm wie vom Eichener<br />

See bei Schopfheim in Baden sagen kann, es lasse sich<br />

in ihm im Laufe eines Jahres fischen, jagen und ernten.<br />

Eine Reihe recht interessanter Karstbäche finden wir in<br />

einigen griechischen Kalklandschaften, so im nordwestlichen<br />

Griechenland, in Epirus, den Acheron mit dem Kokytus<br />

oder in Arkadien, im nördlichen Teil der Halbinsel Peloponnes<br />

den Styx. Ueber sie mußte der Fährmann Charon<br />

die Seelen der Verstorbenen ins Totenreich führen. Für<br />

seine Arbeit erhielt er ein Fährgeld, einen Obulus, der dem<br />

Toten gleich nach dem Ableben in den Mund gesteckt<br />

wurde. Die Karstbäche galten den Griechen als Eingänge in<br />

die geheimnisvolle Unterwelt. Jeder Grieche näherte sich<br />

den Stellen, an denen ein Bach oder'Fluß vor ihren Augen<br />

in schaurige Tiefen verschwand, mit einem heiligen Schauer.<br />

Auch ich wanderte vor einigen Jahren mit einer gewissen<br />

feierlichen Stimmung der Stelle zu, an der der Styx des<br />

hohenzollerischen Unterlandes, das Laiberbächlein, in<br />

der Tiefe verschwindet. Ich hoffte, ein idyllisches Plätzchen<br />

zu finden, mit Bäumen umstellt, unter deren Schatten einige<br />

Bänkchen stehen, damit die Kurgäste des nahen Bades<br />

I m n a u „in süßer Ruh" das Naturwunder betrachten können,<br />

wie unser Styx im finsteren Orkus verschwindet. Doch<br />

von alledem wollte sich nichts zeigen. Dagegen machte sich,<br />

je mehr ich mich der mit so viel innerer Spannung gesuchten<br />

Stelle näherte, ein steigender unangenehmer Geruch bemerkbar.<br />

Das Rätsel löste sich bald. Ein „Naturfreund"<br />

aus der Umgebung hatte sich gerade die Versickerungsstelle<br />

ausgesucht, um auf ihr seine verfaulten Rüben und Kar-<br />

toffeln abzuladen. Welch eine Enttäuschung! Meine gehobene<br />

Stimmung ging jämmerlich in die Brüche. Ein Vergleich<br />

zwischen dem Naturgefühl der alten Griechen und<br />

den heutigen Germanen fiel sehr zu Gunsten der Griechen<br />

aus. Oder sollte ich mich täuschen? Wollte der „Naturfreund"<br />

durch den Gestank, mit dem er den Eingang in die<br />

Unterwelt verschloß, den dreiköpfigen Zerberus, den Höllenhund,<br />

ersetzen, der vor dem Tor in die Unterwelt Wache<br />

zu halten hatte, damit keine Seele mehr dem Schattenreiche<br />

entweiche?<br />

Das Laiber- oder Leiberbächle, das seinen Namen von<br />

dem Flur- und Waldnamen Laibe erhalten hat, kommt von<br />

den Litzelwiesen, die an der Straße von Weildorf nach Empfingen<br />

liegen. Führt das Bächlein Wasser, dann sehen wir es<br />

am Osthange des Heinzelberges in den Schichten des obersten<br />

Muschelkalkes, in dem Trigonodusdolomit, in der Erde<br />

verschwinden. Eine kleine Verwerfungsspalte scheint ihm<br />

den Weg in die Tiefe geöffnet zu haben. Wir wandern das<br />

Laibertal abwärts, das nur dann an der Oberfläche Wasser<br />

führt, wenn der Versickerungstrichter das Wasser nicht mehr<br />

zu schlucken vermag. Nach halbstündiger Wanderung sehen<br />

wir das versunkene Wasser unterhalb der Saatschule wieder<br />

kristallklar hervor sprudeln. Munter plätschernd, als<br />

freue es sich, glücklich der düsteren Unterwelt entronnen<br />

zu sein, fließt das wiedergeborene Bächlein in dem idyllischen<br />

Laibertäle, in dem sich Wasser, Wald und Wiese in<br />

einem harmonischen Dreiklang vereinen, der Eyach zu, die<br />

es unweit des Bahnhofes von Imnau aufnimmt. Das Laiberbächlein<br />

bietet uns im Gegensatz zu manchem anderen<br />

Karstgewässern wenig Rätsel. Sein Anfang und sein Ende<br />

liegen klar vor unseren Augen. Nur den Weg, den das Bächlein<br />

im Innern der Erde macht, kennen wir nicht. Auch die<br />

Zeit ist noch nicht bestimmt worden, die das Wasser braucht,<br />

um den unterirdischen Weg zurückzulegen. Färbungen des<br />

Wassers könnten uns näheren Aufschluß geben. Wir wüßten<br />

dann, ob das Bächlein seinen Weg unter der Erde ohne<br />

Hemmungen durchfließt oder ob eingeschaltete Weiher oder<br />

Wasserfälle und Umwege seinen Durchfluß verzögern.<br />

Einen anderen Karstbach im Muschelkalk haben wir schon<br />

auf dem Lindach von Rangendingen kennen gelernt.<br />

Von ihm wissen wir aber weder Beginn noch Ende.<br />

Nur zwei Dolinen und drei Mulden auf der Erdoberfläche<br />

lassen uns sein Dasein und seinen Weg ahnen.<br />

Aber auch andere Gegenden Hohenzollerns haben Karstbäche,<br />

vor allem die Juralandschaft; denn auch sie ist eine<br />

Kalklandschaft mit Höhlen und Dolinen, mit Karstquellen<br />

und unterirdischen Wasserläufen. Für heute begnügen wir<br />

uns mit einigen kurzen Hinweisen, da wir die Kalklandschaft<br />

des Jura erst später betrachten wollen. In dem stillen<br />

unteren F e h 1 a t a 1, wo noch keine Lokomotive pfeift und<br />

noch kein Auto den wohltuenden Waldesfrieden stört, da<br />

versickert das klare Fehlawasser unterhalb des Alten Schlosses<br />

derart, daß das ganze Tal bis hinunter zu den Fischteichen<br />

oberhalb der Mündung der Fehla in die Lauchert in<br />

manchem Sommer vollständig trocken liegt. Wo das versickerte<br />

Wasser wieder herauskommt, wissen wir nicht. Man<br />

hat schon vermutet, daß der gewaltige Quelltopf des Gallus-


18 H O I I E N Z O L L K R I S C H K H E I M A T Jahrgang 1954<br />

brunnens in Hermentingen, der anderthalb Kilometer südlich<br />

der Endstelle der Versickerung der Fehle mit gewaltigen<br />

Wassermassen der Erde entquillt, die wiedererstandene<br />

Fehla sei. Doch die Untersuchungen, die im Oktober 1952<br />

durch Färbung des versickernden Fehlawassers angestellt<br />

wurden, haben die Vermutungen nicht bestätigt. Das Fehlarätsel<br />

ist vorerst nicht gelöst, so wenig wie das des Annabächleins<br />

in der hohenzollerischen Exklave Igelsw<br />

i e s. Klarer liegen die Dinge bei der Donauversikk<br />

e r u n g bei Immendingen und dem Wiedererscheinen der<br />

versunkenen Donau in dem Aachtopf bei Aach im Hegau.<br />

Doch davon vielleicht später.<br />

Wir müssen nun von dem Muschelkalk Abschied nehmen<br />

und uns der Keuperlandschaft zuwenden. Bevor wir aber Abschied<br />

nehmen, sei noch erwähnt, daß der Wasserhunger in<br />

der Muschelkalklandschaft vor bald 400 Jahren beinahe zu<br />

einem Kriege um eine Quelle im Mittleren Muschelkalk geführt<br />

hätte. Im Engenstall bei Dießen, dessen Wasserreichtum<br />

durch Pump- und Widderanlage und Fischteiche<br />

genügend gekennzeichnet ist, hatten um die Mitte des 16.<br />

Jahrhunderts die Herren von Neuneck, die damals das<br />

„obere Dorf" von Dürrenmettstetten inne hatten, und<br />

das Kloster Alpirsbach, das Herr des „unteren Dorfes" war,<br />

in aller Stille ein kunstvolles Brunnenwerk geschaffen, um<br />

das stets „dürre" Dorf mit dem nötigen Naß zu versorgen.<br />

Als aber der neue Herr von Dießen, Hans Wilhelm von<br />

Wernau, dies erfuhr, verlangte er Abbruch des Brunnenhauses;<br />

denn er brauchte das Wasser dringend für seine<br />

neuangelegte Schäferei auf dem Heidenhof. Ein heftiger<br />

Streit und jahrelanger Prozeß entstand, der viel Geld verschlang.<br />

Endlich entschloß man sich zu einem Vergleich, der<br />

am 24. Mai 1574 den teuren Prozeß vorläufig beendete. Die<br />

Brunnenanlage durfte bleiben. Das Abwasser aber wurde<br />

sorgfältig in Trögen gesammelt und Tränkstellen für das<br />

Vieh und die Schafe auf dem Heidenhof hergerichtet. Ganz<br />

ist der Streit um das kostbare Wasser im Engenstall nie<br />

erloschen. Mit diesem kulturgeschichtlich so interessanten<br />

Prozeß wollen wir uns vom Muschelkalk verabschieden, dem<br />

Hohenzollern so viel zu verdanken hat, und der es einem<br />

aufgeschlossenen Leser und einem geschickten Lehrer ermöglicht,<br />

von der <strong>Heimat</strong> aus so wertvolle Fäden zu spinnen,<br />

die uns zurückführen in vergangene Zeiten und hinausführen<br />

in ferne Räume, aber immer mit dem Bewußtsein,<br />

daß auch die <strong>Heimat</strong> schön, eigenartig und wertvoll ist.<br />

Ausschnitt aus der Lenau-Novelle „Wissende Geige"<br />

Vor dem ersten Haus einer kleinen Schenke steht die<br />

gelbe Postkutsche bereit. Eben tritt der Postillion aus ihrer<br />

Tür und rüstet die Rosse zum weiteren Trab. Plötzlich erkennt<br />

er den Fahrgast, den er im vorigen Lenz durch schwäbische<br />

Gaue führte: „I säh doch recht?" ruft er in freudigem<br />

Staunen, „send Sie net dr Herr Baron von Strehlenau?"<br />

„Der bin ich!" erwidert ihm Lenau mit traurigem Lächeln.<br />

Drauf rollt das Mitleid aus Peters frischem Gesicht: „Gähts<br />

ehne net guet? Sie send so mager und sähet so käsig aus!"<br />

„Es ist nichts", lügt Lenau fein, „nur die Folgen der Reise<br />

über den großen Teich hängen mir noch an." ....<br />

Während des Gesprächs steigt Lenau als einziger Fahrgast<br />

mit in die Postkutsche ein. Peter, der Postillion, brütet still<br />

vor sich hin, indes Lenaus Geist nach Erinnerungen flieht.<br />

Eines frühen Morgens aber setzt Peter das Posthorn an<br />

die Lippen. Er grüßt seine <strong>Heimat</strong>. Festlich hallen die Klänge<br />

durch das sonntägliche Tal der Starzel. Und wie auf tönernen<br />

Füßen kommt vom Dorfkirchlein das Geläute der Glocken<br />

gegangen. Sie wecken das Leben zum feiernden Tag. Bald<br />

trägt die Straße das müßige Völkchen des Dorfes. In schmucker<br />

Gewandung schreitet es aus. Voll Wehmut schaut Lenau ihm<br />

nach, wie es in den Pforten des Gotteshauses entschwindet:<br />

„Diese Glücklichen", sinnt er, „hegen den Glauben, der mir<br />

zum Leben versagt!"<br />

Wie in Mitleid äugen die eben verlassenen Hütten auf ihn.<br />

Die feurigen Geranienblüten aber, die vor ihren Fenstern<br />

spielen, fordern den Bedrückten zur Freude. Und, als wüßte<br />

der Hahn von seiner traurigen Seele, kräht er ihm lustig<br />

sein „Kikeriki".<br />

Peter bläst die Hymne an den Morgen und schaut in Andacht<br />

nach den Bergen auf, deren Triften sich eben in Sonne<br />

baden. Barhäuptig nimmt die Schlatter Wand die erste<br />

Wärme auf. Und hügeliges Land drängt gierig aus dem<br />

Schatten. Die stolze Burg der Zollern entgleitet ihren Nebeln.<br />

Sie greift mit ihren Zinnen das Sonnennetz und wirft<br />

es über, gleich wie die Königin ihr Goldgewand. Peter fährt<br />

ihr huldigend entgegen. Am Wiesenrand, im flatternden<br />

Silber der Starzel, unken fröhliche Fischlein. Und schaffende<br />

Bienen fliegen von Blüte zu Blüte, den Honigseim erntend.<br />

Lenaus Seele tritt aus dem Dunkel ihrer Nacht. Er neigt<br />

sich zu Peter in heiterster Laune. Er pfeift und trillert mit<br />

der Lerche am Weg. Die ihm wohlbekannten schwäbischen<br />

Gaue dünken ihn jetzt wie ein Eden auf Erden. Er hebt<br />

seine Geige ins goldene Licht: „Singe, klinge. Schwesterlein<br />

Geige! Sieh doch, wie schön diese Welt!" Drauf streicht<br />

er den Bogen, erst zart und leise. Dann schwellen die Laute<br />

zu vollen Akkorden übers träumende Feld. Es ist ihm, als<br />

müßte er die Kinder der Scholle zu schnellerem Wachstum<br />

zwingen. —<br />

Ob dem launigen Spiel wird dem Peter ganz eigen zu<br />

Mut. Er lenkt sein Gefährt nach Südwest — einem biederen<br />

Städtchen zu. In der ihm besonderen Ruhe und Gelassenheit<br />

wechselt er beim Posthaus die ermüdeten Rosse. Derweil<br />

begrüßt Lenau einen Freund, der sich eben zur Reise schickt.<br />

Der alte, dickleibige Dekan mit seinem gemütvollen Blick<br />

läßt sich in freudiges Staunen aus. Und so; innig und warm<br />

drückt er die Freundeshand, daß es dem Unsteten bis in die<br />

Seele dringt. Ein guter Trunk fesselt die Beiden zur Stunde.<br />

von Maria E. F 1 a d<br />

Sie tauschen ihr reiches Erleben. Daß der Abend sie leise<br />

berührt, merken sie nicht. Erst als der Postillion zum Einsteigen<br />

mahnt, kuscheln sie sich in die Postkutsche ein.<br />

Sicher lenkt Peter das Gefährt über lehmige Erde zur<br />

Nacht. Freundlich lächelnd nimmt sie die Einsamen auf.<br />

Mondlichte Wellen fallen in tausend Strahlen über den<br />

gelben Wagen und lassen ihn golden erscheinen. Nachtfalter<br />

hängen kreisend im Licht. Die Peitsche knallt den beiden<br />

Rossepaaren um die Ohren. Das Posthorn schallt — und<br />

hallt lustig von den nahen Bergen wider. Peters Helmbusch<br />

fängt neckisch der Wind. Blüten schlummern am Weg. Heimlich<br />

schleicht ein Bächlein zwischen ihnen, als wäre es bange,<br />

sie zu wecken. Im Schatten des winzigen Abteils aber<br />

schauen die beiden Freunde voll Wehmut den scheidenden<br />

Frühling. —<br />

Ein plötzlicher Ruck — der Wagen hält.<br />

„Was ist dir, Peter?" rufen die Herren wie aus einem<br />

Munde.<br />

„Mir send beim Kirchhof!" entgegnete der Gefragte mit<br />

kläglicher Stimme, „do mueß i Halt macha. I will gschwend<br />

meim Kamerada, den ma en dr voriga Woch vergraba hot,<br />

sei Leiblied blosa!"<br />

Drauf werden die Beiden ganz still.<br />

Peter aber setzt traurig sein Horn an die Lippen Da springen<br />

die Töne den Berg hinan, hüpfen fast froh über die<br />

bleiche Mauer und sammeln sich auf einem frischen Hügel<br />

zum Brudergruß. Zugleich vernimmt das in der Nähe ragende<br />

Kreuzesbild seine Bitte um Gnade für den toten<br />

Freund. Das Lied verstummt. Die Rosse ziehen an und eilen<br />

mit der Kutsche durch die Nacht.<br />

Im Wageninnern geht das Schweigen um. Leise kommt<br />

die Muse gegangen und flüstert dem Dichter Worte neuen<br />

Erlebens ins Ohr:<br />

„Lieblich war die Maiennacht,<br />

Silberwölklein flogen,<br />

Ob der holden Frühlingspracht<br />

freudig hingezogen."<br />

Schwesterlein Geige hält den Atem an. Sieben Verse klingen<br />

in die Kinderseligkeit des Frühlings. Des Dichters Herz ist<br />

jubelndes Empfinden. — Mit einem Mal fällt in das Blütenland<br />

der Freude die Trauer ein. Der Dichter verspürt<br />

den Schmerz um den toten Postillion. Schwer ringt die Muse<br />

mit des Dichters Seele, als sie singt:<br />

„Mitten in dem Maienglück<br />

lag ein Kirchhof innen,<br />

der den raschen Wanderblick<br />

hielt zu ernstem Sinnen.<br />

Hingelehnt an Bergesrand<br />

lag die bleiche Mauer,<br />

und das Kreuzbild Gottes stand<br />

hoch, in stummer Trauer.<br />

Halten muß hier Roß und Rad! •<br />

Mags euch nicht gefährden.<br />

Drüben liegt mein Kamerad<br />

in der kühlen Erden!<br />

Nach dem neunten Vers der Trauer enteilt die Muse leis,<br />

wie sie gekommen. Lenau fällt erleichtert, gleich seinem<br />

alten Freund, dem Schlummer in die Arme


Jahrgang 1954 H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 19<br />

Vor langer Zeit kam der Herrgott einmal auf die Berge<br />

der Schwäbischen Alb. Nahe bei Haldenbuch traf er einen<br />

Bauern, den man weitum den Langen Alfons hieß.<br />

„Wohin des Weges, guter Freund?" sprach ihn der Herrgott<br />

an.<br />

„Schnell in die warme Stube!" sagte der Lange Alfons<br />

und schüttelte unwillig die Schneeflocken aus seinem struppigen<br />

Bart. „Bei diesem Wetter sollte man keinen Hund vor<br />

die Hütte jagen! Immer nur Schnee! Der Teufel mag ihn<br />

holen, diesen Schnee!"<br />

Der Herrgott lächelte milde und sagte: „Du hast wenig<br />

Freude am Winter? Schau nur, wie schön die Flocken wirbeln,<br />

wie Sternlein aus einer anderen Welt!"<br />

„Meinetwegen!" gab der Bauer mürrisch zurück. „Aber mir<br />

gefällt ein Sträußlein Frühlingsblumen tausendmal besser<br />

als alle Winterpracht. Möcht' nur wissen, woher der Schnee<br />

in solcher Fülle kommt?"<br />

„Ich will es dir sagen: Vor Zeiten schon gab es auf Erden<br />

einen Frühling mit blühenden Wiesen, einen Sommer mit<br />

üppigem Wachstum, einen Herbst mit reifenden Früchten,<br />

aber keinen Winter mit Eis und Schnee. Zwischen Herbst<br />

und Frühling lag eine trostlose Zeit. Die Erde war schlafen<br />

gegangen, wie sie es heute noch tut, um neue Kräfte zu sammeln.<br />

Aber kein Schnee deckte das weite Land. Alles lag<br />

grau in grau — ein Bild zum Erbarmen! Das jammerte die<br />

Menschen, und Gott schuf Wandel. Er breitete ein Tuch über<br />

I die Erde und hüllte sie sorgsam ein, wie die Menschen tun,<br />

I wenn sie zur Ruhe gehen. Seither schaffen viele Engelein<br />

im großen Himmelsaal immer wieder das Winterkleid der<br />

Erde. Sie wirken Myriaden kleiner Sterne, überaus kunstvoll<br />

geformt, und wenn es Zeit ist, öffnen sie Türen und<br />

Fenster am großen Himmelsaal, und Schneeflocken wirbeln<br />

der Erde zu. Je näher sie dem Himmel liegen bleiben, desto<br />

dichter hüllen sie die Erde ein, und das Land schläft geruhsam<br />

dem sonnigen Frühling entgegen."<br />

„Das gefällt mir gut!" sagte der Lange Alfons. „Aber ein<br />

besserer Ausgleich müßte sein! Hier auf den Bergen ist der<br />

Winter viel zu lang. Herrisch und gewaltsam schmälert er<br />

die frühlingsfrohe Zeit."<br />

„Das ist wohlbedacht, guter Freund! Würden überall dieselben<br />

Berge in den Himmel ragen, dieselben Flüsse durch<br />

die Täler ziehen, die gleichen Blumen blühen und zur gleichen<br />

Zeit dieselben Früchte reifen, dann wäre die Welt ein<br />

ewiges Einerlei und nicht Gottes vielgestaltige, reich gesegnete<br />

Erde."<br />

„Da hast Du recht! Aber es sollte einen Vorfrühling geben<br />

auf der Alb wie dort am Bodensee. Auf unseren Bergen<br />

kommt der Frühling viel zu spät, und ehe er recht aufgeblüht,<br />

ist schon der Sommer da!"<br />

„Da müßte halt ein Blümlein sein, das früher blüht!"<br />

„Das ist es ja: Wie können Blumen aus der Erde kommen,<br />

die noch im Schneegestöber liegt! Das ist unmöglich!"<br />

„Ein Unmöglich gibt es beim Herrgott nicht. Man müßte<br />

ihn halt bitten, daß er Schneeblumen wachsen läßt!"<br />

„Ja", sagte der Lange Alfons traurig, „wenn man mit dem<br />

Herrgott reden könnte wie mit dir, dann würde ich ihn bit-<br />

Schneeglöckchen<br />

ten, — recht von Herzen würde ich ihn bitten: Laß' diese<br />

späten Flocken hier zu blütenweißen Blümlein werden!"<br />

Und wie der Bauer das gesagt hatte, hörte er ein Vöglein<br />

singen. Frühlingsfroh und jubilierend war die Melodie, und<br />

ihm war, als spreche jemand deutlich:<br />

Schneeflöckchen, Schneeflöckchen,<br />

werde zur Blütenzier,<br />

werde zur Blume hier,<br />

mit lieblichem Röckchen;<br />

läute den Frühling ein,<br />

blühe im Buchenhain!"<br />

Im kahlen Buchenwald segelten indessen die Schneeflocken<br />

langsam und immer größer zur Erde. Es waren lauter sechszackige<br />

Sternlein, und auf allen Spitzen brannte ein goldener<br />

Funke. Der Bauer kniete nieder, ein Sternlein näher zu bewundern.<br />

Da waren aus den sechs Zacken blütenweiße Blättlein<br />

geworden, und an jeder Spitze perlte noch der goldene<br />

Funke. Langsam wölbten sich die hauchdünnen Blütenblättlein,<br />

und es wurde ein Blumenglöcklein daraus.<br />

Der Wind strich durch die kahlen Buchen. Das Blumenglöcklein<br />

schaukelte auf seinem Stengel, es hub an zu schwingen<br />

und zu klingen, und auf einmal läutete es weithin vernehmbar<br />

hell und schön. Unaufhörlich schlugen seine sechs<br />

goldenen Schwengelchen an die weißen Blütenwände, und<br />

sie wechselten in wohlbedachter Ordnung, daß immer neue<br />

Akkorde wurden und über den Schnee hinschallten.<br />

Weitum im Buchenwald standen die weißen Glöcklein, und<br />

all ihr Läuten schmolz zusammen und wurde himmlische<br />

Melodie. Das war so schön, daß den alten, knorrigen Buchen<br />

das Herz warm wurde, und sie vergossen Tränen reiner<br />

Freude. Es troff von den struppigen Aesten und über die<br />

Stämme und fraß am weißen Schlaftuch der winterlichen<br />

Erde.<br />

Da wußte der Bauer, daß er mit dem Herrgott gesprochen<br />

hatte. Er blickte sich um, aber niemand war mehr zu sehen.<br />

In dankbarer Ehrfurcht nahm er ein Blumenglöcklein aus<br />

der Erde, um es daheim in seinem Garten einzupflanzen.<br />

„Aus einem Schneeflöckchen bist du geworden, und Schneeglöcklein<br />

sollst du heißen, heute und immerzu!" Und wie er<br />

das gesagt hatte, wurde die gefrorene Erde weich, Gräslein<br />

schauten aus dem Boden, zarte Blumenkinder hoben ihre<br />

Köpflein fürwitzig ans Licht, und der Frühling — der goldene,<br />

lachende, blühende Frühling seiner <strong>Heimat</strong> war da.<br />

Alljährlich blüht seither das Schneeglöckchen im Buchenhain<br />

und in den Gärten der Menschen und läutet den Frühling<br />

ein. Sein Läuten weckt die Blumenkinder ringsum zu<br />

neuem Leben. Einmal hat es zu früh geläutet, und alle<br />

Blümlein sind in Schnee und Eis erstorben. Da schalten die<br />

Erdenkinder: „Besser, wenn es nur blühen, aber nicht mehr<br />

läuten würde!"<br />

Von dieser Zeit an hörten es die Menschen nicht mehr<br />

läuten. Aber noch heute schaukelt es im Wind wie ehedem,<br />

es hat ein Glöcklein, wie damals am ersten Tag, und es hat<br />

sechs goldene Schwengelchen. Also muß es auch läuten, wie<br />

es ehemals geläutet hat. Aber die Menschen können es nicht<br />

mehr hören. Bruno Ewald Reiser.<br />

Der „Rausegarten" in Grosselfingen<br />

Wie die Namen entstanden sind, sich aber manchmal auch<br />

willkürlich geändert haben, zeigt uns die „Zimmer'sche<br />

Chronik." Dort wird folgendes erzählt: Von seiner Burg in<br />

Herrenzimmern ritt einst Herr Werner von Zimmern auf<br />

die Jagd. Es war sehr heiß, und der Durst quälte ihn über<br />

alle Maßen. Da kam er im Wald an einen Brunnen, und er<br />

trank in der Hitze so begierig und so viel, daß ihm bald<br />

danach ach und wehe wurde. Sofort eilte er unter großen<br />

Beschwerden nach Hause, starb aber schon am anderen<br />

Tage. Jener Brunnen wurde von da ab Wernlis- und schon<br />

einige Zeit später Berniisbrunnen genannt. Ebenso nannte<br />

man das Tal, in dem der Brunnen entsprang, Wernlis- oder<br />

Bernlistal. Aber das einfache Volk, das eine solche Historie<br />

nicht mehr weiß und auch nicht liebt, nannte es Bärental.<br />

So ist es auch mit dem Grosselfinger „Rausengarten".<br />

Dieser ist ein etwa 20 ar großer Garten im nördlichen Teil<br />

von Unterlauen, der heute zum Grosselfinger Pfarrgut gehört<br />

und auf einer flachen Senke vor dem Alten Berg liegt.<br />

Das anschließende Gelände war altes Weingutgebiet und<br />

wird Weingärtie genannt. Daß nun unser Acker mit der<br />

von Josef S t r o b e 1, Karlsruhe<br />

Wein- oder Rebpflanze zusammenhängt, das war im Laufe<br />

der Jahrhunderte ganz vergessen worden. Weil aber die<br />

Menschen gern den Ursprung der Namen wissen wollen, so<br />

nahmen sie das Nächtliegende zu Hilfe. Man sagte, der<br />

Acker heißt Rausengarten, weil in demselben ein früherer<br />

Pfarrer und Rosenliebhaber dort Rosen (die Rausen) gepflanzt<br />

habe oder weil dort viele wilde Rosen gewachsen<br />

seien. Als aber dies nicht zog, machte man den Garten zu<br />

einem Rötzgarten, in dem man den Flachs oder Hanf ausbreitete,<br />

um ihn rösch oder (mundartlich) raus, das heißt<br />

mürbe zu machen, obwohl es in diesem Fall nicht einzusehen<br />

ist, daß man das anliegende Gelände nicht auch zum<br />

Rotzen des Flachses oder Hanfes benützt hatte. Auch Reusen,<br />

das heißt Rinnen für das Abschleifen des Holzes, wurde<br />

zu Hilfe genommen, mit keineswegs durchschlagendem oder<br />

befriedigendem Grund. Ich selbst kam den Dingen erst auf<br />

die Spur, als ich das Hagen'sche Lagerbuch vom Jahre 1544<br />

zu Gesicht bekam. Dort heißt das Gelände „der Par Roßgarten".<br />

Das könnte immer noch auf einen Rötzgarten hin~<br />

weisen oder einen Garten, in welchem der damalige Pfarrer,


20 H O II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T<br />

der ja auch die Landwirtschaft betrieb, eine Weide für seine<br />

Rosse unterhielt. Aber alle diese Deutungen sinken in sich<br />

zusammen, wenn man den Garten im Zusammenhang mit<br />

dem anliegenden Gelände Weingärtie als einen Weingarten<br />

ansieht, und das war er auch. Das Gelände war vermöge<br />

seiner Lage am Südabhange eines Berges, geschützt vor dem<br />

Nord- und Ostwind, dem Weinbau überaus günstig. Außerdem<br />

erhöht der Laubwald das an ihm liegende Gelände in<br />

seiner Temperatur ganz beträchtlich. Daher hat vor vielen<br />

Jahren der „Käsperle" seinen ebenfalls dort liegenden Acker<br />

mit Zwetschgenbäumen bepflanzt und jedes Jahr eine reiche<br />

Ernte gehabt; nur hat er die Zwetschgen verkauft, anstatt<br />

sie selbst zu brennen.<br />

Der Par Roßgarten war also unzweifelhaft ein Weingarten.<br />

Aber der Pfarrer war offenbar auch ein Liebhaber<br />

eines besonders guten Tropfens und fortschrittlich gesinnt.<br />

Daher baute er in seinem Weinberg den in Württemberg<br />

damals besonders beliebten Roßwager Wein, dem die Rolle<br />

eines Festweines zukam, wie es vielfach aus den Kellerrechnungen<br />

des württbg. Hofes hervorgeht (siehe Fischer, Schwäbisches<br />

Wörterbuch V Seite 414). Die schönen Roßwager<br />

Trauben stachen natürlich besonders in die Augen, und das<br />

Volk nannte des Pfarrers Weingarten „den Par Roßgarten",<br />

wobei, da es immer darauf ausgeht, einer Sache die kürzeste<br />

Form zu geben, weil es Zeit spart und auch das Mundwerk<br />

nicht zu sehr belastet, des Parrs Roßwagergarten einfach<br />

des Parrs Roßgarten nannte. Diesen gekürzten Volksausdruck<br />

hat dann auch Hagen in sein Lagerbuch aufgenommen.<br />

Das war in einer Zeit, wo das „o" noch nicht zu „au"<br />

diphtongiert war, also vor 1400. Damals wurde noch Win<br />

statt Wein gesprochen, wie noch heute im Markgräflerland.<br />

Ebenso sagte man noch groß statt grauß, Owingen statt Aubingen,<br />

Rose statt Rause usw. Nur Most und Obst und<br />

einige andere Worte widerstanden der Diphtongierung.<br />

Die Roßwager Rebe wurde auch Trollinger genannt, weil<br />

sie aus Tirol bezw. aus dem Gebiet des Meraner Schlosses<br />

Trol bei uns eingeführt wurde. Bei dem Worte Trol lag der<br />

Akzent auf dem „O", das also lang gesprochen wurde. Erst<br />

später wurde das „o" kurz gesprochen, in volketymologischer<br />

Angleichung an das Wort troll = plump und Dralle =<br />

Tölpel.<br />

Die Trollinger Traube, also der Roßwager Weinstock, hat den<br />

Kreisjugendpfleger H. Haiber von Hausen hatte in der<br />

Zeitung ums Jahr 1934 über das ehemalige Jägerhäusle auf<br />

Schnait berichtet und sich dabei auf Ueberlieferungen der<br />

Leute berufen. Schon die Zollerische Landtafel von Merian<br />

vom Jahre 1622 enthält das Häuslein, und in der Anmerkung<br />

dazu sagt der fleißige Kupferstecher, es seien 12 derartige<br />

Tiergartenhäuslein gewesen. Über die Jagdliebhabereien der<br />

zollerischen Grafen und Fürsten braucht man nur J. Cramers<br />

Buch über die Grafschaft Hohenzollern und besonders<br />

seinen Abschnitt über die freie Pirsch zu lesen. (Vgl. dazu<br />

„Freibirsch und zollerischer Forst" in Hohenz. Jahreshefte<br />

1940. S, 1—56). Sicher ist, daß der Landesherr selbst sich<br />

bei dem Jagdvergnügen auch jeweils in den Wildhütten<br />

aufgehalten hat. Das Forsthaus auf dem Schwandel sei nach<br />

Burladinger Ueberlieferung um 1820 abgebrannt.<br />

In hohem Maße war meine Neugier durch Haibers Bemerkung<br />

angeregt worden, daß auf dem Haubenberg südlich<br />

von Hausen Spuren einer menschlichen Wohnstätte vorhanden<br />

seien, und so lockte denn damals ein schöner Herbstnachmittag<br />

mich hinaus in die Gegend um Fehla und Starzelquelle,<br />

und hier möge der Bericht darüber folgen:<br />

Die Schornsteine der Buirladinger Fabriken rauchten<br />

um die Wette, Sonnenschein lag auf Tal und Bergen, wenn<br />

er auch die kühle Herbstluft nicht mehr richtig erwärmen<br />

konnte. Die Wälder unserer Halden hatten den schönsten<br />

Farbenschmuck angelegt in hellstem Gelb einer Schwefelkarte<br />

bis zum tiefsten Rot und Braun meines Farbenkastens.<br />

Ich strebte nach Süden am Delisberg und Gießhübel vorbei.<br />

Von Westen her grüßte die Schnaiter Ebene oberhalb Hausen<br />

und darüber her von fern der Raichbergturm des Albvereins.<br />

Vor mir die Schlichte und Wasserscheide und gleichsam<br />

als Wächter dabei nach Mitternacht der Hausener Kapf<br />

mit seinem spitzen Kegel und den spärlichen Resten einer<br />

Burg. Da, wo die Straße sich ins Killertal senkt, stand einst<br />

in grauen Zeiten das feste Kastell der Römer und nur etwa<br />

50 Meter darunter entspringt der Neubrunnen, eine der vielen<br />

Starzelquellen. Gerade rechts an der Straße, wo jetzt<br />

das Feldkreuz sich erhebt, muß einst auch die bekannte<br />

Schlichtekapelle gestanden haben, deren eines Dachtrauf<br />

sich zur Fehla und das andere sich zur Starzel entleerte.<br />

Oben genannter Merian berichtet auch, die beiden Quellen<br />

Zwischen Fehla und Starzel<br />

Jahrgang 1954<br />

botanischen Namen Vitis vinifera macrocarpa. Sie ist, wie der<br />

Name schon sagt, eine großfrüchtige, saftige und blaue, aber<br />

spät reifende Traube, deren Anbau gerade deswegen wahrscheinlich<br />

von den damaligen Einwohnern verschmäht wurde.<br />

Die Menschen wollen eben möglichst früh ernten und trinken.<br />

Am Neckar war sie weit verbreitet und wurde auch<br />

Bammerer, Hüttler, Welsche und Schwarzwelsche genannt,<br />

denn Tirol rechnete man damals noch zum Welschland. Gegenwärtig<br />

baut sie noch der Weingutsbesitzer Johann<br />

L ä m m 1 e auf seinem Weingut in Stuttgart-Feuerbach,<br />

Diese Adresse verdanke ich dem Herrn Major von<br />

Westhoven in Sigmaringen, der mein Manuskript über<br />

Grosselfinger Flurnamen eingesehen und mir eine Etikette<br />

mit vorliegendem Namen in das Heft gelegt hat. Als ich<br />

kürzlich in Tübingen in der Bahnhofwirtschaft einkehrte,<br />

sah ich auf der Weinkarte auch den Namen „Roßwager".<br />

Es ist selbstverständlich, daß ich mir davon ein Glas geben<br />

ließ, und ich muß schon sagen, er hat mir ebensogut gemundet<br />

wie der Feuerbacher aus der Pfalz oder der Waldulmer<br />

oder Zeller Roter aus dem Badischen oder der Kälterer<br />

See aus Tirol.<br />

Dazu noch etwas Allgemeines: Die neuere Siedlungsforschung<br />

und Deutung der Flurnamen hat vielfach zu ganz<br />

anderen Ergebnissen geführt, als die Sprachgelehrten bisher<br />

darzutun sich bemüht haben. Die Orts- und Flurnamen<br />

hängen vielfach mit dem Leben der Menschen, mit ihren gewerblichen<br />

Tätigkeiten, mit der natürlichen Beschaffenheit<br />

des Geländes, aber auch mit politischen Gewohnheiten mehr<br />

zusammen, als man bisher glaubte. Die Anlehnung an mysteriöse<br />

Persönlichkeiten, z. B. Freistett = Stätte des Frego,<br />

Willstett = Stätte des Willo, Magenbuch = Bühel des Mago,<br />

Wittelbach = Bach des Wittilo, Roggenbach = Bach des<br />

Roggo, Wonnental = Tal der Wonne, Friedingen = bei den<br />

Angehörigen des Frido oder Eberbach = Bach oder Tal, in<br />

dem viele Eber vorgekommen sein sollen, Eppelheim Heim<br />

des Ebbelo und viele andere, ist abwegig und manche erweisen<br />

sich bei näherem Zusehen als alte Thing- und Zufluchts-<br />

oder Opferstätten. Darüber darf man sich auch nicht<br />

durch alte oder älteste Schreibweisen irre führen lassen.<br />

Man hat noch ältere Namen oft mit Gewalt beseitigt, weil<br />

man den Hang des Volkes zu seinen altheidnischen Dingen<br />

und Gebräuchen eben mit Stumpf und Stil ausrotten wollte.<br />

der angeführten Bäche seien nur eine Viertelstunde von<br />

einander entfernt. Im Jahre 1744 machte die Gemeinde Hausen<br />

an den Hechinger Fürsten das Bittgesuch um die Erlaubnis,<br />

die sehr ruinöse Kapelle auf Schlichten, die m e h rtail<br />

auf ihrem Zwing und Bann stehe, abzubrechen<br />

und das Material zur Renovierung ihrer fast baufälligen<br />

Pfarrkirche des Hl. Nikolaus nehmen zu dürfen.<br />

Dabei sollte den Burladingern freigestellt sein, näher gegen<br />

ihren Ort eine eigene kleine Kapelle zu bauen. Zwei Jahre<br />

darauf scheint dieser Bitte stattgegeben worden zu sein. Unsere<br />

heutige Schlichtekapelle steht also nicht mehr auf der<br />

Europäischen Wasserscheide Donau-Neckar! Was wohl die<br />

Hausener damals aus dem altehrwürdigen Hause noch<br />

Brauchbares für ihre Kirche herausgebracht haben? Es ist<br />

sicher herzlich wenig gewesen!<br />

Ich bin inzwischen auf der Höhe des „Forsts" angelangt<br />

und pirsche am Wald entlang dem Bernstein zu. Ein verlassener<br />

Feldstall mit riesigem Dach will fast vor Altersschwäche<br />

und Einsamkeit zusammenbrechen, da die Neuzeit<br />

keine Schafe und also auch keine Verwendung mehr für ihn<br />

hat. „Undankbares Geschlecht, dessen Vorfahren ich durch<br />

Jahrzehnte treu gedient! Jetzt schaut mich kaum mehr einer<br />

an und wenn nicht wenigstens hie und da eine Zigeunerfamilie<br />

sich hier ausruhte..." Der Rest des Klageliedes<br />

ging im Rauschen des Waldes unter. Aber Recht mußte ich<br />

dem Schafstall geben! (Kurz darauf ist er abgerissen worden.)<br />

Ich machte einen kleinen Umweg um den Tannenwald<br />

herum, trotzdem ein schöner Weg geradeaus auf den<br />

Haubenweg zuführt. Schon tauchen die Dächer von Hermannsdorf<br />

hinter dem Hügel auf; ich halte mich rechts<br />

am Waldrand, schneide den Zipfel der Gemarkung dieses<br />

Weilers ab (der bald damals zur Muttermarkung Burladingen<br />

zurückkehrte) und siehe: in dem winterlichen Waldeinschnitt<br />

liegt Schnee, richtiger Schnee. Ich bin in 870 m Höhe.<br />

Bald spürt man an den Füßen, daß der Winter ein harter<br />

und kalter Mann ist, der schnell die Vorherrschaft antreten<br />

wird und nicht mehr mit sich spassen läßt. Vor mir liegt der<br />

gesuchte Hohenberg; der im Volksmund Haubenberg heißt<br />

(zum hauba Bearg"). 928,5 m lese ich auf der Karte. Vor<br />

kurzem noch hielt man ihn für den höchsten Berg Hohenzollerns.<br />

Aber der nordöstlich nur 1500 Meter entfernte<br />

T


Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 21<br />

Riedersberg auf Markuing Burladingen ist noch<br />

etwa 2 m höher! Ein rothalbierter Stein zeigt an, daß<br />

jetzt der Hausener Bann beginnt. Nur der Berg vor mir gehört<br />

ihm jedoch an, denn unweit verläuft die Landesgrenze<br />

Württembergs. Eigenartig, wie dieses spitze Waldstück sich<br />

zwischen Burladinger und Neuweiler Gebiet einzwängt! Die<br />

nördlich an der Wegkreuzung eingezeichnete Felsgruppe enttäuscht:<br />

nur ein paar Steinbrocken liegen an der Halde umher,<br />

Aufwärts gehts über die 900 Metergrenze. Nichts Auffälliges<br />

zeigt sich. Eine kleine Ebene mit etlichen Haufen<br />

Kleinsteinen, das ist alles. Der Gipfel muß sich doch endlich<br />

zeigen! Richtig! Mäßig ansteigend erreicht man den höchsten<br />

Punkt: die vielen Unebenheiten verraten künstliche Zurichtung<br />

und langsames Verfallen des Menschenwerkes. Kein<br />

Zweifel, hier stand ehemals ein Gebäude. Rechteckige Grundmauern,<br />

aber nur etwa 6 Schritt lang und 4Va Schritt breit,<br />

lassen sich unschwer erkennen, der Signalstein dazwischen.<br />

Warum ist auf der Karte: 1 : 25 000 nichts vermerkt?<br />

Nach dem Westen gegen das Weilertal liegt ein etwa 1 m<br />

breiter Platz, dann ein mäßig hoher abschüssiger Fels, der<br />

zur Not eine Ritterburg genügend gesichert hätte. Aber dies<br />

nur auf der einen Seite. Alle andern verlaufen flach und<br />

zeigen nicht die kleinste Befestigung. Nur nach Süden, Bitz<br />

zu, verläuft als Fortsetzung der Felswand ein eigenartiger<br />

Steinriegel. Ob die Brocken einst zu einer Mauer geschichtet<br />

waren? Nach Osten in 30 Schritt Entfernung liegen kleine<br />

Haufen von Lesesteinen, als hätte man einst ein Feldstück<br />

hergerichtet. Die kleine Hülbe in der Nähe, von der Haiber<br />

schreibt und die Leute erzählen, fand ich nicht. Der Baumbestand<br />

ist hoch und versperrt alle Aussicht. Früher wird<br />

dies kaum so gewesen sein. Aus dem genannten Steinriegel<br />

läßt sich vorerst nichts entnehmen, und das kleine Gebäude<br />

mit kaum 50 cm dicken Mauern kann höchstens ein Häus-<br />

Ichen gebildet haben mit der Tür nach Norden. Römisch oder<br />

gar frühgeschichtlich ist hier nichts zu sehen. Die Fundamente<br />

sehen sogar sehr neu aus, kaum vor 100 Jahren zerfallen.<br />

Sollte man an diesem ausgezeichnet geeigneten Punkt<br />

nicht eine neuere einfache Wildhütte vermuten dürfen?<br />

Ich strebe weiter nach Süden, wo der Storren auf Nachbargebiet<br />

Württembergs 945 Meter aufragt. Hart an der<br />

Grenze wieder eigenartig erscheinende Steinhaufen, doch<br />

so ganz unmotiviert aufgeschüttet. Ob nicht unter einem<br />

oder andern sich ein altes Hügelgrab verbirgt? Das in dieser<br />

Beziehung reiche Degerfeld ist nicht weit. Ich überschreite<br />

die Grenze ohne Paß. (Heute ist sie sowieso hinfällig!) Die<br />

Aussicht vom Storren aus enttäuscht vollständig, da die<br />

Bäume alle Sicht versperren. Nur der Riedersberg mit seiner<br />

Waldkappe ist erkennbar. Durch eine schneebedeckte<br />

Schneise gehts schräg abwärts: Richtung Pumpwerk im Weilertal,<br />

„Schmauselhöhle" steht auf der Karte. Tatsächlich<br />

zeigt sich an einem neu gemachten Waldweg, der nach Südwesten<br />

zieht, ein fast senkrechtes, enges Loch unvermutet in<br />

der gar nicht felsig scheinenden Halde, ganz wie eine Erzspalte<br />

in den heimatlichen Wäldern. Gähnend glotzt der<br />

Schlund mich an. Allein ist kein Einstieg ratsam, sonst<br />

könnte einem das Schicksal des am Hangenden Stein eingedrungenen<br />

Mannes zuteil werden, der vor Jahren erst nach<br />

Monaten in Verwesung aufgefunden wurde. Weiter geht es<br />

nördlich dem Tannenwald und dem Tale zu, das den eigenartigen<br />

Namen U e s t trägt. Parallel zu meiner Fährte<br />

streicht das W e i 1 e r t a 1. Gerade gegenüber muß der Brunnen<br />

sein, an dessen Stelle einst eine Mühle mit riesigem<br />

oberschlächtigen Rad stand. Darüber auf der Bergnase, wo<br />

auf der Karte fälschlich „Schanze" steht, findet man die<br />

trauernden Trümmer einer einst stolzen Ritterfeste: Die<br />

Weilersburg. Im Jahr 1383 wird ein Wildmann von<br />

Weilersburg als Kirchherr zu Hechingen und Chorherr zu<br />

Stuttgart genannt. Auch Heinrich der alte, Agnes, Burkart<br />

selig und ein anderer Heinrich kommen in derselben Urkunde<br />

vor, durch die zu Ebingen eine Kapelle gestiftet wird.<br />

Während Burg und Geschlecht vergingen und kaum die Einheimischen<br />

noch die Stelle wissen, hat diese fromme Stiftung<br />

allein das Andenken des edlen Geschlechtes bewahrt.<br />

Als Wappen führte es einen Gemsenkopf. An der Burgstelle<br />

sind noch verschiedene Gräben und wenige Mauerreste, besonders<br />

vom vorgeschobenen Berglried Zeugen vergangener<br />

Herrlichkeit. Das Weilertal selbst gehört ohne Zweifel zu<br />

den wenigst gekannten, aber landschaftlich keineswegs zu<br />

den geringsten Landstrichen. Doch ist für heute ein Besuch<br />

verwehrt.<br />

Nordwärts locken zwei Waldkuppen, die von ferne und<br />

auch im Kartenbild verdächtig aussehen, aber die höhere<br />

enttäuscht ganz, und auf der niederen ist es ein Steinbruch,,<br />

der von weitem als künstliche Befestigung erscheint. Statt:<br />

nun weiter die Fohlensteige hinabzuwandern, wenden wir<br />

uns nach rechts gegen den alten Brunnen zu, der in Hermannsdorf<br />

Üsterbrunn, in Hausen aber Wolfsbrunn<br />

genannt wird. Ein weltabgeschiedenes Tälchen mit viel<br />

Schafweide an den Hängen muß ehedem bei dichterer Verwachsung<br />

ganz unheimlich gewirkt haben, zumal der Weg<br />

nach unten immer schluchtartiger wird. Hier trieb darum<br />

einst ein fürchterlicher Geist sein Unwesen, der Bockfüße,<br />

aber keinen Kopf hatte und darum ein Vorbeigehen nach<br />

Betzeit ganz ungeraten erscheinen ließ. Der Brunnen selbst<br />

wird durch ein uraltes Gewölbe — so scheint es wenigstens<br />

— hart am Weg und Waldrand gebildet, auf dem sich<br />

prächtige Tannen angesiedelt haben.Blitzend helles Quellwasser<br />

funkelt im Schatten des Gewölbes der Brunnenstube<br />

und der dunklen Tannen. Der Holztrog ist längst verschwunden,<br />

und das Ueberreich sucht sich einen Weg an der Halde,<br />

verschwindet wieder, um weiter unten als murmelndes<br />

Bächlein einen riesigen V förmigen Graben auszunagen. Wie<br />

ein mächtiger Wächter am Ausgang der Schlucht und des<br />

Weilertals, das nach einem uralten und dann wieder neuerstandenen<br />

Weiler genannt ist, erhebt sich vorne<br />

der H o i r i c h, der im Jahre 1544 Heinrichsberg hieß. U e s t,<br />

selbst dürfte von Huest oder Hurst „Waldiges Gebüsch" abzuleiten<br />

sein. Der Hoirich hätte in früherer Zeit ohne Mauer<br />

und Wälle eine wuchtige und uneinnehmbare Festung für<br />

Leut und Vieh gebildet; für eine Ritterburg war er zu steil<br />

und abgelegen, die obere Fläche auch vermutlich zu groß.<br />

Schade, daß durch den Baumbestand die Aussicht vom obersten<br />

Rand behindert ist. Kaum ein Berg in der Runde bietet<br />

diese Schönheit dar, die sich hier vor dem Auge entrollt.<br />

Vor uns das Weilertal mit seinen Waldschluchten und dem<br />

Schwarzbrunnnenbach, den Unwissende gar „die Killer" taufen<br />

wollten, links der Haubenberg, von dem wir kommen,<br />

und das Uestertal, weiter rechts die Höhen um die Linkenboldshöhle,<br />

Ehresfeld, Holmershorn, Göckeleswald, Schnait<br />

und weiter Kuppe an Kuppe und Feld an Wald. Tief unter<br />

uns das Tal mit dem Weilertal- oder Schwarzbrunnenbach<br />

und dem Dorf Hausen im Killertal, weil ehemals zur Pfarrei<br />

Killer gehörig. Halb ist es verdeckt vom Beinzenb<br />

e r g. Und wenn wir dem Berggrat folgen und hie und<br />

da zwischen den Bäumen hinauslugen, erschließt sich uns:<br />

das Killertal mit seinen Dörfern, die wie eine Perlkette aufgereiht<br />

erscheinen, dann die nördlichen Höhen gegen Ringingen<br />

und dem Heufeld, Oberberg, Kapf, Mettenberg bis hinüber<br />

zu Burladingen und seiner neuen Fideliskirche, die<br />

sich so prächtig präsentiert (jetzt umsäumt von riesigen<br />

Schornsteinen). Wir steigen zutal, denn der Abend naht,<br />

während schon die Häuser rauchen und allmählich dämmerliche<br />

Kühle uns umfängt, bis wir die ersten Häuser Burladingens<br />

erreichen. J. A. Kraus.<br />

Altes Brauchtum in Stetten bei Haigerloch<br />

„Man braucht nirgends Bräuche hinbringen, überall sind<br />

solche vorhanden", sagt ein altes Sprichwort. Leider sind in<br />

den letzten Jahrzehnten viele der alten, schönen Bräuche,<br />

die den Menschen von der Wiege bis zum Grab begleiteten,<br />

in Vergessenheit geraten.<br />

Besonders um die Hochzeiten wanden sich sinnige Bräuche.<br />

Bereits Wochen vor der Hochzeit fand der sogenannte Heiratstag<br />

statt. Von den Eltern und nächsten Verwandten des Brautpaares<br />

wurde vereinbart, was jede Ehehälfte an Grund und<br />

Boden, Vieh, Frucht und Geld in die Ehe mitbringt. Nicht<br />

vergessen wurde dabei, einen sogenannten „Rückfall" auszuhandeln,<br />

eine Summe Geld, die beim Tode eines der jungen<br />

Eheleute, ohne Leibeserben zu hinterlassen an die Eltern des<br />

Verstorbenen zurückzuerstatten war. Zur Bekräftigung wurde<br />

von Andreas E d e 1 e<br />

dieses auf dem Rathaus schriftlich festgelegt und mit einer<br />

kleinen Feier in der Wirtschaft beschlossen.<br />

Einige Tage vor der Hochzeit war der Umzug. Die Altersgenossinnen<br />

halfen dabei der Braut, ihre Ausstattung in das<br />

neue Heim zu bringen. Anders aber, wenn die Braut nach<br />

einem Nachbardorf heiratete. Da wurde der sogenannte Brautwagen,<br />

ein reichgeschmückter Leiterwagen, mit sämtlichen<br />

Ausstattungsgegenständen und Möbeln beladen. Der Dorf=<br />

schreiner verfertigte die Möbel in einfacher Ausführung aus<br />

Tannenholz. Nur wenn der Brautvater vor Jahren einen<br />

Bim- oder Kirschbaum umgehauen hatte und diesen zu<br />

brauchbaren Brettern sägen ließ, wurden einzelne Möbelstücke<br />

aus diesen gearbeitet, die sich dann durch Generationen<br />

vererbten. Der Großvater erzählte dann den Enkeln, wo


22 H O H E N Z O L L E E I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

das Holz zum Familientisch gewachsen sei. Heute kauft man<br />

hochglanzpolierte Möbel, deren Holz z. T, aus Uebersee<br />

stammt.<br />

Der Fuhrmann und seine Pferde waren ebenfalls mit Bändern<br />

und Rosetten geschmückt, die Messingteile der Pferdegeschirre<br />

glänzten, und das Dachsfell am linken Kummet<br />

war sauber gebürstet. So ging es dann mit Peitschenknall<br />

der neuen <strong>Heimat</strong> entgegen. Meist aber gab es noch ein Hindernis.<br />

Plötzlich wurde der Brautwagen durch ein über die<br />

Straße gespanntes starkes Seil aufgehalten. Junge Burschen<br />

verweigerten den Auszug mit den Worten: „Mein lieber<br />

Freund, ich sage dir, diese Braut kommt nicht von hier;<br />

wenn du bezahlst ein Lösgeld fein, so fahre hin, die Braut ist<br />

dein" oder „Und die Weinstöck tragen Reben, und die Reben<br />

tragen Wein; hast du Gold und hast du Silber und die Braut,<br />

die ist jetzt dein." Durch ein Lösegeld des Hochzeiters konnte<br />

dann die Sperre beseitigt werden.<br />

Anders, wenn die Braut aus dem Nachbardorf stammte.<br />

Mit zwei oder mehr Reitern und ein oder zwei Leiterwagen,<br />

die mit Sitzen versehen waren, alles mit Bändern und Tannengrün<br />

geschmückt, zogen am Hochzeitstage in aller Frühe<br />

die Altersgenossen und ledigen Burschen aus, die Braut „einzuholen".<br />

Mit Gesang wurde im Dorf der Braut eingezogen.<br />

Wenn vor dem Hause der Braut einer der Reiter seinen<br />

Spruch vorgebracht hatte, ging die ganze Gesellschaft, bis<br />

die Braut zur Abfahrt bereit war, in die Wirtschaft. Die<br />

Zeche hatte der Brautvater zu begleichen! Dann ging es, die<br />

Kutsche mit Braut und „Gespiel" voraus, zurück ins <strong>Heimat</strong>dorf<br />

zur Morgensuppe, deren Namen früher wohl berechtigt<br />

war, als der Kaffee noch nicht bekannt war. Heute gibt es<br />

Kaffee mit Kuchen und Weißbrot, auch Kirsch'» und andere<br />

Wässer. Mit Begleitung der Blechmusik gingen Brautpaar<br />

und Hochzeitsgäste zur Kirche und nach Beendigung des Gottesdienstes<br />

in die Wirtschaft, wo die Gäste unter Händedruck,<br />

wie auch heute noch, vom Brautpaar und den Eltern<br />

begrüßt wurden. „Ich wünsche viel Glück zum Ehrentag"<br />

grüßte der Gast, während die Geehrten mit „Freut mich die<br />

Ehre •—" dankten. Heute gratuliert man! Nun begann der<br />

Ehrentanz, die ersten drei Tänze für Brautleute und nächsten<br />

Anverwandten.<br />

An diesen Ehrentanz, bei dem früher bis mittags 12 Uhr<br />

nur Wein geschenkt wurde, schloß sich das Mittagessen, die<br />

„Zeche", mit mehreren Gängen an, an der auch die Verwandten<br />

teilnahmen. Die Hochzeitsmusik spielte über den Mittag<br />

an verschiedenen Plätzen des Dorfes, begleitet vom „Gsell"<br />

mit Weinkanne und Weinglas, der den ihm auf der Straße<br />

begegnenden Personen einen Trank anbot.<br />

An jeder Hochzeit nahm das ganze Dorf teil. Bis am späten<br />

Abend der „Kehra", ein Galoppwalzer, erklang, blieb alles<br />

bei Schmaus und Tanz zusammen. Selten hört man heute<br />

die früher viel gesungenen, schönen, alten Volkslieder.<br />

Als Tage für Hochzeiten galten früher nur Dienstag und<br />

Donnerstag, allenfalls noch Kirbe- oder Fastnachtsmontag.<br />

Heute will man durch Hochzeiten an Werktagen keinen Verdienstausfall<br />

haben. Die jungen Paare heiraten vielfach am<br />

Sonntag und verzichten auf die segenspendenden Gebete der<br />

Hochzeitsmesse.<br />

Die Wässerwiesen in den Tälern der Alb<br />

Langsam und träge fließen in den Tälern der Alb die<br />

Bäche der Donau zu. Die Wiesen des Talgrundes sind von<br />

einem Netz uralter kleiner und größerer Gräben durchzogen,<br />

durch die das Wasser zur Berieselung der Wiesenflächen geleitet<br />

wird. Der Untergrund der meisten Talwiesen besteht<br />

aus dem wasserdurchlässigen Tuff, auf dem ein brauner,<br />

mooriger Boden lagert. Von dem Bach wird das Wasser in<br />

lange Hauptgräben geleitet, von denen kleinere Seitengräben<br />

in das Wiesengelände abzweigen. Von diesen Seitengräben<br />

führen in jede Wiesenparzelle Kleingräben mit vielen Seitenausläufern.<br />

Ueberall erblickt man Staufallen, mit denen<br />

dem Wasser der Weg versperrt und eine andere Richtung<br />

gegeben wird. Das Wasser fließt in die Kleingräben jeder<br />

Wiese hinein und sättigt den durstigen Untergrund. Im<br />

Spätherbst und Frühjahr reinigen die Wiesenbesitzer das<br />

ausgedehnte Grabensystem, damit ein ungestörter Wasserdurchfluß<br />

möglich ist. Die Hauptwässerung wird im Frühjahr<br />

zur Zeit der Schneeschmelze durchgeführt, da hier die Bäche<br />

reichlich Wasser spenden. Auch nach der Heuernte findet<br />

eine Berieselung statt, doch scheitert sie oft an dem geringen<br />

Wasserstand der Bäche. Wenn im Frühjahr die Schmelzwasser<br />

des Schnees von den Seitenhängen dem Talgrund<br />

Vom Lehnswesen<br />

zuströmen und viele feine Bodenteilchen mitführen, dann<br />

öffnet der Wässermeister den Hauptgraben, der bis dahin<br />

trocken lag. Bald wird der Lauf des Wassers durch eine<br />

Hauptfalle gehemmt, und es strömt in Seitengraben und von<br />

hier aus auf eine ausgedehnte Fläche des Wiesengrundes.<br />

Mehrere Tage lang wird die Berieselung durchgeführt; dann<br />

wird die Hauptfalle des Hauptgrabens wieder hochgezogen,<br />

und das Wasser strömt in demselben bis zur nächsten Falle,<br />

die bereits heruntergelassen ist. In wenigen Tagen ist auch<br />

der nächste Wiesenabschnitt berieselt. Nach und nach sind<br />

alle Wiesen mit Wasser gesättigt, und der Wässermeister<br />

kann dann den Hauptgraben an seinem Beginn wieder schließen.<br />

Der Landwirt braucht die Talwiesen nicht düngen, da<br />

das Wasser reichlich Nährstoffe (Kalk und feinste Ackerkrume)<br />

mitbringt. Der Futterertrag der berieselten Wiesen<br />

ist auch in Trockenzeiten stets reichlich, jedoch ist die Güte<br />

des Futters durch die vielen Sauergräser herabgemindert.<br />

Die vielen Gräben erschweren auch das Mähen des Grases;<br />

die Mähmaschinen können nur in beschränktem Maße verwendet<br />

werden. Doch weiß der Landwirt, daß ihn seine Talwiesen<br />

selbst in den regenärmsten Zeiten nicht im Stiche<br />

lassen.<br />

(Erklärung von Wörtern, die in unserer Zeitung wiederholt vorkommen.)<br />

Lehen: Übertragung (Leihen eines Landes, Hofes, Grundstückes,<br />

Amtes oder Rechtes, die Nutzen und Einkommen<br />

gewähren, für geleistete Dienste oder gegen jährliche<br />

Abgaben. Die Verleihung (Belehnung) erfolgte meist<br />

auf Lebenszeit.<br />

Lehnsherr: Person, die das Lehen ausleiht.<br />

Lehnsmann (oder Vasall): Empfänger und Inhaber des Lehens.<br />

Belehnung: Sie erfolgte durch eine symbolische Handlung,<br />

durch Ueberreichung eines Gegenstandes bezw. Ausstellung<br />

eines Lehenbriefes.<br />

Afterlehen: vom Leheninhaber einem dritten weitergegebenes<br />

Lehen.<br />

Burglehen: Der Belehnte mußte dem Lehnsherrn bei der<br />

Verteidigung einer Burg helfen.<br />

Erblehen: Das Lehen vererbt sich in der Familie (meist auf<br />

den Sohn). (Gesetz Kaiser Konrads II. i. J. 1037).<br />

Fall-Lehen: Lehen, das beim Tod oder Wegzug des Inhabers<br />

wieder an den Lehnherrn zurückfällt.<br />

Herrgottslehen (Sonnenlehen): der freie Bauernhof.<br />

Mannlehen (Schwert- oder Axtlehen): Lehen nur im männlichen<br />

Stamme vererbbar.<br />

Kriegslehen: Inhaber war zum Kriegsdienst für den Lehnsherrn<br />

verpflichtet.<br />

Schupflehen: das Lehensgut konnte jederzeit vom Lehnsherrn<br />

zurückgezogen und einer andern Person zugeschoben<br />

(geschupft) werden.<br />

Weiber-, Kunkel- oder Spindellehen: an weibliche Nachkommen<br />

vererbbar, falls keine männlichen vorhanden<br />

waren.<br />

Lehensgerichtsbarkeit: regelte Streitigkeiten über Lehen.<br />

Gült (Gelt, Gilt:): Naturalabgaben aus einem Lehensgut. (Ein<br />

Hof giltet soundsoviel Vesen, Dinkel, Haber, Eier, Speckseiten,<br />

Schultern.)<br />

Heiligen-, Pfarr-, Herrschaftslehen: Von dem Heiligen (d. i.<br />

Kirchenfond), Pfarrfond, Herrschaft ausgeliehene Güter.<br />

Muten: Bitte um Wiederverleihung eines Lehens, z. B. der<br />

hohen Gerichtsbarkeit.<br />

Lehenrevers: schriftliche Bescheinigung des Lehenempfängers<br />

für den Empfang.<br />

Handlohn: Abgabe des Lehenempfängers beim „Aufzug" auf<br />

den Hof (Auffahrt).<br />

Weglösin: Abgabe des bisherigen Lehenträgers, wenn er<br />

vom Hof abzieht, sei es durch Tod oder durch Wegzug.<br />

Erschatz: Abgabe bei jedem Wechsel des Lehnsherrn oder<br />

Lehnsmannes (meist besonders festgesetzt).<br />

Lehensmaier: Lehensmann.<br />

Schildlehen: Verpflichtung zum Waffendienst.


Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 23<br />

Altes und Neues Testament in Haigerloch<br />

Was die Wieskirche für Oberbayern und die Klosterkirche<br />

von Ottobeuren für das Bayrisch-Schwäbische Grenzland<br />

und das Gotteshaus Zwiefalten für das Württembergische<br />

Donautal bedeutet, das ist für uns in Hohenzollern St. Anna<br />

in Haigerloch; jedesmal ist es barocke Kunstgestaltung im<br />

Kulminationspunkt. Schwellende Kaskaden von Motiven und<br />

Bewegungen und Farben fallen vibrierend auf Geist und<br />

Auge wie Frühlingsmusi! und frisches Blättergrün. — Wir<br />

bleiben bei St. Anna und versuchen, uns einzubohren in die<br />

Ideen und Inspirationen, welche die schaffenden Künstler zu<br />

ihrem fürstlichen Wunderwerk der Farben und Formen<br />

drängten, die alle Mittel ihrer Kunst so spielend und virtuos<br />

handhabten, als schüttelten sie alles gleichsam nur aus dem<br />

Aermel. Aber nicht dem Hochaltar gilt unser Interesse, wo<br />

das alte Gnadenbild aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts<br />

wie in einem säulengeschmückten Gehäuse thront, sondern<br />

„zwei weiblichen Figuren (Holz, weiß gelackt) stehend auf<br />

bogigen Türdurchlässen, die das „Alte und das Neue Testament"<br />

symbolisieren. (Die Kunstdenkmäler Hohenzollerns<br />

Band I. S. 131.) Die Personifikationen des Alten und Neuen<br />

Testaments sind in der Kunstgeschichte auch eingeführt unter<br />

den Namen: „Synagoge und Kirche". Viele Jahrhunderte<br />

hindurch ist man nicht müde geworden, diese beiden Gestalten<br />

wiederzugeben, bald in Verbindung mit dem Kreuzbild<br />

oder der Weltgerichtsdarstellung, bald auch selbständig<br />

als Portal-, Kirchen- und Buchschmuck.<br />

Wie kam eigentlich die Kunst dazu, die Kirche unter<br />

der Gestalt einer Frau darzustellen? Im Hohenliede Salomons<br />

mit seiner Brautmystik sieht eine ganze Reihe von Bibelerklärern<br />

eine Verherrlichung des Verhältnisses Christi zu seiner<br />

Braut: der Kirche, vorgebildet; außerdem spricht St.<br />

Paulus mehrmals von einem geheimnisvollen Ehebund zwischen<br />

der Kirche und Christus und nennt sie „Christi Braut".<br />

Diesen Paulinischen Gedanken haben die alten Schriftsteller<br />

weiter verfolgt in seinem Gehalte: und die Kunst hat ihn<br />

aufgegriffen, nachdem die kirchenfeindlichen Staatsfesseln<br />

unter Konstantin gefallen waren. Im „Hirt des Hermas" (geschrieben<br />

um 150 n. Chr.) erscheint die Kirche im ersten Gesicht<br />

als alte Frau und mahnt zur Buße, und dann im vierten<br />

Gesicht als „Jungfrau, wie sie aus dem Brautgemach kam,<br />

ganz in Weiß gekleidet". Und in den folgenden Väterschriften<br />

kehrt oftmals und stets unverändert das Motiv wieder: „Die<br />

Kirche als Frau", besonders bei Melito von Sardes, Augustinus<br />

und Albertus Magnus. Dieses literarischen Bildes hat<br />

sich die christliche Kunst schon frühzeitig angenommen und<br />

hat im Fortschritt der Zeit dieses Bild mehr und mehr entwickelt<br />

und mit allerlei Beigaben bereichert. Die Kirche<br />

Foto-Weber Haigerloch<br />

(„Synagoge und Kirche")<br />

wird dargestellt als vornehme Frau, königlich gekleidet und<br />

geschmückt, und trägt als Zeichen ihrer Würde Krone und<br />

Nimbus, die Siegesfahne und den Kreuzstab in der Hand,<br />

oft auch einen Kelch oder ein Buch.<br />

Auch für die Schaffung des Synagogenbildes („Altes<br />

Testament) haben die frühchristlichen Schriftsteller die<br />

Grundzüge gezeichnet und dargetan, wie die alte Heilsordnung<br />

aufgehoben sei und die Verstocktheit der Juden und<br />

die Abkehr ihres Geistes von Christus herausgestellt werden<br />

müsse. Sie stützten sich dabei auf zahlreiche Bibelverse. In<br />

den Klageliedern heißt es: „Gefallen ist die Krone von unserem<br />

Haupte, wehe uns, weil wir gefehlt haben; darob ist<br />

schwach geworden unser Herz, darum ist verdunkelt unser<br />

Auige." So ist es leicht zu erklären, wie die Synagogengestalt<br />

im Gegensatz zur frischentwickelten Jugendschönheit der<br />

Kirche als alte, mit Runzeln versehene Frau wiedergegeben<br />

wird, oftmals mit einer Binde vor den Augen, um die Erlösungstat<br />

Christi und den Anbruch einer neuen Zeit nicht<br />

sghen zu müssen; mit traurigem Gesicht, mit gesenktem<br />

Haupte; die Krane der einstigen Würde entfällt ihr oder<br />

liegt schon am Boden. Während der Scepterstab der Kirche<br />

oftmals in einem Kreuze endigt, geht die Bannerspitze der<br />

Synagoge in einer Lanze aus, deren Schaft gebrochen ist.<br />

In zahlreichen Fällen hält sie die Gesetzestafeln in der<br />

Hand, manchmal auch einen Kelch, doch mit der Schale<br />

nach unten.<br />

Schon frühe treten die beiden Symbolgestalten in den<br />

christlichen Bilderschatz ein. Zeugnis dafür sind 2 Mosaikbilder<br />

mit Unterschrift in der römischen Kirche St. Sabina<br />

(um 430) und ein reich illustrierter Drogo-Sakramentar (um<br />

850). Vom zwölften Jahrhundert an gehören sie zum notwendigen<br />

Figurenbestand in Glasfenstern und Portalausstattungen<br />

französischer und deutscher Dome. Sie stehen im<br />

ersten Jahrtausend friedlich beieinander, da altes und neues<br />

Testament zusammengehören. Um die Wende des Jahrtausends<br />

tritt ein großer Umschwung ein in der Behandlung<br />

der Juden; ihre eigentliche Leidenszeit beginnt mit den<br />

Kreuzzügen, wo man den Tod Christi an ihnen rächen wollte<br />

und eine feindselige Einstellung gegen sie den Anfang nahm<br />

in Schrift und Wort und Tat. Das färbte sich auch ab in<br />

der Kunst, die alle Mittel anwendet, um die Gestalt der<br />

Kirche immer mehr zu verherrlichen, und die Synagoge<br />

mehr und mehr herabzudrücken und verächtlich zu machen,<br />

bis sie schließlich an dem Punkt angelangt ist, wo die Kirche<br />

triumphierend und siegend über ihrer unterlegenen Gegnerin<br />

dasteht. Im Anfang des 16. Jahrhunderts verschwinden<br />

die beiden Gestalten im Kunstleben der Kirche, um<br />

später vereinzelt und in veränderter Form wieder zu erstehen.<br />

Ein Beispiel dafür haben wir in St. Anna in Haigerloch.<br />

II.<br />

In diesem fürstlichen Prunktempel auf den seitlichen Torbogen<br />

des Hochaltars präsentiert sich: auf der Epistelseite in<br />

Lebensgröße die Gestalt des Neuen Testamentes (die Kirche)<br />

und auf der Evangelienseite das symbolisierte Alte Testament<br />

(die Synagoge), beide einst geschaffen von dem Haigerlocher<br />

Bildhauer Joh. Georg Weggenmann. Doch verbietet<br />

schon ein flüchtiger Blick, beide Bildwerke ein und derselben<br />

Hand zuzueignen. Das Rätsel wird gelöst durch eine Angabe<br />

im Hodlerwerk über das Oberamt Haigerloch: „Die<br />

Statue auf der Evangelienseite ist im Anfang des 20. Jahrhunderts<br />

heruntergestürzt und zerfallen. Die an ihre Stelle<br />

getretene Figur stammt aus der kirchlichen Kunstwerkstätte<br />

Marmon in Sigmaringen". (S. 532.) Wie die Zollerheiligen der<br />

Nebenaltäre, St. Meinrad und Fidelis, in kühnem Wettbewerb<br />

mit den geschnitzten Engelkindern in reinstem Blütenweiß<br />

aufleuchten und milde kontrastieren mit Stuckmarmor<br />

und Gold der Umgebung und den wasserhellen Fenstern,<br />

so schimmern auch die Symbolgestalten zu beiden Seiten<br />

des Hochaltars mit den schwellenden Engelkörperchen im<br />

Halbschatten in blendendem Weiß, im Schlaglicht aber zart<br />

getönt wie Elfenbein. Verhaltenes und wohldiszipliniertes<br />

Siegesbewußtsein strahlt die schlanke E k k 1 e s i a (Kirche,<br />

Neues Testament) aus. Ein Symbol nur ist sie, darum trägt<br />

ihr nach oben gewandtes Angesicht keine persönlichen Charakterzüge.<br />

Der zurückgeschlagene Mantel läßt sichtbar werden,<br />

wie die Gewandfalten in gleichlaufenden Bahnen und<br />

Röhren bodenwärts fließen und wie durch den betonten<br />

Vertikalismus die Spannung des inneren Lebens gesteigert<br />

wird. Um den Hals ist die Stola gelegt mit ihren kreuzgeschmückten<br />

Enden, die nur getragen werden darf bei priesterlicher<br />

Gnadenspendung und Segensvermittlung. Dadurch<br />

wird die Kirche dokumentiert als Hüterin und legitimierte


24 HO II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

Ausspenderin höchster Lebensgüter. Die rechte Hand weist<br />

hin auf eine Taube, das Sinnbild des hl. Geistes, der in<br />

dieser Gestalt bei der Jordantaufe Jesu sich zeigte und mit<br />

seinem Impuls die ganze Kirche und ihre Tätigkeit belebt<br />

und durchflutet. Die linke Hand hält das Evangelienbuch<br />

und darüber ruhend die Tiara, die Krone des Papstes, die<br />

Verwendung findet bei außerordentlichen Feierlichkeiten<br />

und Anlässen und mit ihren drei Reifen hinweist auf die<br />

dreifache päpstliche Gewalt: die Priester-, Hirten- und Lehrgewalt.<br />

Ebenfalls mit der linken Hand trägt die Ekklesia<br />

statt des bischöflichen Krummstabes das päpstliche Kreuz I<br />

mit drei Querbalken, weil nach Thomas von Aquin die I<br />

Krümmung nur eine Gewalt mit Einschränkung bedeutet,<br />

der Papst aber alle geistliche Vollmacht in unbeschränktem<br />

Maße besitzt. So steht die Kirchengestalt vor uns, gezeichnet<br />

vom Kunstschöpfer mit den Abzeichen des Papsttums<br />

und des Christentums, das sichere Bewußtsein des Endsieges<br />

zur Schau tragend.<br />

Ihr Gegenstück in St. Anna: Die Synagoge (altes Testament)<br />

mit flatterndem Gürtelkleid und bedecktem Haupte '<br />

hat immer noch eine gewisse Majestät bewahrt, obwohl ihre<br />

Macht und Würde zu Ende ist. Träumerisch geht ihr Blick<br />

|<br />

in die Ferne, und ihre Hände bieten das Wertvollste an,<br />

das sie den Menschen noch bieten kann: Die Gesetzestafel<br />

l<br />

der Gebote („ich bin nicht gekommen, Gesetz und Gebote<br />

aufzuheben, sondern zu erfüllen") und den Kelch als Sinnbild<br />

der Opferidee, die im neuen Bund in vollkommener Weise<br />

realisiert wurde. — Kein feindlicher Trennungsstrich zwischen<br />

Christentum und Judentum, wie es im Mittelalter<br />

oft vorkam, wird bei den Haigerlocher Gestalten hervorgehoben,<br />

sondern viel eher friedliche Duldung und Toleranz.<br />

Vielleicht dürfen wir einen Hinweis darin sehen, daß Fürst<br />

Joseph (1715—1769) gegen die Juden in Haigerloch duldsam<br />

war und 1745 für sie den alten Schirm- und Schutzbrief von<br />

1640 erneuerte.<br />

Einmalig in Hohenzollern sind in Haigerloch die längst<br />

entschlummerten Gestalten der Kirche und Synagoge wieder<br />

aus dem Grabe erweckt worden. Vielleicht sind sie für<br />

uns rätselhaft und ein Fragezeichen, einstmals waren sie es<br />

nicht. Rätselbilder zu schaffen, lag niemals in der Absicht<br />

des Mittelalters und der früheren Zeit. Ein schwacher Ersatz<br />

der einst so beliebten Darstellung und zugleich eine<br />

vereinfachte Form von ihr, bestehend aus Kreuz und Gesetzestafeln,<br />

ist anzutreffen auf einigen Kanzeldeckeln in<br />

<strong>Hohenzollerische</strong>n Kirchen: genannt seien die Stiftskirche in<br />

Hechingen, die Klosterkirche in Wald, die Pfarrkirchen in<br />

Weilheim und Owingen.<br />

Foto-Weber Haigerloch Waldenspul - Melchingen.<br />

Jungingen während der großen französischen Revolution<br />

Als im Jahre 1914 der damalige Bürgermeister die alten<br />

Gemeindeakten als Altpapier verkaufte und die vielen alten<br />

Urkunden auf einem Haufen beim Gasthof zum Hirsch liegend<br />

auf den Lumpensammler warteten, rettete der längst<br />

verstorbene Christian Riester, der etwas weiter dachte, noch<br />

einige Gemeinderechnungen und sonstige Urkunden vor dem<br />

Einstampfen. Später sind sie durch Schenkung an mich übergegangen.<br />

Da diese Rechnungen in sprachlicher, orts- und<br />

familiengeschichtlicher Hinsicht oft sehr aufschlußreich sind,<br />

nahm ich mir die Mühe, sie im Wortlaut abzuschreiben, um<br />

sie einer breiteren Oeffentlichkeit zum Vergleich und zur<br />

Auswertung unterbreiten zu können. Auch die alte Feuerspritze,<br />

die ein Reutlinger geliefert hat, wie aus der Rechnung<br />

von 1809/10 hervorgeht, ging im ersten Weltkrieg wegen<br />

ein paar Pfund Kupfer und Messing den Weg alles<br />

Irdischen.<br />

Ich beginne mit den wertvollen Aufschrieben eines meiner<br />

Vorfahren, Christian Bumiller, Lehrer von hier, die mit den<br />

oben genannten Rechnungen parallel laufen und sie in vieler<br />

Hinsicht ergänzen. Es handelt sich vor allem um Aufschriebe<br />

über den damals zu Ende gehenden Wildschadenprozeß, die<br />

Truppendurchzüge und Einquartierungen während der napoleonischen<br />

Kriege, Witterungsverhältnisse und Ernte-Ergebnisse,<br />

aiuich Naturereignisse und Katastrophen. Diese<br />

Aufschriebe sind zwar schon einmal veröffentlicht worden,<br />

ich halte es aber für notwendig, sie mit einigen Ergänzungen<br />

im Hinblick auf deren Wichtigkeit in der H. H. nochmals<br />

allen <strong>Heimat</strong>freunden zugänglich zu machen.<br />

Die Gemeinderechnung 1779/1780 folgt in den nächsten<br />

Nummern.<br />

Was der Christian Bumiller (1767—1851) über seine Erlebnisse<br />

in der Gemeinde Jungingen in eine alte Bibel geschrieben<br />

hat, soll hier als Ergänzung und zum besseren<br />

Verständnis der Junginger Gemeinderechnungen von 1799<br />

bis 1810 vorausgeschickt werden.<br />

Christian Bumiller ist mit 17 Jahren Lehrer, dann Gemeinderechner,<br />

Heiligenpfleger, Vogt, Mesner und Kreisdelegierter<br />

gewesen.<br />

von Casimir B u m i 11 e r, Jungingen<br />

Er hatte 13 Kinder, von denen die meisten jung gestorben<br />

sind. Nur vier: Lucian, Maria Anna, Simon und Franz Josef<br />

erreichten ein höheres Alter. Die anderen starben an Blattern,<br />

Wassersucht, eines an der roten Sucht.<br />

Seine Frau war Brigitta Bumiller, geboren 1771. Am 2.<br />

Mai 1810 starb sein Vater, der „an diesem Tag (29. Mai 1810)<br />

um 63 fl. 37 Kr. in Gegenwart des H. Hofrats v. Giegling<br />

„gehaubtfahlet" wurde. Christian wurde an Stelle seines<br />

Vaters zum Richter ernannt. Seine Vorfahren gehen zunächst<br />

bis zum Jahre 1688 zurück. Von da ab fehlen die<br />

Kirchenbücher. (Siehe Anhang.)<br />

Aus seinen Aufschrieben gebe ich hiermit alles wieder,<br />

was für die Forschung von Interesse sein kann:<br />

Weil der von den Untertanen mit dem Landesfürsten bei<br />

96 Jahre lang auf der Kaiserlichen Kammer Wetzlar geführte<br />

Prozeß einer der wichtigsten Punkte ist, so will ich<br />

auch, soviel mir davon bekannt geworden, hierher verzeichnen.<br />

Dieser Prozeß war hauptsächlich wegen dem gar<br />

vielen Gewild, da in unserer Waldung Wildschweine, Reh,<br />

Hasen, auch Fasanen und Feldhühner eine so große Menge<br />

war, daß von solchen fast gar keine Früchte mehr zu retten<br />

waren, und obwohl auf hiesiger Bahn ein Wildzaun vom<br />

Weiler Schrophen bis an den Killer Hau aufgereicht und<br />

auf Gemeindskösten unterhalten werden mußte, welcher<br />

jährlich ohne vieles Fronen dabei bis 200 fl., auch weit darüber<br />

kostete, so mußten doch zur Sommerszeit noch 6 bis 10<br />

Hirten bei der Nacht gedungen werden, auch wenn das Korn<br />

zur Reife kam, noch jeder extra hüten mußte und doch die<br />

Frucht von den Hirschen, wo damals stets bis 400 Stück in<br />

unserer Waldung liegen, aber Wildschweine gab es hier bei<br />

20 Jahren keine mehr, sehr verdorben. Besagter Wildzaun<br />

ist im Januar 1794 abgebrochen und an die Bürger verteilt<br />

worden. Die Beschwerden von der Jagd waren so groß,<br />

daß dieselben fast nicht zu beschreiben sind. Im Jahre 1775<br />

erhielten die Bürger die Erlaubnis, zu jagen, mußten aber<br />

jährlich 4 Tage bei der Jagd fronen und zwei Guiden an den<br />

Fürsten bezahlen. Im Februar 1792 waren aber 97 von 150<br />

Bürgern für Fortführung des Prozesses. Es gingen Abge-


Jahrgang 1954 H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 25<br />

sandte nach Wetzlar, denen von den Prozessierern Geld<br />

nachgesandt werden mußte. Im Jahre 1793 warf sich der<br />

kaiserliche Rath Wunderlich, begleitet von 50 Bauern, aus<br />

dem Unterland eigenmächtig auf, so daß 150 Mann von<br />

Stuttgart in Hechingen und Bisingen eingeruckht und vier<br />

Tage auf Exekution geblieben sind. Der Notari ist aber<br />

durchgegangen und hat dem Lande einen Kosten von 6 800<br />

fl. verursacht. Im Jahre 1794 war eine wirtembergische Comißion<br />

von Stuttgart hier und im ganzen Lande, welche die<br />

Sache gütlich beilegen wollte, aber die Bauern gingen eigenmächtig<br />

mit Gewehren hinaus, so daß im Jahre 1795 800<br />

Soldaten mit vier Kanonen eingeruckt sind, welche den Bürgern<br />

18 Gewehre abnahmen. Dies kostete die Gemeinde 515<br />

fl., welche gleich bezahlten werden mußten. Als wieder<br />

keine Ruhe eintreten wollte, erhielt der Fürst im Jahre 1796<br />

kaiserliche Soldaten als „Handstärke". Die Hauptprozesser<br />

und Wildschützen wurden gefänglich eingeführt. Einige kamen<br />

unter die Soldaten, andere auf die „Schanz" nach Philippsburg<br />

und andere auch ins Zuchthaus. Mehrere wurden<br />

aber mit harten Prügeln abgestraft. Was damals für ein<br />

Jammer und Elend im Lande war, ist nicht zu beschreiben!<br />

Am 27. Juni 1798 trat Fürst Hermann Friedrich Otto die<br />

Regierung an, und der Prozeß wurde nach fast hundertjähriger<br />

Dauer durch Vergleich beendet. Die Kosten betrugen<br />

über 100 000.— Gulden.<br />

Im Jahre 1790 beginnen die Aufzeichnungen über die<br />

Durchmärsche und Einquartierungen kaiserlicher (österreichischer)<br />

Truppen nach den Niederlanden, wo Rebellion war.<br />

Diese Aufzeichnungen setzen sich fort bis 1794. Im Jahre<br />

1796 sind die Franzosen das erste Mal über den Rhein gefallen.<br />

Wochenlang passierten täglich hunderte von Haushaltungen<br />

mit Weib und Kind hier durch. Die Franzosen<br />

kamen bis Ingolstadt, wo sie von den Kaiserlichen wieder<br />

zurückgetrieben worden sind. Im Jahre 1797 hatte der Chronist<br />

197 Tage lang je einen Soldaten im Quartier, wofür ihm<br />

kein Kreuzer ersetzt worden ist. 1797 lagen einmal 13 Tage<br />

lang 332 Wagen, Stuck und Kanonen hier. 1799 kamen die<br />

Franzosen wieder. Am 19. März war die Vandamsche Artillerie<br />

hier im Quartier. Dieser Krieg hatte 10 Jahre gedauert.<br />

Der Grund war, wie der Chronist zu berichten weiß,<br />

weil die Franzosen ihren König Ludwig XVI. im Jahre 1793<br />

das Haupt abgeschlagen haben, wie auch der Königin Maria<br />

Antonie und der Prinzessin Elisabeth.<br />

Jungingen stellte im Jahre 1792 6 Rekruten, die im ganzen<br />

1730 fl. Handgeld kosteten.<br />

1805, als Napoleon zum Kaiser von Frankreich gekrönt<br />

wurde, ging der Krieg wieder aufs neue los. Ungeheure<br />

Summen mußten bezahlt werden, Einquartierungen und Requisitionen<br />

an Haber, Heu, Vieh und Zuschüsse zu Schanzarbeiten<br />

an der Festung Ulm mußten bezahlt werden, über<br />

4000 Gulden. Dieser Krieg dauerte nur zwei Monate. Es<br />

lagen noch immer 60 000 Franzosen und 70 000 Kaiserliche<br />

im Reich.<br />

Im Jahre 1806 gründete Napoleon mit Bayern und Württemberg<br />

den Rheinischen Bund, welcher, wie zu hoffen,<br />

nicht lange dauern wird. Im September desselben Jahres<br />

begann der Krieg zwischen Napoleon und Preußen und<br />

Rußland wieder aufs neue. Am 30. September wurden in<br />

Hohenzollern 98 Mann Rekruten gezogen. Jungingen traf es<br />

4 Mann, die Gemeinde zahlte einem jeden 200 Gulden, die<br />

Ledigen zahlten jeder 4 Gulden dazu, wo doch die verspielenden<br />

Bürger jeder noch 200 Gulden beisetzen mußte.<br />

Im Jahre 1807 mußte Jungingen wieder einen Mann stellen,<br />

wo Joseph Schönecker aus dem Salzburgischen gekauft<br />

wurde für 200 Gulden, nebst einem Hemd, zwei Halstüchern,<br />

Hosen und Strümpfen.<br />

1808 mußten wieder zwei Mann gestellt werden. Josef Bumillers<br />

und Thomas Speidels 2. Sohn, welche aber beide Rekruten<br />

kauften. Die Gemeinde ersetzte jedem noch 200<br />

Gulden, aber es kostete einen jeden noch 200 Gulden dazu<br />

und 100 Gulden in die Collektationskasse.<br />

1809 mußten „unsere" Soldaten wieder ins Feld nach Wiesbaden<br />

abmarschieren. Es brach der Krieg zwischen Frankreich<br />

und Oesterreich wieder aus. Im September mußte<br />

wieder ein Mann gestellt werden, der in Boll gekauft wurde.<br />

Dieser kostete 300 Gulden und 100 Gulden in die Collektationskasse.<br />

Nach sechs Monaten war Oesterreich geschlagen. Die Soldaten<br />

durften aber nicht nach Hause, sondern mußten nach<br />

Spanien marschieren. Im Jahre 1810 schied sich der französische<br />

Kaiser von seiner ersten Frau und vermählte sich<br />

mit der österreichischen Prinzessin Maria Luise. „Glück zu!"<br />

(schreibt der Chronist.)<br />

1811 wurde ein Rekrut, Bernhardt Schuller, im Abstreich<br />

angeworben. Er kostete 536 Gulden.<br />

1812 kaufte die Gemeinde Sebastian Konstanzer aus Stein<br />

an um 525 Gulden.<br />

1813 stiegen die Preise für Rekruten höher. Josef Bumiller<br />

und Gabriel Deckel verspielten und warben Johann<br />

Speidel für 750 Gulden und einen von „Starzein" um 875<br />

Gulden. Die Gemeinde bewilligte jedem einen Beitrag von<br />

300 Gulden.<br />

1814 mußte Jungingen im ganzen 17 Mann stellen, die im<br />

Januar an den Rhein abmarschierten. Sie sind aber im Juli<br />

alle wieder glücklich angekommen, ebenso vier weitere, die<br />

in Spanien waren.<br />

Vom 25. Oktober 1813 bis 12. Januar 1814 zogen über<br />

100 000 Mann, meistens Russen, Oesterreicher und Preußen<br />

in Hechingen durch und dies kostete „eine ungeheure<br />

Summe Geld!" Außerdem mußte der Fürst bei der Aufnahme<br />

in die große Alliance 92 000 Gulden Beitrag bewilligen.<br />

In Jungingen lagen im ganzen 176 Offiziere, 5 383<br />

Mann und 2 749 Pferde. Das kostete die Gemeinde 11578<br />

Gulden, 30 Kr.<br />

Als Napoleon, der von Elba geflüchtet war, wieder in<br />

Frankreich erschien, begann der Krieg aufs neue, und unsere<br />

Soldaten, 194 Mann stark, mußten wieder fortziehen.<br />

Napoleon wurde, wie bekannt, bei Waterloo „total" geschlagen.<br />

Der Chronist verzeichnet im einzelnen Einquartierungen<br />

und andere Lasten, die von größtem Interesse sind:<br />

Im Monat September wurde, der Waffenstillstand zwischen<br />

Rußland und Frankreich wieder aufgehoben; dann alliierte<br />

sich der Kaiser von Oesterreich mit Rußland. Schon im Monat<br />

Oktober wurde die rheinische Conföderation aufgehoben<br />

und die Monarchen diesseits des Rheins fielen von<br />

Frankreich ab und traten zu Oesterreich und seinen Alliierten.<br />

Die französische Armee ging nach erlittenen großen<br />

Niederlagen im November über den Rhein, und die Alliierten<br />

besetzten das diesseitige Rheinufer und deswegen ergaben<br />

sich im Lande folgende Beschwerden:<br />

1813: Den 19. Oktobris wurde dem Lande eine Requisition<br />

nach Engen zu liefern angekündigt: An Haber 2576 Metzen,<br />

Ochsen 64 Stück, Mehl 400 Zentner, Branntwein 600 Maß.<br />

Am 24. Oktobris wurden nach Hechingen geliefert: 60 Vit.<br />

Haber. Vom 25. bis 30. Oktobris, das ist sechs Tage, lagen<br />

hier 64 Curaßier mit 67 Pferden, welche von den Bürgern<br />

mit Mundportion, auch Heu und Haber verpflegt werden<br />

mußten.<br />

Am 11. Dezember lagen hier Canonier und Stuckknechte:<br />

87 Mann nebst 352 Pferden.<br />

Ferner: Am 12. Oktobris lagen hier Kosaken 260 Mann<br />

mit 275 Pferden.<br />

Am 14. Oktobris russische Füßilier 600 Mann mit 127<br />

Pferden.<br />

Am 15. Oktobris Russischer Kriegskommissar, 8 Offiziere,<br />

12 Gemeine und 28 Pferde mit Rasttag 2 Täg.<br />

Am 17. Oktobris russische Jäger, der Stab in allem 345<br />

Mann mit 155 Pferden bis 22. Oktobris, also 5 Tage.<br />

Am 22. Oktobris russische Curaßier 268 Mann samt 285<br />

Pferden, 1 Tag.<br />

Am 24. Oktobris wurden hier auf ein Kreuzer an der<br />

Anlag 4 Pfund Heu im Vorrat eingezogen, macht 57 Zentner<br />

und 60 Pfund, oder 480 Bund je 12 Pfund.<br />

Im Jahre 1814, den 3. Januar wurden in hiesigem Lande<br />

Rekruten ausgehoben zu der österreichischen alliierten<br />

Armee. Im ganzen zur badischen Armee 192 Mann. Hier<br />

wurden ausgehoben 17 Mann. Hiervon wurden am 12. Jänner<br />

5 Mann als: Anton Bumiller, Bernhardt Bumiller, Joseph<br />

Bosch, Johann Schuler, und Joseph Schuler nach Pforzheim<br />

abgegeben.<br />

Am 30. Jänner wurden wieder von hier 12 Mann zur<br />

Landwehr nach Ueberlingen abgegeben. Persönlich gingen:<br />

Max, Peter und Jackob Wendel, Matheis Zanger, Joseph<br />

Müller für Joseph Speidels Sohn und Johann Schuler für<br />

Isidors Sohn. Fremde Rekruten stellten: Daniel, Rößlewirth,<br />

Thorode, Xaveri Bumiller, Xavers Vester, Augustin Schuler.<br />

Vorstehende Mannschaften sind im Monat Juli alle wieder<br />

glücklich angekommen. (Fortsetzung folgt.)


26 H O H I N Z O L L E 1T I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

Die Flurnamen der Gemarkung Hausen a. A.<br />

Jauchert oder Fünf-Jauchert am Habstalerweg verdankt<br />

seinen Namen dem alten bekannten Geländeflächenmaß.<br />

Kieferbühl. Die Anhöhe, an deren Fuß auf der Südseite<br />

entlang die Dorfstraße (Schmalzgasse) verläuft, ist der<br />

Kieferbühl. Von allen Hängen in und um Hausen hat diese<br />

Anhöhe die meisten rutschenden Geröllstellen mit lockerem<br />

Kies und Sand, mit Nagelfluhbrocken, mit Letten und Mergel.<br />

Die heutige Form des Hanges läßt deutlich erkenen, daß<br />

im Laufe der Zeiten an ihm größere Abbrüche erfolgt sind.<br />

Die letzte große Erdrutschung war am 24. Juni 1906 bei<br />

einem furchtbaren Hagelwetter mit reißenden Ueberschwemmungswassern,<br />

die in den kiesigen und sandigen Steilhang<br />

oberhalb des Schulhauses eine tiefe Einbuchtung gerissen<br />

haben. Gerölle werden — nach dem Schwäbischen Wörterbuch<br />

4, 365 — im Schwäbischen gelegentlich mit Kiefer bezeichnet,<br />

und so haben wir hier im Kieferbühl ein typisches,<br />

sonst seltenes Beispiel für einen solchen Bühl mit Geröllhang.<br />

Mit gleicher Berechtigung kann man „Kieferbühl" von<br />

kifern = abnagen ableiten.<br />

Knopfwiesen. Knopf ist die Bezeichnung für Kaulquappe,<br />

Froschlarve. In den Knopfwiesen waren also früher<br />

kleine Wassertümpel mit Kaulquappen.<br />

Die Krähenwiesen führen ihren Namen auf die<br />

Krähe (Vögel) zurück. In alten Aufzeichnungen begegnet man<br />

häufig den Krainenwiesen, den Kreenwiesen und den Krägenbächlein.<br />

Man kann aber auch an den Familiennamen Krä<br />

denken, der früher in unserer Gegend vorgekommen ist<br />

(Habsthaler Urbar).<br />

Lachen ist die Bezeichnung der Höhe auf der östlichen<br />

Feldgemarkung nahe dem Weithart. Lache, mhd., bedeutet<br />

Zeichen, Grenzmarke, Markierungspunkt. Der Lachen kennzeichnet<br />

hier die Grenze des Weithart. Feldwärts mag es<br />

auch Grenzzeichen des früher wohl bis dahin reichenden<br />

Flurteiles „Band" = Bann (siehe oben) gewesen sein.<br />

Am alten Landsträßle. Die alte Landstraße führte<br />

vom Oberdorf in südlicher Richtung ein kurzes Stück durch<br />

die Triebgasse, bog dann rechts ab und setzte sich oberhalb<br />

der „Halden", immer auf der Höhe bleibend, südwärts in<br />

Richtung Schwäbiishausen fort. Sie war ein Teilstück der<br />

Hauptverkehrsstraße — besonders für Weinfahrten — Mengen—Hausen—Pfullendorf—Ueberlingen.<br />

Von ihr ist den anliegenden<br />

Aeckern die Bezeichnung „Am alten Landsträßle"<br />

geblieben. Auf der Schwäblishauser Gemarkung ist diese<br />

Straße noch in einer Karte zum Urbar von 1764 (Fürstl.<br />

Fürstenberg. Archiv, Donaueschingen) eingezeichnet. Die Talstraße<br />

Hausen-Schwäblishausen ist erst 1785 unter Fürst Anton<br />

Alois von Sigmaringen ausgebaut worden. Damit hatte<br />

die Straße über die Höhe wegen ihres Umweges vom Unterdorf<br />

aus und wegen ihrer Steigerung ihre Bedeutung als<br />

Landstraße verloren.<br />

Die Lohwiesen, ältere Schreibweise Loowiesen, sind<br />

Wiesen mit sumpfigen Stellen, mit Moorwasser. Loh ist verwandt<br />

mit Gerberlohe und hier die Bezeichnung für beizenden<br />

Moorsumpf.<br />

Der Mönchsacker, führt seinen Namen wohl auf den<br />

Umstand zurück, daß er früher den Mönchen des Klosters<br />

Salem gehört hat. Im Gemeindeurbar von 1730 ist als einziges,<br />

dem „Reichsgotteshaus Salmenschweill" gehörendes<br />

Grundstück eine einmähdige, „in Minacker" gelegene Wiese<br />

genannt deren Lage nach der Beschreibung auf den heutigen<br />

Mönchsacker deutet. Der Mönchs-„Acker" ist also eine Wiese.<br />

Man ist versucht, anzunehmen, daß es sich bei dem Grundstück<br />

um die Wiese handelt, die, der „Acker" genannt, 1297<br />

von Hartnid von Ettisweiler an das Kloster Salem verkauft<br />

worden ist.<br />

Die Mushäberwiesen bringt man wohl am besten<br />

mit Mushaber, aus dem man das Habermus gemacht hat, in<br />

Verbindung.<br />

Paradies, früher häufig Baredeis oder Paradeis geschrieben,<br />

ist der Flurname eines Gewannes links der Krauchenwieserstraße<br />

mit gutem, zarten Boden.<br />

R a i t e 1 n, von Raitel = Prügel, Zaunstecken, sind Wiesen<br />

links des Ettisweiler-Weges, die mit Prügeln oder Pflöcken<br />

abgesteckt waren. Möglicherweise hat auch ein Gebüschstreifen,<br />

eine Raitelhecke, die Wiesen gesäumt.<br />

Rauergeten (Rauh-Ergeten) Egart, Egert, oder Erget,<br />

war unfruchtbares, auf gewisse Zeiten umgebrochenes und<br />

zum Anbau verwendets Grasland. Rauhergeten kennzeichnet<br />

das Wiesengelände als Oedland, das wohl überwiegend<br />

als Weide diente.<br />

von J. Mühlebach<br />

(Fortsetzung und Schluß)<br />

Der Rottelweg führt von der Schmalzgasse durch den<br />

unteren Teil der Embdwiese nach dem Nordhang des Frauenberges<br />

und dann diesem entlang zur Kirche. Die Embdwiese<br />

war früher stark sumpfig und wässerig; noch heute ist sie<br />

von kleinen Quellwassern durchzogen. Rot bedeutet Sumpf.<br />

Der Rottelweg ist also der Weg, der durch den Sumpf oder<br />

diesem entlang führte. Er wird schon in Aufzeichnungen im<br />

15. und 16. Jahrhundert genannt.<br />

Rosengarten. Dieser Flurname ist erst in der zweiten<br />

Hälfte des 18. Jahrhunderts nachweisbar. Im Gemeindeurbar<br />

von 1730 kommt er noch nicht vor. Nach einer im Fürstl.<br />

Hohenz. Archiv befindlichen Flurkarte aus der Zeit um 1750<br />

war das Gelände des heutigen Rosengartens damals noch<br />

Wald. Der Name Rosengarten ist abzuleiten von dem Wort<br />

Röse, Rösse oder Rosse, mhd. rozze = Lache, in der Flachs<br />

gewässert, gerozzelt, d. i. zum Faulen gebracht wird. Dieses<br />

ehemals wässerige Gelände war wegen seiner unmittelbaren<br />

Nachbarschaft zum Egelsee vor dessen Trockenlegung zum<br />

Flachswässern besonders geeignet.<br />

Die Schafäcker auf der südlichen Feldgemarkung<br />

erinnern an die Schafweide, die noch im vorigen Jahrhundert<br />

von der Gemeinde betrieben wurde.<br />

Die Schelmengärten zwischen dem Brühlweg und<br />

der Dorfstraße unweit des Gasthofes zum Adler leiten ihren<br />

Namen von scalmo, das Aas, der Leichnam, ab. Es war dies<br />

früher der Platz, wo verendetes Vieh verscharrt wurde.<br />

Die Schmalzgasse, die Verbindungsstraße zwischen<br />

Oberdorf und Unterdorf, hat im Vergleich zu anderen Dorfstraßen<br />

ihren Vorzug in der sonnseitigen Lage. Gemüse- und<br />

Obstgärten, von kalten Winden geschützt, sind besonders<br />

ertragreich, die Wohnungen behaglich und warm. Wie anderswo<br />

bei Flurbezeichnungen das Schmalz die Kennzeichnung<br />

für solche Vorzüge gegeben hat, so auch bei unserer<br />

Schmalzgasse.<br />

Sengeisthal ist das westlich der Straße nach Rulfingen<br />

von der Hochfläche absinkende Tal bis zur Krauchenwieser<br />

Straße. In Aufzeichnungen im 17. und 18. Jahrhundert finden<br />

sich wechselnd die Bezeichnungen Engelsthal und Sengelsthal.<br />

Man geht wohl nicht fehl, wenn man das Wort vom<br />

Personennamen Engel ableitet. Das Sengeisthal ist des Engels<br />

Tal oder 's Engels Tal. Talbezeichnungen sind häufig mit<br />

Personennamen verbunden. Die heutige Bezeichnung „Sängersthal",<br />

oder gar „Singersthal" ist eine Mißbildung und<br />

findet aus der geschichtlichen Schau keine Stütze.<br />

Die S u i e ist ein sehr seltener und daher schwer zu<br />

deutender Flurname. Wenn man der Flurkarte von Hausen<br />

rechtgeben will, die das im Volksmund allgemein als Suie<br />

benannte Ackergelände als Säuen bezeichnet, müßte man an<br />

einen Zusammenhang mit Sau denken. Dabei konnte sowohl<br />

ein Sau-Gehege als auch —• und dem kommt größere Wahrscheinlichkeit<br />

zu — ein von Wildsäuen, die es früher nachweislich<br />

im nahen Weithart gegeben hat, häufig aufgesuchtes<br />

Ackergelände gemeint sein. Alte Aufzeichnungen nennen<br />

häufig Sayen, Suhe, Suchen und Suchenbühl. Suhe ist nach<br />

dem Schw. Wh. ein kleines Ackerland. Such bedeutet — nach<br />

Buck — einen Weidebezirk. Da die Suie kein kleines, sondern<br />

ein weitgedehntes Ackerland ist, möchte man einer Ableitung<br />

des Wortes von Such = Weidebezirk die größere Berechtigung<br />

zuschreiben. Nicht ausgeschlossen wäre auch die<br />

Deutung des Namens Suhe = Sumpf. Jedenfalls verdient<br />

aber die heute gebräuchliche Form „Suie" gegenüber der in<br />

neuen katasteramtlichen Flurkarten genannten Gewannbezeichnung<br />

„Säuen" den Vorzug.<br />

Die Steinwiesen im oberen Ried rechts der Straße<br />

nach Schwäbiishausen verdanken ihren Namen dem nahen<br />

ehemals großen Steinbruch.<br />

Stockäcker sind wie vielerorts Ackergrundstücke, die<br />

ehemals Wald und nach dessen Abholzung mit Baumstrünken<br />

bestockt waren.<br />

Das Täschle ist eine flache, heute kaum mehr wahrnehmbare<br />

Bodensenkung, die sich von den höher gelegenen<br />

Grabenäckern dem Egelsee zuneigt.<br />

Die Tafeläcker ob dem Kieferbühl, heute mit diesem<br />

Namen kaum mehr genannt, sind die Aecker, bei denen einst<br />

ein Bildstock mit einer Bildtafel gestanden hat.<br />

Das Taubried ist das taube Ried. Taub, mhd. töb, hat<br />

hier den Sinn von öde, feucht, schimmelig, unkultiviert.<br />

Durch die Triebgasse<br />

Weide getrieben.<br />

wurde früher das Vieh auf die


Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 27<br />

Der Volmisgrundim Tal beim Zaunhölzle links der<br />

Krauchenwieser Straße ist ein Flurname, der mit Wahrscheinlichkeit<br />

auf den Personennamen Volmer zurückgeht.<br />

Weingarten. Man weiß, daß im Mittelalter an der<br />

Donau zwischen ihrem oberen Lauf und Ulm Weinbau betrieben<br />

wurde. Das benachbarte Levertsweiler hatte einen<br />

schon im Mittelalter erwähnten „Weinberg". Auf dem Gelände<br />

unseres Weingartens sind früher Reben und Kürbis<br />

angebaut worden.<br />

Die Wolfäcker am Hau erinnern an die Zeiten, in<br />

denen in unseren Wäldern der Wolf heimisch war.<br />

W e i t h a r t. Hart ist der Wald, in den man das Vieh und<br />

die Rosse zur Weide trieb. Uralt ist der Name Wit und Weit<br />

gleich Holz oder Wald. Dem Volke war wohl die Bedeutung<br />

des Wortes Weit schon nicht mehr bekannt, als es bei der<br />

Zusammenfügung der beiden Worte zu Weithart einen „Waldwald"<br />

gemacht hat. Vielleicht hat dabei aber die Tatsache<br />

mitgewirkt, daß der Weithart kein Waldstück im landläufigen<br />

Sinne ist, sondern wegen seiner ungewöhnlich großen Ausdehnung<br />

— von Mengen bis über Mottschieß hinaus vor<br />

Pfullendorf — die Doppelbezeichnung Wald-Wald mit Recht<br />

verdient.<br />

Beim Zaunhölzle, das zwar auf Krauchenwieser<br />

Gemarkung liegt, aber, weil es an unserer Gemarkung angrenzt<br />

und in alten Aufzeichnungen über Hausen häufig genannt<br />

wird, im Rahmen dieser Darstellung eine Anführung<br />

verdient, mag man zunächst an einen mit einem Zaun umgebenen<br />

Wald denken; doch will diese Erklärung nicht recht<br />

befriedigen, wenn man auf die alte Schreibweise Saunhöhle<br />

zurückgeht. Das Schwäbische Wörterbuch setzt<br />

Saunholz gleich Saumholz. Das Saunhölzle, hier ein schmaler,<br />

langgestreckter, zungenförmiger Wald, wäre also der Wald<br />

mit einem langen Saum oder der fast in seinem ganzen Umfang<br />

gesäumte Wald.<br />

Die Flurnamen Bäumlesweg, beim Bild, am Lausheimerweg,<br />

Birkwiesen, Fuchsbühl, Grabenäcker, Hinter den Gru-<br />

ben, Hagelschlagäcker, Halden, Hanfßärten, Hohlgasse, Krautland,<br />

Mittelfeld (unweit des Habsthaler Weges), im Moos,<br />

Moosgraben, Mühlhalden, Mühlwiesen, Riedwiesen, Sägwiesen,<br />

an der Staig, ob dem Steinbruch, im Thal (hier die Fortsetzung<br />

des Dorftales über das Oberdorf hinaus), Waldwiesen,<br />

am Habsthalerweg, am Lausheimerweg, am Levertsweilerweg,<br />

bedürfen keiner Erklärung. Ihre Deutung ergibt sich<br />

von selbst aus dem Sinn der Namen.<br />

Abgegangene Flurnamen: Aichgasse, Aichgreithle,<br />

Aispen (Gemeinde-Aispen), am langen Au (= weg, im Menger<br />

Esch), Auchtert, (hier wurde das Weidevieh zur Nachtzeit<br />

oder beim Morgengrauen zusammengetrieben), Auergeten,<br />

Braunäcker, Breugelwiesen (Breuchelwiesen), Breunenweg,<br />

Bauäcker, Friedhag, in dem Gabler, in dem kurzen Glend, im<br />

vorderen und hinteren Grund, Hirtenwiese (die Wiese, die dem<br />

Dorfhirten als Naturallohn zur freien Nutzung überlassen<br />

wurde), Kirchenäcker, Kreuzburgäcker, (rechts der Rulfinger-<br />

Straße, bei den Band-Aeckern), Kreuzgäßle, Kreuzwegäcker<br />

(im Menger-Esch), Kreuzwiesen, Kreuzader, Krumenäcker (am<br />

Band), am Laagwasser oder Langenwasser (bei der ehemaligen<br />

Säge), Lättenäcker (Läthenäcker), im Mayenkräutle,<br />

Meyenesch, Metzgerwiese, Kleinmösle, Raithle (Reithle),<br />

Reinenäcker, Rettlen, Rosenwiesle, Roßengräntz, Scheible(n)<br />

Aecker und bei dem Scheible (nahe der Triebgasse), Scheuttele-Aecker,<br />

Schreteleäcker, Schrotteläcker, in der Seerz,<br />

Seerzbach, Senenbächle, Stoffeläcker (am Habsthaler Weg),<br />

die Stelle (Sammel- und Lagerplatz für das Weidevieh),<br />

Stählgätter (Stahlgätter), Steinreße (Steinröße), Underwasser<br />

(Unterwasser im Taubried), Weyhengärten (Weihengärten<br />

links der Straße nach Ettisweiler, hinter den Häusern Mauch-<br />

Frick, Wagner, Kernler und Seßler), Zwerchgöhrenhag<br />

(Ueberzwerchgöhrenhag).<br />

* *<br />

Anmerkung: Der Verfasser ist dankbar für Hinweise<br />

auf Zweifel behebende Deutungen der Flurnamen. Wer immer<br />

sich um die Erklärung von Flurnamen bemüht, wird<br />

sich bewußt sein, daß das schwierige Gebiet der Flurnamenforschung<br />

leicht Irrtümern unterworfen ist.<br />

Ein Fuchs mit einem staatspolitischen Schwanz<br />

„Am 12. Oktober kam von Hechingen der Befehl, daß der<br />

Vogt, das Gericht und der Ausschuß am 14. des Monats morgens<br />

um 8 Uhr in der Kanzlei zu erscheinen habe. Sie hätten<br />

den Fronbrief „worauff sie sich gesteiffet, in original" mitzubringen.<br />

Da wurde ihnen der Fronbrief abgenommen und<br />

auf den 21. Oktober die ganze Gemeinde d. h. alle über 14<br />

Jahre alten Leute aufs neue nach Hechingen beordert. Dort<br />

fanden sie ein großes Aufgebot von Soldaten mit „gewehrter<br />

Hand in Bereitschafft, auch den Scharfrichter sambt seinem<br />

Knecht und sollten ihre alten Fronbrief als ungültig erklären<br />

und einen neuen anerkennen und das alles „freiwillig und ohngezwungen."<br />

„Die junge Pursch" ließ man am selben Vormittag<br />

nach Hause gehen, die Verheirateten wurden bis auf den<br />

andern Abend im Rathaus eingesperrt. Da sie sich zu der<br />

verlangten Erklärung nicht bereit fanden, wurden die Gerichtspersonen<br />

unter Bedeckung von 14 Soldaten auf Hohenzollern<br />

gefänglich abgeführt und an „drey absonderliche"<br />

Orte verlegt. Den Schreiber des Gerichts, Jakob Sinz, der<br />

Sprecher der Gemeinde war, habe der Leutnant Sartori JS<br />

folgendermaßen apostrophiert: Gehe hervor, du Schneider!<br />

Bist du der geschlachtet Gesell aus den Reihen hervorzutreten!<br />

Und der Landrichter fügte hinzu: Dein Kopf schmeckt<br />

dir nach dem Galgen; wir wollen dir den andern Fuß auch<br />

noch krumm machen. Dann wurde auch er in den Turm gelegt.<br />

Die im Hechinger Rathaus Inhaftierten wurden inzwischen<br />

bearbeitet, auf das Ansinnen des Fürsten einzugehen.<br />

Damit hatte man keinen Erfolg. Nun wurden sie befragt, ob<br />

sie die Schlichtung der ganzen Angelegenheit den auf dem<br />

Zoller gefangenen Gerichtsmännern anheimgeben wollten.<br />

Ein Teil stimmte zu und blieb zunächst in der freieren Rathaushaft.<br />

Der andere Teil, 34 an der Zahl, verweigerte dieser<br />

Vollmacht die Zustimmung und wurden in die Türme eingelegt<br />

und durch ..Musquetirer" bewacht. Ihnen wurde am folgenden<br />

Tag eröffnet, daß, wenn sie bei ihrer Meinung beharrten,<br />

sie auch auf die Festung kämen und daß „allemahl<br />

ihrer zehn miteinander spielen und einer davon hangen<br />

müßte. Dann verbrachte man diese 34 auf den Zoller und<br />

hielt zusammen mit den Gerichtsmännern im Schloßhof unter<br />

den Gewehren der Garnison eine gemeinsame Beratung<br />

ab. Das Ergebnis war, daß „man gleichwohlen zu Entgehung<br />

größerer besorglicher Gewalt und zu ihrer allerseitigen Be-<br />

von J. R i e g g e r, Pfarrer<br />

(Fortsetzung und Schluß)<br />

freyung dermahlen der Herrschaft in ihrem beschwerlichen<br />

Ansinnen willfahren und nach der Handt zusehen sollte, wie<br />

man etwa der Sach abhelfen mögte." Nach dieser Entschließung<br />

brachte man sie vom Zoller wieder nach Hechingen,<br />

sperrte sie noch eine Nacht ein, ließ am nächsten Tag auch<br />

die Jungen wieder von Owingen kommen zu einer neuen<br />

Huldigung und nun mußten sie unter diesem Druck einen<br />

neuen Fronbrief unterschreiben, der nicht mehr auf freier<br />

Vereinbarung beruhte, sondern vom Landesherrn diktiert<br />

wurde. Sämtliche Unkosten für Verpflegung der Gefangenen,<br />

des Militärs, des Landrichters, Scharfrichters und aller andern<br />

Beamten gingen zu Lasten der Unterlegenen. Am<br />

schlimmsten erging es dem Weib, das den Wirt durch ihren<br />

Zuruf stutzig und von der Arbeit abspenstig gemacht hatte.<br />

Sie wurde geholt, „über Nacht in den tiefsten Thurm gelegt,<br />

folgenden Tags auff den Pranger gestellt, mit Ruthen empfindlich<br />

hinausgestrichen und anbey des Landts auff ewig<br />

verwiesen".<br />

In dem neuen Fronbrief tut der Fürst „jedermänniglich<br />

kundt, demnach wider unsere hohe Persohn unsere Leibaigenen<br />

Underthanen des Fleckhens Owingen sich boßhaffter<br />

Weiße höchststräflich vergrifen. daß sie sich understanden,<br />

auff der Jagt unß nur mit zway Underthanen nicht an<br />

Händen zu gehen, sondern recht widersetziglich solches abzuschlagen<br />

.... undt unß gantz wohl erinerlichen, daß Sie<br />

Oebinger zu der in anno 1619 entstandenen General Rebellion<br />

eben auch dieße Freiheits Sach verlaidet hat... Wegen<br />

dieses verübten Aufstandes und Widersetzlichkeit werden sie<br />

auf ewige Zeiten ihrer Freiheiten beraubt, der alte Fronbrief<br />

wird kassiert, sie selbst gleich den andern Untertanen zu<br />

allem Fronen und Jagen verpflichtet und obendrein mußten<br />

sie die 313 Gulden nach dem alten Fronbrief bezahlen. Die<br />

Lasten des früheren Fronbriefs blieben also bestehen und<br />

hinzu kamen jährlich 8 Tage Frondienst mit Leib, Roßen und<br />

Wägen, 50 Klafter Fronholz zu hauen und nach Hechingen<br />

zu führen, sowie die willkürlichen Jagdfronen. Als besonderes<br />

Entgegenkommen wird ihnen gnädigst zugestanden, daß<br />

sie beim Aussterben des Fürstenhauses zu keinen Frondiensten<br />

mehr sollten verpflichtet sein.<br />

Daß die Owinger es bei dieser Wendung der Dinge nicht<br />

bewenden ließen, kann man sich denken. Sie wandten sich an


28<br />

das kaiserliche Kammergericht in Rottweil, bei dem ja ihr<br />

alter Fronbrief hinterlegt war und beantragten, den früheren<br />

Rechtszustand wieder herzustellen.<br />

Unter dem 5. Januar 1700 erging an den Fürsten ein kaiserliches<br />

Mandat, nach dem der durch Gewalt erpreßte neue<br />

Fronbrief für rechtswidrig erklärt wird. Selbst wenn man<br />

annehme, daß die Verweigerung der Hilfe ein sträflicher<br />

Ungehorsam sei, was aber bei der Freiheit von Jagdfronen<br />

nicht zutreffe, dann könne man unmöglich eine ganze Gemeinde<br />

dafür haftbar machen, noch weniger dürfe man dann<br />

die für die Freiheit erlegte Geldsumme weiterhin fordern.<br />

Nebenbei wird noch hingewiesen auf die „allzugroße Beschwerd<br />

der sambtlichen hierüber hefftig lamentierenden<br />

Landschafft", von der statt der klar festgelegten Leistungen<br />

beliebig unbestimmte verlangt würden, z. B. statt 8 bisweilen<br />

9 bis 10 Tage Frondienst sogar an Fest-, Sonn- und Feiertagen.<br />

Für den „Fleck Aubingen" komme noch erschwerend<br />

hinzu, daß er für die Leistung der Fron- und Jagddienste<br />

unter allen Gemeinden am weitesten abgelegen sei und „wegen<br />

der bey ereignenden großen Gewässer manchmahlen<br />

überfließenden Wassers, die They (Eyach) genannt, auß dem<br />

Flecken biß zu dessen Niederlegung nicht zu kommen vermöchte."<br />

Ohne der Kläger gänzlichen Ruin könne diese doppelte,<br />

ja mehr als dreifache Beschwerde gar nicht gefordert<br />

werden. Vielmehr seien sie „in ihren vorigen Befreyungs-<br />

Standt vollkommentlich wieder einzusetzen" ohne die mit<br />

Gewalt und Todesdrohung erpreßten neuen Verpflichtungen.<br />

Nachdem das kaiserliche Mandat noch eine Reihe von Entscheidungen<br />

namhafter Rechtsgelehrten angeführt hat, schließt<br />

es mit folgendem allerhöchstem Bescheid:<br />

„So gebiethen Wir Deiner Liebden und Euch Mitbeklagten<br />

von Römisch Kaiserlicher Macht und bey Poen (Strafe) Zehen<br />

Mark löthigen Goldes — halb in Unsere Kaiserliche Cammer<br />

und zum andern halben Theill denen Inpetranten (Klägern)<br />

ohnnachlässig zu bezahlen — hiermit ernstlich und wollen,<br />

daß der mit Gewalt und gegen alle Geist- und Weltlichen<br />

Rechte erzwungene Frohnbrief als null und nichtig kassiert<br />

und gäntzlich aufgehoben, sodann den gewalttätig abgenommenen<br />

Revers und die alten Pergamentinnen Freiheytsbrief<br />

samt allen (Straf) Geldern ohngesaumt restituiert werden."<br />

„Die Kläger sollen bei ihren alten Freiheiten belassen und<br />

mit keinen weiteren Frondienst beschwert werden, „als<br />

lieb Ihro und Euch seyn mag, obangeregte Poen zu vermeiden".<br />

Endlich wird noch befohlen, daß die Kläger an ihrem<br />

Hab und Gut in keiner Weise geschädigt auch ihre Recht»<br />

beistände (Advokaten, Notare und Schreiber) nicht im geringsten<br />

bedroht würden. Auch dafür wird die Poen von 10 Mark<br />

löthigen Goldes angedroht. Zuletzt wird der Fürst bezw. sein<br />

Vertreter vor das kaiserliche Kammergericht vorgeladen,<br />

H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

falls er gegen dieses Urteil begründeten Einspruch zu erheben<br />

habe. Das kaiserliche Mandat ist also offenbar nicht als<br />

Folge einer Verhandlung vor dem Kammergericht, sondern<br />

als vorläufiges Urteil auf die Anklage der Unterthanen hin<br />

ergangen.<br />

Unterzeichnet ist es von Johann Adam Weikhart Dr. Kayserlichen<br />

Cammergerichts Canzley Verwaltern m. pr., Jacobus<br />

Michael Ltus (Licentiatus) Judicii Imerialis Camerae<br />

(Kaiserl. Kammergerichts) Protonotarius m. pr. und Petrus<br />

Rank Imp. Cam jud. Lector m. pr.<br />

Den Schluß bildet der Bericht des Kayserlichen Cammerbotten,<br />

der das Mandat den Beteiligten zuzustellen hatte. Am<br />

24. Jan. 1700 erschien er in der Stadt Hechingen, meldete<br />

sich bei der Hochfürstlichen Regierungskanzlei, wurde gleich<br />

in die „Regierungs-Stuben" berufen und übergab dem Kanzler<br />

Paul Stengel das Mandat im Original und einer Kopie,<br />

samt den Beilagen. Nachdem der Kanzler davon Kenntnis<br />

genom.men, erhielt der Bote das Original zurück. Der gleiche<br />

Vorgang wiederholte sich bei den Herrn Räten, dann bei<br />

dem Herrn Landrichter Paul Parrate (Baratti) im Schloß.<br />

Zuletzt ritt er am gleichen Tag auf die Burg. Dort wurde er<br />

gar nicht eingelassen. Der Herr Leutenant Sartorius schickte<br />

einen Soldaten heraus, der das Mandat entgegennahm und<br />

alsbald wieder erschien mit dem Vermelden, die Sache gehe<br />

den H. Leutenant nichts an, er solle die Sach anderstwohin<br />

tragen. Dazu hatte der Bote keinen Auftrag und nahm die<br />

Akten nicht mehr an. Während die zwei vor dem Tor verhandelten,<br />

rief der Leutnant von der Mauer herunter, er<br />

solle die Sachen nur wieder mitnehmen, wo nicht, werde er<br />

sie zum Berg hinunterwerfen lassen. Der Soldat legte die<br />

Schreiben auf den Sattel des Pferdes, von wo sie auf der andern<br />

Seite gleich wieder herunterfielen. Der Kammerbote<br />

ließ sie liegen, schwang sich auf sein Pferd und machte sich<br />

eilends aus dem Staub. Am Ende besorgte er, er könnte sonst<br />

den Rückweg nicht mehr finden.<br />

„So alles geschehen im Jahr, Monat, Tag, Stund und Orth<br />

wie obgemeldet.<br />

Henricus Kirschbaum Bottenmaister m. pr.<br />

Ein Einspruch des Fürsten gegen dieses Urteil des Reichskammergerichts<br />

ist offenbar nicht erfolgt. Wahrscheinlich<br />

fügte er sich knirschend der höheren Gewalt, bezahlte die<br />

Kammertaxe mit 3 Rthler 18 Kreuzer und wartete auf eine<br />

bessere Gelegenheit, sich an den widerspenstigen Bauern<br />

schadlos zu halten.<br />

Die Owinger aber hatten dieses Mal allen Grund, den Tag,<br />

an dem sie einen Teil ihrer Freiheit unter schwerer Bedrängnis<br />

gerettet hatten, im Kalender rot anzustreichen<br />

und auf lange Zeit hinaus festlich zu begehen.<br />

Die Hechinger Bürgergarde — einst und jetzt<br />

Wenn die Hechinger Bürgergarde über die Pfingsttage 1954<br />

in den Mauern ihrer <strong>Heimat</strong>stadt das große Bürgerwehr-<br />

Treffen durchzuführen die Ehre hat, so scheint mir dieser<br />

Anlaß besonders dazu angetan, die Geschichte dieser Vereinigung<br />

einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Dieser<br />

Streifzug in die Vergangenheit dürfte nicht nur bei jedem<br />

<strong>Heimat</strong>freund Interesse hervorrufen, sondern auch jenen<br />

Bürgern, die unsere Tätigkeit oft im falschen Licht sehen,<br />

von dem wahren Sinn unserer Sache ein klares Bild geben.<br />

Doch bevor ich die Seiten der Chronik zurückblättere, möchte<br />

ich auf eine immer wieder gehörte Frage eine kurze Antwort<br />

geben:<br />

„Was hat eine Bürgerwehr heute noch zu bedeuten?"<br />

Die Stadtgarden und Milizen, die sich im südwestdeutschen<br />

Raum nur noch in wenigen Gemeinden bis heute erhalten<br />

haben, sind weiter nichts als ein äußerliches Ueberbleibsel<br />

aus mittelalterlicher Zeit.<br />

Vorgänger dieser heutigen Vereine waren die Wehrgemeinschaften<br />

unserer Vorfahren. Dieses Erbe unserer Ahnen<br />

kann in den Begriffen „<strong>Heimat</strong>liebe und <strong>Heimat</strong>treue" zusammengefaßt<br />

werden; und diese Tradition zu pflegen, haben<br />

sich unsere heutigen Bürgerwehren zur Aufgabe gemacht.<br />

Natürlicherweise haben sich die Aufgaben dieser Gemeinschaften<br />

im Wandel der Zeiten geändert. War es früher<br />

ihre Bestimmung, persönliches Eigentum zu schützen, so treten<br />

sie heute in der Hauptsache zur Verschönerung kirchlicher<br />

und weltlicher Festlichkeiten in Erscheinung. Der Geist<br />

und die Kameradschaft dieser Männer sind gleich geblieben.<br />

Wenn auch Aufzeichnungen und Urkunden aus den früheren<br />

Zeiten nur sehr lückenhaft vorhanden sind, so kann man<br />

sich anhand des vorhandenen Materials doch ein ungefähres<br />

Bild machen, wie die Bürgerwehr unserer Vorfahren ausge-<br />

sehen haben mag, welchen Zweck sie hatte und wie sich<br />

ihr Werdegang bis heute vollzog.<br />

Die Geschichte unserer Bürgergarden ist ein Stück Ortsgeschichte,<br />

und ich möchte deshalb unsere Hechinger Betrachtung<br />

beginnen um die Zeit Karl d. Gr., also vor nunmehr<br />

fast 1200 Jahren. Aus dem Jahre 786 nämlich stammt die<br />

erste urkundliche Nachricht unseres <strong>Heimat</strong>ortes, der als<br />

„Hachingum" genannnt wird. (Wahrscheinlich ist aber die<br />

Siedlung, aus der sich Hechingen entwickelte, schon um das<br />

Jahr 300 entstanden.) Natürlich reicht die Geschichte unserer<br />

Bürgerwehren nicht so weit zurück, denn sie beginnt eigentlich<br />

erst mit dem Entstehen der Städte. „Hachingum" wurde<br />

damals (786) nur als Weiler oder Dorf (Vicus) bezeichnet,<br />

obwohl er als Hauptort der „Hattenhuntare" (Gau) schon<br />

damals eine gewisse Vorrangstellung hatte.<br />

Im Jahre 1255 wird Hechingen zum ersten Male urkundlich<br />

als Stadt erwähnt, also zu einem Zeitpunkt, indem die<br />

meisten alten Städte unserer Gegend entstanden sind. (Reutlingen,<br />

Eßlingen 1208; Tübingen 1231; Sigmaringen 1275;<br />

Rottenburg 1284; Stuttgart 1286). Mit der Erhebung zur Stadt<br />

waren besondere Vorrechte verbunden. Eine Stadt war it<br />

gewissem Sinne eine Festung oder Burg, die ihren Einwohnern<br />

Schutz bot. Da die Zeiten sehr unruhig waren, mag<br />

die Stadtmauer dazu beigetragen haben, daß mancher Auswärtige<br />

hinter ihrer Geborgenheit Wohnung nahm. Es ist<br />

auch anzunehmen, daß viele Bewohner des ursprünglichen<br />

Dorfes Hechingen im Tal der Starzel, in die jetzige Oberstadt<br />

hinaufgezogen sind und Bürger wurden. Die Oberstadt<br />

ist wahrscheinlich damals erst neu angelegt worden. Da im<br />

Mittelalter eine Stadt ohne Befestigung nicht denkbar ist,<br />

muß damals schon eine Stadtmauer bestanden haben. Auf<br />

diese Befestigung weist ja auch der Name „Bürger" hin, dmq


Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 29<br />

er kennzeichnet den Städter als Bewohner einer Burg, d. h.<br />

einer befestigten Ortschaft.<br />

Gerade in dieser Zeit beginnt wohl auch die früheste Geschichte<br />

unserer Bürgerwehr. Jeder rechtschaffene und wehrfähige<br />

Bürger hatte sich im Notfalle zu wehren und seine<br />

Stadt zu verteidigen. Wer Bürger war, war auch Wehrmann.<br />

Nicht jeder Einwohner durfte sich „Bürger" nennen. Das<br />

Bürgerrecht setzte gewisse Bedingungen voraus. Also war<br />

schon diese „Wehr der Bürger" eine Auswahl der unbescholtenen,<br />

freien Einwohner der Stadt.<br />

Die erste nähere Aufzeichnung über die „Wehrpflicht" unserer<br />

Vorfahren können wir einer Beschreibung des „Jahrgerichts"<br />

entnehmen, welches zu jener Zeit ja allerorts abgehalten<br />

wurde. Unsere Hechinger Chronik berichtet schon im<br />

Jahre 1544:<br />

„Alljährlich am Hilariatag (13. Januar), dem „Klärestag", berief<br />

der gräfliche Stadtschultheiß die städtischen Bürger zum<br />

Jahresgericht."<br />

Und aus dem Jahre 1579 finden wir folgende Beschreibung<br />

dieses Verfahrens:<br />

„Der Obervogt hielt an die Untertanen eine Ermahnungsrede,<br />

und der Untervogt (Schultheiß) las die Landesordnung<br />

vollständig vor. Darauf hatte jeder Bürger bei seinem Eid<br />

anzuzeigen, was er Rügbares wisse. Die neu aufgenommenen<br />

Bürger mußten sich in voller Ausrüstung zeigen, mit Harnisch,<br />

Sturmhaube, Hellebarde, Knobel- oder langem Spieß,<br />

Haken oder Rappier, die Schützen mit Muskete, Schützenröcklein<br />

und allem Zugehör."<br />

Diese „Burger" waren also schon damals Soldaten der<br />

Stadt, allerdings ausschließlich mit dem Zweck, Wohnung,<br />

sonstigen Besitz und ihre Familie vor Raubgesindel, Kriegsvolk,<br />

aber auch vor Feuer und sonstiger Not zu schützen.<br />

Sie griffen also nicht zu den Waffen, um in der Ferne Eroberungen<br />

zu machen oder gar politische Ziele zu verfolgen.<br />

Daß unsere Altväter mutig und entschlossen zusammenhielten,<br />

wenn es galt, die durch Not und Krieg oft klein gewordene<br />

Habe zu verteidigen, geht aus einem kleinen Bericht<br />

aus der Zeit nach dem 30jährigen Krieg hervor.<br />

Viel Not und Elend hat dieser endlose Krieg auch über<br />

unsere <strong>Heimat</strong> gebracht. Aber auch nach dem „Westfälischen<br />

Frieden" blieben die Besatzungstruppen noch zwei volle<br />

Jahre im Land. Die Burg Hohenzoilern war noch von kurbayerischen<br />

Kriegern — als Pfand für rückständige Kriegsschulden<br />

— besetzt, und sie sollen nicht viel anders als in<br />

Feindesland gehaust haben. Im Frühjahr 1649 trieben die<br />

Soldaten das am Zollerberg weidende Vieh von Hechinger<br />

Bürgern auf die Bürg. Als später zwei von ihnen einen<br />

Weideplatz wieder absuchen wollten, stießen sie in einem<br />

Hinterhalt auf 60 „bewehrte Hechinger Bürger", denen einer<br />

der Musketiere in die Hände fiel.<br />

Ihre altvererbten Rechte und Freiheiten verfochten unsere<br />

Vorfahren mit allen Mitteln. Der über eineinhalb Jahrhunderte<br />

immer wieder aufflackernde Kampf um die „Freie<br />

Pirsch" (1651—1796) wurde so verbissen geführt, daß die Bürger<br />

zu offenen Fehden gegen den Fürsten übergingen.<br />

Nach dem siebten Aufstand im Jahre 1701 befreite die<br />

„bewaffnete Bürgerschaft" gewaltsam einige gefangen gehaltene<br />

Anführer der Aufständischen, forderte die Gefängnisschlüssel<br />

und erklärte, sie würde keine Bürger verhaften<br />

lassen.<br />

Daß aber solche Ausschreitungen gegen die Obrigkeit nicht<br />

die Regel waren, beweisen folgende Ausschnitte aus den<br />

Stadtgerichtsprotokollen. Im Jahre 1751 wird dort berichtet:<br />

„Zur Geburt des Erbprinzen findet ein Festmahl statt, bei<br />

der auf Weisung des Stadtgerichts eine Anzahl wohlexerzierter<br />

Bürger mit ihren Feuergewehren 3 Salven abgeben."<br />

Die folgenden Berichte zeigen, daß die Stadtwache damals<br />

sehr genau und streng gehalten wurde und im Leben der<br />

Bürger einen nicht unwesentlichen Raum beanspruchte. Im<br />

Jahre 1757 finden wir folgende Eintragung:<br />

„Die Wache an den Toren solle man keinen halbwüchsigen<br />

Buben Uberlassen. Die Bürger sollen die Wachen selbst mit<br />

Unter- und Obergewehr am oberen und unteren Tore gewissenhaft<br />

halten, da zu dieser unsicheren Kriegszeit viel Gesindel<br />

mit falschen Pässen komme. Und wenn einer der<br />

fürstlichen Räte ein und ausgehe, solle jedesmal nach Schuldigkeit<br />

das Gewehr präsentiert werden."<br />

Und 1766 befiehlt der Stadtschultheiß den beiden Bürgermeistern<br />

folgendes genau zu besorgen:<br />

1. Zwei tüchtige Männer sollen täglich beim unteren und<br />

oberen Tore die Wache halten.<br />

2. Sie sollen einen weißen Zwilchkittel mit roten Aufschlägen<br />

tragen.<br />

3. Es sollen auch brauchbare Flinten beschafft werden und<br />

4. die Wächter allezeit, wenn Hochfürstliche Durchlaucht und<br />

Geheimde Räthe passieren, präsentieren können.<br />

Aus diesen Ausführungen ist zu ersehen, welche Aufgabe<br />

eine Bürgerwehr die ersten Jahrhunderte nach der Entstehung<br />

der Städte zu erfüllen hatte. Erst später, als die<br />

fortschreitende Technisierung und andere politische Verhältnisse<br />

eine Bürgerwehr in diesem Sinne überholt hatten, ent-<br />

Biirgergarde Hechingen Foto-Keidel, Hechingen<br />

wickelten sie sich langsam zu dem, was sie heute noch darstellen.<br />

Im 18. Jahrhundert hören wir in Hechingen zum erstenmal<br />

von einer „Bürgergard e", die bei öffentlichen<br />

Anlässen mit repräsentativem Charakter auftritt. Die Chronik<br />

unserer Stadt berichtet im Jahre 1779:<br />

„Ueber den feierlichen Einzug der am 26. Juli vermählten<br />

Braut des Grafen und nachmaligen Fürsten Hermann, der<br />

Gräfin Antonie von Waldburg-Zeil-Wurzach, sagt das städtische<br />

Audienzprotokoll unter anderem: Die Bürgerschaft hatte<br />

eine Parade von Reiterei und Fußvolk in fünf Kompanien<br />

veranstaltet. Das fürstliche Kontingent zu Fuß war unter<br />

Hauptmann von Hövel auf der Terrasse vor dem Schloß in<br />

einer Reihe zu einem Lauffeuer gerichtet. Büchsenschüsse<br />

der Jäger, Kanonendonner von der Burg ertönten."<br />

Daraus ist klar zu ersehen, daß die damalige Bürgergarde<br />

mit den regulären fürstlichen Truppen nichts zu tun hatte,<br />

sondern eine reine Sache der Bürgerschaft war, mit dem<br />

Zwecke, Feste zu verschönern und den Impulsen der Einwohnerschaft<br />

sichtbaren Ausdruck zu verleihen.<br />

Aber auch bei anderen Anlässen trat die Bürgergarde als<br />

Vertretung der Einwohnerschaft in Erscheinung. So lesen<br />

wir im Jahre 1797:<br />

„Am 28. Juli abends 8 Uhr fand die Beisetzung der Fürstin<br />

von Fürstenberg, nachdem der Leichnam zwei Tage lang in<br />

der Schloßkapelle aufgebahrt, in folgender Ordnung statt:<br />

Kammerdiener Francois, ein Offizier mit den ganzen fürstl.<br />

Kontingent, verstimmten Trommeln und Pfeifen . . . usw.<br />

Am Schluß sind genannt: Der Stadtmagistrat, die Bürgerschaft<br />

und endlich eine Bürgerkompanie."<br />

Im 19. Jahrhundert war es ein frohes Ereignis, das Anlaß<br />

gab, über das Wirken der Hechinger Bürgergarde zu berichten.<br />

Es war die Vermählung des Erbprinzen Konstantin,<br />

des letzten Fürsten von Hohenzollern-Hechingen, mit der<br />

Prinzessin Eugenie von Leuchtenberg und Eichstädt, der großen<br />

Wohltäterin unserer Stadt. Unsere Chronik berichtet<br />

darüber:<br />

„Am 3. Juni 1826 hielt das junge Paar seinen Einzug in<br />

Hechingen. Am Eingang zur Stadt in der Herrenackerstraße<br />

stand eine prächtige Ehrenpforte, auf der ein Musikkorps<br />

spielte. Berittene Förster, eine Bürgergarde zu Fuß und zu<br />

Pferde, die Behörden, die Bürgerkollegien, die Schuljugend<br />

und die übrige Einwohnerschaft bewillkommten mit Ansprachen<br />

und lautem Jubel die Neuvermählten."<br />

„Am 4. Juni fuhr unter Ehrengeleit der Bürgergarde das<br />

Erbprinzenpaar die durch lodernde Flammen erhellte obere<br />

Lindichstraße entlang zum Tore der nunmehrigen Villa<br />

Eugenia . . . ."<br />

Diese Berichte zeigen uns, daß die Zeit der letzten Hechinger<br />

Fürsten auch die Glanzzeit der Hechinger Bürgergarde<br />

war. Schon zweieinhalb Jahrzehnte später, im Jahre 1848,<br />

warf die Pariser Februarrevolution ihre Schatten auch in<br />

unsere <strong>Heimat</strong>. Aus der Bürgergarde wurde eine Bürgerwehr<br />

im Sinne der allgemeinen Volksbewaffnung. Die Bevölkerung<br />

versuchte bei dieser Gelegenheit, die noch verbliebenen<br />

Feudallasten abzuschütteln. Es kam zu großen<br />

Ausschreitungen der Landbevölkerung, die sich gegen den


30 H O II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

Fürsten richteten. Anlaß zur Aufstellung der Bürgerwehr<br />

gab aber erst der sogenannte „Franzosenlärm". Nachrichten,<br />

daß 30 bis 40 000 Franzosen über Baden schon in Württemberg<br />

eingefallen seien, bewogen den damaligen Stadtamtsverweser<br />

Baur, die waffenfähige Mannschaft zur Gegenwehr<br />

aufzufordern. Es wurde anfangs sogar empfohlen, wo<br />

Waffen fehlten, zu Sensen, Dreschflegeln und Heugabeln zu<br />

greifen.<br />

Inzwischen hatten sich schon eine Anzahl ehemaliger Soldaten<br />

und waffenkundiger Männer zu einer „Bürgerwache"<br />

zusammengetan, die nun Wachdienste tat. Kurz darauf<br />

wurde dann die eigentliche Bürgerwehr aufgestellt. In der<br />

Hechinger Stadtchronik heißt es:<br />

„Am 26. März begann die Bildung einer Bürgerwehr, i bis<br />

500 Mann stark, wurde sie in vier Kompanien mit je 3<br />

Offizieren eingeteilt. Bataillonskommandeur war anfangs der<br />

Zimmermeister Gebhart Hecht, der unter Napoleon gedient.<br />

Sein Adjutant wurde der Regierungsdirektor von Wangenheim,<br />

später übernahm das Kommando Hofmarschall von<br />

Crousaz. Auf Befehl des Fürsten bildete sich aus dem Orchester<br />

unter dem Kammermusikus Wichtl eine vorzügliche<br />

Janitscharenmusik, die jedesmal mit dem Bataillon ausrückte.<br />

In den ersten Monaten wurde jeden Tag im „Fiele"<br />

exerziert. Instruktor war der ehemalige Sergeant des fürstl.<br />

Militärs Basso. Später wurde nur noch sonntags, und zwar<br />

nach dem Martinsberg ausgerückt. Die erste Kompanie bestand<br />

aus der ledigen Mannschaft, die mit Musketen versehen,<br />

auch Schießübungen hielt."<br />

„Am 15. Juli feierte die Bürgerwehr die Wahl des Erzherzog<br />

Johann zum Reichsverweser mit Zapfenstreich, Gottesdienst<br />

und Parade und huldigte gleichwie das fürstliche Militär<br />

dem Reichsoberhaupte."<br />

Am 16. August hatte sich die Bürgerwehr zum Abschied<br />

des nach Schlesien sich zurückziehenden Fürsten vor der<br />

Villa Eugenia aufgestellt. Am 7. September machte die Bürgerwehr<br />

einen Marsch nach Balingen. Im folgenden Jahre<br />

1849 hören wir zum letzten Mal von der im März 1848 gegründeten<br />

Bürgerwehr. In der Chronik heißt es:<br />

„An der Beerdigung des hier verstorbenen Abgeordneten<br />

Baur nahmen der Stadtrat, die Bürgerwehren von Hechingen<br />

und Sickingen und die Märzvereine des Landes teil."<br />

„Am 17. Mai dieses Jahres ließ die Regierung das Militär<br />

und die Bürgerwehr auf die Reichsverfassung vereidigen.<br />

Am 1. Oktober 1935 hörte Hermannsdorf auf, eine eigene<br />

Gemeinde zu sein und wurde Burladingen eingegliedert,<br />

aus dessen Gemarkung es vor 130 Jahren herausgeschnitten<br />

wurde. Nämlich erst im Jahre 1804 ist Name und Dorf Hermannsdorf<br />

entstanden. Damals wurden zwei fürstlich-hechingische<br />

Domänen von Hermann Friedrich Otto, dem damaligen<br />

Landesherrn an Siedler aus dem benachbarten Württemberg<br />

aufgeteilt. Schon vorher hatte der Hofrat Ziegler<br />

dem Fürsten vorgeschlagen, den Hof der Wildhütten, der<br />

heute sogenannten Küche, (die ohne Zweifel den Namen von<br />

dem Küchengebäude der fürstlichen Jagdhütte hat) und den<br />

kurz zuvor benannten Hermannshof aus ökonomischen Vorteilen<br />

zu zertrennen und als kleine Güter gegen ein jährliches<br />

Lehengeld und ewige Fruchtabgaben (als sog. Gült)<br />

auszuleihen. Die Verhandlungen fanden am 4. September<br />

1804 zu Burladingen statt. Da die Höfe auf 9 Jahre verpachtet<br />

waren um jährlich 1500 Gulden, und erst 2 Jahre<br />

dieser Zeit verstrichen, mußten die Pächter erst abgefunden<br />

werden. Sodann plante man 20 Teile zu machen und wählte<br />

von den 70 Bewerbern die besten heraus, und zwar lauter<br />

fremde! Die Namen der ersten Siedler sind Weber, Weiß,<br />

Bleßing, Glogaus, Stiefel, Förster, Stark, Braun, Kümmerle,<br />

Klein, Baur, Schimming, Müller, Kapel und Heinisch. Sie<br />

stammten aus den Oberämtern Kirchheim u. T, und Göppingen.<br />

Den Evangelischen wurde freie Religionsausübung<br />

und Lehrer und Schule auf eigene Kosten zugestanden. Das<br />

Verhältnis der erst später zahlreicheren Katholiken zur<br />

Pfarrei Burladingen war noch um 1850 nicht geregelt, wenn<br />

auch seit 1847 dortselbst eigene Standesbücher für Hermannsdorf<br />

geführt werden.<br />

Hermannsdorf<br />

Die neuen Landeskinder erhielten Steuerfreiheit für 15<br />

und Fronfreiheit für 5 Jahre, jeder Erblehenhof 36 Jauchert<br />

(ä 33,68 ar) Feld für Aecker, das teils noch kultiviert<br />

werden mußte, 8 Jauchert Wiesen und 1 Jauchert Krautland.<br />

Auf der Wildhütten (später Küche) wurden 6 Höfe errichtet:<br />

1. Braun, 2. und 3. Klein, 4. Stiefel, 5. Stiefel, 6.<br />

Kümmerle. Diesen überließ man die große Scheuer mit Stall<br />

und die kleinen Ställe für 650 Gulden, ferner das Cavalierhaus<br />

samt Keller und Vorkeller und das zusammengefallene<br />

Gülthaus für 240 fl. Außerdem noch den alten Reitstall und<br />

das Schäferhäusle.<br />

Bei dem „neuen Hof" (jetzt Hermannsdorf) wurden weitere<br />

14 Teile gebildet, wobei Joh. Friedr. Weber die Weinschankgerechtigkeit<br />

erhielt gegen jährliche Zahlung des Um-<br />

Die Vereidigung des Militärs geschah auf dem Schloßplatz,<br />

der Bürgerwehr vor dem Rathause."<br />

Schon am 6. August dieses Jahres rückten preußische Truppen<br />

in Hechingen ein, und im Dezember wurde der Staatsvertrag<br />

wegen Abtretung der hohenzollerischen Fürstentümer<br />

an Preußen unterzeichnet.<br />

Damit ging die alte Tradition der Bürgergarde zu Ende.<br />

Nocheinmal im Jahre 1905, es waren angesehene Hechinger<br />

Bürger, die im Rahmen einer „Vereinigung zur Erhaltung<br />

alter Volkssitten eine „Inaktive Bürgerwehr-Kompanie"<br />

gründeten. Sie war 20 Mann stark, und ihre Aufmachung<br />

war unserer heutigen Uniform sehr ähnlich. Noch vorhandene<br />

Akten aus den Jahren 1905—06, worunter auch der<br />

„Letzte Kompanie-Befehl" sich befindet, zeigen uns, daß<br />

auch diese Bürger-Kompanie eine kurze Lebensdauer hatte.<br />

Wieder vergingen fast 50 Jahre, bis sich 1950 eine Handvoll<br />

heimatverbundener junger Männer zusammentaten und<br />

mit viel Eifer und Liebe sich bemühten, dieses Stück „Alt-<br />

Hechingen" der Vergessenheit zu entreißen und zu neuem<br />

Leben zu erwecken. Zunächst gelang es, eine Knüppelmusik<br />

aufzustellen, die in unserer heutigen Uniform ausrückte und<br />

bei der Bevölkerung allgemeinen Anklang fand. Durch opfervolle<br />

Arbeit aller Mitglieder kam ein Jahr später auch der<br />

Musketier-Zug mit Fahnenabteilung dazu. So bekam Hechingen<br />

wieder seine Bürgergarde, die inzwischen bei vielen Anlässen<br />

in der <strong>Heimat</strong>stadt und auch auswärts, die alte Tradition<br />

der Vorfahren weiterträgt. Alljährlich nimmt sie auch<br />

als Ehrenspalier des Allerheiligsten an der Fronleichnamsprozession<br />

teil. Aber nicht nur in dekorativem Auftreten<br />

sieht die Hechinger Bürgergarde ihre Aufgabe begrenzt,<br />

sondern sie pflegt in Vorträgen und -Diskussionsabenden<br />

auch eine lebendige Volks- und <strong>Heimat</strong>kunde. Auch das<br />

Wiedererstehen der Hechinger Volkstrachtengruppe ist auf<br />

die Initiative der Bürgergarde zurückzuführen.<br />

Als Motiv und Leitwort hat sich diese Vereinigung den<br />

schönen Spruch auf die Fahne geschrieben:<br />

„In Treue zur <strong>Heimat</strong>".<br />

Vitus Mayer-Hechingen.<br />

gelds (Getränksteuer). Auch hier verkaufte man die vorhandenen<br />

Gebäude den Siedlern gegen annehmbare Bezahlung.<br />

(Da vom erst letzte Zeit verkauften fürstlichen Hof zu Hermannsdorf<br />

dabei nicht die Rede ist, scheint dieser erst nachträglich<br />

wieder in die Hand der Herrschaft zurückgefallen<br />

zu sein!) Zu den Neubauten, die dorfweise zusammengerückt<br />

werden mußten, wurde billiges Holz abgegeben. Die Höfe<br />

waren also nur geliehen, konnten aber an die Kinder vererbt,<br />

auch mit Bewilligung der Herrschaft verkauft und vertauscht,<br />

aber höchstens in 2 Teile geteilt werden. Zwei<br />

Brunnen verspricht die Herrschaft zu bauen, die aber dann<br />

von der Gemeinde unterhalten werden müssen. Jeder Hof<br />

erhält 5 Klafter Buchenbrennholz und 2 Klafter Tannenholz<br />

gegen 3 bezw. 2 Gulden pro Klafter, deren Scheiter 4<br />

Schuh lang und 7 Schuh hoch und breit gebeigt waren. Bei<br />

Antritt des Gutes mußten die Siedler 240 Gulden zahlen,<br />

bei einem halben die Hälfte. Bei Veränderungen durch Erbschaft,<br />

Tausch, dagegen 40 fl, als Erschatz, und bei Verkauf<br />

und Wegzug außerdem noch 25 fl. Bei Uebergabe an die<br />

eigenen Kinder hat man den Erschatz von 40 fl. ganz erlassen.<br />

Zehnten brauchten die Neubauern 5 Jahre keinen zu<br />

geben, auch später nicht von Futter, Hanf, Kraut, Esper<br />

(also Kleinzehnten, daher wohl die Schwierigkeit wegen der<br />

pfarrlichen Eingliederung). Die Lehenabgabe betrug für die ersten<br />

5 Jahre 3 Scheffel Vesen (ä 186,22 Liter), 6 Scheffel Haber,<br />

und 30 Gulden jährlich. Nach 5 Jahren stieg das Geld<br />

auf 40 fl. und nach 10 Jahren auf 50 fl und der Haber auf<br />

8 Scheffel.<br />

Die ersten Bürger hatten ein Vermögen von 100 bis 2500<br />

Gulden mitgebracht. Nur 100 hatten die Stiefel, Braun und<br />

Miller.<br />

Johann Georg Kümmerle von Ebersbach wurde erster<br />

Vogt, mit 15 Stimmen gewählt. Gleich in den ersten Jahren<br />

sahen verschiedene ihre Hoffnungen nicht erfüllt und sagten<br />

Hermannsdorf Lebewohl. Bald kamen die Namen Hölsche<br />

von Bietenhausen (1866 nach Amerika), Pfister von Bittelbronn<br />

um 1820, Haid von Imnau 1833, Eckenweiler von Bietenhausen<br />

1834, Eger von Imnau 1862, Michel von Affaltrach<br />

1864, Schairer 1906, Zoller von Oepfingen 1903, dazwischen<br />

noch Hipp von Salmendingen, Schäfer, Eisele von Gauselfingen,<br />

Maichle, Koch, Bechtold usf.<br />

Schon 1821 klagen die Hermannsdorf er dem Fürsten, sie<br />

seien in großer Not, kämen mit den Abgaben nicht durch<br />

usf. Die Wirtschaft zu Hermannsdorf hat im Jahre 1864 J. A.


Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 31<br />

Hipp von Salmendingen von Johann Faigle samt 37 Jauchert<br />

Acker und 8 Jauchert Wiesen um die schöne Summe von<br />

5200 Gulden gekauft. Ein halber Lehenhof dagegen galt 1860<br />

nur 1400 Gulden. In jener Zeit wurden die Lehen abgelöst<br />

und die Güter Eigentum der Inhaber. Gewöhnlich<br />

wurde die Ablösungssumme im 18fachen Jahiesbetrag der<br />

bisherigen „ewigen" Gilten festgesetzt. Bemerkt sei noch,<br />

daß bis 1811 auf dem jetzt abgeholzten Schwandel auch ein<br />

fürstliches Jagdhaus stand. Kraus.<br />

Kurznachrichten<br />

Gräberfund in Gammertingen<br />

Am Samstag, den 27. Februar 1954, legten Dr. Rieth-Tübingen<br />

und sein Assistent ein Grab aus der Spätbroncezeit<br />

frei, das 2 Tage zuvor Bahnarbeiter beim Abgraben der Böschung<br />

östlich des Bahnhofsgebäudes aufdeckten. In vorbildlicher<br />

Weise stellte die Arbeitskolonne die Grabarbeiten an<br />

diesem Platze ein, so daß die Bergung des Grabinhalts durch<br />

Fachleute erfolgen konnte. Es handelt sich um ein Frauengrab<br />

aus der Zeit 1000 Jahre v. Christi Geburt. Geborgen<br />

wurden 3 Urnen mit einigen Verzierungen, verbrannte Kno-.<br />

chenteile (Brandgrab), Reste von Tierknochen, viele feinziselierte,<br />

kräftige Broncereifen für Armschmuck (einige davon<br />

zerbrochen), Broncekette, zerbrochene Broncedrahtstreifen,<br />

Teile von Goldschmuck, durchlöcherter Bernsteinschmuck (davon<br />

hatte ein Stück Größe und Form eines Spinnwirteis),<br />

eine größere Zahl blaugrüner, durchlöcherter Glasperlen.<br />

Glasperlen sind in unserer Gegend, wie Dr. Rieth mitteilte,<br />

aus dieser Zeit noch nie gefunden worden. Siedlungsgeschichtlich<br />

wirft der Fund neue Probleme auf, da auf diesem Gelände<br />

bisher keine Bodenfunde gemacht wurden. Ein Fund<br />

auf der rechten Lauchertseite (Gewandteil Schroth), im Jahre<br />

1929 aufgedeckt, stammt aus der gleichen Zeit.<br />

Die katholischen Pfarrer von Hausen a. d. L.<br />

Die Pfarrei Hausen an der Laudiert, im 15. Jahrhundert<br />

auch Zaiselhausen genannt, war seit alters dem Kloster<br />

St. Gallen in der Schweiz gehörig, und der hl. Gallus<br />

dort Kirchenpatron, wie auch zu Willmandingen, Rangendingen,<br />

Truchtelfingen, Gallenhof zu Ringingen und Zell am<br />

Zoller. Vielleicht bezieht sich auf unser Hausen der Eintrag<br />

im St. Galler Urkundenbuch (Wartmann Bd. 3, der Hausen<br />

bei Bernegg vermutet), wonach das Kloster jährlich am 11.<br />

Juli aus Hausen bezog: vier Traglasten mit Wein, Brot,<br />

Fleisch, Käs, Eier und Bohnen und ebensoviel am 2. November,<br />

dem Todestag des Abts Nordpert. Dabei könnte der<br />

Wein aus Rangendingen stammen und Hausen nur die Sammelstelle<br />

für obige Orte gewesen sein. Hausen wurde im<br />

Jahre 1534 mit Württemberg protestantisch. Das Kloster St.<br />

Gallen hat noch 1525 dort das Patronatsrecht ausgeübt. Einige<br />

katholische Pfarrer kennen wir mit Namen, während im<br />

Jahre 1275 das Konstanzer Zehntbuch (abgedruckt im Freib.<br />

Diöz.-Arch. I, 1865, S. 85) keinen Namen nennt.<br />

Es sind: 1.) Kunrad Trapold um 1400 (Seelbuch d.<br />

Kap. Trochtelfingen). 2.) Heinrich Kumer, zahlt 1419<br />

als Erstfrüchte 10 fl. 3.) P e t r u s N. 4.) Johannes Arniäder<br />

von Trochtelfingen von 1430 an. 5.) Marquardus<br />

Schenk um 1460. 6.) L a u x (Lukas) Grötzinger seit<br />

1462; Im Jahre 1482 hat er 22 Pf. Hlr. Einkommen und zahlt<br />

davon I Pfd. 2 Schilling (FDA 26, 60). Bis 1493 war er Kammerer<br />

mit demselben Betrag (FDA 26, 106). 7. Sebastian<br />

P f u 11 i n g e r aus Reutlingen, wurde nach Gretzingers Tod<br />

vom Abt Gotthard von St. Gallen präsentiert und am 23.<br />

August 1493 als Pfarrer proklamiert. Er war bisher Kaplan<br />

in Trochtelfingen (FDA. 26, 106). 8.) Götz (Gottfried) Mür-<br />

1 i n der jung wird 1494 Pfarrverweser. 9.) Johannes<br />

P f ü z starb 1520. 10.) Martinus Jerg (Martini Georg)<br />

aus Riedlingen zahlt im J. 1520 als Erstfrüchte (wie auch sein<br />

Vorgänger Mürlin und 1462 Lukas Gretzinger) acht Gulden.<br />

Er verzichtete am 25. Mai 1522 auf die Pfarrei. 11.) Petrus<br />

F r e y t a g von Ulm, 1522—1523, verzichtete ebenfalls. 12.)<br />

Georg Dietz von Veringen, 1523—25, resignierte gleichfalls.<br />

13.) Ein Ungenannter wurde am 5. Oktober 1525 auf<br />

Präsentation des Abts von St. Gallen investiert. Vielleicht<br />

ist es der 1534 genannte, durch Lehenschaft des Abts von<br />

St. Gallen gewordene Pfarrer Ulrich Stecklin von<br />

Tueffen zui Hausen, der zugleich die Stelle des Kaplans von<br />

Oberhausen versah. Er hatte am 14. 3. 1522 sich in Tübingen<br />

an der Universität einschreiben lassen, und erscheint 1545<br />

als Pfarrer von Holzelfingen (Rauscher, Visit. Akten I, 322.<br />

Die übrigen Daten stammen aus den Primi fructus- und<br />

Investiturbücher im Erzb. Archiv Freiburg; Wartmanns<br />

Urkb. von St. Gallen Bd. 5, 155; Seelbuch des Kap. Trochtelfingen<br />

beim Pfarramt; Manfr. Krebs, Invest. Protokolle<br />

357 hat die verschiedenen Hausen verwechselt!)<br />

Johannes A. Kraus.<br />

Eine Steinfuhre vor 200 Jahren beschreibt ein Zwiefalter<br />

Chronist: „Zur Schaffung der Fassade-Figuren des Zwiefalter<br />

Münsters um 1752—53 hat man die Steine bei den Brüdern<br />

in Bernstein geholt (früher zur Pfarrei Heiligenzimmern<br />

bei Haigerloch gehörig). Daß der Stein für die Muttergottes<br />

von ungemeiner Größe und Schwere gewesen, ist aus<br />

folgendem leicht abzunehmen. Als man ihn in dem besagten<br />

Steinbruch aufgeladen und mit ihm bis an die Staig bei<br />

Hausen (etwa Renfrizhausen?) gekommen, etwa eine<br />

starke Stunde von Haigerloch und da man die Staig<br />

anfahren und auf der Mittagsseite ein Wiesental hatte, hat<br />

es unter dem Weg eine Höhlung gehabt, welche wie eine<br />

Brücke bedeckt gewesen. Da hat der Wagen gegen das<br />

Wiesenthal gedrückt und ist samt dem Stein etwa 10 oder<br />

12 Schuh tief (3—4 m) auf die Wiese hinuntergefallen. Da<br />

der Fuhrmann solches merkte, daß der Wagen fallen will,<br />

springt er gleich vom Pferd. Es fallen beide Deichselpferde<br />

und die zwei nächsten mit hinunter. Die andern hat es zwar<br />

hinuntergezogen, doch sind sie aufrecht geblieben.. Dies ist<br />

zu Mittag um die 12. Stund geschehen. Dann hat man um<br />

Leute gesehen, solchen Stein wieder auf den Wagen zu bekommen.<br />

Allein es ist sehr langsam hergegangen, denn obwohl<br />

über 40 Männer daran gearbeitet, so hat man doch bis<br />

den andern Tag wieder bis gegen Mittag zu tun gehabt. Da<br />

es Nacht geworden und der Wagen im freien Feld blieb, so<br />

hat man ihn verwahren müssen, daß man nicht um Seiler<br />

und Ketten gekommen ist. Da man aber mit Aufladen fertig<br />

gewesen, so hat man in den Rain, wo der Wagen hinuntergefallen<br />

war, mit der Hacke eine Lais hauen müssen, damit<br />

der Wagen im gleichen Gewicht blieb und nicht nochmal<br />

umfiel. Drauf hat man die 20 Pferde, welche vom Kloster<br />

auf solchen Stein herzuführen geschickt gewesen, eingespannt,<br />

aber diese zwanzig Rosse haben den Wagen mit dem<br />

Stein nicht vom Platz bringen können. So hat dann seine<br />

Durchlaucht (der Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen,<br />

Josef Friedrich), der wirklich zu Haigerloch<br />

gewesen, von seinem nahen Hof 26 Ochsen geschickt<br />

und anspannen lassen. Die haben den Wagen den<br />

Rain hinaufgezogen und dann hat man erst wieder die 20<br />

Klosterpferde eingespannnt, die mit großer Beschwernis,<br />

aber ohne Unglücksfall nach Zwiefalten kamen. Hauptfuhrmann<br />

war dabei Aureli Zeiler von Gauingen ... ." (B. Schurr,<br />

Das alte und Neue Münster Zwiefalten, 220.)<br />

Niederburg zu Haigerloch 1367. Wilhelm von Montfort der<br />

ältere und Wilhelm der jüngere geben im Jahre 1367 zu<br />

Scheer dem Grafen Eberhard von Wirtenberg zu kaufen:<br />

die Nidernburg zu Haigerloch und Ebingen mit Dörfern,<br />

Weilern, Kirchensatz und Leuten und Rechten um 11 000<br />

Pfund Heller, solang bis Graf Rudolf von Montfort die angezeigten<br />

Flecken erledigt um 3 350 Mark lötigen Silbers,<br />

Constanzer Gewicht und 200 Pfund guter Heller. (Notiz des<br />

1743 verstorbenen Ebinger Pfarrers Joh. Jak. Schmid, württ.<br />

Landesbibliothek cod. hist. fol. 757.) Was ist die Nidernoder<br />

Nidernburg? Krs.<br />

An das<br />

in<br />

Postamt


32 H O H E N Z O L L E E I S C H E H E I M A T Jahrgang 19Ü4<br />

Die Pfarrer von Schlatt<br />

Ueber das Ende der ehemaligen Pfarrei Schlatt bei Hechingen<br />

berichtete J. Riegger im „Zollerländle" 1926 Nr. 1, S. 4.<br />

Nur wenige Pfarrer sind von dort bekannt: 1.) Lukas<br />

Boll, zahlt am 5. Oktober 1443 acht Gulden als Erstfrüchte<br />

an den Bischof bei Erlangung der Pfarrei. 2.) Johannes<br />

Riederer zahlt am 16. Januar 1461 ebensoviel. Er starb<br />

im Jahr 1488, wo allerdings Joh. Mederer steht (wohl ein<br />

Versehen). 3.) Sebastian Zunfft 1488—1520, wo er tot<br />

war (hat am 21. 7. 1488 als Erstfrüchte 6 fl gezahlt). 4.) Laurentius<br />

Rieper oder R i e b e r, wurde am 23. März 1520<br />

zum Pfarrer proklamiert und am 28. Mai des gleichen Jahres<br />

investiert; 8 fl. 5.) Schon 1521 zahlte ein Johannes N.<br />

16 fl als Erstfrüchte. 6.) Johannes Nopp, 1530 bis?<br />

7.) Bartholomäus Frie, 1533—1542 und vielleicht länger.<br />

Er zahlte 1534 als Erstfrüchte 8 fl. In den Jahren 1540<br />

und 1541 bekam er je 1 Jahr Absenzerlaubnis. Um 1545<br />

wurde die Pfarrei, wohl auf Betreiben des Zollergrafen Jos<br />

Nikiaus, nicht mehr besetzt, sondern Jungingen angegliedert.<br />

Die Kuratiegründung erfolgte am 1. Mai 1947. Erster Kurat<br />

wurde Josef Traub aus Inneringen bis 11. November<br />

1947. Es folgte Leopold Krautheimer von Konstanz,<br />

bisher Vikar an St. Johann in Freiburg, der dann<br />

1951 vom bisherigen Pfarrer von Bisingen abgelöst wurde;<br />

Stephan Krall von Hippetsweiler. Ad multos annos!<br />

Joh. A. Kraus.<br />

<strong>Heimat</strong>freunde! Habt Ihr schon daran gedacht, die<br />

letzten Kriegsereignisse in jedem einzelnen Ort genau<br />

aufzuzeichnen? Was wäre das für eine Geschichtsquelle<br />

für die Nachfahren! Geradezu vorbildlich hat es Rektor Peter<br />

Heinzelmann in der Festschrift für das Musikfest zu<br />

Stetten u. Holst. (19. Juli 1953) getan. Ueberhaupt ist diese<br />

96 Seiten starke Festschrift ein Markstein in der Geschichte<br />

Stettens, ein schönes Beispiel der Gemeinschaftsarbeit der<br />

Söhne dieses Dorfes über die Gegenwart und Vergangenheit<br />

ihres <strong>Heimat</strong>ortes. Nur sei ergänzend angemerkt, daß der<br />

Spruch: ,,D' Schweda sind komma, hand älls mitgenomme .."<br />

nicht von Stetten stammt, sondern schon 1823 von Gustav<br />

Schwab in seinem Buch „Neckarseite der Schwäb. Alb S. 161<br />

aus dem Neidlinger Tal berichtet wird, demnach weit verbreitet<br />

war. Krs.<br />

Der Leib des hl. Aurelius, der in der Reformationszeit<br />

von Herzog Ulrich von Württemberg aus dem altberühmten<br />

Kloster Hirsau weggenommen und später an den Grafen<br />

Wilhelm Werner von Zimmern geschenkt worden und in<br />

der Kapelle des Schlosses Herrenzimmern aufgestellt war,<br />

kam um 1594 durch die Erbtochter Gräfin Sibylla nach<br />

Hechingen. Sie war beim Aussterben ihres Stammes<br />

mit dem Hechinger Grafen Eitelfriedrich von Zollern verheiratet.<br />

Später schenkte Fürst Wilhelm von Hohenzollern-<br />

Hechingen die kostbaren Reliquien dem Kloster Zwiefalten,<br />

wohin sie am 1. April 1690 feierlich überführt<br />

wurden. Das Kloster ließ dafür dem Fürsten eine Schuld<br />

von 4000 Gulden nach. (Bernh. Schurr, Das alte und neue<br />

Münster zu Zwiefalten, 1910, S. 112). Kr.<br />

BESTELL-SCHEIN<br />

zum Bezug der „<strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Heimat</strong>"<br />

Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug durch<br />

die Post Stück „<strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong>", Verlagspostamt<br />

Gammertingen, zum halbjährigen Bezugspreis<br />

von 60 Pfennig.<br />

Vor- und Zuname<br />

Genaue Anschrift<br />

Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bezw. Nachbestellungen<br />

der nächsten Poststelle aufzugeben. Um deutliche<br />

Schrift wird gebeten.<br />

Huntare, Hundertschaft, Centena erfuhr durch Hans Jänichen<br />

eine neue Deutung in „Beiträge zur Landeskunde<br />

hgg. vom statist. Landesamt für Württemberg-Hohenzollern<br />

Nr. 1 (1951) S. 97 ff." Bekanntlich hieß das Gebiet um<br />

Hechingen einst Hattenhuntare, das um Münsingen<br />

Munigeshuntare. Während man bisher bei Hundertschaft<br />

an 100 Bauernhöfe oder 100 waffenfähige Alemannen<br />

denken wollte, was Prof. Dannenhauser völlig ablehnte, versteht<br />

Jänichen unter „hunta" (Hundertschaft, centena) eine<br />

fränkische Besatzung, die an verschiedenen militärisch wichtigen<br />

Punkten des Alemannenlandes eingesetzt war. Die<br />

Huntari oder Führer derselben seien Organe der königlich<br />

fränkischen Verwaltung gewesen, deren Bezeichnung von<br />

ehemals römischen, dann im Frankenreich übernommenen<br />

Zentenaren herzuleiten sei. Die Hattenhuntare um Hechingen<br />

wäre somit der Amtsbezirk eines Huntari<br />

namens Hatto, später seine durch Rodung ausgebaute<br />

Grundherrschaft oder ein kleiner Gau,<br />

der noch länger seinen Namen fortleben ließ. Neben dieser<br />

militärischen Besetzung des Alemannenlandes dürfte schwerlich<br />

auch eine zivile Verwaltung von den Franken eingerichtet<br />

worden sein. Die Stammesherzöge werden also in<br />

ihren Bereichen weitgehend autonom geblieben sein. Theod.<br />

Mayer berichtet darüber in seiner Abhandlung über die<br />

Frühzeit der Diözese Konstanz in Beziehung zu St. Gallen<br />

in der „Schweizerischen Zeitschrift für Geschichte" 2. Jahrg.<br />

1952, S. 473—524. Krs.<br />

Hausierhandel im Killertal. Am 31. Oktober 1790 berichtete<br />

der Trochtelfinger Dekan Joh. Fid. Sev. Engelhart anläßlich<br />

einer Eingabe nach Konstanz wegen Anweisung eines Vikars<br />

für die Pfarrei Hausen im Killertal: „Die Gemeinde Killer<br />

gibt vor, ehemalen einen eigenen Pfarrer gehabt zu haben,<br />

und scheint auch ihr Vorgehen nicht ohne Grund zu seyn,<br />

weil an den Sonntägen alternative (abwechselnd) der pfarrliche<br />

Gottesdienst in Killer samt allen Frauen- (d. h. Muttergottesfesten)<br />

und Aposteltagen gehalten werden muß.<br />

Starzein hat niemals das ganze Jahr hindurch einen Gottesdienst,<br />

als an dem Fest S. Johannis Bapt., welcher der Patron<br />

ihrer Kapelle ist.<br />

Diese drei Gemeinden (Hausen, Starzein, Killer) zählen<br />

beiläufig 14 bis 1500 Personen, sind voneinander in ebener<br />

Lage eine ringe halbe Stunde entfernt. Der Drittel<br />

dieser Gemeinden ohne Unterschied des Geschlechts,<br />

ledig und verheirateten Standes, wandern ins Ausland,<br />

Frankreich, Elsaß, am Rhein, Turgau und Schweiz<br />

auf dem Handel das Jahr durch herum, kommen ein- oder<br />

zweimal im Jahr nachher nach Haus und nach einem Aufenthalt<br />

von einem Monat ungefähr reisen sie wieder fort.<br />

Daß solche Leute, die im Land umwandern, und nur vielleicht<br />

auf Gewinn denken, schlechten Unterricht in der Religion<br />

haben und böse Sitten nach Hause bringen mögen,<br />

läßt sich vermuten . . . ." In dieser Hinsicht dürfte wohl ein<br />

Vikarius perpetuus von Nutzen sein ...<br />

(Stehende Ordinariats-Registratur, Freiburg; Hausen i. Kill.)<br />

<strong>Heimat</strong>literatur<br />

Die Stadt Ebingen erhielt ein wertvolles <strong>Heimat</strong>buch in<br />

der „Chronik des Bleichers Johannes Jerg<br />

1771 — 1825 ", die Josef Halm im Auftrag des Bürgermeisteramts<br />

im Verlag Herrn. Daniel-Balingen 1953 herausgab.<br />

Auf 210 engbedruckten Seiten sind Begebenheiten aus der<br />

Stadt und Geschehnisse des ganzen Kreisgebiets und weit<br />

darüber hinaus in alter Schreibart aufgezeichnet: Wirtschaft,<br />

Militärwesen, Sittengeschichte, Wetterverhältnisse<br />

usw. Auch Hohenzollern ist vertreten, doch<br />

muß man sich erst einlesen. Preis 3 DM; Buchhandlung<br />

Glock-Ebingen. Kr.<br />

Von MarieTheres Bauristim Verlag Oertel u. Spörer<br />

in Reutlingen ein Burladinger Kinderbüechle erschienen.<br />

Das schmucke Bändchen bringt auf 48 Seiten heitere und besinnliche<br />

Gedichte in Burladinger Mundart, „daß d' Kinder<br />

d' Hoimetsproch it vergesset". Möge das Büchlein mit seinen<br />

Kinderzeichnungen seinen Zweck erreichen und in Hohenzollern<br />

weite Verbreitung finden!<br />

Die Gemeinde Bisingen-Steinhofen erhielt auf Weihnachten<br />

ein hübsches <strong>Heimat</strong>buch, das Hptl. i. R. Knaus mit<br />

einigen Helfern schuf, hgg. vom <strong>Heimat</strong>verein, 181 S. und 16<br />

Tafeln, Druck Pretzel-Hechingen. In 25 Kapiteln ist die Geschichte<br />

und Gegenwart der Industriegemeinde eingefangen.<br />

Besonders reizend erscheint die Geschichte der Dörfer und<br />

der Herren von Bisingen und deren Wappen von Studr. H.<br />

Faßbender-Hechingen. (S. 44 unten ist strtt Schenk „T r u c hs<br />

e ß Baldabertus" zu setzen). Krs.


<strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />

Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />

in Verbindung mit<br />

Schriftleitung:<br />

Josef Wiest, Gammertingen<br />

Preis halbjährlich 0.60 DM<br />

Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />

der hohenz. Lehrerschaft<br />

Druck:<br />

Buchdruckerei S. Acker, Gammertingen<br />

Postverlagsort Gammertingen<br />

Nummer 3 Gammertingen, Juli 1954 I 4. Jahrgang<br />

I. Teil Hermann der Lahme<br />

Ein Erinnerungsblatt zu seinem 900. Todestag am 24. September 1954<br />

Am 24. September des Jahres 1054 schloß in dem damals<br />

hochberühmten Benediktinerkloster auf der Insel Reichenau<br />

im Biodensee ein Mönch seine Augen zum ewigen Schlummer,<br />

der schon von seinen Zeitgenossen als ein Weltwunder<br />

betrachtet wurde. Es war Hermann der Lahme, durch seine<br />

Frömmigkeit ebenso ausgezeichnet wie durch sein Wissen<br />

und Können. Hermann oder Herimann, wie der Name damals<br />

lautete, kam als verkrüppeltes Kind zur Welt und<br />

wurde deshalb Contractu s, d. h. der Zusammengewachsene<br />

genannt. Er konnte sich ohne fremde Hilfe kaum von<br />

der Stelle bewegen, seine Hände waren verkrümmt und<br />

seine Zunge schwer. Trotzdem hat dieser Mann als vorzüglicher<br />

Lehrer gewirkt, haben seine krummen Finger unsterbliche<br />

Werke geschrieben und wissenschaftliche Instrumente<br />

konstruiert, hat seine schwere Zunge Gebete gestammelt und<br />

Lieder gesungen, die heute noch von manchem bedrängten<br />

Herzen gesprochen und gesungen werden.<br />

Hermann ist am 18. Juli 1013 zu Altshausen im heutigen<br />

württembergischen Landkreis Saulgau geboren. Er entstammt<br />

dem alten, schwäbischen Grafengeschleciite der Herren<br />

von Altshausen, den Gaugrafen des Eritgaues, die später<br />

die Grafschaft Veringen an der Laudiert in Hohenzollern erwarben<br />

und sich um 1134 erstmals Grafen von Veringen<br />

nannten, deren Wappen, drei Hirschstangen, einige Jahre<br />

später durch Verheiratung von Württemberg übernommen<br />

wurde. Der unermüdliche lonenzollerische Geschichts- und<br />

<strong>Heimat</strong>forscher Lehrer Sebastian Locher (1825—1889) hat die<br />

Geschichte des einst so berühmten Geschlechtes in Regestenform<br />

in den „Mitteilungen des Vereins für Geschichte und<br />

Altertumskunde ifl Hohenzollern" (2. DIS 5. Jg., 1868—1871)<br />

dargestellt, aus der wir ersehen, daß der letzte Graf von<br />

Veringen im Jahre 1415 in Saulgau gestorben ist. Bei Locher<br />

finden wir auch die von Hermann selbst in seine „Weltchronik"<br />

eingetragene Notiz, daß er am 18. Juli 1013 als der<br />

Sohn des Grafen Wolfrad und seiner Gemahlin Hiltrud das<br />

Licht der Welt erblickte, und daß er noch 14 Geschwister<br />

hatte. Weiterhin entnehmen wir Locher die Angabe, die aus<br />

der Fortsetzung von Hermanns Weltchronik stammt, daß<br />

Hermann am 24. September 1054 starb und in seiner <strong>Heimat</strong><br />

Altshausen seine Ruhestätte fand. Am 24. September dieses<br />

Jahres sind also 900 Jahre verflossen, seitdem dieser fromme<br />

und geiehrte Mann dieses „Tal der Tränen" verlassen hat.<br />

Das Schwabenland kann stolz auf ihn sein<br />

und darf es nir-ht versäumen, seiner an diesem<br />

Tage in Verehrung, Treue und Dankbarkeit<br />

zu gedenken.<br />

Schon am 15. September 1020, also im Alter von sieben<br />

Jahren, wurde dieses gebrechliche Kind, aas außergewöhnliche<br />

Geistesanlagen zeigte, den „Wissenschaften übergeben",<br />

d. h. in die Klosterschule gebracht, wo der verkrüppelte<br />

Knabe in allen Wissenschaften, die dortmals auf solchen<br />

Schulen gelehrt wurden, erstaunliche Fortschritte machte,<br />

sich nicht nur die lateinische, griechische und hebräische<br />

Sprache aneignete, sondern auch mit einer Willenskraft ohnegleichen<br />

und mit einem kaum bezähmbaren Wissenshunger<br />

auf allen Gebieten derartige gründliche Kenntnisse aneignete,<br />

daß aus dem lerneifrigen SchuLer allen z _ißeren Hemmungen<br />

zum Trotz ein erfolgreicher Lehrer und weiser Mei-<br />

Von Michael Walter<br />

ster wurde, dessen Ruhm weit in die Welt hinaus drang und<br />

manchen wissensdurstigen Jüngling anlockte.<br />

Die Weltchronik, die Hermann anlegte, ist schon erwähnt<br />

worden. Sie gehört zu den besten und zuverlässigsten<br />

Arbeiten auf diesem Gebiete; denn sie ist auf einer gründlichen<br />

Kenntnis und kritischen Benützung aller vorhandenen<br />

Quellen aufgebaut. Seine astronomischen Arbeiten setzten<br />

seine Zeitgenossen schon deshalb in ein berechtigtes Staunen,<br />

weil er seine tiefschürfenden Darlegungen durch kunstvolle,<br />

von seinen verkrüppelten Fingern hergestellte Apparate<br />

zu erläutern verstand. Auf dem Gebiete der Musik hat<br />

er ebenfalls wertvolle Untersuchungen hinterlassen, die von<br />

späteren Kennern immer wieder erwähnt und anerkannt<br />

werden. Er selbst hat Gesänge und Gebete verfaßt, die heute<br />

noch zum Lobe Gottes und zur Verehrung der Gottesmutter<br />

gesungen und gebetet werden, und die Zeugnis geben von<br />

seiner tiefen, inneren Frömmigkeit. Allen voran steht das<br />

„Salve Regina", das uns ihn all. n schon unvergeßlich<br />

macht und ihm ewigen Ruhm sichert. Es ist so ganz aus dem<br />

Herzen eines Menschen entsprungen, das die Leiden in diesem<br />

„Tale der Tränen" aus innerster Seele miterlebte. Dabei<br />

ist das Wesen und die Aufgabe der „Mutter der Barmherzigkeit",<br />

daß sie unsere Fürsprecherin, unsere Advokatin<br />

sei, so schön, sc* klar uno ergreifend zum Ausdruck gebracht,<br />

wie dies kaum nocn überzeugender geschehen kann. Auch<br />

das „Alma Redemptoris Mater" wird Hermann dem Lahmen<br />

zugeschrieben.<br />

Wer diesen frommen Mann, diesen sinnigen Grübler ind<br />

gründlichen Forscher mit seinem vom Leiden gequälten Körper<br />

in der stillen Klosterzelle für einen weitfremden, vergrämten<br />

Menschen halt, der ist sehr erstaunt und überrascht,<br />

v/enn er dessen Gedicht über den * Wettstreit zwischen dem<br />

Schafe und dem Flachse („De conflictu ovis et lini") über<br />

die Bedeutung von Wolle und Leinwand liest, in w "chem<br />

jedes in anschaulichster Weise die Vorzuge seines Produktes<br />

preist. Es ist schon bezweifelt worden, ob diese lebensfrischen<br />

und lebensnahen Verse hinter Klostermauern entstanden<br />

sein können.<br />

Wie sehr Hermann als Lehrer die lernbegierige Jugend<br />

seiner Zeit anzog, dafür bietet uns die Lebensbeschreibung<br />

von Bischof Benno II. von Osnabrück (1022—1088), dieses<br />

gewiegten Diplomaten und hervorragenden Baumeisters ein<br />

schönes Beispiel. Der Biograph von Benn • schreibt: „Zum<br />

Jüngling herangewachsen, drängte es ihn (Benno), Hermann<br />

den Lahmen aufzusuchen, der zu jener Zeit als gefeierter<br />

Lehrer in den freien Wissenschaften galt, und von dem auch<br />

jetzt (um 1095) noch hervorragende Werke überliefert sind.<br />

Von ihm empfing er, wie er selbst bekannte, vielfache Anregung<br />

und pflegte von ihm viel Rühmliches zu erzählen."<br />

Wenn Benno später als Kircnen- und Burgenbaumeister viel<br />

Ruhm erntete, so dürften die Gründl gen dazu von seinem<br />

Lehrer Hermann auf der Reichenau gelegt worden sein Mancher,<br />

der schon voller Bewunderung vor unseren herrlichen<br />

mittelalterlichen Domen und Munstern stand, hat sich die<br />

Frage vorgelegt, wie warf " 1 solche Bauten in jenen Zeiten<br />

möglich, in denen es noch keine Hochschulen gab, auf denen<br />

Baukunst gelehrt wurde, und auch jene Bauschulen noch<br />

nicht existierten, in denen der Schüler unmittelbar vom Mei-


34 H O II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

ster praktisch lernte? Woher haben Bischöfe wie Bernward<br />

(f 1022) und Godehard (f 1038) von Hildesheim, Meinwerk<br />

von Paderborn (f 1036), Otto von Bamberg (f 1139), Benno II.<br />

von Osnabrück (f 1088) ihre Kenntnisse geholt, die sie befähigten,<br />

so herrliche Kirchen zu bauen? Sie saßen als lernbegierige<br />

Schüler einst in den Klosterschulen zu den Füßen<br />

jener lateinkundigen Mönche, die nach dem Grundsatz in F.<br />

W. Webers „Dreizehnlinden" handelten: „Sind die Heiden<br />

kluge Meister, geh'n wir doch in ihre Schule", und deshalb<br />

mit ihnen die 10 Bücher „De architektura" des römischen<br />

Schriftstellers und erfahrenen Festungs- und Kriegsbaumeisters<br />

von Cäsar und Augustus, des Vitruy (88—26 v. Chr.)<br />

mit Gründlichkeit lasen und sachgemäß erläuterten. So mag<br />

auch Hermann in der Klosterschule auf der Reichennau diese<br />

anregenden Bücher mit seinen Schülern durchgearbeitet haben.<br />

Wir sind umsomehr zu dieser Annahme berechtigt, weil<br />

wir wissen, daß er sich eingehend mit Geometrie und Mechanik<br />

beschäftigte, wie einige seiner theoretischen und<br />

praktischen Arbeiten zeigen. Sein Schüler Benno II., Bischof<br />

von Osnabrück, steht uns besonders nahe, nicht nur als<br />

Schwabe, stammt er doch sehr wahrscheinlich aus dem badischen<br />

Dörfchen Löhningen bei Waldshut, sondern es spricht<br />

manches dafür, daß er bei der Plan- und Baugestaltung<br />

der Burg Hohenstaufen und der<br />

ältesten Zollerbuirg unmittelbar oder wenigstens<br />

mittelbar mitgewirkt hat.<br />

Die Kirche hat bis jetzt Hermann den Lahmen noch nicht<br />

in die Schar der Heiligen aufgenommen, so sehr er dieses<br />

um seines. „Salve Regina" willen und wegen seiner mit so<br />

viel Gottergebenheit ertragenen Gebrechen verdient hätte.<br />

Versuche zu seiner Selig- und Heiligsprechung sind immer<br />

wieder gemacht worden, wie wir aus der sehr lesenswerten<br />

Schrift, des bekannten Pfarrers und Volksschriftstellers Hein-<br />

Aus der Geologie von Hohenzollern<br />

rich Hansjakob (f 1916): „Herimann, der Lahme, von der<br />

Reichenau. Sein Leben und seine Wissenschaft." (Verlag<br />

Franz Kirchheim, Mainz 1875, 108 S.) entnehmen. So hat u. a.<br />

im Jahre 1862 der damalige Stadtpfarrer von Veringenstadt,<br />

der einstigen Residenzstadt der Grafen von Veringen, in der<br />

die Verehrung von Hermann dem Lahmen um jene Zeit<br />

schon ziemlich tief ins Volk gedrungen war, die Frage wieder<br />

aufgegriffen, aber ohne daß er Erfolg hatte. Hansjakob<br />

bedauert das sehr und wünscht, daß die Zeit nicht mehr<br />

ferne sei, in der die Selig- und Heiligsprechung des großen<br />

Dulders erfolgt.<br />

In neuester Zeit hat Pfarrer Albert Krautheimer, der<br />

Schriftleiter des „St. Konradblattes, des Bistumsblattes für<br />

die Erzdiözese Freiburg" ihn aus einem richtigen Empfinden<br />

heraus unter dem Namen Hermann der Gelähmte ohne<br />

weiteres Bedenken in sein schönes Buch „Heilige Deutschlands"<br />

(Badenia-Verlag, Karlsruhe 1945) aufgenommen, wohl<br />

weil er annimmt, daß er zu dieser glorreichen Schar gehört.<br />

Der Illustrator des Buches, Ludw. Barth, Karlsruhe, hat einen<br />

Holzschnitt beigesteuert, auf welchem das Haupt Hermanns<br />

mit einem Heiligenschein umgeben ist. Der Generalvikar der<br />

Erzdiözese Freiburg Dr. Adolf Rösch, der aus Veringenstadt<br />

stammt, in dessen Jugendtagen die einstige Verehrung Hermanns<br />

dort wohl noch nachklang, hat dem Buche die kirchliche<br />

Druckerlaubnis erteilt.<br />

Wir sehen, der Gedanke an die Heiligsprechung<br />

Hermann des Lahmen ist immer<br />

noch lebendig. Wenn ihn das Marianische<br />

Jahr und 1 die Gedenkstunde zu Hermanns<br />

90 0. Todestag neu aufwecken und zu einem<br />

Erfolg führen, ist eine Dankesschuld gegen<br />

den Mann abgetragen, der zum ersten Male<br />

das „Salve Regina" gebetet hat.<br />

(10. Fortsetzung)<br />

III. Keuper<br />

1. Unterer Keuper oder Lettenkohlenformation<br />

Wie wir in unserem ersten Beitrag zur Geologie von Hohenzollern<br />

ausgeführten (Hohenz. Kemnat, 2. Jg. Nr. 1), bildet<br />

der Keuper die oberste Schicht der Trias (Dreiheit), die sich<br />

aus Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper zusammensetzt.<br />

Der Name Keuper ist aus Thüringen zu uns gekommen<br />

Er bezeichnet ein recht mannigfaltiges geologisches Gebilde,<br />

das sich unten, unmittelbar über dem Muschelkalk, noch<br />

aus einigen dünneren Kalkbänken, sonst aber hauptsächlich<br />

aus oft recht buntfarbigen Mergeln und Sandsteinbänken<br />

aufbaut. So wechselnd wie seine Schichten und Farben ist<br />

auch die Entstehung des Keupers. Im Gegensatz zum Muschelkalk,<br />

der sich in der Tiefe des Meeres ablagerte, vollzog<br />

sich die Bildung des Keupers vorwiegend auf dem festen<br />

Lande. Er ist in einer Landschaft entstanden, die wir am<br />

besten mit den weiten, flachen Mündungsgebieten unserer<br />

großen Ströme, etwa des Rheines, des Nils, des Hoangho und<br />

Jangtsekjang des Mississippi oder des Amazonenstromes<br />

vergleichen Können, in denen sich je nach der Wasserführung<br />

Schlamm- und Tonmassen oder mächtige Sandschichten<br />

ablagern.<br />

Wie beim Buntsandstein und beim Muschelkalk so können<br />

wir auch beim Keuper untere, mittlere und obere Schichten<br />

unterscheiden. Die untersten Schichten, die in einigen Steinbrüchen<br />

bei Rargendingen, Hart, Trillfingen usw. aufgeschlossen<br />

sind oder waren, zeigen deutlich den Uebergang<br />

von den dickbankigen, quadermäßigen Felsgebilden des<br />

obersten Muschelkalkes, des Trigonodusdolomits, zu den<br />

dünnbankigen, anfangs auch noch dolomitischen Bildungen<br />

des untersten Keupers. Auf diese folgen dann, wie wir in<br />

einem aufgelassenen Steinbruch oben an dem Hang über<br />

dem Auchtet an der rechten Starzelseite bei Rangendingen<br />

sehen können, die grünlichen Estherienschiefer, die,<br />

wenn sie gut durchfroren sind, einen vorzüglichen Letten<br />

liefern. Diese Schiefer sind wasserundurchlässig. Deshalb<br />

treten über ihnen kleine Quellen aus, die aber in trockenen<br />

Zeiten verschwinden, da sie meist nur über ein kleines Einzugsgebiet.<br />

verfügen.<br />

Die Gäulandschaft<br />

Von Michael Walter<br />

Ueber den grünen Schiefern lagert eine gelbliche Sandsteinbank,<br />

der Lettenkohlensandstein, der in früheren<br />

Jahren häufig abgebaut wurde, da sich seine Steine<br />

leicht zu Tür- und Toreinfassungen und Fenstereinrahmungen<br />

verarbeiten lassen, wie wir heute noch an manchen<br />

Häusern, besonders schön an Pfarrscheune in Hart sehen<br />

können, bei der nicht nur die drei stattlichen Torumfassungen,<br />

sondern a ch das übrige Mauerwerk aus diesem Sandstein<br />

hergestellt sind. Vereinzelt sehen wir in dem Sandstein<br />

Pflanzenabdrücke und Stengelglieder, ein Beweis dafür,<br />

daß der Sand in einer flachen, bewachsenen Bucht abgelagert<br />

wurde. Der Schwefel in den Schwefelwasserstoffgasen<br />

des Faulschlammes in solchen Buchten hat sich hie<br />

und da mit dem Eisen des Sandes zu Schwefelkiesknollen<br />

verbunden, die dann im Mauerwerk auf der Regenseite der<br />

Gebäude sich auflösten und lange Roststreifen an den Wänden<br />

bilden, wie wir sie an der Westseite der Harter Pfarrscheun«<br />

sehen, ähnlich den Roststreifen aus den Schwefelkiesknoilen<br />

im Angulatensandstein, die uns auf der Burg<br />

Hohenzollern auffallen.<br />

Ueber dem Lettenkohlensandstein kommt, in Gruben oder<br />

an den Rändern von tiefeingeschnittenen Wegen, wie z. B.<br />

auf dem Feldweg auf dem Lmdach bei Rangendingen gegen<br />

den Omengraben hm, eine weiche, schwarze Schicht zum<br />

Vorschein, die Lettenkohle, nach der die ganze untere<br />

Keuperschicht als Lettenkohlenformation bezeichnet wird,<br />

und die aucti ier in ihr lagernden Sandsteinbank den Namen<br />

gegeben hat. Wer die Lettenkohle zum ersten Male gut aufgeschlossen<br />

sient, der möchte in ihr gleich ein Kohlenbergwerk<br />

anlegen. Mancher hat dies auch schon versucht, aber er<br />

is kein Kohlenbaron geworden. Die Lettenkohle enthält zu<br />

viel toniges Material, so daß sich ihr Abbau nicht lohnt. Wie<br />

die Estherienschiefer bildet auch die Lettenkohle einen Queilhorizont,<br />

der die Aecker feucht erhält, ja an Hangen sie sogar<br />

zum Rutschen bringen kann. Ihm entnahmen manche<br />

Dorfbrunnen des Gäus ihr Wasser, doch haben die meisten


Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 35<br />

von ihnen wegen der Trockenheit der letzten Jahre vor der<br />

Wasserleitung kapituliert.<br />

Von den weiteren Schichten der Lettenkohlenformation<br />

nennen wir noch den Fiammendolomit, dessen Platten<br />

unter dem Schlage des Hammers nach ihren feinen Spalten<br />

in scharfkantige, glattflächige Trümmerstücke zerspringen.<br />

Ueber ihm folgt der Zellendolomit, der die Lettenkohlenformation<br />

gegen die erste Schicht des mittleren Keupers,<br />

den Gipskeuper, hin abschließt. Der Zellenkalk ist an<br />

der löcherigen, zellenförmiggegliederten Oberfläche leicht erkennbar.<br />

Der Landwirt liebt ihn nicht; denn gar fcu oft stört<br />

er ihn beim Pflügen seines Ackers. Er hat darum nichts<br />

dagegen einzuwenden, wenn man ihn von seinem Acker<br />

oder von seinen Lesehaufen wegholt, um ihn ähnlich wie<br />

Tuffsteine zum Abschließen von Gartenbeeten zu verwenden.<br />

Weil er auf unmittelbarem Weg von der Rangendinger<br />

Mühle zur Straße nach Hirrlingen ansteht, haben ihn die<br />

Römer dort zur Pflasterung dieser Straße benützt.<br />

Die Lettenkohlenformation bedeckt weithin die Ebene des<br />

Muschelkalkes und ist häufig mit L ö ß 1 e h m Gedeckt.<br />

Auch dieser kann einen kleinen Quellhorizont bilden, ja<br />

sogar im Verein mit der Lettenkohle und den Estherienschichten<br />

den Untergrund ganz abdichten, so daß es in<br />

flachen Mulden zu Wasseransammlungen kommt, wie wir<br />

das bei dem Weiher beim Salenhof sehen. Südlich vom Salenhof<br />

liegt noch eine weitere flache Mulde, die sich in<br />

regenreichen Zeiten ebenfalls mit Wasser füllt. Der Name<br />

Seehof und der in der Gegend öfters vorkommende Flurnamen<br />

Seewiesen deuten auch auf Wasseransammlungen<br />

hin. Die Bächlein, die aus solchen Weihern, Mulden oder<br />

Quellhorizonten kommen, bilden meist flache Wiesentäler,<br />

aber ihre Wasser erreichen heute nur noch bei Wolkenbrücnen<br />

oder bei der Schneeschmelze den Neckar, die Eyach<br />

und Starzel, wo sie dann die steilen Treppen und Schluchten<br />

hinunterstürzen, die sie einst vor Jahrtausenden in die<br />

steilen Wände des Muschelkalkes hineingenagt haben, als<br />

noch die ganzen Wassermengen unmittelbar den Flüssen zugeführt<br />

wurden. Heute verschwinden die Bächlein oft schjn<br />

nach kurzem Laufe in den Spalten und Klüften des Muscnelkalkes,<br />

die sie immer mehr erweitern, bis die Decke<br />

einbricht und Dolinen entstehen, wie wir dies öfters in solchen<br />

Tälcnen sehen können. Gegenwärtig werden im Rangendinger<br />

Muschelkalksteinbruch ieider die letzten Felsen<br />

abgetragen, die sich beim Einsturz des unterirdischen Abflusses<br />

der Wetzenbachgrabens schief gelagert haben. Einst<br />

wird auch die Zeit kommen, in der die Decke einbricnt, die<br />

heute noch das Laiberbächlein auf eine längere Strecke zum<br />

unterirdischen Bache macht. Eine Felsschlucht wird dann an<br />

die stelle treten, die das Bächlein im Verborgenen durchfloß.<br />

Ob nach tausend oder hunderttausend Jahren der Einbruch<br />

erfolgt, das läßt sich nicht sagen.<br />

Die Lettenkohlenformation beginnt bei uns an der Straße<br />

von Rangendingen nach Haigerloch und begleitet die Höhen<br />

über der Starzel. Von da an bedeckt sie, häufig von<br />

Lößlehm üb'~ -lagert, das ganze hohenzollerische Unterland<br />

bis in die Nähe des Neckars. Westlich des Neckars finden<br />

wir sie auf den Höhen nur noch als kleinen Rest beim Oberhof<br />

über Glatt und merkwürdigerweise in der Niederung um<br />

D e l c 1 i n g e n. Ais ich vor einigen Jahren vom Bahnhof<br />

in Schopf loch gegen Dettlingen hinunterwanderte, hatte Xaver<br />

Epple westlicn vom Dorfe gerade eine Baugrube ausgeschachtet,<br />

in der ich eine reine Lettenkohlenschicht von 30<br />

cm L'cke messen konnte, in einer Meereshöhe von rund 600<br />

m, während ringsum der sonst den Keuper u n t e r lagernde<br />

Muschelkalk bis zu 700 m anzeigt. Wie ist so etwas möglich?<br />

Dettlingen liegt am Südrande jenes gewaltigen Grabenbru-<br />

• hes, der, von Osten kommend, gegen Dornstetten hinzieht.<br />

Von diesem Grabenbruch zweigt bei dem benachbarten Bittelbronn<br />

noch eine Verwerfungsspalte nach Südwesten hin<br />

ab. Das zwischen dieser Verwerfungsspalte und dem Grabenbruch<br />

liegende Dreieck ist zu einer Zeit, als die ganze<br />

Landschaft noch von der Lettenkohlenformation bedeckt<br />

war, um etwa 200 m in d:o Tiefe gesunken. Es ist das der<br />

Raum, auf dem heute Dettlingen mit dem südlich anschlie-<br />

ßenden Wiesengelände liegt. Während im Laufe der Jahrtausende,<br />

die seit dem Einbruch hinter uns liegen, der<br />

Keuper auf den umliegenden Höhen abgetragen wurde, ist<br />

er unten um das heutige Dorf erhalten geblieben. Auch die<br />

starken Queiien, die in der Nähe der Verwerfungsspalte bei<br />

der Haugensteiner Mühle entspringen, hängen mit<br />

diesem Einbrüche zusammen. Es sind echte Spaltenquellen,<br />

die aus verschiedener Tiefe zu stammen scheinen; denn ein<br />

Teil von ihnen wird nach starkem Regen bald trüb, während<br />

andere klar bleiben.<br />

Die Lettenkohlenformation besitzt bei uns nur geringe<br />

Mächtigkeit, die nirgends über 20 m hinausgeht. Davon<br />

entfällt in manchen Gegenden, so in der Winterhalde<br />

zwischen Hart und Höfendorf, ein großer Teil auf den Lettenkohlensandstein,<br />

während er an anderen Orten nur in<br />

schwachen Bänken abgelagert ist.<br />

Trotz der geringen Mächtigkeit gehört diese Formation<br />

doch zu unseren wertvollsten geologischen Ablagerungen;<br />

denn auf ihr beruht die Fruchtbarkeit des Raumes zwischen<br />

Starzel und Neckar, der Gäulandschaft. Hier liegen<br />

die Kornkammern des Landes. Der Wechsel von<br />

Kalk, Sand und Letten, vor allem die leichte Verwitterbarkeit<br />

des Lettenkohlensandsteins, geben einen guten Boden,<br />

dessen Feuchtigkeit durch wasserhaltende Zwischenschichten<br />

festgehalten wird. Der Boden ist auch leicht bearbeitbar. Der<br />

aufgelagerte Löß und Lößlehm erhöht noch die Fruchtbarkeit<br />

und die leichte Bearbeitungsmöglichkeit. Nur ist der<br />

Lößlehm meist schon stark entkalkt und darum für Kalkzufuhr<br />

dankbar.<br />

Die Fruchtbarkeit und leichte Bearbeitungsmögiichkeit der<br />

Böden unserer Gäulandschaft sind in Verbindung mit den<br />

in ihr liegenden Quellhorizonten auch die Ursache, daß sie<br />

schon früh besiedelt werden konnte, zumal die Lößrücken<br />

in ihr bis zur Einwanderung der ersten Menschen in<br />

diese Gegend noch unbewaldet oder höchstens mit einem<br />

lichten Eichenhain bedeckt waren, so daß nicht gerodet werden<br />

mußte. So kam es, daß die ältesten Bauern, welche die<br />

Menschengeschichte kennt, die Menschen der Jungsteinzeit,<br />

um das Jahr 3000 vor Christus ihre Schilfhütten erbauten<br />

und mit ihren einfachen Holz- und Steinpflügen die Aecker<br />

mit Weizen, Gerste, Emmer und Hirse bepflanzten. Wie war<br />

Domänenpächter Rauscher vom Salenhof so stolz, als wir<br />

am Gründonnerstag des Jahres 1948 auf dem Lößrücken<br />

westlich von seinem Hofi immer wieder Klingen und Schaber<br />

aus Feuerstein aufheben konnten, die von seinen Vorgängern<br />

herrührten, die schon 5000 Jahre vor ihm diese<br />

Aecker bebauten.<br />

Auch die römischen Bauern haben die Güte dieser<br />

Böden erkannt und hier stattliche Bauernhöfe erstellt, von<br />

deneji sich Spuren auf den Gemarkungen Empfingen, Weildorf,<br />

Trillfingen finden und vor vier Jahren auch in Höfendorf<br />

nachweisen ließen. In der unmittelbaren württembergischen<br />

Nachbarschaft sind die Grundrisse solcher römischen<br />

Bauernhöfe beim Neuhaus und auf dem „Steinmäuerle" bei<br />

Hirrlingen aufgedeckt worden.<br />

Nach den Römern kamen d^ Alemannen und legten<br />

hier auf Lettenkohle und Lößlehm die Dörfer Empfingen<br />

und Trillfingen an. Selbst das kleine Vorkommen der Formation<br />

westlich des Neckars haben sie entdeckt und dort<br />

Dettlingen gegründet. Im weiteren Ausbau folgten dann<br />

Weildorf und Höfendorf, Gruol, Betra und Dettensee, Bittelbronn<br />

und Henstetten und zuletzt Hart das, wie sein Name<br />

schon andeutet, erst den Eichenwald roden mußte, von dem<br />

sich einige kleine Reste bis n unsere Zeit herein gerettet<br />

hatten. Um das Jahr 700 nach Christ es war die Besiedlung<br />

der Gäulandschaft in der Hauptsache abgeschlossen. Was von<br />

den Ortschaften zu weit entfernt war, ist zum Teil erst in<br />

neuerer Zeit durch die Anlage von Herrschaftshöfen in<br />

gründlichere Bebauung genommen worden. Die übrigen Siedlungen<br />

des Gebietes sind zum Teil in die engen Muschelkalktäler<br />

hinabgestiegen, haben aber ihr Ackergeländ9 zum<br />

größten Teil auch auf der Gäuebene liegen, so daß wir sie<br />

zu den Gäuorten rechnen dürfen.<br />

Am Brunnen vor dem Tore, da stand ein Lindenbaum<br />

Ja, da stand er, der Lindenbaum, so groß und breit, wie<br />

ich nie mehr einen gesehen habe. Und immer, wenn in fröhlichem<br />

Kreise — der Deutsche singt gern wehmütige Lieder<br />

«—, in froher Gesellschaft das schöne Volkslied erklang,<br />

gingen meine Gedanken zurück zu ihm, der mit so vielen<br />

Eine Kindheitserinnerung<br />

Erinnerungen an die Kindheit, verknüpft war. Er stand a'if<br />

einer niederen Böschung, welche die heutige Leopoldstraße<br />

von dem Weg trennt, der zum Brenzkoferberg führte Es war<br />

auch ein Brunnen daneben, der in früheren Tagen, als die<br />

umliegenden Häuser noch keine Wasserleitung hatten, eine


36 H O II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

größere Rolle gespielt haben mag. Später verlor er seine<br />

Bedeutung und verschwand dann ganz Und ein Kreuzbild<br />

im Schatten des Brunnens erhöhte noch die Idylle des schönen<br />

Platzes. Gleich gegenüber, an der anderen Hauptstraße,<br />

stand ein Doppelhaus, dessen eine Hälfte Wohnung und<br />

Werkstatt eines Schreinermeisters umfaßte und dessen anderer<br />

Teil einen fürstlichen Beamten zum Besitzer hatte.<br />

Auf dem Namensschild an der Haustüre stand auch sein<br />

Doktortitel, und das war damals noch eine ziemliche Seltenheit,<br />

die sich meist nur Aerzte zugelegt hatten. Es kam daher<br />

öfters vor, daß die Hausglocke ertönte und vom Lande herkommende<br />

Bauern sich Rat und Hilfe beim Herrn Doktor<br />

holen wollten. An das Haus schloß sich ein kleiner Garten,<br />

und diesen wiederum beschloß ein kleines, grünumranktes<br />

Gartenhaus. Auch eine großblumige Clematis kletterte daran<br />

herauf, eine Seltenheit in dem rauhen Sigmaringer Klima,<br />

die daher viel bewundert wurde. An Abenden, an denen die<br />

Temperatur es erlaubte, war manche fröhliche Gesellschaft<br />

dort vereint. Das kleine Grundstück wurde fleißig bearbeitet,<br />

der Ertrag an Blumen, Früchten und Gemüsen war aber<br />

auch sehr erfreulich. Von den ersten VeiiChen bis zu den späten<br />

Herbstblumen und mancherlei Gemüse für die Küche<br />

wurden geerntet. Mein Vater hat sogar ein Spargelbeet angelegt.<br />

Ob die Arbeit sich gelohnt hat, ist mir nicht erinnerlich;<br />

wahrscheinlich haben nicht nur Ungunst von Klima und<br />

Boden es verhindert, sondern auch die Ereignisse der Jahre,<br />

die dann folgten. Der Höhepunkt für die Kinder war natürlich<br />

die Beeren- und Obsternte. Besonders war ein Pflaumenbaum<br />

geschätzt, der ohne große Mühe erklettert werden<br />

konnte, so daß man die Früchte aus nächster Nähe erreichen<br />

konnte.<br />

Auf der andern Seite der Brenzkoferstraße lag ein freier<br />

Platz, der Turnplatz der Stadt. Außer einigen Turngeräten,<br />

auch einem großen Gerüst mit Stangen, Seilen und Ringen<br />

zum Klettern, war er frei und bot einen herrlichen Spielplatz,<br />

im Sommer zum Laufen und Springen, zum Spielen<br />

und Bauen im Sand, im Winter, wenn hoher Schnee ihn<br />

bedeckte, haben wir oft Burgen und Wälle in denselben gebaut.<br />

Fußballkämpfe gab es in der damaligen Zeit noch<br />

nicht, der Platz wäre dazu auch zu klein gewesen. Die abschüssige<br />

Straße vom Berg benutzten wir nur zu gerne zu<br />

unseren Schlittenfahrten, trotz des immer wiederholten Verbotes.<br />

Wie schön war es, bis weit hinaus auf die Straße<br />

sausen zu können, die damals noch ungefährlich war.<br />

Doch nun zurück zu unserem Lindt.^baum Wie ich schon<br />

erwähnte, war er ganz außergewöhnlich groß und weit verzweigt.<br />

Wenn wir ihn im Spiel zu umkreisen suchten, bedurfte<br />

es gar mancher Kinderärmchen, bis dei Kreis sich<br />

schloß. Er war gewiß uralt, seine rauhe Rinde und gar<br />

manche kahle Steile im Geäst zeigten dies an. Am Fuße des<br />

Stammes war eine hohle Stelle, so groß, daß leicht ein Kind<br />

hineinschlüpfen konnte. Es schoß ein braunes Mehl heraus,<br />

das absterbende Lebensmark des alten Riesen. Wir konnten<br />

dies zu unseren Spielen gut gebrauchen und bildeten damit<br />

die Straßen in unseren Burgen- und Städtebauten im Sandhaufen.<br />

Wir trugen es auch hinunter in den Garten, um<br />

Reinhold Frank<br />

Es ist nicht notwendig, heute noch gegen den Nationalsozialismus<br />

zu wettern. Das schließt aber nicht aus, daß wir<br />

in Ehrfurcht seiner Opfer gedenken. Wir in Hohenzollern<br />

und mehr oder weniger in ganz Süddeutschland haben allen<br />

Grund, eines Mannes zu gedenken, daß sein Opfer nicht ganz<br />

und gar unbeachtet bleibt. Es ist der gute R e i n h o 1 d<br />

Frank von Bachhaupte n, Kreis Sigmaringen. Dies<br />

um so mehr, da in dem Bucne von Adolph: „Im Schatten des<br />

Galgens" die Gedächtnisrede des Domkapitulars Buchholz<br />

anläßlich des Katholikentages 1952 in Berlin neben der anderen<br />

Opfer des 20. Juli 1944 Reinhold Franks Namen speziell<br />

im Zusammenhang seines christlichen mutigen Sterbens<br />

nennt.<br />

Reinhold Frank ist am 23. 7. 1896 in Bachhaupten in der<br />

Nähe von Ostrach geboren als jüngstes von 7 Kindern. Den<br />

Vater Franz verlor er schon 1904. Es ist nicht verwunderlich,<br />

wenn er durch seine gute Begabung auffiel und 1906 im<br />

Herbst an das Gymnasium nach Sigmärmgen kam und damit<br />

auch als Zögling eintrat in das St. Fideliskonvikt. Seine Mitschüler<br />

und Klassengenossen lernten ihn balc schätzen als<br />

sehr fleißigen und gediegenen Kameraden. Und wenn er<br />

auch große Talente besaß, er war bescheiden und außerordentlich<br />

strebsam und hat aber doch auf die Schwächeren<br />

in keiner Weise herabgesehen. In seiner Klasse war er allzeit<br />

beliebt durch seine Umgänglichkeit; seine Lehrer hielten viel<br />

auf den eigenen Beetchen die Anpflanzungen zu düngen, wie<br />

wir es bei den Großen sahen. Aber trotz seines hohen Alters<br />

grünte der Riesenbaum in jedem Frühling aufs neue und<br />

verlor im Herbst sein Laub. Uns Kinder kümmerte das aber<br />

wenig, denn für gesunde Kinder hat jede Jahreszeit Gelegenheit<br />

zu mannigfachem Spiel. Aber einmal schlug auch die<br />

Stunde für den geliebten alten Freund. Das damalige Oberhaupt<br />

der Stadt, Bürgermeister Gayer, wohnte ganz in unserer<br />

Nachbarschaft und mußte daher täglich an dem alten<br />

Baum vorüber gehen. Schon länger hat er ihn wohl mit<br />

Sorgen beobachtet, und eines Tages ließ er die Bewohner der<br />

umliegenden Häuser warnen und eine Wache beim Lindenbaum<br />

aufstellen. Der Riese drohte umzustürzen. Nun kam<br />

die große, sorgenvolle Frage, nach welcher Seite er wohl<br />

fallen würde. War es nach der Seite, wo unser Besitztum lag,<br />

dann bestand die Gefahr, daß er im Sturz unsern schön gepflegten<br />

Garten, ja sogar das Wohnhaus schwer beschädigt<br />

hätte. Immer mehr mußte man einsehen, daß die Katastrophe<br />

heranrückte, es waren aufregende Stunden, da man<br />

darauf wartete. Da, — eines Mittags, wir waren gerade beim<br />

Essen, erfolgte ein großes Krachen und man wußte, nun ist<br />

es geschehen! Nachdem der erste Schrecken vorüber und<br />

anscheinend die Gefahr beseitigt war, ließen wir uns nicht<br />

mehr halten. Der erste Eindruck war der des Dankes, weil<br />

er nicht auf unsere Seite, sondern auf den gegenüberliegenden<br />

Turnplatz gestürzt war, wo er zwar die Turngeräte zer -<br />

splittert, aber weiter keinen Schaden angerichtet hatte. Erst<br />

jetzt, da man ihn in seiner ganzen Größe liegen sah, konnte<br />

man ermessen, wie furchtbar es hätte sein können, wenn er<br />

auf unser Heim gefallen wäre. Nun mußten wir aber dem<br />

toten Riesen nahe kommen. Wie erstaunte man, als man seiner<br />

sonst so fernen Krone gegenüber stand. Unzählig waren<br />

die Aeste und Zweige und wie viel Leben spielte sich darin<br />

ab. Wohnstätten der Vögel, Eichhörnchen und Fledermäuse<br />

waren zerstört worden und noch länger flatterten die vertriebenen<br />

Bewohner um ihre Nester. Und die uns so interessante<br />

Höhlung am Fuße des Baumes konnte man bis<br />

weit hinauf verfolgen. Sie hatte besonders den Fledermäusen<br />

willkommenen Unterschlupf gewährt. ISloch tagelang bot der<br />

gestürzte Baum eine beliebte Stätte zum Spiel, das abei stets<br />

mit stillem Grausen und mit Bewunderung seiner Größe<br />

begleitet war. Aber allmählich rückten die Arbeiter heran<br />

und zerlegten die einzelnen Teile, große Beigen an Holz<br />

türmten sich auf und wurden zu ihrer weiteren Bestimmung<br />

abgeführt. Die Schäden am Turnplatz wurden ausgebessert,<br />

und das Leben ging seinen gewohnten Gang weiter. Die<br />

Menschen, welche die leer gewordene Stätte bemerkten, hatten<br />

vielleicht noch ein Bedauern, aber wie so viele: ist auch<br />

dieses Ereignis bald der Vergessenheit anheimgefallen. Ein<br />

neuer Lindenbaum wurde gepflanzt, der sich nun seit Jahrzehnten<br />

bemühen muß, seinem Vorgänger nachzufolgen.<br />

Aber die Erinnerung an diesen ist in uns wach geblieben<br />

und immer, wenn ich bei einer Rückkehr in die alte <strong>Heimat</strong><br />

die Stätte wiedersehe, meine icn, die Worte zu hören: „Am<br />

Brunnen vor dem Tore, da stand ein Lindenbaum".<br />

zum Gedächtnis<br />

Christiane Zingeler.<br />

auf ihn. Wenn er auch ein turnbegeisterter Student war><br />

und es sich zeigte, daß er später nicht Theologie studieren<br />

werde, in die Hausordnung des Konvikts hat er sich jederzeit<br />

tadellos eingefügt, und man darf ruhig sagen, diese Jahre<br />

im St. Fideliskonvikt haben neben seinem Elternhaus seinen<br />

späteren Lebensweg bestimmt und zum Guten beeinflußt.<br />

Als 1914 der erste Weltkrieg ausbrach, ließ er sich in seiner<br />

ehrlichen vaterländischen Begeisterung nicht mehr lange halten,<br />

sich als Kriegsfreiwilliger zu melden, schreibt er ja am<br />

14. Oktober 1914 an seine Mutter: „ ... als Kriegsfreiwilliger<br />

ins Heer einzutreten. Sei nicht so ängstlich um mich. Stehe<br />

ich im Felde nicht ebenso unter Gottes Hut, nicht ebenso im<br />

Schutze d-^r lieben Himmelsmutter wie hier. Sollte ich fallen<br />

.... dann bekomme ich im Jenseits meinen Lohn! ..."<br />

Wahrhaftig ein schönes Zeugnis für einen jungen Mann, der<br />

auch mit dem Gedanken umging, aktiver Offizier zu werden,<br />

was er aber dann docn später nicht tat. Er meldete sich bei<br />

dem damaligen Feidartillerie-Regiment Nr. 84 in Straßburg.<br />

Den folgenden schönen Satz: „Mit der Bitte, mir alle Fehler<br />

die ich jemals gegen Dich, liebe Mutter, begangen habe, vergeben<br />

zu wollen " schrieb er beim Eintritt ins Heer. Da<br />

er mehr leisten wollte, meldete er sich weg von der Artillerie<br />

zu den Jägern zu Fuß. Neben dem E. K. II. Klasse<br />

brachte er es zum Feldwebel. Ohne Zweifel wäre er bald<br />

Ofiizier geworden, aber wer ihn kannte und vor allem seine


Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 37<br />

unbeugsame Gerad- und Offenheit, versteht es, daß ihm halt<br />

doch manches in der Praxis des Soldatenlebens nicht gefiel<br />

und er dagegen auch Vorgesetzten gegenüber Front machte.<br />

Viermal war er verwundet. Schädeldecke, Oberschenkel, ein<br />

Zeichen, daß es ihn auch ordentlich erwischte und er sich<br />

nicht drückte, wie man sonst so sagt. Reinhold hatte Glück,<br />

er kam 1918 wieder heim und begann hoffnungsfroh in Freiburg/Br.<br />

das Studium des bürgerlichen Rechts, trat dann<br />

aktiv ein bei der katholischen farbentragenden Verbindung<br />

„Arminia" und stand und steht heute noch bei seinen Bundesbrüdern<br />

in hoher Achtung. Ohne Zweifel hat er auch<br />

während des Universitätsstudiums die ehrliche katholische<br />

religiöse Ueberzeugung hochgehalten. Dies werden seine Studienfreunde<br />

ihm nicht auch noch ausdrücklich bezeugen müssen.<br />

Etwa 1927 machte er sein Referendarexamen und, wenn<br />

ein Nichtfachmann so aus der persönlichen Kenntnis sein Urteil<br />

abgeben darf, dann wird es das sein müssen: Reinhold<br />

Frank hat auch da seinen Mann gestellt und war ihm darum<br />

zu tun, dem Rechte zum Siege zu verhelfen. Er arbeitete in<br />

den folgenden Jahren in Pfullendorf, Konstanz, Freiburg und<br />

Karlsruhe. Es wird wohl wahrhaft kein Zufall sein, daß<br />

der damalige badische Gesandte in Berlin, Dr. Honold, auf<br />

Reinhold Frank aufmerksam wurde, er in enge Arbeitsgemeinschaft<br />

mit ihm trat und sie gemeinsam eine Prajis aufmachten,<br />

d. h. daß Reinhold während der jeweiligen Abwesenheit<br />

von Dr. Honold alles allein schaffte. Weiß Gott,<br />

wenn Reinhold Frank heute noch leben würde, was er heute<br />

für eine Stellung bekleiden würde. Daß Reinhold Frank in<br />

der Hitlerzeit sich nicht vom Nationalsozialismus bestechen<br />

und einfangen ließ, nun, das gab seine ehrliche Denkungsart<br />

einfach nicht zu. Und für die Praktiken im 3. Reich war er<br />

einfach nicht zu haben. Ueber diese Zeit schreibt unter anderem<br />

H. H. Stadtpfarrer Dold-Karlsruhe: „Ganz im Gegensatz<br />

dazu hatte Rechtsanwalt Frank den Mut, mich als<br />

Rechtsanwalt in dem Prozeß wegen der Fastenopferkollekte<br />

1942 zu vertreten, obwohl er wußte, daß er damit bei der<br />

Partei und Gestapo keine Lorbeeren ernten werde ...."<br />

Dr. Friedr. Weber schreibt hierüber unter anderem: „So<br />

wurde nach dem Jahre 1933 bis in den Krieg hinein sein Haus<br />

in der Hofstraße 2 in Karlsruhe bald der Sammelplatz<br />

derer, die über die Uferlosigkeit der Totalitätsansprüche des<br />

nationalsozialistischen Staates verzweifelten und nach Auswegen<br />

rangen, um das Unglück von Volk und Land abzuwenden.<br />

Seine Hilfsbereitschaft, die er ohne Ansehen von<br />

Religion, Rasse oder Nationalität übte, ist Vorbild für wahre<br />

Menschlichkeit. Um diesem Ideal zu dienen, setzte er seine<br />

Person Verdächtigungen aus, die sein Leben in Gefahr<br />

brachten." So Friedr. Werber.<br />

Leider haben sich über Reinhold Franks Akten die Wogen<br />

des Ammersees in Oberbayern geschlossen wie über so viele<br />

andere. Warum? Dadurch fehlen die eigentlichen Unterlagen<br />

für seine Verhaftung und Verurteilung. Reinhold Franks<br />

Kreuzweg begann am 21. Juli mit seiner Verhaftung. Dieses<br />

Datum wird ein Fingerzeig dafür sein, daß Reinhold Frank<br />

in 'Verbindung stand mit dem 20. Juli 1944 und wahrscheinlich<br />

besonders mit dem Kreis von Dr. Gördeler-Leipzig. Das<br />

ist jedenfalls sonnenklar, bei der ganzen Einstellung und<br />

Charakterveranlagung war Reinhold Frank ein absoluter<br />

Gegner Hitlers und seiner Getreuen in klarer Erkenntnis,<br />

daß alles im Untergang und Unglück endigen müsse. Die<br />

Gattin Reinholds, die heute als Witwe mit 4 Kindern in<br />

Karlsruhe lebt, wurde bei der Verhaftung ihres Mannes tätlich<br />

mißhandelt. 4 Wochen weilte Frank im Gefängnis in<br />

Aus der Ebinger Chronik des Joh. Jerg:<br />

Der Sommer 1816 war sehr naß gewesen. Am 8 Juni galt<br />

1 Simri Kernen (19—20 Liter) 2 Gulden und 50 Kreuzer Da<br />

schon 5 Jahre hindurch Mißwachs geherrscht, hatte man<br />

keinen Vorrat mehr auf den Fruchtkästen. Der Juni brachte<br />

schlechtes Heu, und der Juli zeigte sich rauh und kalt mit<br />

schweren Gewittern. Am 19. Juli will ein Killertäler bei<br />

Stehrenberg unterhalb Mannheim nach einem Unwetter in<br />

einem Gartenstück von Größe eines Morgens eine Menge<br />

Steine gesehen haben von 10—100 Pfund, die stanifarbig<br />

aussahen (wohl Meteor - Ueberreste). Am gleichen Tage<br />

machte ein Hagel Schaden in Unterschmeien, Dietfurt und<br />

Vilsingen bis Friedrichshafen hinauf. Auch der August ist<br />

trüb und regnerisch, eine späte Ernte ist zu fürchten. Alles<br />

jammert; der Esch will nicht reif werden. Auch der September<br />

zeigt sich unstät. Man fängt zu mähen an, allein es<br />

gibt sehr weiche Körner, denn die Witterung war immer zu<br />

kalt, die Früchte noch nicht reif. 1 Simri neuer Dinkel ko-<br />

Die Hungersnot 1816—17<br />

Stuttgart, wurde dann nach Berlin-Tegel, Plötzensee überführt.<br />

Diese Zeit war ohne Zweifel für seine Familie und<br />

mehr noch für ihn eine ganz schwere Zeit. Am 13. Januar<br />

1945 schreibt Reinhold Frank an seine Familie wörtlich:<br />

„Nun liebe Annemarie, erschrecke nicht und behalte es zunächst<br />

für Dich. Ich bin gestern zum Tode verurteilt worden.<br />

Es ist hart. Ob das Urteil vollstreckt wird, weiß ich nicht.<br />

Ich habe heute ein Gnadengesuch gemacht und hoffe, daß es<br />

Erfolg hat, Euretwegen. Warten wir ab und stellen wir alles<br />

in Gottes Hand!" — Man lese diese kurze Mitteilung einmal<br />

und man wird spüren, welche gefaßte und seelisch große<br />

Haltung hier aufleuchtet. Und nun schreibt unter dem 7. Februar<br />

1945 der katholische Oberpfarrer am Gefängnis Plötzensee<br />

an Frau Frank folgende Zeilen: „Es ist mir nicht<br />

leicht gewesen, Ihnen vor einigen Wochen zu schreiben, daß<br />

Ihr Mann schon Termin gehabt und vom Volksgericht zum<br />

Tode verurteilt war .... Heute muß ich Ihnen leider mitteilen,<br />

daß das Urteil bereits vollstreckt ist, und zwar am selben<br />

Tage, an dem Sie mir geschrieben, am 23. 1. 1945. Seit<br />

er im Gefängnis in Berlin-Tegel war, habe ich Ihren Mann<br />

regelmäßig zweimal wöchentlich besucht. Bei einem meiner<br />

ersten Besuche schon hat er eine Lebensbeichte abgelegt und<br />

ist von da ab jede Woche zu den hl. Sakramenten gegangen.<br />

Hier hat er sich in den langen, bangen Monaten der Ungewißheit<br />

die Kraft geholt, nie zu verzagen, und als schließlich<br />

die Entscheidung fiel, auch das Todesurteil mannhaft und<br />

stark hinzunehmen. Wenn ihm eines den Abschied von dieser<br />

Welt schwer gemacht hat: der Gedanke an die Seinen, die<br />

Sehnsucht nach Ihnen und den Kindern, so gab ihm auf der<br />

anderen Seite die Gewißheit Trost, daß sie in derselben<br />

christlichen Haltung das Letzte und Schwerste mit ihm tragen<br />

und mit ihm auch hoffen auf ein Wiedersehen und Wiedervereinigung<br />

in der Ewigkeit. In diesem Sinne schickt er<br />

Ihnen seine letzten Grüße mit der Bitte, bei den Kindern<br />

sein Andenken zu pflegen und in Ehren zu hallen." Und da<br />

soll ein denkender und erst recht ein christlich eingestellter<br />

Mensch nicht die allergrößte Hochachtung empfinden können<br />

von der Haltung bis zuletzt zum Tode, wie sie da Reinhold<br />

Frank geoffenbart hat. Fast wie ein Hohn klingt, was<br />

der Oberreichsanwalt in Berlin unter dem 19. Februar 1945<br />

schreibt: „Der ehemalige Rechtsanwalt Reinhold Frank ist<br />

wegen Hoch- und Landesverrat vom Volksgerichtshof des<br />

Großdeutschen Reiches zum Tode verurteilt worden. Das Urteil<br />

ist am 23. Januar 1945 vollstreckt worden. Die Veröffentlichung<br />

einer Todesanzeige ist unzulässig." Der letzte Satz<br />

scheint ein böses Gewissen zu verraten. Umsomehr aber hat<br />

die engere und weitere <strong>Heimat</strong> die Pflicht, dieses Opfers des<br />

Hitlerregimes in Ehrfurcht zu gedenken und unser katholisches<br />

Volk und überhaupt alle christlichen Kreise unseres<br />

Volkes von Reinhold Frank zu lernen, wie man treu und<br />

aufrecht steht zu seiner Ueberzeugung und seinem Glauben,<br />

schreibt doch auch der oben genannte Stadtpfarrer Dold von<br />

Karlsruhe, zitierend das Wort des großen Augustinus vom<br />

Jahre 430: „Wer für die Wahrheit stirbt., stirbt als Märtyrer.<br />

Denn Christus hat gesagt, ich bin die Wahrheit."<br />

Wenn nun Karlsruhe seines ehemaligen Rechtsanwaltes<br />

Reinhold Frank schon vor Jahren in einer großen Versammlung<br />

gedacht hat und, wenn wir recht orientiert sind, eine<br />

Straße nach ihm benannt hat, wäre es am Platze, daß auch<br />

Hohenzollern seiner in einer besonderen Weise gedenkt. Uns<br />

allen aber sei Reinhold Frank eine leuchtende, wegweisende<br />

Gestalt im Kampfe des Lebens.<br />

J. B. Locher, Pfarrer, Kettenacker.<br />

stet 1 fl., Roggen 2 fl. 36 kr. Nach wenigen schönen Tagen<br />

im September, wobei die Nächte wieder zu kalt waren, kam<br />

gleich Regen... Am 10. November sind noch viele Früchte<br />

draußen. Vielerorts hat man noch keine Grundbirn zuhaus.<br />

Man versucht sie und das Getreide unter dem Schnee<br />

hervorzuholen. Auch Hanf und Flachs gedieh nur<br />

miserabel; alles ist hier (in Ebingen) und auf den Alben<br />

verdorben. Auf ausgeführte Früchte wird in ganz<br />

Württemberg Zoll gelegt: Auf 1 Simri Kernen schlägt man<br />

1 fl. und 12 kr. drauf, auf 1 Scheffel Haber (= 8 Simri) 2 fl.,<br />

auf 1 Eimer Branntwein 20 fl., 1 Scheffel Grundbirnen 1 fl.<br />

Was jedoch aus dem Ausland (also auch aus Hohenzollern)<br />

hereinkommt, ist zollfrei. 1 Simri Kernen gilt 5 fl, 1 Simri<br />

Bohnen (d. i. Acker oohnen oder Saubohnen) 3 fl., Gerste<br />

ebensoviel, 1 Simri Grunübirneii 48 kr.<br />

Man will hier in Ebingen eine Suppenküche für die Armen<br />

einrichten; für 80 000 fl. sind Früchte gekauft und hergeführt.<br />

Aber erst das folgende Jahr 1817 sollte zum Hunger-


38 H O H E N Z O L, L E R I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

jähr werden. Zwar konnten Ende Januar die Wintersaaten<br />

schön hervorkommen, wo man überhaupt Samen zum Aussäen<br />

gehabt hat. Schon am 15. Febr. gab es Bad^ken (S 'llüsselblumen),<br />

Gänseblümchen und Rollen auf den Wiesen. L^nn<br />

traf nochmal Schneefall ein. Der März war anfangs trocken,<br />

dann stürmisch. Die Preise zogen immer mehr an: 1 Scheffel<br />

Haber stieg bis 10 fl. „Alles seupfzte zu der Zeit", denn<br />

der Verdienst war schwach. Daher wanderten ÜQerall viele<br />

aus nach Amerika, Rußland bis Kaukasien. Es sollen «0 000<br />

fort sein, sodaß unser König allgemein warnen läßt. Am 2.<br />

März galt das Simri Kernen 5 fl. 40 kr Die Becker wollen<br />

nimmer bachen. Der Bettelstand hat ganz aufgehört, seit<br />

man Suppen ausgibt. Die Arbeitsfähige" müssen ins Spinnhaus<br />

zum Streichen, Kämmen un.' Spinnen Am 19. ""iril<br />

verlangt man für 1 Simri Kernen bis 6 ff., 1 Scheffel Haber<br />

10 bis 14 fl., also „daß es nichts als Seupfzen und Wehklagen<br />

gibt". Aus Mangel konnten manche Ortschaften keinen Haber<br />

aussäen. Im Mai noch lag Schnee auf unsern Bergen und<br />

auf der Aib. Für 1 Simri Erdbirnen, so klein wie Haselnüsse,<br />

zahlte man 15—25 Batzen. Am 18. Mai kam Gras und .Laub<br />

sehr schön herfür, sodaß man endlich fürs Vieh genügend<br />

Nahrung hatte. Die Leute aber gruben Sonnenwirbel aus<br />

und kochten sie zum Essen. Manche sf^en sehr verhungert<br />

aue von dem Gras und den Wurzeln, die Beulen und Geschwulste<br />

erzeugten und vielen gar de 1 " Tod brachten. Auf<br />

dem Herrschaftskasten hier teilte man Frucht aus. Ich erhielt<br />

1*2 Simri für 4 fl. 24 kr., eine böse elende Frucht. Man<br />

geht in die Schnecken und sucht Wurzeln. Ausgangs April<br />

schlug ein Inneringer in Langenenslingen währenc des Gottesdienstes<br />

eine Krämerin tot, wurde aber in Heilbronn gefaßt<br />

und in Sigmaringen am 4. Juni enthauptet. Am 7. Juni<br />

galt 1 Simri Kernen bis 9 fl., in Balingen gar bis II 1 /* fl.<br />

Bürger und Bauern gibt es hier, die Getreid_ zurückhalten.<br />

Sie denken: was gehen mich die Armen an. Als man für die<br />

Minderbemittelten Geld sammelte, haben die Reichsten am<br />

wenigsten gespendet. Die Wucherer sagen, alles werde noch<br />

teurer, und fressen und saufen, daß manchen Mittellosen<br />

das Herz zerspringen möchte.<br />

Am 10. Juni zogen hier über 300 Personen durch aus dem<br />

Baiinger, Rosenfelder und Sulzer Amt, sie wollen nach Serbien<br />

und Belgrad... Die Früchte stehen schön im Feld.<br />

Wucherer verlangen für das Simri Kernen 13 fl. Aber der<br />

König setzte einen Höchstpreis fest: für 1 Scheffel Dinkel auf<br />

14—16 fl., 1 Simri Gerste 3 fl., Saubohnen ebensoviel, 1 Simri<br />

Weizen -5 fi.: dazu wird Durchsuchung angeordnet. Die Bekken<br />

bachen Batzeniaibe mit 3—4 Lot an Gewicht, manche<br />

allerdings machen sie 5—6 Lot schwer. Am 21. Juni war unser<br />

Kaufhaus völlig leer, kein Simri kam an. Alles seufzte. Man<br />

aß Schnecken, auch Taubenkröpf (Pflanze) und viele andere<br />

Kräuter, Die Becken mußten jetzt ein Pfund Weißbrot für<br />

12 kr geben, vorher hatten sie 30—40 verlangt. (Im Jahre<br />

1810 galt 1 Pfund ZW Kreuzer!)<br />

Vom 25. Juni an durfte nur noc). Einh itsbrot gebacken<br />

werden; dabei war der Andrang zu den Bäckereien<br />

soi groß, daß man die Türen schließen und zum Fenster ausgeben<br />

mußte. Auch liefen hier viele Ausländer ums Brot<br />

und trugen es heimlich fort, da es erbärmlich anzusehen war,<br />

weil es doch dadurch andern weggenommen wurde. Manchem<br />

möchte das Herz zerspringen, wenn er den Jammer<br />

und das Wehklagen hört von denen, die kein Brot haben!<br />

Am 9. Juli hat es in Laiz und Inzigkofen gehageit. Aus Heilbronn<br />

kommt die erfreuliche Nachricht, daß man den ersten<br />

Erntewager mit Blumen und Kränzen unter heißen Freudentränen<br />

heimführte die Jugend bekränzt, die Bürger mit<br />

Loben und Danken, Beten und Singen.<br />

Der 19. Juli war der ärmste Tag in meinem Haus: kein<br />

Geld mehr, kein Mehl, kein Brot. Alles jammerte zusammen.<br />

Ich gehe in die Stadt zum Polizeidiener und frage ob<br />

der Stiftsverwalter mir nicht bis Martini mit 25 fl. aushülfe.<br />

Gott sei Dank, er half! So konnte ich Musmehl kaufen, das<br />

Simri zu 4 fl. 48 kr., und 10 Pfund Brot, schwarzes und<br />

feuchtes war es zwar, für 1 fl. 28 kr. Es wird uns ewig im<br />

Gedächtnis bleiben!<br />

Aber viele schauen so verhungert aus, besonders aus den<br />

Alborten und dem Heuberg bis Spaichingen hm. Am 25. Juli<br />

früh 6 Uhr brachte mir der Bote Ramsberger von Benzingen<br />

zum 50. Geburtstag ein Simri Wintergerste als Präsent.<br />

Ich gab ihm trotzdem 4 und ging gleich damit in die<br />

Mühle. Alles sprang und besah die neue Frucht! Ich backe<br />

sie: Was für eine Stärkung das für die Meinigen war, dieses<br />

neue Brot!<br />

Am 28. Juli hole ich Brot m Straßberg, das Pfd. zu 9 Kr.<br />

Allein es wurde gleich im Sigmaringischen bei 10 Taler<br />

Strafe verboten, nach auswärts zu verkaufen. Es laufen vorn<br />

Talgang, vom Killertal und von Balingen her heimlich viele<br />

in der Nacht nach Straßberg um Brot zu holen....<br />

Hier in Ebingen haben nur 36 Bürger eigenes Brot. Das<br />

Musmehl, das man kriegt, erzeugt Schwindel im Kopf A "n<br />

10. August habe ich mit meinem großen Sohn in S t r a -<br />

b e r g 1 h Scheffel Dinkel für 9 fl geholt, dazu noch 20 Laible<br />

Brot. Wir gehen durchs Hefatal übern Berg und Stettemer<br />

Staig herunter. Was ist das doch, wenn man so in Angst und<br />

Nacht nach Nahrung laufen muß! Es sterben viele auszehrende<br />

Personen. Zwar ist alles in Freude und doch in größtem<br />

Hunger nach der nahen Ernte und nach den Grundbirnen,<br />

die prachtvoll im Feld stehen. Es seien 600 Morgen in<br />

allen drei Eschen gesetzt worden. 5 August: Man iäuft immer<br />

noch täglich ums Brot. Am Tor hat man feil gehabt wie<br />

das Obst. Wir bekommen zwar von der Böttin von Straßberg<br />

und der von Harthausen a. Sch., allein es hat viel gekostet<br />

Als dann am 6. August Johann Stierle das erste Korn<br />

beim Mehlbaum gemäht, wurde gleich Anstalt gemacht, den<br />

ersten Erntewagen festlich einzuholen. Die Jugend muß sich<br />

mit Sonntagskleidern schmücken, mit Blumen und Kränzen<br />

zeigen, Maien und Fähnchen wurden gemacht. Und als der<br />

8. August kam, schien es als woll es trüb werden. Man<br />

weicht die Wieden ein in meinem Bach. Der Himmel heitert<br />

sich auf, um 11 Uhr geht man zum Binden. Zwar muß die<br />

Jugend bis 1 Uhr in die Schul. Aber dann zog man in die<br />

Obere Vorstadt und stellte sich in zwei Reihen. Zwei Maien<br />

und die Musikanten gingen dem Wagen entgegen. Die Ledigen<br />

ließen ihre Gewehre los, als der Wagen kam. Alles<br />

rannte und sprang. Die ganze Burschenschaft ging entgegen.<br />

Man schmückte und bekränzte den Wagen mit Blumen. Die<br />

Musik stimmte an, dann singt die Jugend „Lobe den Herren".<br />

Wie da Freudentränen flössen und Segenswünsche ausgebracht<br />

wurden bei dem Einaug! Das bleibt in ewigem Angedenken.<br />

Mit Gesang fährt man durch die Stadt mit der<br />

Jugend zum unteren Tor hinaus, den Kirchgraben hinauf. Da<br />

hat eine trübe Wolke wollen regnen. Allein e= war nur ein<br />

Gnadentau von Gott gewesen. So fährt man für die Kirch,<br />

trägt zwei Garben hinein, stellt sie vorn Altar und schmü :t<br />

sie. Maien und Blumen stellt man darum, wie auch die<br />

Fähnchen. Die Juigend umsäumt den Altar und Magister<br />

Weiß und Diakonus Hier treten herzu und predigen, daß vor<br />

Altei= unter den Israeliten alle Jahr dieses Fest auch veranstaltet<br />

worden sei und daß wir dieses Beispiel jetzt auch<br />

nachahmten. Da hat alles geweint vor Rührung und Dank .<br />

(Chronik des Bleichers Johannes Jerg, 1771—1825, hgg. vom<br />

Bürgermeisteramt Ebingen, 1953.)<br />

1904 - Missionshaus Haigerloch - 1954<br />

Kardinal Lavigerie, Erzbischof von Algier, gründete 1868<br />

die Gesellschaft der Weißen Väter und entsandte 1875 die<br />

erste Missionskarawane nach Zentral-Afrika. Weitere Expeditionen<br />

folgten. Schon unter diesen ersten Sendboten für<br />

die Aequatormission befanden sich einzelne Deutsche, so P.<br />

August Schynse, Z, Achte, Bruder Max und Bruder Hieronymus.<br />

Ais 1888 das Deutsche Reich seine kolonisatorische Tätigkeit<br />

in Deutsch-Ostafrika begann, wünschte man auch eine<br />

ausreichende Zahl deutscher Missionare. Fürst Bismarck<br />

schrieb in diesem Sinne an Kardinal Lavigerie und regte die<br />

Gründung deutscher Missionsschulen an. So wurde 1894 die<br />

Weiße Väter-Schule in Trier und 1904 die zweite in Haigerloch<br />

eröffnet.<br />

Am 21. Juni 1904 nahm Domkapitular Dreher als Vertre-<br />

ter des Erzbischofs Freiburg die Benediktion des 1903 erbauten<br />

Missionshauses vor. Mit 43 Schülern begannen die<br />

Patres den Unterricht für die 4 unteren Gymnasialklassen.<br />

Im L ife der Jahre wuchs die Zahl der Zöglinge auf 60. 80,<br />

100. Vorübergehend mußten auch die oberen Klassen und<br />

1946- 30 die Ser naristen im Aloysianum zu Haigerloch untergebracht<br />

werden.<br />

Trotz der beiden Weltkriege, trotz der Unterdrückung und<br />

Aufhebung der Schule durch die Nationalsozialistische Regierung,<br />

trotz materieller Not und vieler Schwierigkeiten,<br />

ging eine schöre A.izahl von Berufen aus Haigerloch hervor.<br />

200 Priester, die durch die Missionsschule gegangen sind,<br />

wirken seit Jahren segensreich in der <strong>Heimat</strong> und Mission.<br />

Seite an Seite arbeiten sie mit den Missionaren anderer Nationen<br />

in den Missionsgebieten der Weißen Väter,


Jahraang iy54 H Ö H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 39<br />

Mit 300 Priestern und Brüdern stehen die Weißen Väter an<br />

2. Stelle unter den in Afrika missionierenden Orden und<br />

Kongregationen. Sie leiten 39 Vikariate in Nord-, West- und<br />

Zentral-Afrika mit 4 Millionen Christen. Einige ihrer Gebiete,<br />

z. B. Ruanda, Urundi, zählen zu den blühendsten<br />

Missionen unserer Kirche. Uganda, das „Königreich Mariens",<br />

hat bereits 1885 die Edelfrucht der seligen Negermärtyrer<br />

hervorgebracht. Auch das Werk des einheimischen<br />

Klerus, das Lavigerie seinen Söhnen von Anfang an zur<br />

Pflicht gemacht hat, konnte schönste Erfolge erzielen. An<br />

der Spitze der fast 500 schwarzen Priester, die aus den Schulen<br />

der Weißen Väter hervorgingen, stehen drei Negerbischöfe:<br />

Rugambwa, Kiwannka und Bigirumwami.<br />

Weil deutsche Weiße Väter ihre ersten Lehrer und Erzieher<br />

waren, oder Wohltäter aus Deutschland ihnen das<br />

II. Teil<br />

Im ersten Grabungsbericht vom Herbst 1952 wurde gesagt,<br />

die ganze Anlage habe einen Wohnturm von 11,40 m<br />

Länge und 10.50 m Breite dargestellt. Nun hat die Fortsetzung<br />

der Grabungen im Herbst 1953 neue Ergebnisse gebracht,<br />

die eine Ergänzung des bisherigen Berichtes notwendig<br />

machen.<br />

Die Westmauer, die infolge oberflächlicher Untersuchung<br />

bei der ersten Grabung als Außenmauer angesprochen wurde,,<br />

hat sich bei der zweiten Grabung als Zwischenmauer von nur<br />

0,70 m Stärke erwiesen, und die nach Westen sich anschließende<br />

Vertiefung war nicht allein Steinbr h zur Gewinnung<br />

von Baumaterial, sondern ein zweiter Kellerraum mit einer<br />

lichten Weite von. 6,50 auf 4,60 m und einer Tiefe von 3 m,<br />

von der ehemaligen Oberfläche der Bergkuppe aus gemessen.<br />

Auf diesem Kellerraum hat also ein zweites Gebäude gestanden,<br />

dessen Außenmauern nicht 1,50 m Durchmesser wie<br />

beim Hauptgebäude haben, sondern nur 1,00 bezw. 1,30 m.<br />

Angesichts dieser verhältnismäßig sehr schwachen Mauern<br />

kann es sich nicht um einen Turm oder sogen. Bergfried gehandelt<br />

haben, sondern nur um einen Anbau, der die Höhe<br />

des Hauptbaues nicht erreichte. Durch diesen Anbau wird<br />

eine Gesamtlänge des Gebäudes von 15,20 m erreicht. Der<br />

im Westen an das Gebäude angrenzende höchste Teil der<br />

Bergkuppe, der ziemlich eben und in seiner Struktur nicht<br />

gestört ist, hat sich als Burghof herausgestellt. Die Hofmauer<br />

mit 1,10 m bildet genau die Verlängerung der Gebäudemauer.<br />

Sie umgibt rechtwinklig den Hof, steigt in der<br />

Nordwestecke ein Stück den Abhang hinab und wird dort,<br />

ähnlich wie an der Ostseite, durch eine Stützmauer gehalten.<br />

Diese Hofmauer weist kein Fundament auf wie die Gebäudemauern.<br />

Höchstens ihre unterste Steinschicht ist in den gewachsenen<br />

Boden eingelassen. Bei ihrem Bau wurde also<br />

kaum ein Erdaushub vorgenommen. Sie ist einfach dem Gelände<br />

angepaßt. Aus diesem. Grunde kann sie auch nicht sehr<br />

hoch gewesen sein, wahrscheinlich nicht über zwei Meter.<br />

Zahlreiche Ziegelreste, die den Mauerrand säumen, deuten<br />

darauf hin. daß sie einst mit Ziegeln abgedeckt war. An der<br />

Südseite verläuft die Hofmauer genau in der Fluchtlinie der<br />

Südmauer des Hauptgebäudes, ist aber auf etwa 7 m unterbrochen.<br />

Diese Unterbrechung besag- nicht, daß hier etwa<br />

gar keine Mauer gewesen wäre, denn bei der oberflächlichen<br />

Anlage ist es leicht möglich, daß gerade hier am höchsten<br />

Punkt auch der letzte Mauerrest abget "igen ist. Zudem ist<br />

es ziemlich sicher, daß an dieser Stelle der Eingang gewesen<br />

ist. Da"'ir sprechen die Unterbrechung der Mauer und die<br />

Lage des Burghofes an dieser sonnigen Südwestecke. Von<br />

außen kommend, mußte man doch zuerst den Burghof überschreiten<br />

um in das Gebäude zu gelangen. Vor der Mauerlücke<br />

befindet sich ein 6 m breiter Vorplatz, der bis zum<br />

Steilabfali nur 1 m Gefälle aufweist, also beinahe eben ist.<br />

Vom Zugangsweg, der von hier ab den Hang hinabführen<br />

Studium ermöglichen halfen, kamen einige dieser Negerpriester<br />

und die Negerbischöfe Kiwannka und Bigirumwami<br />

1950/53 eigens herüber, um die <strong>Heimat</strong> und die Schulen der<br />

Patres und Brüder kennen zu lernen, die ihnen soviel Gutes<br />

gebracht. Sie haben im Namen ihrer afrikanischen Landsleute<br />

ihren Dank aussprechen wollen und die dringende<br />

Bitte hinzugefügt, ihrem Lande die Treue zu halten.<br />

Es gilt, Afrika vor dem Islam zu retten, der sich doppelt<br />

so schnell als das Christentum ausbreitet, weil es an christlichen<br />

Glaubensboten und an den Mitteln zur Errichtung<br />

christlicher Schulen fehlt.Es geht darum, Afrika inmitten der<br />

anstürmenden europäischen Zivilisation und der kommunistischen<br />

Bedrohung den festen Halt christlicher Religion und<br />

Kultur zu geben. Es muß gelingen, Afrika einzubauen in<br />

das Reich des Friedens Christi, zum Schutz und Segen Europas.<br />

P. Schneider.<br />

Die Ausgrabungen auf Hohenjungingen<br />

von M. Lorch<br />

mußte, ist allerdings keine Spur mehr vorhanden. Weil er<br />

an dem der Talseite entgegengesetzten Hang gelegen war,<br />

wurde er nach Zerstörung der Burg wohl kaum mehr benützt;<br />

denn der Besucher der Ruine wählte eben den nächsten<br />

Weg vom Ringgraben gerade den Hang hinauf, und so<br />

konnte ein an sich schmaler Pfad in 600 Jahren spurlos verschwinden.<br />

So ist an dem neuesten Grabungsergebnis der Grundriß<br />

der Gesamtanlage ein genaues Rechteck von 21,65 m Länge<br />

und 11,40 m Breite. Von den 250 qm des bebauten Raumes<br />

entfallen auf Gebäude 150 qm und auf den Hofraum samt<br />

Mauer 100 qm. Damit ist so ziemlich der ganze verfügbare<br />

Platz auf der Bergkuppe ausgenützt worden. Aufgefundene<br />

Lehmbrocken mit deutlichen Abdrücken von Rundholz oder<br />

Flechtwerk in Verbindung mit verkohltem Holzwerk lassen<br />

den sicheren Schluß zu, daß beim Bau nicht ausschließlich<br />

Steinmaterial, sondern auch Fachwerk verwendet worden ist.<br />

Die Vermutung, in den zwei Erhöhungen des östlichen<br />

Ringwalls eine Toranlage zu finden, hat sich nicht bestätigt.<br />

Eine Probegrabung hat ergeben, daß der ganze Ringwall als<br />

Erdaushub anzusehen ist und keinerlei Mauerwerk enthält.<br />

Seine immer noch beträchtliche Höhe am Ost- und Westrande<br />

erklärt sich durch die Art der Anlag' An diesen beiden<br />

Stellen kommen zwei Höhenrücken bis nahe an die<br />

Bergkuppe heran. Mit ihrem etwas sanfteren Abhang boten<br />

sie die bequemeren Aufstiegsmöglichkeiten zur Burg, also<br />

auch die größeren Gefahrenstellen. Diese mußten beseitigt<br />

werden, indem man die Höhenrücken durch den Graben von<br />

der Bergkuppe trennte und mit der erreichten Tiefe dort<br />

Steilhänge schuf.<br />

Im Abschnitt der sudlichen Hofmauer wurden in der obersten<br />

Schicht, die hauptsächlich aus Brandschutt besteht, in<br />

nur 10 bis 20 cm Tiefe folgende Metaligegenstande gefunden:<br />

1.) ein 28 cm langes und im Durchschnitt 1,5 cm starkes<br />

Eisenstück in Staketenform. Die Durchbohrung im breitesten<br />

Teil könnte darauf hindeuten, daß es einst Auslösehebel<br />

bei irgend einem Gerät war; 2.) eine Axt von 18,5 cm Länge<br />

und 11,3 cm Breite am Setmeideteil; 3.) eine Art Flachzange<br />

von 15 cm Länge mit Verschlußbügel an einem Griff, der auf<br />

dem verbreiterten Gegengriff durch Nocken festgehalten und<br />

gespannt werden konnte; 4.) eine Anzahl Bolzenspitzen von<br />

Armbrustbolzen. Während sämtliche bisher gefundenen Bol<br />

zenspitzen am hinteren Ende Hüisenform zeigten, mittels der<br />

sie auf den Holzteil aufgesteckt waren, kam hier erstmals<br />

eine Bolzenspitze zum Vorschein, die mit einem angeschmiedeten<br />

Dorn in den Holzteil eingetrieben wurde, ähnlich wie<br />

eine heutige Feile im Hoizgriff steckt. Es könnte bezweifelt<br />

werden, ob diese eisernen Gegenstände wirklich aus dem<br />

14. Jahrhundert stammen oder vielleicht im Laufe der sechshundert<br />

Jahre durch irgend einen Zufall dorthin kamen.<br />

Darum l.^achtt man: Die Bolzenspitzen stammen bestimmt<br />

aus der Kampfhandlung im Jahre 1311. Die anderen Eisenteile<br />

wurden aber in Gesellschaft der Boizenspitzen gefunden<br />

und tragen genau wie diese eine dicke Rostschicht. Also ist<br />

man wohl berechtigt, alle Eisenfunde in das genannte Zerstörungsjahr<br />

zu datieren. Von den schon im ersten Grabungsbericht<br />

erwähnten Kalkhaufen wurde der größte an der<br />

Ostseite weiter durchsucht. Er war etwa 6 m lang, 3 m breit<br />

und 0,70 rn hoch und bildete einen einzigen Klotz. Neben<br />

Tonscherben von Ofenkacheln und Gefäßen, Ziegelscherben<br />

sowie einigen Messern und Nägeln war am Außenrande auch<br />

eine Aschenschicht bemerkbar. Man geht wohl nicht fehl, in<br />

diesem Kalkhaufen die Ueberreste des einstigen Ofens zu


40 H O II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

X*


Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 41<br />

1819 wurde die hiesige Kirche erbaut, wozu ich bei seiner<br />

Durchlaucht das Meiste beitrug und die ganze Rechnung,<br />

welche noch bei mir vorliegt, führte. Mit Einnahmen und<br />

Ausgaben der Kosten von 10 074 Gulden bloß an barem Geld.<br />

1820 wurde mir der hiesige Mesmerdienst übertragen,<br />

welchen ich 1839 an meine beiden Söhne Luzian und Fr.<br />

Joseph freiwillig abtrat, also vor 19 Jahren.<br />

? wurde mir Statt meines kranken Bruders Georg die<br />

einstweilige Vogtsamtsverwaltung vom Fürsten übertragen.<br />

1834: Am 15. April auf das erfolgte Ableben meines Bruders<br />

Vogt, wurde ich als Vogtsamtsverweser ernannt und<br />

nachher, wo ich bei zweimaliger Vogtswahl jedesmal die<br />

meisten Stimmen erhielt, wurde mir schon am 2. Mai das<br />

Decret als wirklicher Vogt publiziert.<br />

1838: wurde ich für den V. Wahlbezirk für die Gemeinden<br />

Sickingen, Beuren, Schlatt, Jungingen, Killer und Starzein<br />

durch Stimmenmehrheit zum Landesdeputierten ernannt.<br />

1839 war ich auf 6 Wochen wieder hart krank.<br />

1840: Veranlaßte der wohlbekannte Gernevogt (?) einen<br />

Aufruhr gegen mich und den gewiß schuldlosen und ehrlichen<br />

Bürgermeister Joseph Bosch und reichte am 10. September<br />

eine Klageschrift von 43 unbegründeten Klagepunkten,<br />

von 21 feindseligen Anhängern unterzeichnet, beim Oberamt<br />

ein. (NB.! Diese Klageschrift ist vorhanden und ist wohl<br />

au ''zubewahren.)<br />

Über die Witterung berichtet der Chronist seit dem Jahre<br />

1806: Es war ein guter Herbst und Vorwinter und bis Neujahr<br />

wie im schönsten Frühling. Im Dezember ging man an<br />

vielen Orten in die Samen und in das Gras. Die Weinbeerhecken<br />

hatten Lauib. Am ersten Januar den ersten Schnee.<br />

1810: Am Sonntag den 27. Mai war das schrecklichste<br />

Spektakel, das ich erlebe. Es gab nämlich nachmittags ein<br />

Donnerwetter und einen solchen Wolkenbruch, daß das<br />

Wasser so stark als einmal anlief und fast alle Steeg nahm.<br />

In dieses große Wasser, durch welches man bei weitem nicht<br />

mehr reiten konnte, fuhr der obere Kuhhirt aus dem Tannenwald<br />

hinein, wo kein Mensch mehr glaubte, daß nur noch<br />

ein einziges Stück Vieh davon kommen könnte. Vieles Vieh<br />

hat es zwei- bis dreihundert Schritt teils aufrecht, teils auf<br />

dem Rücken fortgeschwemmt, daß man oft ein Stück lange<br />

Zeit nicht gesehen. Doch retirierte sich wieder alles und<br />

wurde aufgefangen und sodann in Gottfried Winters, Vittalis<br />

und meinem Garten wieder abgeholt. Kein einziges Stück<br />

ging, Gott sei Dank, zu Grunde.<br />

1811: war die Witterung mit Anfang März bis Dezember<br />

ganz nach Wunsch. Es waren vom April kein Frost und<br />

kein Reif mehr. Der Mär' war warm und trocken und durch<br />

den Sommer Regen und Wärme gehörig. Aber wegen vielen<br />

Raupen und Mehltau gab es gar kein Obst und kaum die<br />

halbe Kornernte, aber viel und guten Wein. Die Frucht<br />

schlug gleich nach der Ernte auf und der Schi. Korn galt<br />

im Oktobris 9 fl.<br />

Cometstern. In diesem Jahr 1811 ließ sich ein außerordentlicher<br />

Kometstern vom Monat August am Himmel sehen.<br />

Dieser Stern war größer, aber dunkler als andere Sterne.<br />

Er hatte einen Schweif 6 Schuh lang und lief anfangs mit<br />

dem sog. Wagen und war abends bis zehn und morgens<br />

wieder nach drei Uhr sichtbar. Er stand aber immer höher<br />

und wurde gesehen bis in den Monat Dezember dieses Jahres.<br />

Üeber diesen sonderbaren Sternen wollten sich viele<br />

Leute sonderbare Bedeutung prophezeien.<br />

1816: Nachdem man nach vielen harten Kriegslasten,<br />

welche wie vornen zu sehen, über 25 Jahre dauerten, auf<br />

dei 1816 erfolgten Frieden aligemein bessere Zeiten erhoffte,<br />

so war doch bei Menschengedenken das Jahr 1816<br />

eines der härtesten. Schon im Frühjahr war das Futter für<br />

das Vieh so rar, daß der Zentner Heu 3 fl. kostete und auf<br />

die Letzte keines mehr zu bekommen war. Das liebe Vieh<br />

litt also großen Mangel, — dann ging es auch bald hart für<br />

die Menschen. Vom Monat April bis eingangs August waren<br />

nie drei gute Tag aneinander, und so nasse Witterung, daß<br />

alle Früchte große Not litten. Das Heu wurde mit harter<br />

Es war wenige Jahre nach dem Spanischer Erbfolgekrieg,<br />

der unserer Gegend zwar Truppendurchmärsche, aber<br />

keine Schlachten gebracht hatte. 1704 wurden die fälschlich<br />

sogenannten Schwedenschanzen bei Jungingen und Salmendingen<br />

angelegt, die das Killertal und die Talheimer Staig<br />

vor den mit den Franzosen verbündeten Bayern sperrten<br />

und deren Einmarsch ins Unterland verhindern sollten.<br />

Im Spät jähr 1714, in welchem Jahr der Friede von Rastatt<br />

Ringinger Zustände 1714<br />

Mitgeteilt von Johann A. Kraus<br />

Müne schlecnt eingebracht. Die wenigen Kirschen wurden<br />

erst Mitte August reif. Schon im Juni kostete der Scheffel<br />

Korn 8 fl. und bis Bartholomä ging derselbe auf 14, 15, ja<br />

16 fl. Das war aber erst kein gutes Korn. Anfang September<br />

war das Korn noch nicht reif. Die meisten Leute waren<br />

lange Zeit ohne Brot und litten großen Hunger. Sogar der<br />

Scheffel Haber kostete über 8 fl. Anfangs September war<br />

das Wetter wieder kalt und naß, und die meisten Leute<br />

dörrten das Korn in der Stube und in der Backstube. Erst<br />

in der zweiten Woche des Septembers konnte man die Ernte<br />

einbringen, die indessen sehr schlecht war. Der Scheffel<br />

Korn kostete 12 fl. Vom 18. September bis Allerheiligen<br />

war das Wetter schön. Am 16. Oktober war schon hart Winter.<br />

Erst am 19. Dezember ging der Schnee, und man brachte<br />

noch bis an das neue Jahr Hanf, Flachs und Haber ein, aber<br />

tropf naß. In Starzein waren noc\ r ehrere tausend Habergarben<br />

im Feld. Mit Furcht und Schrecken erwartete man<br />

eine große Hungersnot.<br />

1817: Entsetzliche Not und Teuerung. Der Januar war<br />

schön. Aber der Februar und März wieder sehr naß. Der<br />

Scheffel Korn kostete in Tübingen und Reutlingen 20 Gulden.<br />

Fast der ganze April war naß und regnerisch. Jetzt<br />

kostete der Scheffel Korn 28 Gulden. Es wurden für die<br />

Armen Almosen gesammelt. Die Gemeinde Jungingen mußte<br />

in Tübingen 1500 Gulden aufnehmen, um den armen Leuten<br />

helfen zu können. Anfangs Juni war das Wetter gut. Das<br />

Fielst» kostete 12 Kreuzer. Eine rechte Kuh kostete 100<br />

Gulden. Der Fürst mußte helfen. Der Scheffel Korn wurde<br />

von ihm auf 20 Gulden taxiert. Aber niemand wollte ihn<br />

so hergeben. Es gab, da der ganze Monat Juni gut war,<br />

sehr viel und gutes Heu. Der Scheffel Korn sank auf 16<br />

Gulden. Im Juli stieg die Not aufs höchste. Viele Leute<br />

mußten sich von Kräutern fürs Hungersterben ernähren.<br />

Brot und Mehl waren für sie nicht vorhanden.<br />

1818: extra trockener Sommer. Der Scheffel Korn<br />

wieder auf 7 Gulden.<br />

sinkt<br />

1821: Sehr nasser und kalter Sommer.<br />

1822: Sehr milder Winter. Es gibt viel Obst und Heu.<br />

Es war sehr trocken, so daß fast alle Quellen versiegten.<br />

Man mußte bis Riedlingen in die Mühle fahren.<br />

1823: ist wieder sehr trocken.<br />

1824: naß und kalt. Die Ernte sehr schlecht.<br />

1825: Futtermangei und das Vieh sehr billig.<br />

1828: war ein solches Raupenjahr, daß die Obrigkeit Befehl<br />

geben mußte, die Bäume von diesem Ungeziefer zu<br />

befreien. Im Monat März nahmen die Raupen so überhand,<br />

daß alles Laub an den Bäumen gefressen wurde und die<br />

Bäume im Juni wie an Weihnachten aussahen. Schon im<br />

Monat Juni verwandelten sich die Raupen in Schmetterlinge<br />

(Weinfälter). Sie flogen in großen Schwärmen wie die<br />

Bienen umher und verören sich aber im Juli ganu Sicher<br />

ein merkwürdiges Jahr!<br />

1829: war ein sehr nasser und kalter Jahrgang. Der Winter<br />

war außerordentlich und brachte vier Monate strengste<br />

Kälte, so daß viele hundert Zentner Kartoffeln in den Kellern<br />

verfroren.<br />

h * «<br />

Nun doch noch kurz zu den Vorfahren des Chronisten:<br />

Michael Bumilier, zuerst genannt im Kirchenbuch 1688,<br />

seine Frau Christine, geb. Speidel,<br />

Christian Bumilier 1701—1776,<br />

Sylvester Bumilier 1737—1810,<br />

Christian<br />

von da an:<br />

Bumilier, Lehrer (der Chronist) 1767—1851,<br />

Luzian Bumilier, wie oben,<br />

Daniel Bumilier, gest 1890.<br />

Casimir Bumilier d. Vater 1859—1930.<br />

Zui bemerken ist ferner noch, daß die hiesige Sägmühle<br />

(untere oder obere?) im Jahre 1544 im Besitz eines Bernhard<br />

Buechmüller war. (Hagens Lagerbuch der Grafschaft<br />

Zollern, Band Jungingen, Mitteilung Kraus 1933.)<br />

geschlossen wurde, hat die Fürstenbergische Regierung eine<br />

Beschreibung des Dorfes Ringingen anlegen lassen (Archiv<br />

Donaueschingen), die wissenswerte Einzelheiten über Personen-,<br />

Vieh-, Güter- und Schuldenstand der Einwohner<br />

bringt und eine wertvolle Erweiterung unserer Kenntnis der<br />

Vergangenheit darstellt, da wir sonst aus jener Zeit nicht<br />

allzuviel wissen. Wir entnehmen daraus:<br />

„Erstlich hat die Gemeind Ringingen an Ackerfeld unge-


2 UOUENZOLLKRISI 'Li HC1M Jahrgang 1954<br />

fähr 10 Jauchert in den Häberen (Haberösch), welches Feld ist<br />

nach Talheim in Wirtemberg gegen 200 fl. (Gulden). Weiter<br />

ist obiges Gut dem Heiligen alhier versetzt gegen 160 fl. Es<br />

soll gegen 200 fl. wert sein. Dieses Feld möchte, wenn es gut<br />

steht, etwa 250 Garben Vesen geben. In einem Fehljahr aber<br />

getraue sich die Gemeinde darauf 150 Garben zui fassen,<br />

weil flas Feld oftmal vom Schnee verlegt werde. Habergarben<br />

mag es im besten Falle 150 geben, im schlechten Fall<br />

100 Garben. Wann es sollte mit Vesen angeblümt (angesät)<br />

werden, brauche man dazu 8 Scheffel, Haber aber seien 4<br />

Scheffel nötig (1 Scheffel' == 8 Reutl. Simere 173 Liter).<br />

Weiter hat im obigen Oesch die Gemeinde ein Stück<br />

Ackerfeld, Altägert genannt, 6 Jauchert, das zu einer Weide<br />

liegen bleibt, die ungefähr 60 fl. wert sein möchte, weil es<br />

nur rauhes schlimmes Feld ist.<br />

Weiter hat die Gemeinde ein Stück Aegertfeld, so nach<br />

Salmendingen versetzt ist gegen 80 rheinische Gulden von<br />

ungefähr anderthalbhundert Jahren her, welches alle Jahr<br />

strittbar ist. Aber der Flecken Salmendingen will selbiges<br />

Feld nit mehr zurückgeben. Im Winterösch hat die Gemeinde<br />

einen schlimmen Trieb, gegen 6 Jauchert groß, so nit zu<br />

nutzen ist. Weiter einen gemeinen Weidtrieb ob dem Dorf<br />

(wohl auf Hälschloch oder dem Weiler) ungefähr 6 Jauchert,<br />

so lauter Stein und Felsen und nij wert ist.<br />

Im Brohösch hat die Gemeind ein Stuck Feld mit ungefähr<br />

200 Jauchert gemeinen Trieb und Weidstrich, so bisweilen<br />

davon etwas kann gebauiwet werden, aber der mehriste Teil<br />

davon ist böses Feld und nit vil wert. Die Haab (d. h. Weidevieh)<br />

soll davon geweidet werden. Weiter hat die Gemeinde<br />

ein Stuck gemeines Feld, welches halb verwajen ist mit<br />

Hecken und Stauden, und mehreren Teil Bühl und Felsen,<br />

gegen 250 Jauchert samt Felsen und Stein. Wegen Schlimme<br />

des Bodens ist das Feld nit wohl zu schätzen (Hautenwies?).<br />

Gemeindewaldungen :<br />

Der Wald Eisenloch ist halben Büsch, halben recht Buchenbrennholz,<br />

davon die gemeine Burgerschaft nach 8 oder 9<br />

Jahr Holz haben wird. Dieser Wald soll ungefähr 150 Jauchert<br />

sein.<br />

Weiter 2 Halden, welche mit Faschinenhauen zue der<br />

Schanz (d. h. Schwedenschanze bei Jungingen!) seint ruiniert<br />

worden und anjetzo ein Hau und Gestreuß ist. Die genannten<br />

(Seeheimer-) Halden werden auch gegen 200 Jauchert<br />

geachtet, ist jedoch alles ungemessen Feld. (Die<br />

erste Vermessung fand 1728 rund beim Heufeld erst 1785 statt.)<br />

Item eine Waldung mit jungem Gebüsch, Bebenloch samt<br />

dem Kalchofen, so ungefähr 8 Jauchert groß ist, und der<br />

Gemeinde eigen.<br />

Item ein Häldele, genannt Breineschmack, liegt einerseits<br />

an der gnäd. Herrschaft (Kirchholz), anderseits am Diebsteig,<br />

ungefähr 6 Jauchert, mit kleinem Buchholz bewachsen.<br />

Item ein gemeiner Weidstrich im Seeheimertai (offenbar<br />

der Wasen), ungefähr 8 Jauchert, weicher durch die leidigen,<br />

schweren und großen Kriegsgelder an Contribution<br />

versetzt worden zur Zeit des Rentmeisters Höge, weilen<br />

er uns angestrengt hat zu vielen Geldern, und gegen<br />

20 Mann in Arrest hat behalten, und wir es<br />

wegen unserer Armut nit haben aufbringen können ohne<br />

Versatz dieses Gutes, so nach Jungingen ist versetzt<br />

worden für 250 Gulden, so aber jetzt Michel Ruoß<br />

(Hs. 132) und Johannes Volk, Sonnenwirt, ausgelöst haben.<br />

Diesen vergangenen Sommer 1714 habei' wir die gemeinen<br />

Krautländer versetzen müssen gegen 150 fl nach Meldungen.<br />

Es sind ungefähr 3 Jauchert, wir sind nämlich angestrengt<br />

worden von der Herrschaft Fürstenberg vor der Erntezeit<br />

unc 1 wir sonst es nit hatten aufbringen können wegen übergroßer<br />

Armut, daß der mehriste Teil der Inwohner<br />

kein Brot mehr gehabt.<br />

Item ein Weidstrichle ob der Halden, ungefähr 8 Jauchert,<br />

worauf die Haab (das Vieh) wöchentlich einen halben<br />

Tag sich erhalten kann.<br />

Letztlich hat die Gemeinde ihre übrigen wohlbewußten<br />

Schulden zusammengezogen, so sich erstrecken gegen<br />

2 700 Gulden, die jährlich zu verzinsen sind ohne diejenigen<br />

Posten, die in herrschaftlichen Büchern uns aufgeschrieben<br />

stehen. Neben diesen großen Schulden haben wir noch verkaufen<br />

müssen eigene Güter über die 250 Gulden, so<br />

alles zu Kontribution (Kriegsabgaben) ist verwandt worden.<br />

(Nach Eisele galt 1709 im Trochtelfinger Amt ein Scheffel<br />

Vesen 2 Gulden, somit kann man sich ein ungefähres Bild<br />

machen. Dazu kamen noch die 840 Gulden, gegen die jene<br />

Güter versetzt waren.)<br />

Von einer guten Jauchert Acker schneidet man 30 bis 35<br />

Garben (heute zum nindesten 80—120!). Von einer mittelmäßigen<br />

Jauchert 20—25 Garben. Von einer schlechten Jauchert<br />

15 oder 18 oder auch weniger. (Sicher war an der ge-<br />

ringen Garbenzahl nicht der Grund allein ausschlaggebend,<br />

daß man die Garben, des Zehnten wegen, größer machte als<br />

heute.) Vesen säe man auf eine Jauchert 7—8 Simmere, Haber<br />

3—4 Simmere, Roggen auch so viel. Gerste baue man<br />

wenig oder nij. Von einer guten Vesengarb dresche man<br />

Va Viertel oder 3 Ihmi. Von mittelmäßigen oder krautigen<br />

Garben 2 Ihmi, von schlechten Garben aber 1 Ihmi oder IV2.<br />

Von guten Roggengarben dresche man P/2 Ihmi, von<br />

schlechten 1 Ihmi. Von einer Gerstengarbe 2 Ihmi und von<br />

schlechten 1 Ihmi, von guten Habergarben je 3 Ihmi, von<br />

krautigen oder schlechten IV2 Ihmi oder nur eines. So ist es<br />

bei allen Garben von jedem Hofe zu verstehen.<br />

Von einem guten Mansmad Wiesen könne man 1 Wagen<br />

mit Heu machen und Ehmbt Vs Wagen oder weniger. Jedoch<br />

seind in allem nit viel gute Wiesen auf unserem Boden und<br />

Gemeinde. (Die besten hatte nämlich die Herrschaft. Ein<br />

Jauchert ist nach Eisele gleich 1 ein Fünftel Morgen. Jedoch<br />

gab es alte Jauchert, die größer waren als die neueren. Die<br />

Ringinger waren damals sowieso noch nicht gemessen. Zum<br />

Vergleich sei angeführt, daß des Pfarrers Schächerwiese zu<br />

Ringingen, einschließlich Metzgers Haus und Garten, der im<br />

18. Jahrhundert gegen den sog. Lustgarten eingetauscht worden<br />

war, im ganzen 2 Mansmad groß ist.)<br />

Von Holzwiesen, so alle schlecht, mache man von 8 Jauchert<br />

kaum einen Wagen voll mit Heu, doch böses Futter,<br />

so nit woll zu fuettern. Bisweilen heue man diese Wiesen<br />

gar nicht, sondern lasse sie zu Weide liegen. (Holzwiesen<br />

waren die Heufelderwiesen, die auf Markung Salmendingen<br />

lagen. Die Ringinger durften darauf keinen Baum, deren es<br />

viele gab, und keine Hecke, die massenhaft wucherten, weghauen.<br />

Dies Recht stand den Salmendingern zu. Da an ein<br />

Düngen nicht zu denken war, kann man sich dieses geradezu<br />

minimale Erträgnis vielleicht erklären.)<br />

Daß auch bisweilen größere Jauchert und kleinere gefunden<br />

werden, ist bekannt. Jedoch bleibt jeder bei seinen<br />

alten Marken und Zielen. Es wäre zwar guet, wenn sie<br />

gleich waren.<br />

Weil wir wenig Heuiwax haben, so fuettern wir den<br />

ganzen Winter Stroh.<br />

^ Auf die Frage, wie sich einer ernähre, ist die Antwort, daß<br />

sich der mehriste Teil mit Taglöhnen in und außerhalb der<br />

Herrschaft ernähre, etliche aber mit Brotsamblen oder deutsch<br />

zu sagen: betteln, weil bei uns nix zu handeln und tun ist.<br />

Auf die Frag, was dem Dorf abgehe, sagen sie: sie hätten<br />

Mangell groß an Wasser bei Sommer- und Winterzeit oftermalen.<br />

4 Betreffend die Kirche: wäre selbige jetzrnahls groß genueg,<br />

weil wir selbe vor 7 Jahren haben angefangen von<br />

neuem zui bawen, die bis dato wegen Armuth nit ist ausgemacht<br />

worden, sondern die Glocken hangen noch außerhalb<br />

der Kirchen, weil wir noch keinen Thum dazu haben und<br />

keinen Stundzeiger, auch fast kein Mauer umb den Kirchhoff.<br />

>\ Der damalige Pfarrer Johann Baptist Luib sei oft in der<br />

Woche abwesend. Der Mesner wäre schon ein guter Schuelmeister,<br />

allein man schicke die Kinder wenig in die Schuel,<br />

gebe dem Schuelmeister schlechten Lohn und habe sonst kein<br />

Wartgeld wegen der Schuel. Es kombt also die Jugend wegen<br />

unserer Armut im Schreiben und Lesen fast in Abgang.<br />

Und der mehriste Teil Burger bei uns nit lesen kann oder<br />

schreiben.<br />

Den Frucht- oder Großzehnten genießt die Herrschaft, den<br />

lutzehnten, wie auch von Erbsen, Bohnen, Wicken, Kraut,<br />

Hampf und anderes bezieht der Herr Pfarrer.<br />

In dem Flecken sei weder für die Burgerschaft, noch für<br />

Schütz und Hirten und Solldarten (Soldaten) kein gemeines<br />

Haus oder Stuben, darin etwas Nutzen zu schaffen. (Noch<br />

1777 hatte Ringingen kein Rathaus!)<br />

Zur Bestreitung des gemeinen Fleckens hätten sie wenig<br />

oder gar nix, weilen die gueten Gemeindsgüter, Triebe und<br />

Weidestriche längstens versetzt seint, wie schon gemeldet<br />

worden.<br />

(Es folgt nun eine Aufzählung sämtlicher 83 Familien mit<br />

Kinderzahl und deren Alter, Viehstand mit Altersangabe,<br />

Zustand des Hauses, wobei 37 Häuser noch keinen Schornstein<br />

besitzen, und es bei einigen andern sehr zweifelhaft<br />

ist. Es folgen Gärten und Felder, eigene und als Lehenbesitze,<br />

Zinsgüter, Abgaben und Schulden und zuletzt Kriegsgelder,<br />

die sie für alle Einwohner jährlich zusammen auf<br />

rund 1930 Gullen und mehr belaufen. Diese Famiiienbeschre<br />

p. ung ist Ernrl die Ringinger Familienforschung von unersetzlichem<br />

Wert, weil sie die lückenhaften Kirchenbücher<br />

wenigstens ein Stück weit ergänzt. Es kann hier nur eine<br />

Probs fegeben werden. Wir wählen denn:)<br />

Martin 3ailer, Schultheiß, ist 47 Jahre alt, 17 Jahre verheiratet,<br />

hat 3 Söhne: Jakoo mit 12 Jahren Johann mit 9<br />

Jahren, Antoni mit 3 Jahren. Ferner eine Tochter Anna mit


Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 43<br />

•V4 Jahren. Dazu 1 Knecht und 1 Magd von hier mit je 25<br />

Jahren. 4 Pferde und Kühe mit Altersangabe, doch sind 2<br />

Kühe nur sein eigen, die beiden andern hat er in Bestand<br />

(Pacht), 2 halbjährige Schweine (soviel hat keiner mehr<br />

Schweine im ganzen Dorf!), 2 Kalbele und 2 Kälble. Haus<br />

und Scheuer unter einem Dach in gutem Bau, die Schweinesteig<br />

ist nit gut. Schornstein gut Grasgarten mit wenig verfrorenen<br />

Bäumen. 36 Jauchert Lehenfelder mit Angabe deren<br />

Güte. Er giltet davon der Martinspflege Ebingen, der die<br />

Güter eigen sind, und dem hiesigen Pfarrer 3V2 Scheffel Vesen,<br />

1 Scheffel 6 Simmere Haber, 2 Viertel Bohnen, 120 Eier,<br />

1 Henne, 2 junge Hühner und 6 Schilling Geld. Außerdem<br />

gibt er aus seiner Hofstatt der Herrschaft 6 Viertel Vogthaber.<br />

Eigene Aecker hat er nur 5 Viertels Jauchert, muß<br />

daraus jedoch jährlich dem Heiligen nach Killer 2 Viertel<br />

Frucht gilten. Wiesen besitzt er F/2 Mansmad, die bei guten<br />

Zeiten 2 Wägele voll Heu, aber kein Oehmd geben. Holzwiesen<br />

auf Heufeld hat er 6 Jauchert und schneidet darauf<br />

kaum einen Wagen schlechtes Heu. Eine Waldung mit halb<br />

Busch, halb nix gehört ins Lehen. Immen hat er drei. Schulden<br />

a) nach Ebingen 32 fl. Kapital, dagegen sei das Lehen<br />

versetzt; b) dem Heiligen alhier 16 fl.; c) der Mutter noch<br />

am Haus schuldig samt seinen Geschwistrigen 200 fl.; d) Item<br />

der Mutter solle er jährlich geben das Erträgnis eines Jaucherts<br />

Vesen und eines Jaucherts Haber; e) von Ebingen aus<br />

fordere man alte Zinsen und Gilten aus dem Gut von 50 und<br />

mehr Jahren her, er wisse nit wie viel. Contributionsgelder<br />

gebe er jährlich ungefähr 58 fl. ohne die Nachläger und Winterquartiere.<br />

Dazu habe er noch gewöhnliche kleine Schulden<br />

von zusammen gegen oder über 30 fl. (Das ist einer der<br />

größten und „reichsten" Bauern! Andere sind geradezu in<br />

katastrophaler Lage. Es seien nur einige Angaben herausgenommen:)<br />

Christian Dietz mit Frau und 2 Kindern hat eine Kuh im<br />

Bestand (Pacht) mit 10 Jahren. Haus und Scheuer beisammen,<br />

mittleren Baues, keinen Schornstein. Hat weder Garten<br />

noch Aecker noch Wiesen, lebt von der Handarbeit.<br />

Steuern: Aus dem Häusle jährlich 1 Gulden Bodenzins. Sonst<br />

keine Schulden, denn man borge ihm nij. Kriegsgeld solle<br />

er jedes Jahr gegen 10 Gulden zahlen (!).<br />

Lehenfelder hat die Herrschaft, die Martinspflege Ebingen,<br />

die Gallenpflege Truchtelfingen, das Kloster Stetten bei<br />

Hechingen und der Heilige hier.<br />

Christian Dorn, Leineweber, mit 3 Kindern und Frau hat<br />

eine Kuh mit 7 Jahren, und ein Geißle, sonst nichts Lebendiges.<br />

Haus und Scheuer sehr ruinös. Kleines Krautgärtlein<br />

dabei. 2 Jauchert Holzwiesen auf Heufeld, die sc' lecht sind.<br />

Sonst nichts als Schulden: der Schwester 12 fl. und 2 Scheffel<br />

Frucht. Kriegsgeld verlange man von ihm jährlich gegen 12 fl.<br />

Bernhard Riedingers Witwe (im heutigen Gregoris Haus)<br />

hat einen Obstgarten mit ungefähr '/2 Mansmahd, aber<br />

keine Bäume darin. „Bey harten Zeiten und groß Kriegsgeldern<br />

seint ihre Gieter alle versetzt gegen 100 Thaler".<br />

Außerdem hat sie noch über 170 fl. Schulden und was bei<br />

der Herrschaft an Geld und Frucht noch schuldig ste..t, ist<br />

nit bewußt. Kriegsgeld jährlich 60 fl. oder mehr, ohne Nachtlager<br />

und Wirterquartiere. Sie hat sonst 4 Pferde und 2<br />

zweijährige Ochsen und 3 Kühe usw.<br />

Jerg Dorn, Zimmermann, hat Frau und 1 Kind und eine<br />

Bestandskuh mi' 9 Jahren. Haus und Scheuer beisammen.<br />

Sonst nichts, auch keine sondern Schulden, weil er wegen<br />

seiner Armut nit hat, daß man ihm was borge. Aber Kriegsgeld<br />

fordert man 7—8 Gulden jedes Jahr.<br />

Friedrich Stecher mit Frau und 1 Mädle soll jährlich 3<br />

Gulden Kriegsgeld geben. Im übrigen hat er gar sauber<br />

nix als die Armut, daß man sihet.<br />

Auffallen muß die große Anzahl schlechter Häuser. Auch<br />

die kleine Zahl Eigenfelder, die fast durchweg aber dem hiesigen<br />

oder Killemer Heiligen Zins zahlen müssen. Fast die<br />

Hälfte alles Viehes ist nicht eigen, sondern nur im Bestand,<br />

d. h. in Pacht gehalten.<br />

Auch fällt auf die unverhältnismäßig hohe Zahl von Zugtieren<br />

im Vergleich zu heute, dagegen die wenigen Milchkühe.<br />

Die Lehenbauern bauen immer auch V2 bis 1 Jauchert<br />

in jedem Oesch der Herrschaft in Fron. Da viele nicht lesen<br />

und schreiben konnten, darf es nicht wundern, daß sie nicht<br />

wußten, wie groß ihre Schulden waren, besonders wenn sie<br />

schon Jahre standen. Jerg Beck z. B. bekennt treuherzig,<br />

er sei an seinem Gut noch schuldig, wisse nit wohin und<br />

wem, gegen 600 Gulden.<br />

Jakob Honer, Schmied, hat Frau und 11 Kinder, ein kleines<br />

Häusle ohne Scheuer und ohne Schornstein, 2 Bestandskühe,<br />

1 Schwein und 1 Immen im Bestand, zinst der Herrschaft<br />

aus seinem Häusle jährlich 20 Kreuzer. Schulden habe<br />

er keine, auch nij zu fordern. Kriegsgeld müsse er soviel<br />

geben als man von ihm verlange, und habe nix zu versetzen<br />

als seinen hungrigen Haufen Kinder.<br />

Einer sagt, sein Haus sei am Einfallen, ein anderer seine<br />

Hütte und Scheuer sei überaus schlecht.<br />

Des Caspar Hippen Waldung von 6 Jauchert ist mit Schanzen<br />

verderbt worden. Conrad Steinhäusler hat vom Sächsischen<br />

Winterquartier her jedes Jahr über 50 fl. zahlen müssen<br />

und im Saxenkrieg sei der Pfennig auf einen Gulden<br />

kommen. Von Josef Nadler heißt es, er wolle gern arbeiten,<br />

wenn er nur Brot für Weib und Kinder schaffen könne, es<br />

mangeln ihm die Kleider und mehr ...."<br />

Es waren damals in Ringingen 83 Familien mit 71 Frauen,<br />

138 Söhne und 154 Töchtern, 2 Knechten und 5 Mägden, 128<br />

Pferden, 61 Stiere, 134 Kühen, 109 Stück Schmalvieh, 41<br />

Schweine (!), 10 Schafe und 42 Geißen. Das Kriegsgeld von<br />

jährlich über 1930 Gulden haben wir schon oben angeführt.<br />

Privatschulden haben die Bürger zusammen rund 8 900 Gulden,<br />

denen keine 200 Gulden Guthaben gegenüberstehen. In<br />

Fron bauen alle zusammen der Herrschaft in drei Oeschen<br />

je 32 Jauchert Aecker, und liefern die Früchte ohne Entgelt<br />

in die Zehntscheuer. Schuldig sind einige außerdem noch 355<br />

Scheffel Frucht und 100 Taler und 12 wissen gar nicht, wie<br />

viel sie an Geld und Frucht noch zahlen müssen.<br />

Elfhundert Jauchert Lehenäckern stehen nicht ganz 200<br />

eigene gegenüber, die jedoch ois auf wenige zinsen müssen,<br />

wie oben mitgeteilt. Es werden erwähnt rund 30 Jauchert<br />

Lehenwaid, rund 82 Mansmahd Wiesen, die jedoch meist<br />

Lehen sein dürften, und rund 290 Jauchert Holzwiesen auf<br />

Heufeld.<br />

Aus den Lehengütern lieferten die Ringinger jährlich von<br />

160 Scheffeln Vesen und über 90 Scheffel Haber ab. dabei<br />

isl aber der Zughaber, von jedem Zugvieh ein Tübinger<br />

V drtele*) noch nicht gerechnet. Auch nicht Hanfsamen,<br />

Wachs, Eier, Hennen, Hühner, sowie die Abgaben an Ge 1.<br />

Noch sind nicht eingerechnet die Zehnterträgnisse und die<br />

Landgarben.<br />

*) Elf Tübinger Viertele sind in Ringingen 1530 gleich 8<br />

Simmere unü gleich einem Scheffel. Später jedoch hat man<br />

das Viertel fälschlich einem Simmere gleichgesetzt.<br />

Der Wirtschaftsbetrieb zu Wald in der ersten Klosterzeit<br />

Im südlichen Hohenzollern liegt auf fruchtbarem Hügelgelände<br />

das ehemalige Walder Amt, dem Kerne nach die alte<br />

Klosterherrschaft. Ganz im Anfang des 13. Jahrhunderts<br />

wurde in Wald eine Niederlassung der Cisterzienser-Nonnen<br />

gegründet; der Stiftungsbrief trägt das Datum: 1. April 1212.<br />

Kaum sind die ersten hundert Jahre vergangen, so sehen wir<br />

in den Händen der Aebtissin und des Convents eine stattliche<br />

Anzahl Höfe und Besitztümer in der ganzen Umgegend,<br />

die durch Schenkung ode ' Kauf an das Kloster gekommen<br />

waren. Außer dem eigentlichen Klosterareal mit seinen Gärten,<br />

Aeckern, Wiesen, Fischweihern, Mühlen, Eichen und<br />

Nadelwäldern, gehörte zu den ältesten Besitzungen: der Hof<br />

zu Lizelbach, schon 1216 in dem Schutzbrief des Königs<br />

(seit 1220) Kaisers Friedrichs II. erwähnt, Güter in R01tenlachen<br />

(1230). das ganze Anwesen im Burren (1241),<br />

einige Hofstätten in Reischach (12^6), die Mühle in<br />

Buffenhofen (1253), Aecker und Wiesen, Kirche und<br />

Kirchensatz in Walbertsweiler (1259), ein großer Hof<br />

in Gaisweiler (1257), der Hnf zui Weihwang (1266),<br />

"as ganze Dorf Riedensweiler (1269—1278), die fünf<br />

Höfe in I g e 1 s w 1 e s (1274—1280), einzelne Höfe in Ruhestetten<br />

samt der niederen Gerichtsbarkeit über den ganzen<br />

Ort (1277). Vom Jahre 1300 an schreitet die Erweiterung<br />

und Abrundung des Besitzstandes noch eine zeitlang vorwärts,<br />

um dann etwa vom Jahre 1400 an, verschiedener Umstände<br />

wegen, etwas zurückzugehen und stabil zu bleiben bis<br />

zur Klosteraufhebung 1806, wo das Kloster mit allen Suiuveränitäts-<br />

und Eigentumsrechten dem fürstlichen Hause Hohenzollern-Sigmaringen<br />

zugeteilt wurde.<br />

Während nun bei den alten Benediktinerklöstern (Reichenau,<br />

St. Gallen, Lorch, Hirsau) der Grundbesitz in den<br />

Händen und in der Bewirtschaftung höriger Bauern lag,<br />

welche dem Kioster gegenüoe' Geidzinsen und Naturallieferungen<br />

leisteten, gingen die Cisterzienser, zu denen ja auch<br />

Wald gehörte, in den ersten Jahren ihres Bestehens auf den<br />

Eigenbetrieb und die Selbstbewirtschaftung des Grundbesit-


44 H O H E N Z O L L E K I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

zes über. Dieser Eigenbetrieb erforderte intensive Arbeitstätigkeit,<br />

zu welcher die wenigen Stunden nicht ausreichten, die<br />

in der Ordensregel für die Handarbeit freigelassen waren.<br />

Die Religiösen mußten sich, um ihren hauptsächlichsten Beruf:<br />

das Chorgebet, den Gottesdienst, das Studium, nicht<br />

ganz beiseite zu lassen, nach zuverlässigen Arbeitern umsehen.<br />

Wenn diese unbedingt nötig waren bei den Mönchen,<br />

dann um so mehr in den Frauenklöstern, wo schon die Klausur<br />

die Arbeit auf den umliegenden Ackerhöfen verbot, wo<br />

aber auch der Bodenbaul selbst mit allen notwendigen Begleitarbeiten<br />

männliche Arbeitskräfte erforderlich machte.<br />

So gliederten die Cisterzienser ihrem Orden eine treue<br />

Arbeiterschar an, die sogenannten Konversen, die einesteils<br />

den Religiösen ihr asketisches, durch die Regel vorgeschriebenes<br />

Leben ermöglichten, und andernteils durch gewissenhafte<br />

Außenarbeit die Klosterbewohner beim Erwerb<br />

des Lebensunterhaltes unterstützten. Da man in ihnen in<br />

erster Linie Arbeiter sah, durften nur solche genommen werden,<br />

welche die begründete Hoffnung gaben, daß sie auf dem<br />

Gebiete der Landwirtschaft oder in den Klosterwerkstätten<br />

ihren Mann stellten. Bevor sie zum Probejahr zugelassen<br />

wurden, mußten sie sechs Monate in weltlicher Kleidung<br />

dienen. Nach Vollendung des einjährigen Noviziates unter<br />

Leitung des Konversenmeisters wurde der Kandidat in das<br />

Kapitel geführt und legte dort in die Hände des Abtes<br />

oder der Aebtissin das Versprechen des Gehorsames ab und bekam<br />

dann das Klosterkleid: die Tunika und ein kurzes Skapulier,<br />

an welchem eine Kapuze befestigt war. Im Kloster<br />

bewohnten die Konversen den westlichen Flügel und hatten<br />

gemeinsame Räume: den Schlafsaal, den Speisesaal und den<br />

Wärmesaal für den Winter. Ihre gemeinsamen Gebetsübungen<br />

waren bedeutend kürzer als bei den Mönchen; Klausur<br />

und Stillschweigen waren nicht streng. Es gab bei ihnen<br />

keinen Unterschied zwischen Hörigen und Freien: von dem<br />

Augenblick an, wo einer das Konversenkleid empfing, wird<br />

er als freier Mann betrachtet.<br />

Den eigentlichen Schauplatz der Konversentätigkeit bilden<br />

die Werkstätten der Schubmacher, Weber, Schneider, Schreiner<br />

und Schmiede, die Mühle und das Backhaus, die alle,<br />

mit Ausnahme der Mühle innerhalb der Klostermauern lagen.<br />

Ein großer Teil der Konversen aber war auf den Ackerhöfen<br />

in der Landwirtschaft tätig; und gerade diese wurden<br />

vorbildliche Lehrer des Ackerbaues, und die von ihnen bebauten<br />

Höfe wurden Musterwirtschaften für die ganze Umgegend.<br />

„Zufrieden mit kärglicher Kost arbeiten sie jahraus,<br />

jahrein für den Unterhalt und die Wohlfahrt des Klosters<br />

mit einer Uneigennr.tzigKeit und Treue, wie sie sich von<br />

Fronarbeitern oder Taglöhnern nicht erwarten läßt. Sie arbeiten<br />

nicht um zeitlichen Lohn, sondern in frohem Bewußtsein,<br />

daß sie Anteil haben an allen Privilegien des Ordens<br />

und allen geistlichen Verdiensten derer, denen sie ihre Körperkräfte<br />

zur Verfügung stellten. Kommt dann das Alter an<br />

sie heran, wo sie nicht mehr arbeiten können, so ziehen sie<br />

sich in das Kloster zurück, um dort, geehrt von ihren Mät-<br />

Am 24. Juni 1520 richteten die Grafen Chris .. ,;ph von<br />

Werdenberg, Joachim von Zollern und T'ruchseß Georg<br />

von Waldburg als Vormünder der Kinder des verst. Grafen<br />

Franz Wolfgang von Zollern an den Bischof<br />

Hugo von Konstanz folgenden Antrag: Schon unter dem<br />

verewigten Grafen Franz Wolfgang v. Z. habe der heirngegangene<br />

Weilheimer Pfarrer Michael Ott zur Collegiatkirche<br />

Hechingen und zum Altar der hl. Anna, St. Michael<br />

und Ursula mit der damit verbundenen Predigerstelle 30<br />

fl (Zins) vermacht. Doch habe sich gezeigt, daß der hierzu<br />

bestimmte Priester seine drei Aemter nicht verwalten könne,<br />

besonders bei Sterbensläuften und grassierender Pest, nämlich<br />

Prädikatur, Kanonikat und Altarpfründe S. Johannis<br />

Baptistae, die der nochw. Herr Magister Michael Carp<br />

e n t a r i i besitze. Nun bitten sie zu bestimmen: Der genannte<br />

Magister Michael und seine Nachfolger sollen an<br />

allen Sonntagen des Jahres zu gegebener Zeit die Predigt<br />

ans Volk halten oder halten lassen. An den Apostel- und<br />

Marienfesten jedoch braucht er nicht predigen, sondern soll<br />

es der jeweilige Leutepriester oder dessen Stellvertreter tun.<br />

Bei Freiwerden seines Kanonikats darf nur ein wirklicher<br />

Priester und Magister der freien Künste und Bakkalaureus<br />

der hl. Theologie nach Aufnahme ins Stift und Vereidigung<br />

auf die Statuten darauf angenommen werden. Dieser Pre-<br />

Vom Collegiatstift Hechingen<br />

brüdern, ihre letzten Lebenstage zu verbringen unc 3 in der<br />

Mitte derer, für die sie im Leben gearbeitet, ein bescheidenes<br />

Grab zu finden"<br />

Immer wieder sprechen die alten Walder Urkunden von<br />

diesen Konversen. Kaum 20 Jahre nach der Klostergründung<br />

sucht ein Burkard von Rottweil, Höriger des Abtes von St.<br />

Gallen, um die Erlaubnis nach, in Wald als Konverse eintreten<br />

aui dürfen. Auch als Zeugen bei Käufen und gerichtlichen<br />

Verhandlungen werden die Konversen zugezogen, so<br />

bei einer Güterschenkung in Gebratsweiler 1261. — Ein Höriger<br />

des Abtes von Weingarten, Berthold von Pfullendorf,<br />

ersucht 1271 seinen Herrn um Genehmigung, als Konverse<br />

in das Kloster Wald eintreten zu dürfen. — Und als Wald<br />

1272 das Fischrecht zu Ablach geschenkt bekam und Graf<br />

Mangold zu Nellenburg die Schenkung beurkundete, wird<br />

der Konverse Berthold von Bittelschieß als Zeuge aufgeführt;<br />

derselbe Berthold tritt auch 1278 mit zwei anderen Walder<br />

Konversen: Heinrich Orden und Bruder Friedrich als Zeuge<br />

auf bei einem Güterkauf in Haslach. — Im Jahre 1284 wird<br />

der Klosterschneider, der Konverse Konrad, erwähnt, als<br />

das Kloster in dem abgegangenen Weiler Hausen bei Walbertsweiler<br />

Besitzungen käuflich um 22 Mark Silber erwirbt.<br />

— In demselben Jahre lebte auch noch der Konversbruder<br />

Friedrich, der schon 1278 genannt ist. — 1302 wird dem Reichenauer<br />

Laienbruder Walther von Ahausen die Erlaubnis<br />

erteilt, als Konverse in Wald das Cisterzienserkleid aus der<br />

Hand der Aebtissin zu empfangen. — Zum letzten Mal werden<br />

Konversen in Walder Urkunden aufgeführt im Jahre<br />

1333, und zwar gleich fünf: Konrad Graf, Heinrich Schmid,<br />

Konrad Sulger, Burkard Spaichung und Eberhard von Raitenbuch.<br />

— Außer diesen mit Namen bekannten Konversen<br />

haben noch viele andere in der ersten Walder Klosterzeit<br />

in stiller, unverdrossener Arbeit die Kräfte ihres Leibes und<br />

Geistes in den Dienst der Aebtissin und des Convents gestellt,<br />

haben in den Werkstätten ihre Pflicht getan, haben<br />

die Güter umgetrieben und die Herden betreut und dafür<br />

als freie Männer des Klosters Schutz genossen, an allen seelisch-geistigen<br />

Gewinnen Anteil erlangt und eine gute Versorgung<br />

bis zutm Tode zugesichert erhalten, denn mit dem Kloster<br />

war ein Altersheim, eine Pfründneranstalt, verbunden.<br />

Von Mitte des 13. Jahrhunderts an beginnt eine neue<br />

wirtschaftliche Form sich auszubreiten, insofern, als an die<br />

Stelle der Naturalwirtschaft die Herrschaft des Geldes tritt.<br />

Durch das Aufblühen der Städte und die Landflucht der<br />

hörigen Bauern nahmen die Konversenberufe ab auch ihre<br />

straffe Disziplin ließ sich nicht mehr durchführen. Ein Ackerhof<br />

iach den • andern mußte verpachtet und der Eigenbetrieb<br />

nach und nach eingestellt werden. Die Konversen werden zuletzt<br />

nur noch im Hausdienste verwendet, bis die ganze Einrichtung,<br />

die so segensreich in den ihr entsprechenden Zeitverhältnissen<br />

gewirkt hatte, vom Generalkapitel des Cisterzienserordens<br />

und von der Kirche um das Jahr 1340 aufgehoben<br />

wurde. Waldenspul-Melchingen.<br />

diger soll in Chor und Kapitelsversamrnlungen und Prozessionen<br />

ersten Platz und Stimme hinter dem Dekan und<br />

Leutpriester der Stiftskirche haben. Vom Besuch der Kirche,<br />

auch vom Amt des Nokturnars und Diurnus (d. i. Leiter des<br />

Chorgebetes und Gottesdienstes) ist er jeweils vor seiner<br />

Predigt befreit.<br />

Ferner wurde beantragt, daß der Prediger an seinem genannten<br />

Altar nur jede dritte Woche diese Messe lese, an<br />

den andern 2 Wochen aber die Helfer. Er hat dem Dekan<br />

und Präsenzgeldverwalter jeweils seine Woche vorher anzuzeigen,<br />

ebenso die Helfer. Sein Nachfolger als Prädikator<br />

wird durch Dekan, Leutpriester und den Senior des Stifts<br />

gewählt. Er hat dann vor dem Vogt oder Kapitän der Herrschaft<br />

in Hechingen und deren Gegenwart den Eid abzulegen<br />

und wird darauf dem derzeitigen Herrn von Hechingen und<br />

dem Bischof in Konstanz präsentiert. Ueber die Einkünfte<br />

des Canonikats hinaus soll der Prediger 15 fl auf den Tag<br />

Johannis des Täufers und Johannis Evang. je zur Hälfte erhalten.<br />

Außerdem hat Mag. Michael Carpentarii in seinem<br />

Testament dem Nachfolger sein jetziges Haus in Hechingen<br />

mit allem Zubehör und Büchern vermacht, und stimmt ausdrücklich<br />

obigen Anträgen in allem zu. Bischof Hugo von<br />

Hohenlandenberg zu Konstanz bestätigte das Ganze am 6.<br />

Juli 1520. (Copiar G, S. 157; Erzb. Archiv in Freiburg). Kr.<br />

Früher erschienene Nummern der „Hohenz. <strong>Heimat</strong>" können nachgeliefert werden, per Stück 30 Pfg.


Jahrgan? H O H E N Z O L.L, E E I S C H E H E I M A T 45<br />

<strong>Hohenzollerische</strong> religiöse Medaillen<br />

Wir wollen von einem Ueberblick über den Umfang dieses<br />

Sammelgebietes ausgehen. Da sind zunächst unsere Landespatrone,<br />

Klöster, Wallfahrtsorte, Kongregationen und Landesbischöfe.<br />

Im weiteren Sinne zählen wir dazu auch Prägungen<br />

zur Taufe, Erstkommunion, Firmung, Eheschließung<br />

und Jubelhochzeiten, Primizen und ihre Jubiläen, und schließlich<br />

die Missionen. Es gibt eine reichhaltige Literatur über<br />

alle diese Formen der religiösen Medaille, doch findet man<br />

nur selten Stücke beschrieben, die in unser Land hineinragen.<br />

So konnte ich für uns bis jetzt keine Medaille oder<br />

Plakette für Kongregationen, Erstkommunion, Firmung, Primiz<br />

und Mission nachweisen. In manchen Familien wurden<br />

mir zwar gute Tauf- und Erstkommunionandenken gezeigt,<br />

doch sie zeigten nur allgemeingültige Darstellungen und Beschriftungen;<br />

es fehlte der zollerische Einschlag. Gleiches ergab<br />

sich für die häufig bei uns anzutreffenden Kongregationsmedaillen.<br />

Doch nun zu dem, was wir wirklich haben. Beginnen wir<br />

mit unseren Landespatronen. St. MEINEADUS ist nicht<br />

zollerischen Stammes, aber er kommt aus unserem engeren<br />

<strong>Heimat</strong>gebiet und, was wohl entscheidend ist, er genießt seit<br />

Jahrhunderten beim Volke und dem Fürstenhause eine warmherzige<br />

Verehrung, die ihren Ausdruck in immer wiederkehrenden<br />

Wallfahrten zu seiner Wirkungsstätte, dem Benediktinerkloster<br />

Einsiedeln findet. Sein Bildnis und sein Martyrium<br />

vor der Holzkapelle in Finsteren Wald finden wir schon seit<br />

Jahrhunderten auf zahlreichen Pilgerzeichen und Wallfahrtsandenken<br />

dargestellt. Das ältere Stück ist aus Blei durchbrochen<br />

gegossen, zum Annähen an den Pilgerhut oder Mantel<br />

bestimmt, und stammt aus dem 14. Jahrhundert. Viereckige<br />

sog. Klippen, hoch- und querovale sowie runde Medaillen<br />

aller Art und Größe und in vielerlei Metallen, vom<br />

Gold bis zum Aluminium, sind uns aus den nachfolgenden<br />

Jahrhunderten bis auf unsere Tage bekannt. Bedeutende<br />

Kleinbildhauer ihrer Zeit, wie J. A. Gaap im 17. Jahrhundert,<br />

Joh. Carl Hedlinger im 18., Drentwett im 19. und Hans Frei-<br />

Basel sowie Prof. Zütt-Zürich in unserer Zeit fertigten bei<br />

besonderen Anlässen Meinradusmedaillen für Kloster Einsiedeln,<br />

die dann zu allen Zeiten durch Pilger auch in unser<br />

Land kamen, wo sie, vielfach als Rosenkranzanhänger, treu<br />

bewahrt wurden. Nur eine einzige Meinradsmedaille ist hohenzollerischen<br />

Ursprungs: die von Fürst Friedrich 1934 für<br />

die hohenzoll. Pilger gestiftete Bronzemedaille auf die Tausendjahrfeier<br />

des Klosters. Besonders wirkungsvoll sind die<br />

Groß-Stücke aus den Jahren 1680, 1748, 1861 und 1934, von<br />

denen jeweils etliche in Gold ausgeführt wurden, die der<br />

Abt den vornehmsten Gönnern des Klosters zum Andenken<br />

verehrte.<br />

Der Sammler mag darauf achten, daß in Einsiedeln<br />

neuerdings Weihemedaillen mit dem Bildnis des Bruders<br />

Ivleinrad Eugster O.S.B, verkauft werden, den man nicht mit<br />

unserem Hl. Meinradus verwechseln darf.<br />

Unser zweiter Patron, der Hl. FIDELIS von Sigmaringen,<br />

ist ein echtes hohenzoll. Landeskind. Für den Sammler<br />

ist auch 'lier Vorsicht geboten, damit keine Verwechslung<br />

mit dem HL. Fidelis von Mailand vorkommt. Aus der Zeit der<br />

Heiligsprechung unseres Fidelis, also aus der Mitte des 18.<br />

Jahrhunderts, kennen wir mehrere z. T. sehr gute Gußmedaiilen<br />

in Bronze und Messing. Es scheint, daß der Kapuzinerorden<br />

diese Stücke herstellen und vertreiben ließ. Aus<br />

unserer Zeit sind mir nur zwei Medaillen bekannt. So trugen<br />

bis vor wenigen Jahrer die Angehörigen der Marianischen<br />

Studentenkongregation der Universität Freiburg i. B. eine<br />

stattliche versilberte Messingmedaille mit dem Bildnis des<br />

Heiligen nach dem einzigen zeitgenössischen Gemälde, das<br />

die Familie Frh v. Stotzingen in Steißlingen bei Stockach<br />

besitzt. Markus Roy (= Geburtsnarne des Heiligen) war Studienfreund<br />

und Reisebegleiter eines Freiherrn v. Stotzingen.<br />

Neuerdings wurde diese Medaille auch in Aluminium geprägt.<br />

Eine kleine Aluminiumprägung mit dem Bilde des<br />

Heiligen kann man heute im Feldkircher Kapuzinerklösterle<br />

kaufen; sie entstand aus Anlaß des 300. Todestages i. J. 1922.<br />

In früheren Zeiten hatten wir in unserem Lande eine beachtliche<br />

Zahl von Klöstern und Wallfahrtsorten. An Weihemedaillen<br />

ist von ihnen nichts auf unsere Zeit gekommen.<br />

Für Kloster Beuron bezieht sich dieses Urteil nur auf das<br />

ehemalige Augustinerklosor, denn das seit etwa 90 Jahren<br />

bestehende Benediklinorkloster bietet uns eine reiche Auswahl.<br />

Unter diesen BEURONER WALLFAHTSAi,'-<br />

DENKEN fand ich nur ein Stück in der alten behaglichen<br />

Art des schlichten Messingovals. Es ist ein kleiner dünner<br />

Rosenkranzanhänger mit weichen Linien, dem man es ansieht,<br />

daß er wohl tausendmal durch fromme Hände glitt.<br />

Unter den übrigen neueren Prägungen haben nur wenige silberne<br />

oder versilberte eine gefällige Form, manche sind recht<br />

unruhig im Umriß. Und gar erst die scharfkantigen Fabrikate<br />

des Aluminiumzeitalters! Kein Wort darüber. Aufdringlich<br />

wirken die mit Zellschmelz „ausgestatteten" Medaillen.<br />

Wo bleibt da der Beuroner gute Geschmack? Erst das letzte<br />

Erzeugnis, eine stattliche, gediegen gearbeitete versilberte<br />

Auto-Plakette versöhnt uns wieder.<br />

Das Benediktinerkloster ALPIRSBACH liegt zwar<br />

nicht in Hohenzollern, aber ein Zollergraf gründete es in<br />

Gemeinschaft mit den Grafen von Sulz und Hausach. Als<br />

man 1898 die 800-Jahrfeier festlich beging, wurde eine Erinnerungsmedaille<br />

geprägt mit den Wappenschilden der drei<br />

Klosterstifter im Sechspaß auf der einen, und einer guten<br />

Darstellung der Klosteranlage auf der anderen Seite. Leider<br />

bescherte uns die 850er Jahrfeier 1948 keine neue Medaille.<br />

Hier ist auch der Platz, einer hundertjährigen Episode<br />

geistlicher Landeshoheit in unserem Lande zu gedenken. Als<br />

Kaiser Leopold I. die Benediktineräbte von KLOSTER<br />

MURI i. d. Schweiz in den Reichsfürstenstand erhoben hatte,<br />

ging ihr Trachten danach, auf Reichsboden Landbesitz zu erwerben.<br />

In der Zeit von 1706 bis 1743 kauften sie aus reichsritterschaftlichem<br />

Besitz die Herrschaften Glatt, Dießen mit<br />

Dettlingen, Dettensee, Dettingen und Neckarhausen und ließen<br />

diesen nunmehr reichsfürstlichen Besitz durch drei Statthalter-Patres<br />

verwalten. Der erste Fürstabt Placidus Zurlauben<br />

(1684—1723 Abt) ließ zur feierlichen Inauguration als<br />

Fürst am 26. März 1702 zwei verschiedene Denkmünzen prägen.<br />

Als er dann 1720 sein goldenes Priesterjubiläum beging,<br />

prägte man neben einer Festmedaille in Gold, Silber und<br />

Bronze auch goldene, silberne und kupferne Münzen. Es sind<br />

auch Bleiabschläge bekannt. Sie alle zeigen sein Brustbild<br />

mit einem prächtigen Profil.<br />

Ob es wohl von der Deutstetter (Veringenstadt) und der<br />

Haigerlocher St. Annawallfahrt Andenken gibt? Dafür aber<br />

bringt unser jüngster Wallfahrtsort JUNGINGEN seit<br />

einigen Jahren zwei ansprechende Stücke, je mit der Junginger<br />

Einsiedeinmadonna. Die Rückseite der größeren Medaille<br />

zeigt Kirche mit Pfarrhaus, die kleinere die Junginger Pieta.<br />

Leider sind beide aus Aluminium, sie würden sich in Bronze<br />

oder Mattsilber recht gut ausnehmen.<br />

Bei unseren LAN DESBISCHÖFEN denke ich in<br />

erster L-nie an die Erzbischöfe von Freiburg und an die bedeutenden<br />

Ereignisse zur Geschichte ihrer Diözese. Wir kennen<br />

Medaillen auf ihre Gründung 1827, auf Hermann v. Vicari,<br />

die Konvention von 1859 die Inthronisation des Erzb.<br />

Roos und auf das hundertjährige Bestehen der Erzdiözese<br />

1927 mit dem Bildnis des Erzb. Karl Fritz. Vielleicht gibt es<br />

noch weitere? Ueberaus reizvoll ist eine Sammlung von<br />

Porträtmedaillen und Münzen der höheren Werte mit Bildnissen<br />

der Fürstbischöfe von Konstanz. Sie bietet uns eine<br />

auserlesene Schar von Charakterköpfen, wobei über die Zeit<br />

von etwa 1500 bis '800 die Merkmaie der jeweiligen Zeitströmung<br />

in Bekleidung, Haar- und Barttracht, Wappenkunde<br />

und künstlerischer Auffassung zum Ausdruck kommen.<br />

An hohenzoll. Medaillen auf EHESCHLIESSUNG<br />

und JUBELHOCHZEITEN kennen wir, mit einer<br />

Ausnahme, nur Prägungen der fürstlichen Familie. Da haben<br />

wir zunächst die große Medaille von 75 mm Durchmesser auf<br />

die Eheschließung der Prinzessin Stephanie mit König Don<br />

Pedro V. von Portugal in Bronze, Silber und vergoldet, aus<br />

dem Jahre 1858. Fast von gleicher Größe sind die Vermählungsmedaillen<br />

der Prinzessin Marie mit dem Grafen von<br />

Flandern aus dem Jahre 1867 und des Fürsten Carol von<br />

Rumänien mit Prinzessin Elisabeth (Carmen Silva) von Wied<br />

i. J. T869. Die le gten Hochzeitsandenken besitzen wir von<br />

zwei Söhnen des Fürsten Leopold. 1893 heiratete Prinz Ferdinand<br />

die Prinzessin Marie von Großbritannien und Irland,<br />

und Fürst Wilhelm ließ zu seiner 2. Eheschließung mit Prinzessin<br />

Adelgunde von Bayern 1915 eine besonders gelungene<br />

silberne Medaille prägen.<br />

Zur Silberhochzeit aes Fürstenpaares Leopold und Antonie<br />

entstand 1886 eine kleine ovale Erinnerungsmedaille in Silber<br />

und ein in Goldrand gefaßter ovaler silberner Anhänger<br />

von gleicher Größe. Sie zeigen nur verschlungene Namensbuchstaben,<br />

Daten und Beschriftung. An die Silberhochzeit<br />

Köniji Carols I. von Rumänien erinnern 2 Stücke: eine große<br />

Medaille von 1894 mit den Brustbildern des Paares von 65<br />

mm und eine von 30 mm, die von einem Bukarester Juwelier<br />

herausgegeben wurde.<br />

Eine goldene Hochzeit im Fürstenhaus wurde uns nur einmal,<br />

1884, überliefert, und zwar durch eine Mtedaille von 50


46 H O H E N Z O L L F R I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

mm mit den Bildnissen des Fürstenpaares Carl Anton und<br />

Josefine von Baden (Gold, Silber, Bronze) und eine quadratische<br />

Klippe von 20 mm Seitenlänge, die auf einer Seite<br />

die verschlungenen Namensanfänge, auf der anderen den<br />

Anlaß in Wort und Zahl zeigt.<br />

Und nun die oben erwähnte Ausnahme. Es ist di» i. J.<br />

1949 geschaffene Erinnerungsmedaille zur Goldenen Hochzeit<br />

des Sigmaringer Jubelpaares Max Frick und Maria Berger.<br />

Diese Medaille wurde in Bronze, Silber und Gold<br />

führt.ausge-<br />

Auch auf GEBURT und TAUFE bringt uns nur<br />

das Fürstenhaus einige Stücke. Als dem rumänischen Fürstenpaar<br />

Carol und Elisabeth 1870 die einzige Tochter Maria<br />

geboren wurde, gab es eine offizielle Medaille von 24 mm<br />

mit den Bildnissen des Elternpaares, und eine von der Hauptstadt<br />

Bukarest veranlaßte von 27 mm. Eine silberne Medaille<br />

von 34 mm aus d. J. 1900 erinnert an die Geburt der<br />

Fürstin Margarethe von Hohenzollern, geb. Prinzessin von<br />

Sachsen. Auf der Vorderseite sieht man die verschlungenen<br />

Anfangsbuchstaben von Name und Titel, auf der anderen<br />

das Bild des KG L. PALAIS<br />

DRESDEN".<br />

AM TASCHENBERG<br />

Und nun zum Abschluß noch eine Erinnerung an die unruhigste<br />

und trübste Zeit der Geschichte unseres Landes.<br />

Die Palästinafahrt des Deutschen Kaisers Wilhelm II. anno<br />

1898 wurde der Anlaß zur Prägung eines Pilgertalers von<br />

35 mm. Eine Seite zeigt die Köpfe des Kaiserpaares, die andere<br />

bringt unter der Ueberschrift HOHENZOLLERN<br />

PILGER eine Aufzählung von Angehörigen des Gesamthauses,<br />

die je eine Fahrt ins Heilige Land unternahmen. An<br />

dritter Stelle lesen wir „Graf Friedrich von Zollern 1443".<br />

Das ist der Oettinger, der sein stürmisches Leben mit einer<br />

Pilgerfahrt beschloß. Seine <strong>Heimat</strong> hatte er in trostlose Armut<br />

und Elend geführt, seine Stammburg der Zerstörung<br />

anheim gegeben!<br />

Denke ich an das Zustandekommen meiner Sammlung<br />

religiöser Medaillen zurück, dann muß ich auch von einer<br />

oft erfolgreichen Sammelmethode reden. In vielen Familien<br />

unserer Städte und auf dem Lande gibt es in irgendeiner<br />

Schublade oder einem Schrankwinkel eine alte Knopfschachtel<br />

oder eine mit einem Bändel zugebundene alte Hosentasche<br />

oder Tabaksbeutel aus Urgroßvaters Zeiten. Dahinein<br />

verstaute man jahrzehntelang neben abgetrennten Knöpfen<br />

und Oesen oder Schnallen auch gerne Geldstücke ehemaliger<br />

oder fremder Währung, Vereinsmedaillen, Daehle und sonstigen<br />

Kleinstkram, den man nicht fortwerfen wollte. Diese<br />

Schatzgruben muß man ausfindig machen, und man wird<br />

staunen, wie ergiebig sie für unsere Zwecke sind.<br />

H. Faßbender, Hechingen.<br />

Ein bunter „Strauß" von Geldsorten 1759<br />

Was für ein tolles Durcheinander verschiedener Geldsorten<br />

unsern Vorfahren die Umrechnung erschwerte, zeigt folgende<br />

Wertvergleichung. Zur Stärkung der allzeit leeren Staatskasse<br />

mußten Klerus und Klöster der Diözese Konstanz um<br />

die Mitte des 18. Jahrhunderts den zehnten Teil (daher Decimations-Geld)<br />

ihres Einkommens abgeben, und das viele<br />

Jahre hindurch.<br />

Sorten-Designation<br />

Wie die Decimations-Gelder von dem gesamten venerablen<br />

•Clero Dioecesis Constantiensis bey der Kayserl. Coimmissions-Cassa<br />

pro Anno 1759 angenommen werden.<br />

Ein ganzer Carl d'Or, oder dreyfacher Gold- fl. kr. pf.<br />

gulden, exclusive der Montforter, Nassau-<br />

Weilbuirg, und Hohenzollerisch 10 50<br />

Max d'Or 7 15<br />

Cremnitzer und andere vollgewichtige Ducaten 4 50<br />

Königl. Französische Schild-Louis d'Or 10 45<br />

Sonnen-Louis d'Or 10 30<br />

Mirleton 8 —<br />

Alte Louis d'Or und Dopien, so gewichtig 8 30<br />

Kayserlich-Bayrische-Salzburgische und andere<br />

neue Conventions-mäßige Thaier 2 24<br />

Derley neue so genannte Cronen- u. Feder-Tnaler 2 42<br />

Alte Französische Thaler, oder so genannte<br />

Louis-Bianc 2 24<br />

Herzoglich Lothringische 36 Kreuzer-stüek — 38<br />

Französiche halbe Gulden — 30<br />

Alte Bayrische halbe Gulden, so bishero 29<br />

Kreuzer gegolten - 30<br />

detto von jetziger Regierung — 30<br />

Halbe detto jetziger Regierung — 15<br />

Aeltere Churbayrisch halbe Gulden, oder bisher<br />

24 Kreuzer<br />

Kayserl. Bayrisch. Salzburgische und andere<br />

— 28 —<br />

Conventions-mäßige Kopfstück — 24 —<br />

Halbe detto — 12 —'<br />

Alte Churbayrische 15ner, oder bisher 12 Kreuz. — 14 —<br />

Chur-Maynzische, Hessisch-Nassauische,<br />

Frankfurtische und andere alte Zwölfer<br />

oder 6 Albus-Stücke<br />

Jünger Chur-Bayrische Zwölfter von annis<br />

— 12 —<br />

1747 bis 1752 — 12 —<br />

detto Chur-Bayrische Sechser, oder Doppel-Groschen<br />

— 6 —<br />

Chur-Bayrische und Salzburgische Groschen — 3 —<br />

Chur-Trierisch-Würzburgisch-Ansoachisch-Augspurgisch-Nürnbergische<br />

und andere alte 5<br />

Kreuzer-Stück<br />

Chur-Maynzische, Chur-Pfälzische, Salzburgische<br />

und andere alte Batzen, oder 2<br />

Albus-Stück — 4 —<br />

Chur-Bayrische, Salzburgische, Württembergische,<br />

Augsburgische, Regensburgische alte<br />

Landmünzen — 2 3<br />

Kayserl. Bayrisctie, Salzburgische, Augspurgische,<br />

Regenspurgische und Nürnbergische<br />

alte Kreuzer — 1 —<br />

(Dom. Arch. Hohenz.-Heching. R 78, 293; Ka 11, 12; Sigmar.)<br />

Ein paar Jahre drauf war die Liste noch größer, ohne<br />

Zweifel auch der dadurch entstandene Wirrwarr. Wie froh<br />

sind wir über eine einheitliche Währung! Kr.<br />

Ein alemannischer Friedhof zu Ringingen<br />

Die schon lange vergebens gesuchte älteste Begräbnisstätte<br />

der Alemannensiedlung Ringingen (Kreis Hechingen) wurde<br />

anläßlich der Grabungen zu einem Hausbau von Lukas Hochsticher<br />

auf' ¿iner bisherigen Pfarrwiese mitten zwischen den<br />

Ortsgassen Neuer Weg, Im Lai und Ufm Lai am 2. April dieses<br />

Jahres angeschnitten. Als man hart südlich vom vielhundertjährigen<br />

Fußweg, der vom Lai herab durch die alten<br />

Hanfgärten zur Rauße führt, in 2 Terrassen die Baugrube<br />

aushob, stieß man plötzlich nach Abhub des Rasens und der<br />

Ackererde in ca. 40 cm Tiefe auf eine Kiesschicht und ein<br />

darin eingetieftes Kindergrab. Ein wenig östlich davon lag<br />

eine erwachsene Person, offenbar Frau, deren Gebein jedoch<br />

ziemlich schwach war. Das nach Norden gedrehte Haupt lag<br />

im Westen, die Füße im Osten, sodaß sie bei der Auferstehung<br />

gerade der aufgehenden Sonne entgegensieht, so wie<br />

alle folgenden und viele Toten anderwärts. Der Kopf war<br />

etwas zusammengedrückt, das Kinn vom Druck gesprungen.<br />

Ein Loch an der rechten Schläfe, das man zuerst als Todesursache<br />

ansah und deswegen auf ein Verbrechen schließen<br />

wollte, enlpuppte sich später als neu. Funde lagen keine da-<br />

bei. Der Name Lai (1406 Leh) deutet nach M. R. Buck auf<br />

„Grabhügel", doch hatte man bisher dessen Lage eher weiter<br />

oben (westlich) erwartet. An der westlichen Grubenwand<br />

kam im gewachsenen weißen Kiesgrund eine auffallende, ca.<br />

1,50 Meter tiefe, unten über 2 m, oben fast 6 m breite, mit<br />

tief schwarz spt^kiger Erde gefüllte Mulde zutage. Hier fast<br />

am rechten Ende der Baugrube, also am westlichen Eck der<br />

künftigen Scheuer fand sich auf dem Kies im L e n m in 1<br />

m Tiefe ein drittes Grab, dessen nach Norden gedrehtes<br />

Haupt noch in die Grubenwand hinein nach Westen ragte.<br />

Die Tote hatte je ein Ohrringlein aus Bronze von 1 mm<br />

Stärke und 2,5 cm Durchmesser am Kopf, den i^ehrer Rauser<br />

mit seinen Schülern geborgen. An der Terrasse weiter östlich<br />

zeigte sich wieder die schwarze Mulde ab, aber weiter im<br />

Süden. Hier auf dem Kies in Höhe des künftigen Kellerbodens<br />

in 1,20 m Tiefe fand man ein Männer grab, dessen<br />

Oberkörper noch in der stehen bleibenden Wand steckte,<br />

und zu dessen Freilegung man Herrn Dr. Scniek vom Tübinger<br />

Landesamt für Denkmalspflege rief, während das ersta<br />

Frauengrab Studienrat Faßbender von Hechingen freigelegt


Jahrgang 19 54 H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 47<br />

hatte. Besonders anerkennenswert war die tatkräftige und<br />

umsichtige Unterstützung durch den Bauherrn und dessen<br />

Bruder, Bürgermeister Heinrich Hochsticher, denen die Rettung<br />

der Gräber überhaupt zu danken ist. Nach sorgfältiger<br />

Freilegung mit Spachtel und Pinsel am 27. 4. zeigte sich ein<br />

1,65—1,70 m großes kräftiges Skelett, das man fotografierte<br />

und sorgfältig erhob. Neben der rechten Hand und Hüfte<br />

lagen drei Pfeile mit 13 cm langer Eisenspitze nach oben,<br />

die Holzschäfte noch teilweise gut zu erkennen. Ein wenig<br />

oberhalb kam ein Eisenstück zutage, wohl die Gürtelschnalle<br />

und auf der linken Seite ein Eisen, dessen aufgebogene hörnerartige<br />

Enden es als Feuerstahl kennzeichneten. „Wenn<br />

alles stimmt, müssen jetzt auch Feuersteine kommen" sagte<br />

der Fachmann. Und nach einigem Abschaben der Erde: „Sieh<br />

da sind sie schon!" Feuerzeug und Waffen, die wichtigsten<br />

Werkzeuge für den Menschen der Frühzeit! Die Dreizahl<br />

scheint kultische Bedeutung zu haben. Fast auf dem nach<br />

Süden gedrehten Haupt des Toten fand man einen kleinen<br />

roten Scherben und auch sonst in dem schwarzen Boden zerstreut<br />

Kohlen und kleine dicke schwarze Scherben aus der<br />

Frühgeschichte. Spuren des Sarges unter dem Toten<br />

und rings um die Gebeine waren deutlich kohlschwarz zu<br />

erkennen, der Maserung nach von Eichenholz. Jedes Mal<br />

war es speckiger Lehm, der konserviert hatte. Etwas weiter<br />

östlich am Grubenrande trat eine metergroße Brandplatte<br />

heraus, in der Nähe eine Art Pfostenlöcher, dabei Scherben<br />

eines Gefäßes des 12./13. Jahrhunderts n. Chr. Nachträglich<br />

fand sich hier eine wohl aus einem Erdklumpen losgelöste<br />

Kurznachrichten<br />

Sommerwetter 1903 auf der Alb. Am 7. Juli kamen die<br />

Kinder eines Bauern zu ihrer Mutter und sagten: „Mutter,<br />

gib uns auch Handschuhe, wir wollen in die Erdbeeren!"<br />

Am 7. Dezember 1365 urkunden Schultheiß und Rat der<br />

Stadt Trochtelfingen für sich und die Heiligenpfleger<br />

Hainz den Schneider und Benz den Kaiser, daß sie ihrem<br />

gnäd. Herrn Swigger von Gundelfingen von Tegnek zehn<br />

Schilling ewigen Gelds aus Stähilis Gut, gelegen zu Hohenberg<br />

(Hochberg) verkauften um 8 Pfund Heller, die für<br />

des Heiligen Nutzen verwertet wurden. Sie und die Heiligenpfleger<br />

verzichten auf alle Rechte an das genannte Gut zu<br />

Hochberg. Pfaff Hans Dachs, Kilchherr zu Trochtelfingen<br />

willigt in den Verkauf und siegelt neben der Stadt Tr. Gegeben<br />

nächsten Sunnentag nach st. Nikolaus 1365. (Perg.<br />

Urk. Donaueschingen: 82, Cist A 121 Lat 2 Fase VI, 1). Hans<br />

Dachs war noch 1417 Pfarrer daselbst; er stammte von Mägerkingen.<br />

Kr.<br />

Das Wort Stube für einen heizbaren Raum wurde von<br />

einigen Gelehrten mit dem Stieben des Was'serdampfes<br />

in den alten Badstuben zusammengebracht. Doch redet man<br />

eher vom Zerstieben des Wassers bei einem Wasserfall, als<br />

daß man den Dampf als „Staub" bezeichnen könnte. Im Althochdeutschen<br />

hieß das Wort stuba. Das nächst verwandte<br />

englische Woirt heißt Stove • Ofen das italienische stufa und<br />

französische etuve (das e war altes s!), beides in den Bedeutungen<br />

Badstube und Ofen. In Konstanz hieß nach Fr. Beyerle<br />

das Gerichtszimmer hezw. der Versammlungsraum der<br />

Kleriker in der bischöflichen Pfalz „der Stauf". Ein Stauf<br />

war im Schwäbischen auch ein „Becher ohne Fuß". Nach der<br />

Form umgi .tülpier Becher sind die Bergnamen Staufen und<br />

Stoff! ' gebildet. Sollte der Ofen ursprünglich nach s e in<br />

r F o r m eben Stauf geheißen haben? Kluge und Götze<br />

möchten in ihrem Etymologischen Wörterbuch (11. Aufl. 1934)<br />

''ac Grundwort im Lateinischen suchen, weil stufare im Italienischen<br />

und etuver im Französischen soviel wie „bähen,<br />

dämpfen, erwärmen" bedeute, während es nach Zeugnis des<br />

Tacitus L n< Seneka bei den Germanen keine Oefen und gewärmte<br />

Stuben gab. Kr.<br />

Am 23. Mai 1737 schrieb der Baron F. Joh. Speth zu Hetlingen<br />

an den Weihbischof F. A. von Sirgenstem nach Konstanz,<br />

die Pfarrer "on Garn Hertingen und Feldhausen<br />

sperrten sich, an der jahri. Wallfahrt zur St. Sebastianskapelle<br />

zu Hettingen, die seit unvordenklichen Jahren<br />

am Freitag nach Christi Himmelfahrt stattfinde, ferner teilzunehmen,<br />

trotz der 10 Reicnstaler Strafe, die im Vorjahr durch<br />

den Generalvikar ihnen zudiktiert sei. Dieses Jahr wäre der<br />

Pfarrer von Gammertingen an der Reihe mit Predigt und<br />

Amt daselbst. Die Geistlichen konnten jedoch darauf hinweisen<br />

daß die Sache für sie ebenso freiwillig sei, wie für<br />

die Gläubigen, also könne man sie auch nicht bestrafen.<br />

(Freiburg, Stehende Register, unter Hettingen.) K»<br />

Eisenschnalle, deren Dorn fehlt. Die Gräber selbst werden<br />

kurz vor 700 n. Chr., datiert. In christlicher Zeit, in der sich<br />

die Beigaben ganz verlieren, hat man die Toten bei der<br />

Pfarrkirche beerdigt. Bei der 1834 abgerissenen Galiuskirche<br />

in 100 m Entfernung südlich von der Fundstelle, aber getrennt<br />

durch den uralten tiefeingeschnittenen Hohlweg des<br />

Lai, befand sich 1661 der Gottesacker, ein weiterer (wohl älterer?)<br />

am Ostrand der Siedlung bei der Martinspfarrkirche.<br />

Nach einer Ueberlieferung von 1806 soll die Galluskirche<br />

einst Mutterkirche gewesen sein (Zollerheimat 1941, 1—3).<br />

Erst 1840 hat man den bisherigen Friedhof von der Pfarrkirche<br />

zur Marienkapelle verlegt. Ueber den Umfang des<br />

Alemannenfriedhofs ist noch nichts bekannt. Ein unbestimmter<br />

Knochenrest wurde kurz zuvor bei Grabungen zur Wasserleitung<br />

dieses Neubaus weiter östlich und weitere bei<br />

Kellergrabungen des Hauses 17 unterm Neuen Weg freigelegt.<br />

Die gefundenen Toten, die ausgezeichnete vollständige<br />

Zähne besaßen, sodaß sie unser aller Neid<br />

erregen könnten, sind ausgesprochene Langschädel. Sie wurden<br />

zu Studienzwecken nach Tübingen genommen. Zweifellos<br />

gehören sie zu den Urahnen der jetzigen Bewohner<br />

Ringingens und sprachen ein Schwäbisch, das wir freilich<br />

nicht verstehen würden. Selbstverständlich wurde ein<br />

genauer Lageplan aufgenommen. Daß gerade eine Pfarrwiese<br />

die Gräber enthielt, mag Zufall sein. Möglicherweise aber<br />

hat das eindringende Christentum aus Ehrfurcht vor den Toten<br />

dieses Feld der Kirche in Obhut gegeben!<br />

Joh. Aa. Kraus.<br />

Der aus Sigmaringen stammende, 1609 geborene, Konstanzer<br />

Musikus und Kleriker Jakob Banwart (alias<br />

Jakob Avia) wird von E. F. Schmid besprochen in der Allg.<br />

Enzyklopädie „Die Musik in Geschichte und Gegenwart",<br />

hg. von Friedrich Blume im Bärenreiterverlag Kassel, S<br />

1230. Ums Jahr 1641 wurde er Domkapeilmeister und veröffentlichte<br />

eine Motettensammlung, der noch mehrere<br />

Werke folgten Er ist einer der markanteren Vertreter des<br />

süddeutschen Kirchenstils aus der Zeit Johann Stadlmayrs.<br />

Seine musikalische Schulung stand wohl noch im Zeichen<br />

der großen kirciienmusikalischen Sammelwerke seines hohenzollerischen<br />

Landsmanns Johannes Donfried aus Veringen.<br />

Kr<br />

Ueber die Familie Gebele von Waidstein berichtet Alfr.<br />

Lederle im 33. Heft (1953) der Zeitschrift „Die Ortenau" S.<br />

4;j—57. Jakob Bonaventura Wunibald Gebele von<br />

Waldstein, der 1754 in Wolfach geboren wurde, war 1794<br />

Obervogt in J u n g n a u, seit 1804 in Trochtelfingen,<br />

1820 bis 40 im Ruhestand in Ueberlingen, seit 1791 verheiratet<br />

mit Maria Josepna von Senger und hatte 10 Kinder.<br />

Der Sohn Josef Bonaventura (1793- -1864) wurde hohenzollerischer<br />

Verwaltungsbeamter, 1840 Ooeramtmann in<br />

Gammertingen, dann in Sigmaringen. Herkunft,<br />

Wappen und Familiengiieder sind a. a. O. näher ausgeführt.<br />

Kr.<br />

An das<br />

in<br />

Postamt


48 H O II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

Burladingen. Um Fidelistag herum hat man „Im Rauns"<br />

zwischen der Bahn und dem Stettener Sträßle bei Grabarbeiten<br />

frühalemannische Funde gemacht, die den<br />

Neid der Fachleute erregen werden. Neben Waffen ist es<br />

vor allem eine Vogelfibel (Sicherheitsspange), die einen<br />

Raubvogel darstellt, dessen Auge ein roter Edelstein<br />

von unbekannter Masse bildet. Die Funde werden<br />

z. Zt. in Tübingen bearbeitet und sollen dann der Sammlung<br />

auf dem Zoller einverleibt werden. Kr.<br />

Das neue Wappen der Gemeinde Stetten u. Holst, stellt<br />

weder einen Pflug, noch auch einen Flug im Schild dar, wie<br />

in der Tageszeitung irrig zu lesen stand. Es ist vielmehr ein<br />

silberner Flügel in blauem Schildfeld, wie<br />

ihn die Herren von Holnstein führten. Allerdings findet man<br />

bei ihnen gelegentlich auch einen Flug, d. h. zwei Flügel.<br />

Man redet in der Wappenkunst von einem offenen Flug,<br />

wenn die beiden Flügel nebeneinander stehen, von einem<br />

geschlossenen Flug, wenn der eine den andern teilweise<br />

verdeckt. Kr.<br />

„Jukigingens Fahne" soll angeblich nach Blättermeldung im<br />

neuen Deutschen Soldatenkalender 1954 abgebildet sein. Dies<br />

dürfte einen irrigen Schluß einer Bildunterschrift bilden.<br />

Denn dargestellt ist die Fahne des Deutschen Orden<br />

s, während im beigefügten Gedicht vom Totenschild<br />

Ulrichs von Jungingen geredet wird, der als Hochmeister bekanntlich<br />

im Jahre 1410 bei Tannenberg fiel. Sein Wappen<br />

zeigte einst jedoch — allerdings wohl mit dem Ordenskreuz<br />

kombiniert - den blausilbern gevierteten Schild,<br />

Davon ist jedoch auf dem Bild nicnts zu sehen. Ein blauer<br />

Randsireifen an der Fannenstange entlang kann dafür auch<br />

keinen Ersatz bilden! Kr.<br />

Die Petruskapelle auf der Ruine Veringen. Das sogenannte<br />

Johannisglöcklein auf dem Türmchen der Petruskapelle<br />

wurde in früherer Zeit jedes Jahr am Skt. Johann Baptist-Tag<br />

24 Stunden geläutet. Im Jahre 1680 war geplant,<br />

die Kapelle abzubrechen. In einer Eingabe der Veringer an<br />

den Fürsten T Ieinrad stehen die Worte: Seit unfürdenklichen<br />

Zeiten ist dieses Glöcklein alljährlich an Johann Baptist<br />

24 Stunden Tag und Nacht geläutet worden. Bereits i. J. 1626<br />

existierte das Johannebglöckiein. Es zersprang in diesem<br />

Jahre wegen zu langen Läutens. Durch Stiftungen konnte<br />

es bald wieder neu gegossen werden. Aus dieser Zeit datierte<br />

auch die Inschrift: Herr R D Jakob Bernhard, Pfarrer zu<br />

Veringenstadt. Schultheiß Martin Eggstein, Bürgermeister<br />

Kaspar Specker anno 1628. Fracle Lotharingus me fecit.<br />

Erschatz oder Ehrschatz? Herr Pfarrer Dr. Schupp schreibt.<br />

Zu Hohenz. <strong>Heimat</strong> Nr. 2 S. 22: Erschatz. Es wird wohl nach<br />

der jetzigen Rechtschreihung „Ehrschatz" heißen müssen.<br />

Das Schwäbische Wörterbuch v. Fischer, II. Band, hat<br />

wohl „Erschatz", aber die altertümliche Schreibweise.. Fischer<br />

fügt aber, gleichsam erklärend, das lateinische Wort<br />

'audemium an, das mit iauaare loben, ehren zusammenhängt.<br />

Recognition, Anerkennung des<br />

gelegentlich einer Neubelehnung.<br />

Vasaiienverhältnisses<br />

BESTELL-SCHEIN<br />

zum Bezug der „<strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Heimat</strong>"<br />

Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug durch<br />

die Post Stück „<strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong>", Verlagspostamt<br />

Gammertingen, zum halbjährigen Bezugspreis<br />

von 60 Pfennig.<br />

Vor- und Zuname<br />

Genaue Anschrift<br />

Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bezw. Nachbestellungen<br />

der nächsten Poststelle aufzugeben. Um deutliche<br />

Schrift wird gebeten.<br />

<strong>Heimat</strong>literatur<br />

„Die Landes-, Grund- und Leibherrschaft<br />

der Grafen von Zollern"<br />

So nennt sich eine viel zu wenig gekannte Doktorarbeit<br />

unseres Burladinger Landsmanns Johannes<br />

Heim (jetzt Villingen) vom Jahre 1922, von der die <strong>Hohenzollerische</strong><br />

<strong>Heimat</strong>bücherei in Hechingen eine Abschrift besitzt.<br />

Der 260 weitgeschriebene Seiten umfassende, in der<br />

Abschrift näher zusammengerückte Aufsatz ist zwar in einigen<br />

Abschnitten inzwischen überholt (Maße vgl. Hohz. Jahreshefte<br />

1936, 120—178, Landesordnung von angeblich 1557<br />

Hohz. Jahreshefte 1939, 1—15.). Aber der Autor hat mit<br />

großem Fleiß die 13 Bände des Hagen'schen Lagerbuchs vom<br />

Jahre 1544 und die Erneuerungen von Ramminger 1584 und<br />

Joh. Pfeffer 1598 im fürstl. hohenzoll. Archiv Sigmar ingen<br />

ausgiebig durchforscht und den Inhalt in eil juristisches System<br />

gegossen. So behandelt er ausführlich die Gerichtshoheit,<br />

Strafrecht, Gericht des Vogts, Apellationen, Gesetzgebung,<br />

Besteuerung, Fronen, Zehnten, Militärhoheit,<br />

Forsthoheit, Kirchenregiment (der Graf fühlte sich als Obereigentümer<br />

der Kirchengüter, trotzdem er es nicht war), Beamtenreform,<br />

Kanzlei, Rentmeister, Baumeister (Aufseher<br />

über Ackerbau), Räte, Amtmann. Vogt. Forstmeister, Einspänner<br />

(eine Art Polizeibeamter), Heimburgen und Heiligenpfleger.<br />

Dann verbreitet er sich über die Grundherrschaft,<br />

wobei man noch den fremden und Klosterbesitz innerhalb<br />

des Landes beiziehen muß, Ein weiterer Abschnitt<br />

behandelt die Herrschaftsgüter (llbf) Das K rc<br />

h e n g u t, das vielleicht zum Teil auf ehemaliges Familiengut<br />

zurückreichen könnte, bildet nur dem Namen nach eine<br />

Gesamtmasse, ist jedoch in Wirklichkeit in jeder Pfarrei für<br />

sich getrennt. Die Gemeindewälder- und Felder sind ebenfalls<br />

in Erwägung zu ziehen, ebenso die Möglichkeit, daß. wie<br />

in Ringingen seit 1453, auch in der Grafschaft schon Erblehen<br />

vor Hagen bestanden.<br />

Unter den Abgaben, besonders an den Grundherrn,<br />

sind u. a. erläutert: Hellerzinsen, Handlohn, Wegiösin, Landgarbe,<br />

Zehnt, Fronen, Steuern, Abzug, Rauch- und Fastnachtshennen,<br />

Umgeld (— Getränkesteuer), Bis 1615 gibt es<br />

noch einige Leibeigenen-Verzeichnisse aus jener Zeit, die im<br />

Archiv erhalten sind (Höhend. Jahreshefte 1935, 113—130).<br />

Unter den verbotenen Kartenspielen werden auch „böck und<br />

mumen" aufgeführt, die in späteren Abschriften zu „Boith<br />

nehmen" verlesen sind. Statt Steuern kennt man anderwärts<br />

„Beden". Einige hohenzollerische Gemeinden waren davon<br />

ganz frei (auch das nur zu V4 zollerische Ringingen), was<br />

wohl von der Verschiedenheit der früheren Besitzer herrührt.<br />

Die Arbeit ist allen wärmstens zu empfehlen, die sich<br />

mit den Verhältnissen unserer <strong>Heimat</strong> im 16. Jahrhundert<br />

beschäftigen wollen. Kr.<br />

Das Tailfinger <strong>Heimat</strong>buch, hgg. im Auftrag der Stadt von<br />

Studienrat Dr. Herrn. Bizer, 1953 (576 Seiten mit vielen Bildern,<br />

Pr. 18 DM), kann den Neid der <strong>Heimat</strong>freunde erwecKen.<br />

Ueber die Erdgeschichte, Pflanzenwelt, Frühgeschichte, zur<br />

Geschichte, Gemarkung, Stadtentwicklung, Gewerbe und<br />

Handel, Geschlechter und Namen, volkstümliche Ueberlieferungen,<br />

Haus und Hof und Mundart führt das geradezu<br />

vornehm ausgestattete Buch nach einem vielfarbigen Titelbild<br />

durch alle Sparten der <strong>Heimat</strong>kunde. Nur das Flurnamenkärtchen<br />

ist etwas undeutlich. Beigezogen hätte im geschichtlichen<br />

Teil von Dr. Ernst Bizer S. 10t noch gehört<br />

der Aufsatz über die Freie Birsch (Hohenzoll. Jahreshefte<br />

1940, 1—56) und die Erneuerung der Einkünfte des hl. Gall<br />

zu Trochtelfingen" vom 12. Jan. 1610 (früher im Rathaus<br />

Truchtelfingen, das inzwischen eingemeindet ist). Mit großer<br />

Liebe wird die gesamte Flur „erwandert", dazwischen immer<br />

wieder eine Unmenge Anekdoten in Mundart eingestreut,<br />

die mit der unsern um Burladingen fast gleichlaufend<br />

klingt. Um so reizvoller wird man es finden, die Unterschiede<br />

festzustellen.<br />

- „Die mittelalterliche Burg" von Herbert Graf Caboga<br />

(Gallunsveriag Berti in Rapperswii, Schweiz, 76 Seiten mit<br />

vielen sehr schönen Zeichnungen, Preis 3 DM, zu beziehen<br />

durch Buchhandlung Helmut Tenner, Heidelberg, Bergheimer<br />

Straße 59). Freunde unserer Burgen und Ruinen seien auf<br />

dieses überaus brauchbare Büchlein dringend aufmerksam<br />

gemacht. Es eignet sich gleichermaßen für das Studium, als<br />

auch für die Schule. Herausgeber ist das Internationale Burgenforschungs-Institut<br />

auf Burg Rapperswii am Zürchersee,<br />

wo eine ausführliche Kartei mit 12 000 Karten über die Burgen<br />

und Ruinen samt allem Zubehör weit über Süddeutschland<br />

und Schweiz hinaus Auskunft geben kann. Kr.


<strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong><br />

Vierteljahresblätter für Schule und Haus<br />

Herausgegeben vom Verein für Geschichte,<br />

in Verbindung mit<br />

Schriftleitung:<br />

Josef Wiest, Gammertingen<br />

Preis halbjährlich 0.60 DM<br />

Kultur- und Landeskunde in Hohenzollern<br />

der hohenz. Lehrerschaft<br />

Druck:<br />

Buchdruckerei S. Acker, Gammertingen<br />

Postverlagsort Gammertingen<br />

Nummer 4 Gammertingen, Oktober 1954 4. Jahrgang<br />

Aus der Geologie von Hohenzollern<br />

(11. Fortsetzung)<br />

III. Der Keuper<br />

2. Mittlerer Keuper (a Gipskeuperlandschaft)<br />

Auf dem Maienbühl bei Rangendingen<br />

Von der Ebene der Lettenkohlen- oder Gäuiandschaft beginnt<br />

nach Osten und Süden hin das Gelände anzusteigen.<br />

Wohlgeformte Hügel und langgestreckte Rücken wechseln<br />

mit flachen Mulden. Einer der schönsten dieser Hügel ist<br />

der mit einer alten Linde, dem alten, heiligen Baum der<br />

Deutschen gekrönte Maienbühl südlich von Rangendingen,<br />

der „m o n s s a c e r", der heilige Berg der Rangendinger,<br />

auf den sich seine wehrbar^n Bürger flüchteten, wenn<br />

sie wegen einer „Missetat" eine Strafexpedition zu befürchten<br />

hatten, um von dort aus bei der Annäherung der fürstlichen<br />

Truppen auf das benachbarte ausländische Gebiet<br />

übertreten zu können. Für Owingen nennen wir das Waren-<br />

Von Michael Walter<br />

bergle und den Geisberg und für Empfingen<br />

den Hungerbühl als die wichtigsten<br />

Erhebungen in der Vorhügelzone der<br />

Gipskeuperlandschaft, hinter der sich<br />

der Gipskeuper in ziemlich steilem Anstieg<br />

zu der eigentlichen Keuperstufe<br />

als einem wichtigen Gliede der Schwäbisch-fränkischen<br />

Stufenlandschaft zusammenschließt.<br />

Der Gipskeuper setzt sich aus<br />

rotbraunen, dunkelvioletten, öfters auch<br />

graugrünen, schieferigbröckeligen Mergeln<br />

zusammen, in die an manchen Orten<br />

Gips in Schichten, Stöcken oder<br />

Bändern in meist weißer Farbe sowie<br />

Steinmergel- und Sandsteinbänkchen<br />

eingelagert sind. Da sich der Gips im<br />

Wasser allmählich löst, so entstehen im<br />

Innern der Gipsmergel manchmal Hohlräume,<br />

die Mergel sacken ein und verbiegen<br />

sich, wie Gipsgruben hie und da<br />

zeigen, deren durch den lebhaften Farbenwechsel<br />

auffallendes Bild durch<br />

solche Verbiegungen noch einen neuen,<br />

besonderen Reiz erhält. Auf der Oberfläche<br />

entstehen muldenförmige Vertiefungen,<br />

den Dolinen in der Kalklandschaft<br />

vergleichbar. In dem Waldgebiet<br />

westlich von Rangendingen, der „Richtstatt",<br />

liegen mehrere solcher Dolinen im<br />

Gipskeuper und vor wenigen Jahren<br />

brach in einer Mulde in dem Ackergelände<br />

südwestlich von der Rangendinger<br />

Kirche ein Loch von 18 m Tiefe ein,<br />

das sich durch Auslaugung eines Gipsstockes<br />

gebildet hatte. Die Zeitungen<br />

meinten, die vorausgegangenen Regentage<br />

hätten den Gips aufgelöst und so<br />

sei das Loch entstanden. So rasch geht<br />

das aber nicht. Zur Auflösung eines<br />

solchen Stockes sind Jahrhunderte, wenn<br />

nicht gar Jahrtausende nötig. Das Wasser,<br />

das aus solchen Gipsgebieten kommt,<br />

ist hart und schwer und riecht mitunter<br />

nach Schwefel.<br />

Der Gips ist ein Mineral, das sich aus Kalk, Schwefelsäure<br />

und Wasser zusammensetzt und wird deshalb auch als<br />

schwefelsaurer Kalk bezeichnet. (Der Chemiker drückt seine<br />

Zusammensetzung durch die Formel CaS04 . 2H20 aus.) Der<br />

Gips besitzt eine Reihe von Eigenschaften, die ihm die verschiedensten<br />

Verwendungsmöglichkeiten verschaffen. Im<br />

Bauwesen braucht ihn der Gipser, um die Häuser zu verputzen,<br />

um Gipsdielen herzustellen und kunstvolle Stukkaturen<br />

zu gestalten. Der Künstler formt aus ihm Figuren und<br />

Abgüsse aller Art. Der Chirurg verwendet ihn zur Herstellung<br />

von Verbänden. In der Technik dient er vielfach als<br />

Füll- und Farbstoff. Der Landwirt benützt ihn zum Düngen<br />

seiner Felder.


50 H O H E N Z O L L E E I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

Als vor etwa 180 Jahren die reine Brache allmählich aus der<br />

Dreifelderwirtschaft verschwand und de: Brachesch angebaut<br />

wurde, brauchten unsere Aecker als Ersatz für die<br />

durch die Brache bedingte Ruhe- und Erholungspause eine<br />

stärkerei Düngung. Jetzt griff man auf den schon den<br />

Römern als Düngemittel bekannten Gips zurück. Eine starke<br />

Werbung für die Gipsdüngung setzte ein. Männer wie Johann<br />

Christian Schub art (1734 787), der wegen seiner<br />

Förderung des Kleeanbaues als „Edler von Kleefeld" vom<br />

Kaiser Joseph II. im Jahre 1784 in den Adelstand erhoben<br />

wurde, und Johann Friedrich Mayer aus Herbsthausen im<br />

Kreis Mergentheim, Pfarrer in Kupferzell, Kreis Oehringen,<br />

der „Gipsapostel" (1719—1798) wiesen mit allem Nachdruck<br />

auf die hohe Bedeutung des Gipses als Düngemittel hin, insbesondere<br />

für den neueingetührten Kleeanbau. Jetzt entstanden<br />

auch bei uns zahlreiche Gipsgru'oen und zwar sowohl<br />

im Muschelkalk, auf die wir schon früher hingewiesen<br />

haben (<strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong> 2. Jahrgang Nr. 2, Seite 17)<br />

als auch im Gipskeuper. Die Gipsvorkommen im Muschelkalk<br />

wurden hauptsächlich in Dettingen, Glatt und Imnau<br />

ausgebeutet, jene im Gipskeuper in Empfingen, Owingen und<br />

Rangendingen.<br />

Rangendingen hatte in jener Zeit zwei Gipsmühlen. Die<br />

eine davon war am Ausgang des Dorfes gegen Hirrlingen<br />

hin im Jahre 1801 mit fürstlicher Erlaubnis an dem alten,<br />

damals noch fürstlichen Mühlgraben von der Gemeinde erbaut<br />

worden, ging aber schon im Jahre 1803 laut Kaufvertrag<br />

vom 12. Dezember 1802 um den Betrag von 1050 Gulden<br />

in Privatbesitz über und zwar in die Hände des Zimmermanns<br />

Xaver Dieringer. Später wurde ihr noch eine Säge<br />

Das Warenbergle bei Owingen<br />

angebaut. Heute steht an ihrer Stelle die neue Glaserei<br />

Widmaier. Die zweite Gipsmühle lag dem Gasthaus zur<br />

„Krone" gegenüber. Auch sie ist eingegangen, da der Kunstdünger<br />

den Gips verdrängte, und jetzt in Wohnräume umgebaut<br />

worden.<br />

Welchen Absatz die Rangendinger Gipsmühlen hatten und<br />

welch reges Leben der Gipsmühlenbetrieb in der Zeit seiner<br />

höchsten Blüte nach Rangendingen brachte, das hat Schulrat<br />

a. D. J. Wannenmacher in der „<strong>Hohenzollerische</strong>n Zeitung"<br />

(3. Dezember 1951) anschaulich geschildert. Wie sehr in jenen<br />

Jahren der Gips von den Bauern als Düngemittel geschätzt<br />

und begehrt wurde, das konnte ich vor einigen Jahren von<br />

der im Jahre 1952 verstorbenen Alt-Löwenwirtin Agnes Abt<br />

in Freudenweiler bei Neufra erfahren, die mir erzählte, daß<br />

sie als junges Mädchen oft nach Rangendingen gekommen<br />

sei, um von dort einen Korb voll Gips auf dem Kopfe nach<br />

Hause zu tragen! Aus dem benachbarten Württemberg wurde<br />

viel „würtenbergischer" Gips in Rangendingen geholt. Der<br />

Hügel, dem der meiste Gips entstammte, heißt nämlich Würtenberg.<br />

Schon 1544 wird ein „Egertenfeld uf Würtenberg"<br />

erwähnt (Katasterblatt S. W. XIV. 12.). Die Gipsgewinnung<br />

in Rangendingen hörte, wie schon erwähnt, auf, als der<br />

künstliche Dünger in den Handel kam. Ein Versuch, sie neu<br />

zu beleben, kam durch die Währungsreform vom 20. Juni<br />

1948 zum Scheitern.<br />

Auch in Owingen begann man zu Anfang des vorigen<br />

Jahrhunderts die reichen Gipsschätze zu heben, die in den<br />

Gipskeuperhügeln zu beiden Seiten des Eyachtales verborgen<br />

lagen, und sie der gipshungerigen Landwirtschaft zuzuführen.<br />

Das Gipswerk der Gebrüder Häusel in Owingen, das


Jahrgang 1954 H O H E N Z O L L E R I S C H E N 13 H A T 51<br />

im Jahre 1806 angelegt wurde, hat sich bis heute erhalten.<br />

Es ist das einzige Werk dieser Art nicht nur in Hohenzollern,<br />

sondern in ganz Süddeutschland, das in die alte und erste<br />

Blütezeit der Gipsgewinnung zurückreicht. Bis zum Jahre<br />

1908 widmete es sich der Herstellung von Düngergips, dann<br />

stellte es sich auf Bau- und Putzgips um. Das Rohmaterial<br />

wird in aer stattlichen Gipsgrube nordöstlich von Owingen<br />

durch Sprengung im Tagbau gewonnen und durch Lastkraftwagen<br />

zu dem Gipswerk gebracht, das in landschaftlich<br />

schöner Lage am Austritt des Mittels- und Lützelbaches in<br />

die Talaue der Eyach, unweit der alten Owmger Weilerkirche<br />

liegt. Dort werden die größeren Gipssteine zunächst<br />

zerkleinert und dann in einem Spezialbrennverfahren 78—80<br />

Stunden gebrannt. Der so gewonnene Baustoff kommt unter<br />

dem Namen „Häusels Zollergips" in den Handel und<br />

findet in weitem umkreis guten Absatz, der sich im Jahre<br />

auf 2000—3000 Tonnen beläuft. Das Werk beschäftigt über<br />

ein Dutzend Arbeiter.<br />

In Empfingen war die Gipsgewinnung im vorigen j'ahrhundert<br />

besonders rege. Um das Jahr 1840 arbeiteten dort<br />

sechs Gipsmünlen, die das Rohmaterial im Auchtet und auf<br />

dem Hungerbühl holten. Sie stellten Dünge- und Baugips<br />

'.er. Der besonders feine und weiße Frauengips kam in die<br />

Porzellanfabrik nach Schramberg. Aber auch in Empfingen<br />

gingen die Gipsmühlen alle ein. Vor zwei Jahren hat Johann<br />

Reich im alten Gipsgrubengelände ein neues Gipswerk<br />

angelegt. Sein Gips findet als doppelt gebrannter Baugips<br />

guten Absatz.<br />

Die Gipskeuperlandschaft besitzt nicht die hohe Fruchtbarkeit<br />

der Gäulandschatt. Wohl liegen in ihren flachen Mulden<br />

Gipssteinbruch bei Owingen<br />

ergiebige Aecker und feuchte Wiesen, aber schon an flachen<br />

Hängen fehlt auch in altbebautem Gelände der Humusboden.<br />

Selbst bei flachem Pflügen kommt immer wieder der unverwitterte<br />

Mutterboden zum Vorschein, weil offenbar die zehrende<br />

Wirkung des Gipses keine Humusbildung aufkommen<br />

läßt. Die Hänge und Hügel tragen deshalb nur magere<br />

Aecker und dürftig' Wiesen. Meist sind sie als Allmende im<br />

Besitze der Gemeinde und werden entweder als „Teile" an<br />

die Bürger vergeben oder dienen als Weiden. Die von den<br />

Ortschaften abgelegneren Gebiete und die steileren Hänge<br />

sind heute meist mit Wald bestockt.<br />

In früheren Jahrhunderten dienten die Hänge in sonnigen<br />

Lagen öfters dem Weinbau, wie uns noch Flurnamen wie<br />

Weinberg, Weinberghalde, Kelterrain, Kelterwasen zeigen,<br />

die wir im Bereiche des Gipskeupers auf den Gemarkungen<br />

Gruol, Heiligenzimmern, Owingen und Rangendingen finden.<br />

Ueber diesen alten Weinbau in der Gipskeuperlandschaft ist<br />

schon oft geschrieben worden, so brachte in dieser eitschrift<br />

(1. Jahrgang 1951, Nr. 2, Seite 31) Hauptlehrer J. Wiest einen<br />

Beitrag „Zur Geschichte des Weinbaues in Rangendingen"<br />

und Max Schaitel erzählte in der „Zollerheimat" (5. Jahrgang<br />

1936, Nr. 6, S. 27/29) „Vom einstigen Weinbau im Stünzachtal"<br />

(Gruol und Heiligenzimmern).<br />

Heute ist der Weinbau in der hohenzollerisehen Gipskeuperlandschaft<br />

verschwunden, aber wie in den Flurnamen so<br />

haben sich seine Spuren an manchen Orten auch noch im<br />

Landschaitsbild erhalten. Alte Weinbergsmauern, künstliche<br />

Terrassen im Gelände, Kleinparzellierung, schmale Ackerund<br />

Wiesenstreifen, die an den Hängen herunterziehen, erzählen<br />

noch von ihm, aber auch manche Anekdoten sind


52 H O H E TT Z O L L E R T S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

noch im Umlauf, die von der „Güte" des hier erzeugten Weines,<br />

von Mißjahren und ähnlichen Dingen zu berichten<br />

wissen. An die Stelle der Rebe ist in weniger günstigen<br />

Lagen der Wald getreten, oft ist sie auch von Beerenpflanzungen<br />

und Obstanlagen abgelöst worden. Das Weinberghäuschen<br />

wurde zum Gartenhäuschen oder zum Wochenendhäuschen.<br />

So blieb uns noch als wohltuender Rest das anheimelnde<br />

Bild der alten Weinbau-Kulturlandschaft.<br />

Die Druckstöcke zu diesem Aufsatz sind von Herrn Fabrikant Chr.<br />

Maute in Bisingen unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden. Hierfür<br />

recht herzlichen Dank.<br />

<strong>Hohenzollerische</strong> Jahreshefte 1954<br />

Band 14 Jahrgang 1954 „<strong>Hohenzollerische</strong> Jahreshefte" enthält folgende<br />

Abhandlungen:<br />

Vorwort: S. K. H. Prinz Franz Joseph von Hohenzollern.<br />

Bumiller Anton, Direktor a. D. (Sigmaringen):<br />

Zur Geschichte des Handwerks in Stadt und Grafschaft Sigmaringen.<br />

Schmid Ernst Fritz, Dr. (Gersthofen bei Augsburg):<br />

Gestalten und Begebenheiten aus der Sigmaringer Musikgeschichte<br />

des 16. und 17. Jahrhunderts.<br />

Kraus J o h. Ad., Ordinariatssekretär (Freiburg i. Br.):<br />

Die Herren von Ringelstein und Killer genannt Affenschmalz.<br />

Wunder Gerhard, Dr. (Gelbingen bei Hall):<br />

Die frühesten Regesten der Schenken von Stauffenberg, Zell,<br />

Neuenzell, Andeck, Erpfingen.<br />

Kraus J o h. Ad., Ordinariatssekretär (Freiburg i. Br.):<br />

Zollerisches aus dem Stadtarchiv Reutlingen.<br />

Kraus J o h. Ad., Ordinariatssekretär (Freiburg i. Br.):<br />

Das Melchinger Fleckenbüchle.<br />

Pfeffer Anton, Kustos i. R. (Weilheim bei Hechingen):<br />

August Pfister-Gruol — Ein hohenzollerischer Künstler und<br />

sein Schicksal.<br />

Kraus Joh. Ad., Ordinariatssekretär (Freiburg i. Br.):<br />

Berichtigungen und Ergänzungen.<br />

Mitgliederbeitrag jährlich 6.— DM. Hierfür erhalten die Mitglieder<br />

das Jahresheft. Anmeldungen an den Schriftführer Herrn Fürstl.<br />

Archivrat Dr. Joh. Maier, Fürstl. Dom.- und Hausarchiv, Sigmaringen,<br />

Karlstr.<br />

Die Bader-Ann von Veringenstadt<br />

1619 wurde in Leißa bei Köln dem Taglöhner Joh. Kramer<br />

und seiner Ehefrau Elisabeth eine Tochter geboren, der sie<br />

den Namen Anna gaben. Sehr bald starb die Mutter an der<br />

Pest, und ehe die Anna 12 Jahre alt war, starb auch der<br />

Vater. Eine Base nahm sie auf, und die Anne wuchs dort<br />

zu einem schönen, aber eigensinnigen Mädchen heran, das<br />

frühzeitig verstand, den Männern den Kopf zu verdrehen.<br />

Im Winter des Jahres 1634 bezogen die schwäb Kreistruppen<br />

in Leißa Winterquartier, und in das Haus der Anne kamen<br />

der Schnapphan und der Völlehans aus Sigmaringen<br />

und der Feldscheerer Albert Kohler von Veringenstadt. Der<br />

Albert, ein sauberer Bursche, kam mit der Anne in ein Verhältnis<br />

und heiratete sie am 20. Februar 1635. Die junge Frau<br />

zog mit ihrem Mann mit dem Heer und stand ihm in seiner<br />

Arbeit bei. Doch bereits nach einem Jahr bekam Kohler den<br />

Abschied und kam mit seiner Frau nach Veringenstadt, wo<br />

ihm seine Mutter einige Grundstücke und eine Badstube<br />

übergab. Nun betrieb er das ehrsame Geschäft eines Baders,<br />

Barbiers und Arztes, wie es sein verstorbener Vater schon<br />

tat. Aus der ziemlich friedlichen Ehe entsproßten 5 Kinder.<br />

Für die Anne war es eine besondere Liebhaberei, heilbringende<br />

Kräuter in den Wäldern zu suchen, daraus Tränke zu<br />

brauen und diese gegen gutes Geld in den umliegenden<br />

Orten an die Leute zu verkaufen.<br />

Als aber Kohler im Jahr 1656 starb und Anne den 51jälirigen<br />

Hufschmied Andreas Endriß heiratete, änderte sich<br />

das Leben dieser Frau grundlegend. Diese Ehe war sehr unglücklich,<br />

der Mann plagte sein Weib und weckte in ihr Haß<br />

und rauhe Redensarten. Alltäglich hörte man im Hause<br />

schimpfen, fluchen und toben, daß die Nachbarn sich beim<br />

Rat beklagten. Dieser nun klagte beim Fürsten in Sigmaringen,<br />

und eine strenge Verwarnung erfolgte, „da man ein<br />

solches nicht dulden könne, in Befürchtung göttlicher Strafe<br />

für die ganze Gemeind". Für eine Zeit war Ruhe geschaffen,<br />

jedoch dann ging es wieder aufs neue los und das noch gräßlicher<br />

als zuvor. Der Mann selbst nannte sein Weib eine<br />

Hex, eine Bluthexe, und war es da ein Wunder, wenn die<br />

Bürger sich still zutrugen, „die Baderann sei nichts Rechts,<br />

nichts Guts, ein bös Mensch, ein Unhold. 7 ' Im Herbst 1668<br />

wurde sie von der Ww. Anna Herre der Hexerei beschuldigt,<br />

da sie beim Hanfbrechen von der Baderann einen verhexten<br />

Musbrei bekommen habe. Darauf sei sie todkrank geworden<br />

und nac Ti T Annehmen von Geweihtem sei ein Wurm wie ein<br />

Eggeß (Eidechs) von ihr gegangen, welches von Hexerei<br />

komme. Den 21. Nov. 1668 kam der Vizekanzler von Sigmaringen<br />

zu einem strengen Verhör, das aber ohne Resultat<br />

Gipsmiihle bei Owingen<br />

w H B H B H<br />

verlief. Das Gerede aber blieb im Volk, und erst im Jahr<br />

1680 kam es zum Bruch. Der Maurer Mathias Allgäuer behauptet,<br />

die Baderann habe sein Weib und den Sohn Paule<br />

so verhext, daß erstere gestorben und der Sohn sehr krank<br />

sei. Auch habe sie ihm Roß und Vieh malefizisch angegangen<br />

und dadurch ihm großen Schaden verursacht.<br />

Am 10. Mai 1680 wurde die Baderann verhaftet und unter<br />

Vorsitz des Vicekanzlers Dr. Kirsinger begann ein peinliches<br />

Verfahren wegen Hexerei. Das unglückliche Weib bestand<br />

ein zehnmaliges Befragen sehr günstig. Doch es traten du<br />

weiteren Zeugen auf, so gab eine Martha Roth auf Ehr und<br />

Seligkeit dem Gericht kund, die Baderann habe ihr mit dem<br />

Finger auf die linke Achsel getupft, daß sie unmenschlich<br />

Schmerzen bekommen habe, und der Arm sei nach drei<br />

Tagen ganz schwarz herunter gehangen. Der Jakob Abt von<br />

Harthausen habe ihr dann Ueberschläg mit geweihten Sachen<br />

gemacht, so daß es wieder gut wurde. Jedoch sie spüre<br />

es immer noch. Weitere Zeugen sagen, sie habe ihnen die<br />

Rede genommen, sie hat ihnen Bauchweh gemacht, Hagel<br />

hergehext usw. Das arme Weib aber beteuert seine Unschuld.<br />

Das Gericht legt sie in die Folter, und erst, nachdem<br />

die unmenschlichen Qualen nicht mehr zu ertragen sind,<br />

macht sie ein Geständnis. Sie gesteht noch mehr, als daß üir<br />

angeheftet ward, jedoch nach der Folter widerruft sie alles,<br />

das sie gestanden hatte.<br />

Am 5. Juni 1680 spricht man das Urteil — Feuertod! Als<br />

der Vizekanzler nach Sigmaringen das Urteil bringt, läßt<br />

sich Fürst Maxemilian den Fall genau berichten. Nicht nur<br />

die Anklage, die Verhandlung, nein auch das Vorleben der<br />

Baderann läßt er sich erzählen und lange Zeit steht er ruhig<br />

am Fenster. Vizekanzler Dr. Kirsinger wartet ergebenst auf<br />

die Unterschrift des Urteils. Fürst Maxemilian dreht sich um<br />

und fragt nochmals: „Dann nat sie also erst in der Folter<br />

gestanden?" „Ja, Euer Durchlaucht!" „So nehmt mein Urteil<br />

und schreibt: Die der Hexerei beschuldigte und geständig<br />

Anna Kohler wird vom Leben zum Tode durch das Schwert<br />

verurteilt. Hernach soll ihr Leib dem Feuer übergeben<br />

werden."<br />

Unter dem Läuten der großen Glocke ziehen Tausende von<br />

Menschen der Richtstätte zu, wo der Baderann, laut das<br />

Vaterunser betend, das Haupt vom Leib getrennt wurde und<br />

sodann dem Scheiterhaufen überantwortet wurde. Raben<br />

flogen krähend darüber hinweg, eine häßliche Kröte kam<br />

unter dem Holzstoß hervor, das Volk hatte die Gewißheit,<br />

die Baderann war eine Hexe.<br />

Nach alten Aufzeichnungen erzählt von J. Halm.


Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 53<br />

Aus der Postkutschenzeit Hohenzollerns<br />

Mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes und mit der Einführung<br />

von Kraftwagen sind die gelben Postkutschen aus<br />

dem Straßenbild verschwunden. Nur die Aeltesten von uns<br />

wissen etwas von Postwagen und Postillionen aus eigener<br />

Anschauung. Vielleicht ist es angebracht, jene Zeit noch einmal<br />

ins Gedächtnis zu rufen. Im Zusammenhang damit<br />

steht auch die Geschichte des Postwesens; deshalb soll auch<br />

darüber etwas berichtet werden, soweit sie sich auf unsere<br />

engere <strong>Heimat</strong> bezieht.<br />

Ein geordnetes Postwesen iund regelmäßige Postverbindungen<br />

sind im Fürstentum Hohenzollerr Sigmaringen verhältnismäßig<br />

spät eingeführt worden. Man 1 nn es fast nicht<br />

glauben, daß es zu Anfang des 19. Jahrhunderts noch keine<br />

Postniederlage bei uns gab. Und doch ist es so. Nicht einmal<br />

in der Residenz Sigmaringen gab es damals ein Post - nt.<br />

Die fürstliche Regierung in Sigmaringen hat sich viele Jahrzehnte<br />

vergeblich bemüht, von dem Generalpostmeister der<br />

damaligen Zeit, dem Fürstenhaus Thum und Taxis, eine<br />

Postlinie und ein Postamt au erlangen. Gründe für die ablehnende<br />

Haltung sollen gewesen sein: schlechte Wege, große<br />

Wälder, die nachts nicht ohne Gefahr befahren werden<br />

konnten, vor allem aber der Umstand, daß Sigmaringen von<br />

dem Hauptkurs Ulm-Schaffhausen abseits lag. Da also regelmäßige<br />

Postverbindungen fehlten, so konnte damals die<br />

Beförderung von Briefen und sonstigen Postsachen nur<br />

durch besondere Boten geschehen, die im Auftrage eines<br />

Einzelnen oder einer Gemeinde zwischen bestimmten Orten<br />

verkehrten. Die Beförderung lag vielfach in den Händen<br />

der Metzger, die gezwungen waren, zium Ankauf von Vieh<br />

aufs Land zu fahren. Nebenher besorgten sie die Post. Die<br />

Gemeinden schlossen Verträge mit ihnen, worin sie zum<br />

Halten von Pferden und Mitnehmen der Post verpflichtet<br />

wurden. Daneben bestanden aber die sogenannten „Ordinariposten"<br />

und „Ordinariboten", die von der Grafschaft<br />

oder der Regierung unterhalten wurden und die regelmäßig<br />

an bestimmten Tagen zwischen bestimmten Orten verkehrten.<br />

Meistens waren es Boten zu Fuß, die von ihren Auftraggebern<br />

eine feste Vergütung bezogen, aber auch von<br />

jedermann private Sendungen mitnehmen durften. Damit<br />

war der Bevölkerung schon viel geholfen und ein Schritt<br />

vorwärts getan. Eine solche sehr wichtige Ordinaripost in<br />

unserer Gegend bestand zwischen der fürstlichen Regierung<br />

in Sigmaringen und ihren Verwaltungssteilen in Haigerloch<br />

Die dortigen Grafen waren schon im Jahre 1634 ausgestorben;<br />

ihr Gebiet war an Sigmaringen gefallen, lag also weit<br />

ab vom Stammland und getrennt durch das Fürstentum<br />

Hechingen, Der Weg des Ordinariboten führte über Hechingen—Zollersteig—Winterlingen<br />

nach Sigmaringen. Nachfolger<br />

der Ordinariboten waren später die Boten und Bötinnen,<br />

die df i Verkehr der Gemeinden mit den Behörden am Sitzedes<br />

Oberamts besorgten — Amtsboten oder Gemeindeboten<br />

— die man immer noch, fast bis in die jetzige Zeit<br />

hinein, mit ihrem Wägelchen und mit ihrer Tasche auf der<br />

Landstraße sehen konnte.<br />

Da die Wünsche des Fürsten von Sigmaringen von der<br />

Taxischen Post nicht berücksichtigt wurden, so wandte sich<br />

der Fürst an Württemberg. Dort fand er größeres Entgegenkommen.<br />

Am 9. 2. 1819 wurde in Sigmaringen ein Kgl.<br />

württemb. ,Postamt errichtet, und zwar im Gasthaus zur<br />

Krone. Am 1. 4. 1829 ging das Postwesen des ganzen Gebietes<br />

an die Taxische Post über. Das Postamt hieß nun<br />

„Fürstlich Hohenzoilern-Sigmaringisches Thum- und Taxisches<br />

PostamtT Sigmaringen erhielt gute Postverbindungen.<br />

Eilwagen kamen von Stuttgart über Tübingen—Hechingen<br />

und fuhren weiter nach Mengen—Saulgau—Ravensburg—<br />

Friedriclishafen. Ferner: Eilwagen von Ulm, weiter nach<br />

Stockach—Schaffhausen. Kariolposten verkehrten über Ebingen<br />

nach Hechingen, ebenso über Gammertingen nach<br />

Hechingen.<br />

Etwa um die gleiche Zeit (1825) erhielt Gammertingen<br />

seine erste regelmäßige Postverbindung, und zwar aus Riedlingen.<br />

Bei Sonnenwirt Schmid an der Straße nach Bronnen<br />

— das Gebäude heißt heute noch „alte Post", wurde 1889<br />

eine Poststelle und 1825 eins Postexpedition eingerichtet.<br />

In (.er Familie Schmid verblieb die Posthalterei bis zur<br />

Eröffnung der Bahn. In ihrem Besitz befindet sich als Andenken<br />

noch eine Ehrenurkunde des Generalpostmeisters v.<br />

Stephan über langjährige treue Dienste.<br />

Wesentlich günstiger als in Sigmaringen lagen die Verhältnisse<br />

zur Einrichtung von Posten im Fürstentum Hohenzollern-Hechingen.<br />

Hechingeri lag an der wichtigen Verkehrsstraße<br />

Stuttgart—Tübingen—Balingen—Tuttlii) seil—Schaff-<br />

haiuisen. Nach der Hechinger Stadtchronik soll schon im Jahre<br />

1642 im Gasthaus zur Krone in Hechingen ein Kaiserliches<br />

Postamt eingerichtet gewesen sein. (Da Taxis im Auftrage<br />

des Kaisers handelte, hießen die Postämter „Kaiserlich" )<br />

Anscheinend ist es aber bald wieder aufgehoben worden.<br />

Auch ein späteres auf der Wüstenmühle (jetziger Stadtteil)<br />

Friedrichstraße) errichtetes Postamt war nicht von Dauer.<br />

Erst am 1. Oktober 1756, aber doch ein halbes Jahrhundert<br />

früher als in Sigmaringen, wurde durch den Postmeister<br />

aus Cannstatt ein Postamt in Betrieb gesetzt. Kaiserlicher<br />

Posthalter wurde ein Hechinger Bürger namens Josef Blumenstetter.<br />

Hechingen bekam hierdurch Anschluß an das<br />

allgemeine Postamt; doch gab es zunächst nur reitende<br />

Posten (keine Wagen), die wöchentlich zweimal zwischen<br />

Stuttgart und Schaffhausen verkehrten. Im Jahre 1796<br />

wurde die Post in Hechingen auf kurze Zeit von der französischen<br />

Republik beschlagnahmt. Der Grund für diese<br />

Maßnahme ist nirgends mehr ersichtlich.<br />

Im Jahre 1806, nachdem also in Hechingen schon 50 Jahre<br />

ein Thum und Taxisches Postamt bestanden hatte, sah sich<br />

der Fürst gezwungen, um die Postverbindungen nicht zu<br />

verlieren, in seiner Residenz ein Kgl. Württ. Postamt aufzunehmen.<br />

Herzog Friedrich von Württemberg hatte in diesem<br />

Jahre die Königswürde erhalten. Das Postwesen, bisher<br />

auch in Württemberg Taxisch gewesen, wurde kurzerhand<br />

als Staatsbetrieb übernommen. Im Jahre 1809 übertrug schon<br />

Württemberg die Verwaltung seiner Posten wieder den<br />

Thum und Taxis. Das Kgl. Württ. Postamt in Hechingen<br />

wurde aufgehoben und hieß, ähnlich wie in Sigmaringen,<br />

Fürstlich Hohenzollern-Hechingisches Thum- und Taxisches<br />

Postamt. Aber erst im Jahre 1829 wurden beide Fürstentümer<br />

zu einem einheitlichen Postgebiet zusammengeschlossen.<br />

In Haigerloch wurde 1819 der Lammwirt Schöner Posthalter<br />

und Postreiter. Sein Nachfolger wurde Sebastian<br />

Linsenmann, in dessen Familie die Posthalterei bis zur Bahneröffnung<br />

verblieb (heute Hotel Post). Wie in Gammertingen<br />

und Haigerloch, so wurden später Postexpeditionen errichtet<br />

in Jungingen, Imnau, Dettingen, Trochtelfingen, Veringenstadt,<br />

Ostrach, Krauchenwies und Klosterwald. Damals kostete<br />

ein Brief von Hechingen nach Berlin 35 Kreuzer, ein<br />

Einschreibebrief nach Sigmaringen 14 Kr., ein kleines „paquet"<br />

von Haigerloch nach Schramberg 15 Kr. Auch mit dem<br />

Bezug von Zeitungen und Zeitschriften befaßte sich damals<br />

schon die Post. Bei den Akten der inzwischen aufgehobenen<br />

Museumsgesellsdiaft Gammertingen befand sich eine Postquittung<br />

vom Jahre 1853 über bezogene Zeitungen und zwar.<br />

1 Literaturblatt Menzel, jährlicher Bezugspreis 6 fl, 1 Morgen!<br />

att aus Stuttgart, jährlicher Bezugspreis 14 fl, 1 Schwäbischer<br />

Merkur aus Stuttgart, jährlicher Bezugspreis 6 fl<br />

Nebe: dem Bezugspreis mußte für diese Zeitungen ein<br />

Steuerbetrag an das Überamt entrichtet werden, da die<br />

'''erlagsanstaiten nach damaligen Verhältnissen im „Ausland"<br />

lagen. Die Steuer war nicht gering. Sie betrug z. B.<br />

beiiv „Schwäbischen Merkur" vierteljährlich 1 fl 5 1 /: Kr.<br />

Mit dem ufschwung der Wirtschaft wurden im Laufe<br />

der lahre die Posteinrichtungen erweitert und ausgebaut.<br />

In den Jahren 1863/64 wurden Landpostboten angestellt,<br />

auch die Landorte erhielten Postzustellung. Briefkasten<br />

wurden aufgestellt, doch mußten zunächst die Gemeinden<br />

die Kosten tragen. Allmählich entstanden regelmäßige Verbindungen<br />

mit dem angrenzenden badischen und württembergischen<br />

Gebiet. Auch nachdem Hohenzollern an Preußen<br />

gefallen war, übte Thum und Taxis noch das Postrecnt<br />

aus. Die Postämter hießen: Kgl. preußisches Thum und<br />

Taxisches Postamt. \n 1. Juli 1867 wurde das Postwesen<br />

auch auf den preußischen Staat übertragen. Hohenzollern<br />

wuide der Oberpostdirektion Frankfurt/Main zugeteilt. Als<br />

im Jahre 187? das bacfrscKe Postwesen auf das Reich überging,<br />

wurde Hohenzollern der neu geschaffenen Oberpostdirektion<br />

Konstanz unterstellt. Die Postanstaiten führten die<br />

Bezeichnung „Kaiserlich" Als die Oberpostdirektion Konstanz<br />

im Jahre 1934 mi, Karlsruhe vereinigt wurde, ging<br />

auch das Gebiet Hohenzollern dahin. Am 1. 10. 1940 wurde<br />

Hohenzollern aus praktischen Gründen von Karlsruhe abgezweigt<br />

un-, der '"»berpostdirektion Stuttgart unterstellt, wohfn<br />

es gebietsmäßig gehört; seit 1945 ist Tübingen zuständig.<br />

Diese vic'ien Aenderungen und Schwierigkeiten in der Verwaltung<br />

-er Posten sind ein Bild der damaligen deutschen<br />

Zerrissenheit. Solche Folgen hatte die Vielstaaterei der damaligen<br />

Zeit. Bewundernswert sind jedoch die technischen<br />

Fortschritt : die in der letzten 70 Jahren gemacht worden<br />

sind und die es ermöglicht haben, das Post- und besonders


54 H O H E N Z O L L E N I S C H E H E I M A T<br />

das Fernmeldewesen auf die Höhe zu bringen, auf der es<br />

heute steht.<br />

Rund 50 Jahre sind es nun her, daß die gelben Postwagen<br />

ihre Fahrten durchs Killertal, Eyachtal, Starzel- und Laucherttal<br />

eingestellt haben. Nur im Postmuseum und in manchen<br />

Wirtschaften auf dem Lande sind ihre Bilder noch zu<br />

sehen. Es waren große Kutschen, bespannt mit 2, 3 oder<br />

manchmal 4 Pferden, die im Innern für vier Reisende Platz<br />

boten, im Schwarzwald teilweise für 6 Personen. Bei großem<br />

Schnee traten Schlitten an die Stelle der Wagen. Auf<br />

dem hohen Bock saß der Postillion in schmucker Uniform,<br />

Horn und Tasche umgehängt, Zügel und Peitsche in Händen.<br />

Er war der Herr der Landstraße, wenn er das Signal<br />

gab, mußte Platz gemacht werden; er hatte Vorfahrtsrecht.<br />

Nun sind auch sie, die Postillione, der Vergessenheit anheimgefallen.<br />

Nur noch einige von ihnen leben hochbetagt als<br />

Pensionäre. Es waren meistens heitere Gesellen, die trotz<br />

des schweren Dienstes und des schmalen Lohnes lustig das<br />

Horn und die Peitsche erklingen ließen. Ueberall waren sie<br />

gerne gesehen als Reisebegleiter und Ueberbringer der neuesten<br />

Nachrichten. Wenn ihr Aufenthalt in den Dörfern auch<br />

nur eine „Schoppenlänge" betrug, soi wußten sie doch den<br />

rasch herbeikommenden Dorfbewohnern stets was zu erzählen.<br />

Hatten sie mehr Zeit, so erzählten sie von ihren<br />

Fahrten in Nacht und Nebel, bei Sturm und Schnee und<br />

Großvater wanderte mit seinem Enkel durch das sonnenwarme<br />

Tal der Starzel.<br />

Als er mit ihm in die Nähe des Dorfes Killer kam, verfinsterte<br />

sich die Sonne. Denn über die Albberge stieg ein drohendes<br />

Meer von schwarzen, dicken Wolken. Gleich einem Untier<br />

grollte ein Gewitter auf - den beiden Wanderern entgegen.<br />

„Lauf, Bue!" mahnte der Großvater zur Eile, „daß mir<br />

onter Dach kommet, voar's Wetter eisetzt!"<br />

„Weards g'fährlich?" fragte der Enkel etwas ängstlich.<br />

„Noi, noi, Bue, onser Glock weard scho sorga, daß noiz<br />

bassiera ka".<br />

„Wieso, Großvattr, soll die grauß Glock helfa?"<br />

„Des will i dir jetzt saga, Bue! Die treibt die Wetterwolka<br />

auseinander — ond zwar dur iehr schös, eidringlichs Wondergläut.<br />

S'ischt grad als wenn sie a Schar Raubvögel vrjaicha tät".<br />

„Ja, Gro.. ^attr, worum saischt du vo deara Glock, sie hett<br />

a Wondergiaut?<br />

„Ha, des ischt so, Bue: Die Glock hanget seit urdenkliche<br />

Zeita z' Killer, en unserm Hoimetkirchle ond läutet so schö,<br />

Den älteren Lernen von Grosselfingen ist der „Weißputzur",<br />

d. h. der Gipser, ein wohlbekannter Begriff. Der<br />

Weil.' jtzer war ein Meister seines Handwerks und hatte<br />

auch Energie und Mut. Als der Kirchturm in Ostdotrf ein<br />

neues Gewand erhalten sollte, schreckten die Ortsväter<br />

schon vor den hohen Gerüstkosten zurück. Da machte auch<br />

unser Weißputzer ein Angebot, das nur einen Bruchteil des<br />

Voranschlags betr-.t und ihm wurde die Arbeit übertragen.<br />

Dazu brauchte er kein Gerüst. An ein langes „Wurfseil", das<br />

bekanntlich zur Spannung des „Wiesbaumes" nötig ist,<br />

machte e einen bequemen Sitz, band es oben im Turme<br />

fest und ließ sich daran an der Außenwand des Turmes<br />

herunter, höher und tiefer, so wie er es zur Ausführung<br />

seiner A beit brauchte. Zur Mittags- und Vesperzeit kletterte<br />

er dann an dem Seil empor. Zu Dutzenden, ja oft<br />

Hund ."ten standen die Ostdorfer da unten und schauten<br />

dem Wagemutigen zu, der die Arbeit tadellos zu Ende führte.<br />

Der Weißputzer aber hatte einen charakterlichen Fehler.<br />

Wenn er sich ein nettes Sümmchen verdient hatte, zog es<br />

ihn unwiderstehlich in die Krone, den Ochsen oder die Färb;<br />

..f^nn das ,Braunbier" liebte er über die Maßen So kam es,<br />

da r i er sich bis zum Abend oft einen ordentlichen Ueberschwang<br />

angetrunken hatte Darauf '.latten wir „Malefiznuben"<br />

nur gewartet. De"n ging er dann im Zickzack nach<br />

H,:use, so ließen wir auf der Straße einige Schattersteine<br />

roller., ^er MI '. imals genug umherlagen. Vor Steinen aber<br />

hatte der Weißputzer eine Höllenangst, und er sprang, so<br />

gut er es noch konnte, davon. Das machte uns einen Heidenspaß,<br />

unc wi. haben das Gaukelspiel oft wiederholt, weil<br />

wir den Maulheiden an seiner schwächsten Stelle getroffen<br />

hatten, dp'- sonst, was sein beständiger Heldenausdruck war,<br />

den Teufel nicht fürchtete.<br />

Mnmal war es aber doch anaers. Eines Abends saß er<br />

mit andern in der „Kutsche" in Weilheim und erzahlte von<br />

Die große Glocke von Killer<br />

Der Teufel und der Ziegenbock<br />

T ruang 19. s '<br />

von ihren Fahrgästen. Oft waren es bedeutende Persönlichkeiten,<br />

die mitfuhren. Das meiste Glück in dieser Hinsicht<br />

hatte der Postknecht Kästle aus Starzein, der anfangs der<br />

70iger Jahre den alten Kaiser Wilhelm I. nach Hechingen fahren<br />

durfte. Der greise Monarch stieg im „Höfle" in Starzein<br />

aus und fuhr mit Extrapost nach Hechingen weiter. Kästle<br />

erhielt die Ehrenpeitsche und war stolz darauf sein Leben<br />

lang. Ehrenpeitsche und Ehrenhorn wurden sonst nur nach<br />

langer einwandfreier Dienstzeit verliehen.<br />

Jeder Postillion mußte das Horn blasen können. Vor<br />

Abgang der Post blies er das Signal, eine Art Weckruf, um<br />

noch etwaige Reisende herbeizurufen. Bei der Einfahrt in<br />

die Städte und Dörfer mußte er wieder blasen, um seine<br />

Ankunft anzuzeigen. Mancher brachte es zu einer großen<br />

Fertigkeit im Blasen des Horns, und so kam es, daß in den<br />

Abend- und Nachtstunden, besonders in der schönen Jahreszeit<br />

Posthornklänge ertönten im Tal und auf der Höhe.<br />

Es waren zumeist schwermütige Lieder vom Abschiednehmen,<br />

von Sehnsucht und Heimweh, die dem einsamen Wanderer<br />

und dem daheim noch Wachenden Herz und Gemüt<br />

ergriffen. Kein Wunder, daß in einer solchen Stimmung zahlreiche<br />

Lieder und Gedichte entstanden, die die Post und den<br />

Postillion zum Gegenstand haben.<br />

Das war die gemütliche, die gute, alte Zeit.<br />

K. Barth, Oberpostmeister a. D.<br />

von Maria E. Flad<br />

wie du jo selber Dag für Dag hairscht. Nau oimol hot sie<br />

ausg'setzt — und des ischt igsei, wo d' Schweda dur's Ländle<br />

ond dur des Dal zoga send. Bei iehrem Eizug hot die Glock<br />

grad s'Bet g'litta. Auf des na haut sie da Glockaturm<br />

g'schtürmt, haut die Glock ag'henkt ond mitg'nomma. Die<br />

Killermer send drüber ganz onglücklich gsei. Aber was<br />

moischt, Bue, am andera Dag hot die Glock auf oimol em<br />

Glockaturm g'litta. Ja, ja, gelt Bue, do schtaunscht! Koi<br />

Mensch woiß, wie des zueganga ischt — wear die Glock<br />

wieder en da Glockaturm g'schaffet hot. Seit deara Zeit<br />

läutet se ons en fraidiga ond au en trauriga Daga. Ond sie<br />

schitzt ons voar jedem schwera Durnwetter".<br />

„Ha, wenn seil war!" seit dr Bue, „no haun i vo jetzt a en<br />

graußa Reschpekt voar iehrem schena G'läut."<br />

Unter diesem Gespräch ist der Großvater mit seinem<br />

Enkel zu Hause angekommen.<br />

Das Gewitter ai>er verzog sieb bei dem wundersamen Geläut<br />

der großen Glocke von Killer.<br />

Bearbeitet nach einer Sage von Ludwig Egler.<br />

seinen Heldentaten und besonders von seiner Furchtlosigkeit.<br />

„Ja", ief er seinen Zechkumpanen zu 1 , „ich fürchte mich<br />

selbst vor dem Teufel nicht, und wenn er jetzt leibhaftig da<br />

hereinkäme, so würde ich ihm mein Bierglas", das damals<br />

noch einen festen Handgriff hatte, „mitten auf den Kopf<br />

schlagen." So prahlte der Weißputzer.<br />

Aber alles hat einmal ein Ende, selbst das Zechen und<br />

Biertrinken, und geger Mitternacht verabschiedete sich der<br />

Weißputzer; denn er hatte noch einen weiten Weg nach<br />

Hause. Doch schon nach 10 Minuten Kam er wieder, zitterte<br />

am ganzen Leib und erzählte stotternd, daß ihm draußen<br />

vor dem Dorfe der Teufel wirklich erschienen sei. Dort<br />

stehe er in einem Garten, habe feurige Augen und zwei<br />

wirkliche Hörner; er habe sich nicht getraut, weiterzugehen,<br />

sie sollen nur kommen und es selbst sehen. Die Männer<br />

machten ernste Gesichter; nur einer lachte verschmitzt in<br />

sich hinein und Jagte: ,.So gehen wir halt vor das Dorf und<br />

schauen uns den Teufel an." Sie gingen hinaus, und richtig,<br />

dort stand der unheimliche Geselle mit glühenden Augen<br />

und zwei wirklichen Hörnern, so daß selbst die Männer ein<br />

kalter Schauer überlief. Doch der Verschmitzte sagte:<br />

„Ki'-nmt nur] Wii wollen dem Kerle zeigen, daß wir uns<br />

nicht vor ih n fürchten." Sie gingen tatsächlich auf das Ungetüm<br />

zu, A 5 sie ganz nahe waren, meckerte es ganz ziegenböckisch.<br />

Da war das Teufeisrätse 1 gelöst; denn der vermeintliche<br />

Teufel war der Ziegenbock dessen, der so versenmitzt<br />

gelacht hatte. /Ms sich der Weißputzer rühmte, er<br />

fürehtc selbst den Teufel nicht, war er ausgetreten und<br />

hatte oa er ganz nahe wohnt, seinen Ziegenbock losgebunden,<br />

und dieser war dem Weißputzer in den Weg getreten.<br />

Wenn später der Weißputzer wieder von seinen Heldentaten<br />

und seine r Furchtlosigkeit erzählte und prahlte,<br />

dann brauchte man ihn nur an den Ziegenbockteufel erinnerr<br />

Dann wurde er mäuschenstill, trank sein Bier aus und ging<br />

nach Hause. Der prahlerische Prolet war geheilt. J. Sti-bel,


.'ahrpana 1fi54 H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 55<br />

Die Erneuerung der St. Anna-Wallfahrtskirche in Haigerloch<br />

iL reu in den Jahren 1952 bis 1954<br />

Ein wertvolles Kleinod spätbarocker Kunst ist vor dem Zerfall gerettet<br />

In Haigerloch vereinigen sich malerische Lage, Vielgestaltigkeit<br />

der Landschaft und ein einzigartiges reiches Erbe<br />

einer großen künstlerischen Vergangenheit zu wunderbarer<br />

Einheit und Schönheit. Die Perle unter allen Kunstschätzen<br />

ist ohne Zweifel die weitbekannte und seit Jahrhunderten<br />

vielbesuchte St. Anna-Wallfahrtskirche, die in den Jahren<br />

1752 bis 1755 von Fürst Joseph von Sigmaringen nach Plänen<br />

des großen Münchner Baumeisters Joh. Mich. Fischer erbaut<br />

wurde. Der Fürstliche Auftraggeber berief zur Ausführung<br />

seiner kirchlichen Stiftung die besten Künstler der<br />

damaligen Zeit: Stukkator Joh. Mich. Feichtmayr aus Augsburg;<br />

Bildhauer Joh. G. Weckenmann; den Sigmaringer Hofmaler<br />

Meinrad von Aw und den Haigerlocher Baumeister<br />

Großbayer. Seit 200 Jahren gilt die St. Annakirche als das<br />

wertvollste nachmittelalterliche Baudenkmal des ganzen Landes,<br />

mit dem die Kunst jener Zeit hereinragt, die sich internationale<br />

Geltung errang. Die Kirche ist im Aeußern in feinlinigem<br />

Ebenmaß gegliedert und an der Giebelfassade durch<br />

ein Sandsteinportal mit guter Dekoration durch Pilaster, geschwungene<br />

Voluten und Wappen geziert. Das Innere ist eine<br />

herrliche Symphonie von Altären, Figuren und Stukkaturen,<br />

die jeden Vergleich mit den besten Schöpfungen des oberschwäbischen<br />

und bayerischen Barocks aushält, etwa mit<br />

Birnau, Zwiefalten und Ottobeuren, ja die St. Annakirche<br />

besitzt sogar einen besonders intimen Reiz. Sie steht inmitten<br />

eines geräumigen Platzes, umgeben von einer großen<br />

Umfassungsmauer mit 24 figuren- und vasengeschmückten<br />

Pfeilern: prachtvolle Steinplastiken von Joh. G. Weckenmann<br />

aus dem Jahre 1755. Gegenüber der Kirche steht das<br />

Kaplaneihaus: ein schöner Barockbau mit Mansardendach,<br />

geschwungenem Sandsteinportal und einem sehr wertvollen<br />

schmiedeisernen Balkongitter. Die gesamte Anlage ist ein<br />

einzigartiges Kleinod spätgotischer Kunst. Und eine erhe-<br />

Haigerloch, St. Annakirche. Inneres gegen die Orgelempore<br />

bende, selten feierliche Stimmung umfängt jeden, der den<br />

idyllischen Platz betritt und die erhabene Schönheit des<br />

Gotteshauses auf sich wirken läßt.<br />

Nahezu 200 Jahre sind nun seit der Erbauung dieser kostbaren<br />

Anlage verflossen. Seit der Erbauung der Kirche<br />

wurde noch nie eine umfassende, durchgreifende Instandsetzung<br />

durchgeführt. Darum waren auch seit längerer<br />

Zeit unersetzliche Einzelwerke im Kircheninnern sowie die<br />

Mauer mit den wertvollen Steinplastiken einem fortschreitenden<br />

Zerfall ausgesetzt. Bei einer großen Anzahl von Figuren<br />

und Vasen war der natürliche Verwitterungsprozeß<br />

schon soweit fortgeschritten, daß man die ursprüngliche<br />

Form nicht mehr erkennen konnte. Barockanlagen mit<br />

dieser Fülle von einzelnen Schönheiten und Feinheiten bedürfen<br />

laufender sorgfältiger Pflege. Jedem Einsichtigen<br />

und Kunstverständigen erschien es darum als unverantwortlich,<br />

diese Originalkunstwerke ihrem Schicksal zu überlassen<br />

und sie „in Schönheit sterben zu lassen". Aus diesem<br />

Grunde faßte im Jahre 1952 das Kath. Stadtpfarramt den<br />

schweren Entschluß, innerhalb von drei Jahren die gesamte<br />

Anlage mit Umfassungsmauer, Figuren, Vasen, Kaplanei und<br />

Kirche vollständig instandzusetzen, auf diese Weise die weitbekannte<br />

Gnadenstätte vor weiterem Zerfall zu bewahren<br />

und sie kommenden Generationen zu erhalten. Zuerst wurden<br />

die Holzplastiken von Weckenmann: die lebensgroßen<br />

Figuren des Hl. Fidelis und Meinrad, die allegorischen Gestalten<br />

des Alten und Neuen Testamentes, sowie 24 holzgeschnitzte<br />

Putten — eine schöner als die andere — von Herrn<br />

Hofrestaurateur Andreas Knupfer in Jungnau restauriert,<br />

gegen sehr starken Holzwurm behandelt und konserviert.<br />

Unmittelbar darauf wurde das schadhafte Kaplaneigebäude<br />

vom hiesigen Malermeister Joseph Staib neu verputzt und<br />

die 24 Steinplastiken der Umfassungsmauer durch die Bild-


56 H O II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

hauer Franz Vees und Alfred Vees von Haigerloch, Heinrich<br />

Schneider aus Rottenburg und Heinrich Bergmann aus Dettensee<br />

einwandfrei und äquivalent kopiert und die Originale<br />

ir. einerr „Weckenmann-Museum" der Kaplanei abgestellt<br />

und auf diese Weise gerettet. Diese Arbeiten werden erst<br />

bis nach einem Jahre vollständig vollendet sein. Im Frühjahr<br />

dieses Jahres begann nun die Erneuerung der St.<br />

Annakirche selber, durch die Firma Joseph Lorch, Kirchenmaler<br />

und Restaurateur in Sigmaringen und Gipsermeister<br />

Max Ade in Haigerloch und Bauunternehmer<br />

Hans B ü r k 1 e in Haigerloch. Die Verantwortung für die<br />

Inner- und Außenrenovation hatte Herr Kirchenmaier Joseph<br />

Lorch. Die Oberleitung führte Herr Regierungsbaurat<br />

Walther Genzmer aus Sigmaringen, Landeskonservator für<br />

H lenzollern. Auch das Staatliche Landesamt für Denkmalspflege<br />

in Tübingen erwarb sich um dieses Werk in ideeller<br />

und finanzieller Hinsicht große Verdienste. Vor der Instandsetzung<br />

hatten die Wandflächen im Innern der Kirche<br />

ein sehr schmutziges Aussehen. Die Stukkaturen und farbenfrohen<br />

Freskobilder waren von Pilzwucherungen und Sporen<br />

stark bedi ht. Die Deckenbilder hatten viele schadhafte<br />

Stellen und bedenkliche Verputzrisse. Die kunstvolle Bemalung<br />

der Emporenbrüstung wai ruiniert. Diese und viele<br />

andere Schäden sind nun sachgemäß behoben: die gesamten<br />

Wandflächen sind neu gefaßt, die Freskobilaer instandgesetzt,<br />

die vielen Bisse in den Gewölben geschlossen, der<br />

lose Verputz befestigt, lose und abblätternde Stellen an den<br />

Bildrahmen der Gewölbe, an den Gewölbe-Gurtbögen und<br />

an den herrlichen Brokatmustern restauriert. Die großartigen<br />

Stukkverzierungen an den Wänden, besonders unter den<br />

Fenstern und an der Emporebrüstung sind durch einen erfahrenen<br />

Stukkateur ausgebessert und ergänzt. Die alte Vergoldung,<br />

besonders an den Gewölben und oberen Wandpartien,<br />

ist wieder in Ordnung gebracht und die fast völlig<br />

zerstörte Vergoldung an den unteren Verzierungen der Altäre<br />

und besonders an den Basen der Aitarsäulen ist wieder<br />

in der alten Technik, in Polimentvergoldung hergestellt<br />

worden. Die schöngegliederte Orgel, die unter Denkmalschutz<br />

steht und auch im alten klangreichen Tonwerk unversehrt<br />

erhalten ist, wurde in der alten, faszinierend schönen<br />

Fassung wieder hergestellt: Zinnoberrot auf Siibergrund<br />

und darüber die formenreichen vergoldeten Holzornamente.<br />

Somit bildet die neurenovierte Orgel einen prachtvollen Hintergrund<br />

für die vornehme Fürstenloge. Hand in Hand mit<br />

dieser Innenerneuerung ging die Instandsetzung der Außenfassade<br />

der Kirche. Die herrlich gefaßten Außenwände mit<br />

der betonten Herausstellung der einzigartigen feingegliederten<br />

Architektur der Fenstirumrahmungen und -bekrönungen<br />

sowie der Spiegel unterhalb der Fenster geben dieser Kirche<br />

auch nach außen jene Feierlichkeit und Schönheit, die nur<br />

dem Barock eigen ist.<br />

Sämtliche Firmen, die an der Instandsetzung der gesamten<br />

Anlage beteiligt waren, haben sich um die in jeder Hinsicht<br />

wohlgelungene Renovation große Verdienste erworben und<br />

sich in allen Einzelheiten mit großer Ehrfurcht vor den<br />

wertvollen Kunstwerken einer schöpferischen Vergangenheit<br />

für die Erhaltung des künstlerischen Bestandes eingesetzt,<br />

darunter vor allem Herr Kirchenmaler Joseph Lorch aus<br />

Sigmaringen und Gipsermeister Max Ade aus Haigerloch.<br />

Zum Abschluß der gesamten Renovationsarbeiten wird in<br />

den feuervergoldeten Knauf der Wetterfahne mit dem kunstvollen<br />

Fürstlichen Wappen des Erbauers der Kirche eine Erneuerungsurkunde<br />

in einer Messingkassette eingeschlossen.<br />

Die von Herrn Gebrauchsgrafiker Alfred L a u b i s, Haigerloch<br />

kunstvoll geschriebene Urkunde hat folgenden Text:<br />

Ad multos annos<br />

1755 * 1955<br />

Urkunde zur Erneuerung der St. Anna-Wallfahrtskirche<br />

in Haigerloch in den Jahren 1952 bis 1954.<br />

Die weitbekannte St. Annakirche wurde in den Jahren<br />

1750 bis 1755 von Fürst Joseph von Sigmaringen nach Plänen<br />

des großen Münchner Baumeisters Joh. Mich. Fischer<br />

erbaut. Die führenden Künstler des Barocks: der Stukkator<br />

Joh. Mich. Feichtmayr aus Augsburg; der Bildhauer J. G.<br />

Weckenmann; der Sigmaringer Hofmaler Meinrad von Aw<br />

und der Haigerlocher Baumeister Großbayer schenkten uns<br />

hier ein herrliches Bauwerk von höchstem Rang und seltener<br />

Vollkommenheit. 200 Jahre hat diese Kirche glücklich<br />

überstanden, sogar den zweiten Weltkrieg 1939 bis 1945, wo<br />

am 20. April 1945 beim Einmarsch der Franzosen ein Haus<br />

in allernächster Nähe der St. Annakirche total niederbrannte'.<br />

Auch die mehrfache tödliche Gefahr für Stadt und Bevölkerung<br />

von Haigerloch durch die Uranbatterie (Atomkeller)<br />

unterhalb der Schloßkirche wurde überwunden und die am<br />

23. April 1945 von amerikanischen Truppen versuchte Sprengung<br />

des Schloßkellers verhindert. Auf diese Weise blieb<br />

Stadt und Land unversehrt und die wunderbare St. Annakirche<br />

erhalten. Aus Dankbarkeit für diesen sichtbaren<br />

Schutz des Himmels, zur Erhaltung dieser vielbesuchten<br />

Gnadenstätte für kommende Generationen und als Vorbereitung<br />

auf das 200-Jahrjubiläum der Kirche im Jahre 1955<br />

wurde die gesamte kunstvolle Anlage in den Jahren 1952<br />

bis 1955 durchgreifend renoviert: Kaplanei; Umfassungsmauer<br />

mit Pfeilern, Figuren und Vasen und schließlich die<br />

St. Annakirche selber. Die Originale der Steinplastiken von<br />

der Umfassungsmauer wurden in der Kaplanei in einem:<br />

..Weckenmann-Museum" abgestellt. Die Oberleitung dieser<br />

denkmalpflegerischen Arbeiten hatte Herr Regierungsbaurat<br />

Walther Genzmer aus Sigmaringen, Landeskonservator für<br />

Hohenzollern. Die Verantwortung für die Innen- und Außenrenovation<br />

der St. Annakirche lag in den bewährten Händen<br />

von Herrn Kirchenmaler und Restaurator Joseph Lorch<br />

aus Sigmaringen, so daß die Kirche und die stimmungsvolle<br />

Gesamtanlage jetzt wieder wie neu dastehen ...<br />

Als Abschluß dieser Urkunde folgen dann die Unterschriften<br />

führender Männer aus Staat, Gemeinde und Kirche und<br />

der beteiligten Handwerker sowie ein Hinweis auf den jetzt<br />

regierenden Papst Pius XII. in Rom, Professor Dr. Heuß,<br />

Bundespräsident, und Dr. Konrad Adenauer, Bundeskanzler<br />

in Bonn.<br />

Am diesjährigen St. Annafest präsentierte sich die St.<br />

Annakirche im neuen schmucken Gewände den vielen Wallfahrern<br />

und Kunstfreunden wie ein „Stück Himmel auf<br />

dieser Erde" und machte auf alle einen unvergeßlichen Eindruck.<br />

M. G.<br />

Die Flurnamen der Markung Sigmaringen<br />

In der schwäbischen Siedlungsgeschichte werden die Ortsnamen<br />

auf -ingen allgemein zu den UrSiedlungen gerechnet,<br />

welche bald nach der Besitznahme des heutigen Schwabenlandes<br />

durch die Alamannen entstanden sind. Eine der<br />

wenigen Ausnahmen von dieser Regel ist die Stadt Sigmaringen.<br />

Denn die nach einem Sippenhaupt Sigmar begründete<br />

Doi'fsiedlung ist Sigmaringendorf. Die heutige Markung<br />

Sigmaringen ist dagegen aus den Urmark: ingen verschiedener<br />

Dörfer entstanden. Angelegt wurde die Stadt auf der<br />

Markung des Dorfes Hedingen. Die Markung dieses Dorfes<br />

umfaßte ursprünglich nur den südlich der Donau gelegenen<br />

Teil der heutigen Markung Sigmaringen. Nördlich der<br />

Donau muß sich vor dem 10. Jahrhundert ein Dorf Dettingen<br />

befunden haben, etwa in der Gegend des Hanfertals, dessen<br />

Markung etwa vom Mühlberg bis zur Deutenau und Nonnenhölzle<br />

reichte. Diese Markung wurde vor dem Jahr 1000<br />

mit der Markung des Dorfes Hedingen verschmolzen, wobei<br />

der Schönenberg in den Besitz der Ortsherrn von Hedingen,<br />

später der Volkwin von Hedingen, kam. Als weitere alte<br />

Siedlung entstand im Westen nördlich der Donau das Dorf<br />

Gorheim, dessen Markung bis nahe an den später entstandenen<br />

Ort Laiz ging. Als jüngere Siedlung entstand wohl<br />

von Dr. Alex F r i c k<br />

im 8. oder 9. Jahrhundert bei der Quelle am Fuße ies<br />

Brenzkoferberges das Dorf Brenzkoten Etwa um das Jahr<br />

1000 haben die Grafen, welche sich bisher nach dem Dorfe<br />

Sigmaringen nannten, auf Markung Hedingen an einem hervorragenden<br />

Felsen über der Donau eine Burg gebaut, die<br />

sie nach ihrem bisherigen Wohnort Sigmaringen nannten. Im<br />

Anschluß an diese Burg legten die Grafen wohl in der ersten<br />

Hälfte des 13. Jahrhunderts eine Stadt an. Im 14. Jahrhundert<br />

zogen viele Bauern aus der Umgebung in die Stadt,<br />

wodurch diese ungefähr in der Mitte des 14. Jahrhunderts in<br />

den Besitz von Zwing und Bann der Dörfer Hedingen, Gorheim<br />

und Brenzkofen kam. Brenzkofen verschwand in der<br />

Folgezeit als Ort ganz; daß Hedingen und Gorheim nicht<br />

verschwunden sind, verdanken diese beiden Siedlungen den<br />

dortigen Klöstern. Im Jahre 1449 kaufte die Stadt von Brun<br />

von Hertenstein den Burgstall Hertenstein mit Wald und<br />

Feld. Damit hat die Markung Sigmaringen im wesentlichen<br />

ihre heutige Größe erhalten.<br />

Das folgende Verzeichnis ist eine kurze Zusammenfassung<br />

und Erklärung der Namen aus dem Flurnamenbuch von Sigmaringen,<br />

das in der <strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Heimat</strong>bücherei<br />

Hechingen, im Stadtarchiv Sigmaringen (über das dortige


Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 57<br />

Staatsarchiv) und beim Landesamt für Denkmalspflege in<br />

Stuttgart in je einem Durchschlag aufliegt. Dort stehen bei<br />

den Namen auch die ältesten Nachweise des Vorkommens.<br />

Die mit einem * bezeichneten Namen sind ausgestorben.<br />

1. Ablacher Weiher. Liegt im Wildpark Josefslust<br />

und ist wohl der Rest eines Glestschersees aus der dritten<br />

Eiszeit.<br />

2. A i s p e n. Wiese südöstlich von Hedingen. Name kommt<br />

von e = Rechtszustand und span. Liegt immer dicht beim<br />

Dorfe (Hedingen), ist außerhalb des Dreifelderverbands und<br />

wurde gern als Spiel- und Festplatz benützt.<br />

3. Alienhau. Waldstück im Wildpark Josefslust, benannt<br />

nach der Allee, welche vom Eingang zur Försterei<br />

führt.<br />

4. Allierinum*. 1350: „acker auf Millegarten den man<br />

nemt Allierinum"; lag beim Galgenbühl westlich der Kaserne.<br />

5. Alte Donau. Graben, der früher mit Wasser gefüllt<br />

war, zwischen Laizer Landstraße und Donau. War jedoch nie<br />

das Bett der Donau, sondern künstlich angelegt. Hieß früher<br />

Altroms (siehe Nr. 7).<br />

6. Altes Schloß. Felsvorsprung und Walddistrikt<br />

über der Lauchert. Auf dem Felsen befand sich früher die<br />

Burg Hertenstein. Die Linie Hertenstein entstand Anfang des<br />

13. Jahrhunderts, als ein Glied der Familie von Hornstein<br />

sich auf der Felsspitze eine Burg Hertenstein erbaute. 1499<br />

verkaufte Brun von Hertenstein, um größerem Schaden vorzukommen,<br />

an die Stadt Sigmaringen seinen „burgstal Hertenstein<br />

zwischen Jungnau und Bungen an der Louchet gelegen<br />

und wie das genant und gestalt ist mit holz, mit velde,<br />

mit ackern, wisen, gerten, egerden ... per 150 Rhein. Gulden.<br />

7. Altroms*. Runs bedeutet Wasserrinne, Graben; der<br />

Name findet sich im 14. und 15. Jahrhundert und ist der alte<br />

Name für die heutige Alte Donau.<br />

8. Amerika. Im März 1848 beschloß der Stadtrat, hinter<br />

der Ziegelhütte ca. 100 Morgen vom Ziegelholz urbar zu<br />

machen. Jeder Bürger bekam davon als Stadtgut ein bestimmtes<br />

Stück. Schon im folgenden Jahre gab es Streit, ob<br />

die nach Amerika ausgewanderten Bürger diesen Bürgernutzen<br />

weiter behalten dürfen. Aus diesem Streit heraus<br />

erhielt dieses Gewann den Namen Amerika.<br />

9. St. Anna Kapelle. Bei der Wegkreuzung Laiz-Sigmaringen<br />

und Laiz-Gorheim standen zwei Kapellen. 1497<br />

wird eine Kapelle zwischen Straße und Alter Donau erwähnt,<br />

1615 die obere Kapelle in Bergen. Die letztere war<br />

der hl. Anna geweiht. Sie fiel, wie manche andere, der Aufklärung<br />

zum Opfer.<br />

10. St. A n t o n i. Auf der Südseite des Schönenbergs beim<br />

Nonnenhölzle. Hier wurde wahrscheinlich von den Augustinerinnen<br />

zu Inzigkofen, denen diese Flur nach Aufhebung<br />

des Klosters Inzigkofen zugefallen war, ein Bildstock errichtet.<br />

Der hl. Antonius war ursprünglich Augustinerchorherr.<br />

11. Antonitäle. An der Jungnauer Straße steht abseits<br />

der Straße unterhalb der Hohen Tannen ein Bildstock zum<br />

hl. Antonius. Wird 1844 an. der neuen Straße nach Jungnau<br />

erwähnt.<br />

12. Anwanderle*. Ein Acker im Ziegelösch wird 1755<br />

als Anwanderle bezeichnet. Die Anwand ist das Ende eines<br />

Ackers, das zum Wenden des Pfluges benützt wird und nicht<br />

ausgemessen ist. Bezeichnet oft auch ein größeres Stück<br />

Acker.<br />

13. Artzischer Garten. Ursprünglich ein großer<br />

Garten, der etwa vom Zollamt bis Hedingen reichte. Um 1614<br />

kaufte Schultheiß Nikolaus Sarvay verschiedene Gärten dort<br />

zusammen. Im Jahre 1648 wird dem Junker Jägermeister<br />

Karl von Arzt des „Sarvayen Garten" verliehen. Obwohl<br />

ein großes Stück dieses Gartens überbaut ist, sieht man<br />

doch noch heute zwischen Bismarckstraße und Hedinger<br />

Kirche ein großes Stück Gartenland.<br />

14. A s p a ch*. Waldstück im heutigen Wildpark. Asp —<br />

Espe.<br />

15. A u. Ursprünglich ging die Au von der Donau bis zum<br />

Fuße des Josefberges und war zum großen Teil Ackerland.<br />

Das Wort bedeutet Land am Wasser, Insel oder Halbinsel.<br />

1594 kaufte Graf Karl den größten Teil der Au auf und ließ<br />

ihn mit einer Mauer umgeben. Heute versteht man unter Au<br />

nur noch das kleine Stück zwischen Donau und dem Bahngelände.<br />

16. Aublins Furt*. Furt beim Hanfertal über die<br />

Donau; dort hatte ein Auberlin Müller Ende des 15. Jahrhunderts<br />

eine Wiese. Um 1500 wurde dort eine Brücke, die<br />

Kreuzkapellenbrücke gebaut.<br />

17. B a c h t a 1. An der Markungsgrenze zwischen Sigmaringen<br />

und Sigmaringendoirf geht dieses Tal zwischen Kappenbühl<br />

und der Hochwaghalde hindurch. Der Name kam<br />

Ende des 16. Jahrhunderts für den alten Namen Dysmarstal<br />

auf . (Fortsetzung folgt.)<br />

Wo stand die alte Burg Stauffenberg?<br />

Bekanntlich versahen die Herren von Stauffenberg das<br />

Schenkenamt bei den Grafen von Zollern und nannten sich<br />

zuerst Schenken von Zell (d. i. heute Mariazell, wo Weiler<br />

und Burg abgegangen sind), auch von Neuen- oder Niedernzell,<br />

Andeck und Erpfingen. Darüber hat der beste Kenner<br />

Willi Baur-Hechingen ir den Blättern des Schwab. Alb-<br />

Vereins 1931 S. 289—294 berichtet. Vorher kennt man im<br />

13. Jahrhundert ein anderes Geschlecht von Stauffenberg,<br />

welches wohl das Truchsessenamt der genannten Grafen bekleidete.<br />

Ein Heinrich von Stophenberg schenkte 1132 Gü-<br />

;r zu Owingen ans Kl. Sankt Georgen im Schwarzwald.<br />

Eine Erbtochter scheint dann den Namen Stauffenberg in<br />

die Familie der Schenken von Zell übertragen zu haben.<br />

Wo dagegen Neuen- oder Niedernzell lag, ist bisher unbekannt<br />

geblieben. Die Vermutung auf ein Neuenzell bei St.<br />

Blasien ist wohl abwegig. Es scheint eine etwas tiefer als<br />

Zell gelegene Burg damit gemeint gewesen zu sein, mit<br />

deren Verschwinden natürlich auch der Name ausging, weil<br />

die Schenken, die sie wohl für nachgeborene Söhne gebaut<br />

haben dürften, einen andern Wohnsitz suchten. Vielleicht<br />

hieß Niedern- oder Neuenzell die Spitze des heutigen Roßberges<br />

zwischen Zoller und Boll, wo man ehemalige Zurichtung<br />

zu erkennen glaubt, oder der heutige Hügel Bürstel<br />

(Burgstall) am Nordende des Neuberges zwischen Stetten<br />

und Schlatt.<br />

Nun wird mir jedermann sagen, Burg Stauffenberg lag<br />

doch zwischen Rangendingen und Weilheim beim jetzigen<br />

Stauffenburger Hof! Dort stanc tatsächlich zuletzt eine Burg<br />

Stauffenberg, für die Junker Wernher der Schenk 1472 und<br />

1482 Erlaubnis erhielt, auf einem Tragaltar Messe lesen zu<br />

lassen. Noch um 1600 wird daselbst ein zollerischer Burgvogt<br />

erwähnt, nämlich im J. 1606 ein Kaspar Ruef von Boll<br />

und 1610 ein Jerg Schuemacher (Zollerheimat 1941, S. 33).<br />

Diese Burgstelle, die noch rechts über dem Hof zu erkennen<br />

ist, zeigt jedoch einen Grundfehler; sie stellt nämlich keinen<br />

Stauf dar (d. h. umgekehrten Becher ohne Fuß, vgl. die<br />

Berge Staufen, Stoffeln, Hohenstaufen, Stauffeneck). Man<br />

hat daher schon länger in Kreisen der <strong>Heimat</strong>forscher die<br />

älteste Stauffenburg in der Nähe der Zollerburg vermutet,<br />

wenn man auch der Zimmerischen Chronik keinen Glauben<br />

schenken darf, die behauptet, die Stauffenb erger Herren<br />

hätten ursprünglich auf dem Zoller selbst ihren Sitz gehabt,<br />

Aber irgend eine alte Ueberlieferung könnte doch in der<br />

Erzählung liegen.<br />

Nun berichtet der verstorbene Pfr. Kernler Wunib. von<br />

einer Urkunde vom J. 1343, die auch Baur im erwähnten<br />

Aufsatz anzieht, worin das Kloster Stetten eine jährliche Gült<br />

von 16 Sehilling Heller aus einem Brühl erwirbt, „der zu<br />

Stauffenberg unter dem Hörnlein gelegen ist". Es fragt sich<br />

nur, wo dieser Brühl und das Hörnlein lagen? Einen Fingerzeig<br />

scheint das Bickeisbergische Lagerbuch vom J. 1435 zu<br />

geben, das nach Herberholds Ausgabe S. 119 vom „Wessinger<br />

Hörnlin mit dem Burgstall" berichtet. Nun bezog das Kloster<br />

Stetten laut Lagerbuch von 1688 obige 16 Schilling Heller<br />

aus einer Wiese zu Wessingen, die „stößt hinauf an das<br />

Hörnlin". Man geht wohl nicht fehl, dieses Hörnlin mit dem<br />

heutigen K ä p f e 1 e südlich des Brie! hofs gleichzusetzen,<br />

dessen Rüc'.en vom Zollerberg gegen Wessingen vorspringt,<br />

und vom Dorf aus tatsächlich die Form eines auffallenden<br />

Stauf zeigt. Die Spitze hat ebenfalls eine Art künstlicher Zurichtung,<br />

die vor Bepflanzung mit den Tännchen auch<br />

von der Straße aus zu erkennen war. Auf Karten steht<br />

dafür Bismarckhöhe oder auf älteren „Belvedere"<br />

(— Schöne Aussicht). Sagen und Ueberlieferungen scheinen<br />

keine zu bestehen, wenigstens blieb ein Aufruf in der Tageszeitung<br />

ohne Echo. Aber Grabungen würden sicher noch<br />

irgendwelche Spuren zutage fördern. Nach Aufgabe der Burg<br />

müßten die Adligen den Namen Stauffenberg vor 1343 an<br />

den heutigen Platz bei Rangendingen mitgenommen haben,<br />

ein Vorgang, der sich auch anderwärts belegen läßt.<br />

Joh. A. Kraus.


58 H O H E N Z O L, L, E R I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

Neues über altes zollerisches Geld<br />

In Emil Bahrfeldts 1900 erschienenem Buch „Das Münzund<br />

Geldwesen der Fürstentümer Hohenzollern" besitzen<br />

wir das einzige Druckwerk, das uns über unser ehemaliges<br />

Landesgeld ausführlich unterrichtet. Der Verfasser konnte<br />

allerdings nur über die Stücke berichten, die ihm bei seinen<br />

Nachforschungen in öffentlichen und privaten Sammlungen<br />

vorgelegt wurden, oder über die ihm Angaben aus Archivalien<br />

und sonstigem Schrifttum zugänglich waren. Inzwischen<br />

ist seit Abschluß seiner Arbeit mehr als ein halbes Jahrhundert<br />

vergangen, und in dieser langen Zeit hat sich unsere<br />

Kenntnis über zollerische Münzen erweitert. Was mir darüber<br />

bekannt wurde, sei hier kurz berichtet.<br />

Dem Grafen Eitelfriedrich I. (1401—39) wird ein sogenannter<br />

Lilienpfennig oder „Pfennig auf Straßburger<br />

Art" zugeschrieben. Es ist dies ein zierliches Silberstück von<br />

14 mm Durchmesser, das bei einseitiger Prägung in einem<br />

Perlenkreis eine stilisierte Lilie zeigt, auf deren unterem<br />

Teil der einfache Zollernschild liegt; Durchschnittsgewicht<br />

0,34 g. Ueber diese Pfennigsorte wird in der Frankfurter<br />

Münzzeitung Nr. 95 v. J. 1908, Seite 337/8 durch X. Nessel,<br />

und bei Otto Bally (Beschreibung von Münzen und Medaillen<br />

Badens) im 2. Bande von 1911 berichtet. Die eigentlichen<br />

Lilienpfennige der Bischöfe von Straßburg zeigen nur die<br />

Lilie, später treten dann Stücke mit den Wappenschildern anderer<br />

Landesherren auf, die nach Straßburger Schlag prägten.<br />

In den „Blättern für Münzfreunde" 51. Jahrgang von 1916<br />

S. 88, sagt in einer langen Arbeit über „Untersuchungen zu<br />

den spätmittelalterlichen Münzreihen usw." H. Buchenau in<br />

Abschnitt II bei den Nachahmungen der Straßburger Pfennige<br />

mit der Lilie: „vielleicht war der Graf von Zollern beteiligt".<br />

Er verweist dann auf Engel u. Lehr „numis. d' Alsace,<br />

XXXII, 18, Zollernschild unter Lilie. Vgl. auch Julius<br />

Cahn in „Münzgeschichte Straßburgs". Bemerkenswert ist<br />

nun, daß Lilienpfennige mit dem Zollernschilde in unserem<br />

schwäbischen Gebiet bei Bodenfunden festgestellt wurden,<br />

wie aus folgenden Angaben ersichtlich ist:<br />

1.) „Beiträge zur Süddeutschen Münzgeschichte. Festschrift,<br />

Stuttgart 1927". S. 75 berichtet darin E. Schwarzkopf über<br />

den Tübinger Münzfund und sagt, daß in diesem Funde 6<br />

Stücke Pfennige Straßburger Schlages mit der Lilie über<br />

quadriertem Schild (Zollern) auftreten und er setzt hinzu:<br />

„trotz Fehlens beweisender Urkunden muß dieser Pfennig<br />

bis jetzt Zollern zugeschrieben werden Es kommt danr, da<br />

seine Prägung 1400—1410 anzusetzen ist, Graf Eitelfriedrich<br />

von Zoilern (1401—^39) in Betracht. (Diese Stücke sind jetzt<br />

in der Württ. Staatssammiung).<br />

2.) ^Württemberg. Vergangenheit. Festschrift, Stuttgart<br />

1932". Hier berichte S. 243 E Schwarzkopf über die Münzfunde<br />

von Bopfingen und Jesingen-, Ais N 1 " 11 des Jesinger<br />

Funaes nennt er 2 Stück zollerische Lilienpfennige und<br />

äußert sich S. 271 über die Bedeutung der Straßb. Lilienpfennige<br />

für unsere Gegend; er sagt, daß um 1400 die Straßb.<br />

Pfennige in Tübingens Umgegend ganz sicher im Umlauf<br />

waren.<br />

Bahrfeidt berichtet nun S. 7, daß in der Verieihungsurkunde<br />

der Münzgerechtigkeit an Graf Jos Nikias I. i. J. 1471<br />

gesagt wird, schon seine Vorfahren hätten das Münzrecht<br />

besessen. Danach spricht nichts dagegen, daß sein Vater Eitelfriedrich<br />

dieses Recht ausübte.<br />

3.) In der Zeitschrift f. die beschichte des Oberrheins, 97.<br />

Bd. von 1949 schreibt Ff. Wieiandt-Karisrune über „Die Anfänge<br />

des Landesherrlichen Münzwesens des Markgrafen von<br />

Baden". Ich entnehme daraus: Die Straßb. Lilienpfennige<br />

älterer Art, also ohne angehängte Wappenschilde, treten<br />

nach dem Jahre 1334 auf. Später wurden der Lilie Wappenschilde<br />

angehängt, so von Baden und Zollern. Um das Jahr<br />

1390 muß sich wohl Markgraf Bernhard I. von Baden (1372<br />

bis 1431) or der schwäbischen Hellermünze abgewandt und<br />

dem Straßb Pfennig angeschlossen haben, der mit dem Zeichen<br />

der Lilie zu den häufigsten Geprägen Straßburgs gehört.<br />

Da Baden 1409 mit Kurpfalz und Speyer eine neue<br />

Münzkonvention eingeht, wird man den Liiienpfennig und<br />

von Weingarten bei Duriach vor 1409 ansetzen, vielleicht<br />

schon auf 1400. Der Liiienpfennig von Zollern ist dem des<br />

Markgrafen von Haden aus dem Jahrzehnt 1390—1400 nachgeprägt.<br />

Soweit Wielandt.<br />

Wenn ich nun alle diese Klein-Nachricnten abwäge, so<br />

komme ich zu dem Schlüsse, daß wohl nur der Geschlechtsäiteste<br />

des zollerischen Grafennauses, Graf Fritz der Aeltere<br />

von de- Hohenzollern (1379—1401) aus der sog. Straßburger<br />

Linie (Großmanns Genealogie Nr. 453), Münzherr des Lilien-<br />

pfennigs war. Dafür spricht folgendes: enge Beziehungen<br />

dieser Linie zu Straßburg und dem Hause Baden. Seine beiden<br />

Söhne, der Oettinger und Eitelfriedrich, die 1401 die<br />

Herrschaft übernahmen, waren noch zu jung und „unruhig",<br />

um sich um Münzprägungen zu kümmern. Die Linie der<br />

Schwarzgrafen ist über und über verschuldet, ihr ganzer Besitz<br />

an die Straßburger verpfändet. Die Schwarzgrafen und<br />

die Schalksburger Linie kommen gegen die Hauptlinie der<br />

Straßburger nicht auf. Graf Friedrich der Aeltere von den<br />

Hohenzollern ist der starke Repräsentant des Grafenhauses.<br />

Wenn der Lilienpfennig schon zollerisch ist, dann gehört er<br />

diesem Grafen. Auf alle Fälle wäre dieser Pfennig die älteste<br />

uns bekannte Münze des Grafenhauses. Aber!<br />

Im Sommer 1952 wird der Straßburger Lilienpfennig mit<br />

dem Zollernschild im Versteigerungskatalog 247 der Frankfurter<br />

Münzhandlung Dr. Busso Peus als Nr. 287 zum Verkauf<br />

gestellt:<br />

„Hohenzollern. Eitel Friedrich 1401—39. Nachahmung<br />

des Straßburger Lilienpfennigs mit Zollernschildchen<br />

unter die Lilie. Fund Tübingen 12/13; Cahn 22, Engel<br />

u 1 . Lehr 328. Wahrscheinlich ein Gepräge der Abtei<br />

Schwarzach, deren Obervögte die Grafen von Hohenzollern<br />

waren (Braun v. Stumm).<br />

Dazu wäre noch einiges zu sagen' Der Klammerinhalt bezieht<br />

sich auf die Schrift von G. Braun von Stumm „Münzen<br />

der Abtei Hornbach. Beiträge zur Münzgeschichte vom Speiergau<br />

und Elsaß im 12, bis 14. Jahrhundert 1926". Die Abtei<br />

Schwarzach liegt im Bezirksamt Bühl i. Baden. A. v. Berstett<br />

„Münzgeschichte des zähringisch-badischen Fürstenhauses,<br />

1846" behandelt das Münzrecht der Abtei Schwarzach,<br />

kennt aber keine Münzen derselben. Im Verstg.-Katalog<br />

Nr. 78 der Firma Jul. Cahn vom 15. September 1932 werden<br />

die 4 Nummern 1440—43 erstmals als Pfennige Straßburger<br />

Schlages aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts der Abtei<br />

Schwarzach zugewiesen. Die Abtei besaß seit d. J, 965 das<br />

Münzrecht durch Kaiser Otto III. Wie soll nun der Zollernschild<br />

auf die Münzen der Abtei kommen? Es steht fest,<br />

daß Burggraf Friedrich von Nürnberg, der auch den Zollernschild<br />

führt, i. J. 1283 Obervogt der Abtei ist. Ferner ist zwischen<br />

1336 und 1363 Burggraf Johann von Nürnberg für<br />

das Bistum Speyer als Obervogt der Abtei nachgewiesen,<br />

der 1332 bis 57 regierte. Ob die Obervogtei dauernd bei den<br />

Nürnberger Burggrafen ;var? Es bleibt aiso die Möglichkeit<br />

offen, daß ein Burggraf unter Beifügung seines Schiides für<br />

sich >der sein Schirmkloster Schwarzach diese Pfennige prägen<br />

ließ. Wenn dem so ist. dann ist es immerhin bedenklich,<br />

die Burggrafen, die Ta zollerischen Stammes sind, in diesem<br />

Zusammenhang als Grafen von Hohenzollern zu bezeichnen!<br />

Dem Grafel. Eitelfriedrich II. (1488—1512) weist Bahrf.<br />

einen einseitige^ silbernen Schüsselheller von<br />

etwa 12 mm zu, der in einem Perlkreis das zollerische Wappen<br />

mit den Erbkämmererstäber ?eigt, über dem der Buchstabe<br />

Z steht. Er führt auch seine guten Gründe dafür an.<br />

Das Münzchen, vor dem B nur 4 Stücke kennt, ist seitdem<br />

in weiteren Exemplaren bekannt > ;eworden und hat bzgl. der<br />

Datierung etliche Kenner zu anderen Ergebnissen geführt.<br />

Die Blätter für Münzfreunde nehmen wiederholt Stellung zu<br />

unserem Schüsselheller:<br />

1.) 44, Jgg. 1909; Spalte 4079--81 bespricht H. Buchenau<br />

den Schüsselpfennig und von Schönstadt bei Marburg. Dieser<br />

Fund von etwa 1500 Pfennigen wurde 1909 bekannt und bestand<br />

größtenteils aus Schüsselhellern. Als Nr. 38 nennt Buchenau<br />

den Schüsselpfennig mit Z über quadriertem Schilde<br />

im Perlreifen; 12 mm" 0,275 g; stempelfrisch. Er weist ihn<br />

dem Grafen Johann Georg zu Hechingen (1605—23) zui Er<br />

sagt danr, daß die Zuweisung bei Bahrfeld zu berichtigen<br />

sei und gibt s.ine Gründe an. Diese Münze des Fundes gehöre<br />

zu den allerjüngsten des ganzen Bestandes. Nach Größe,<br />

geringem Feingehalt und Fo^m des Schildes und des Buchst^<br />

:ns Z passe sie nicht zu der frühen Datierung bei Bahrfeidt.<br />

Aus wei^ren münztechnischen Gründen kommt er zu<br />

dem ^chluß, daß dieser Pfennig zu den Hechinger Prägungen<br />

vom Jahre '606 gehöre, die auf dem Münzprobationstage am<br />

15. Mai 1607 in Nürnberg als zu geringwertig befunden<br />

wurden.<br />

2.) 54. Jgg. 1919, S. 565 „Verschiedenes". Eine kleine Fundmass.<br />

ungewisser Herkunft (Handel) von Kleinmünzen enthielt<br />

folgendes bemerkenswertere Stück: ein geringhaltiges<br />

Exemplar des Schüsseipfennigs von Hohenzollern. Z über gcviertem<br />

Schild, Bahrf. Nr. 1 b macht von neuen wahrscheinlich,<br />

daß lie Stücke Nr. la und lb bei Bahrf. die in Nürnberg<br />

1607 zu gering befundenen zollerischen Pfennige sind,


Jahrffang 1954 H O H E N Z O L L E R I S C E E H E I M A T 59<br />

Hier ist wohl auch der Platz, um ein erst kürzlich aufgetauchtes<br />

Stück anzuführen, das sich jetzt i. d. Sam lung<br />

Max Frick-Sigmaringen befindet und nach meinem Wissen<br />

noch nie beschrieben wurde. Es ist auch einS hüsselheller,<br />

einseitig, etwa 13 mm, von ziemlich tiefer Napf-<br />

Form, kupferrot, weil ohne Silbergehalt Die Ausprägung ist<br />

recht mangelhaft, doch läßt sich deutlich der einfache vierteilige<br />

Zollernschild erkennen (also nich i das Gevierte Wappen<br />

mit 2mal Zollernschild und 2mal die ge' reuzten Erbkämmererstäbe),<br />

der von einem Perlkranz umfaßt ist. Oberhalb<br />

des Schildes ist links ein einfaches Rankenornament zu<br />

erkennen und ganz deutlich links neben dem Schild die Zahl<br />

16, während rechts neben dem Schild die zur Jahrzahl erforderlichen<br />

Ziffern nicht auszumachen sind. Wir gehen wohl<br />

nicht fehl, das Stück in das Jahr der geringhaltigen Kipperprägungen<br />

zu setzen, also die rechts fehlenden Ziffern mit<br />

22 zui ergänzen und damit auf das Jahr 1622 zu kommen.<br />

Damit würde dieser Pfennig wohl auch zum Grafen Johann<br />

Georg von Hechingen gehören.<br />

Weiter sagt Bahrf. S. 115 seines Hohenz. Mün^.buches, daß<br />

ein Kupfer-Vierer, der auf der einen Seite den einfachen<br />

Zollernschild, auf der anderen die Wertzahl II - II,<br />

beide Seiten mit Laubkranz zeigt, wohl irrtümlich dem Grafen<br />

Johann von Hohenzollern-Sigmaringen (iu06- '8) zugeteilt<br />

werde Er spreche das Stück dem Markgrafen Christian<br />

v. Brandenburg-Bayreuth zu. Nun fand ich in Bahrfeldts<br />

durchschossen gebundenem Handexemplar seines Buches<br />

von ihm selbst eingeklebt ein Blatt aus den Numismatischen<br />

Mitteilungen, Jgfe 1913, Nr. 152, S. 1032. Unter dem Titel<br />

Brandenburg-Franken oder Hohenzollern-Sigmaringen?<br />

sagt dort C. F. Gebert unter ausführlicher Angabe seiner<br />

Gründe, daß dieser Kipper-Kupfer-IHI Pfenniger sicher dem<br />

Grafen Johann von Hhz.-Sigmaringen zuzuschreiben ist. Und<br />

dann wörtlich: „Herr Dr. Bahrfeldt hat sich von der Richtigkeit<br />

meiner Anschauungen gewiß auch in der Zwischenzeit<br />

überzeugt." Das scheint ja auch der Fall gewesen zu sein,<br />

denn Bahrf. hat dies Blatt ohne weiteren Zusatz seinem<br />

Werke beigelegt offenbar, urr es bei einem etwaigen Neudruck<br />

zu verwerten. Die Ausfuhrungen Geberts wurden im<br />

Auszug in die Blätter für Münzfreunde, 48 Tgg. 1913, Nr. 3,<br />

Spalte 5246 übernommen. Ich füge nach hinzu, daß ich inzwischen<br />

von diesem Vierer 5 verschiedene Varianten aus<br />

eigener Anschauung kennen lernte Der Unterschied besteht<br />

in wechselnder Gestaltung der Umrahmung beider Seiten mit<br />

Perlkranz bezw Laubkranz.<br />

Kaiser Mathias II bestätigt durch Urkunde vom 8. Nov.<br />

1612 dem Grafen Jobann Georg von IIohz.-Hechmgen und<br />

seinen Vettern das Münz- und Bergwerksrecnt. Bei Erwähnung<br />

dieses Ereignisses gibt Bahrf. S. 34 an, daß dieses Recht<br />

dem Grafen Johann Georg (Hechingen) und seinen Vettern<br />

Johann (Sigmaringen), Ernst Georg (Kr&uchenwies-Veringen)<br />

und Johann Christof und Carl (beide Haigerloth) erteilt wird.<br />

Die Klammern habe ich hinzugefügt, damit sichtbar ist, daß<br />

aus den seit der Erbteilung v. J. 1576 entstandenen drei gräflichen<br />

Linien.<br />

Stammgrafschaft Hechingen — Eitell'riedrich IV.<br />

Sigmaringen und Veringen — Karl II.<br />

Haigerloct und Wehrstein — Christoph<br />

bis zum Jahre 1612 durch Nachfolge in der Herrschaft, verbunden<br />

mit einer Erbteilung von Sigmaringen-Veringen im<br />

Jahr 1606, zeitweise die vier gräflichen Linien<br />

Hechingen Johann Georg<br />

S'gman'ngen Johann<br />

Krauchen wies-Veringen Ernst Georg<br />

Haigerloch Johann Christoph (u.<br />

sein erbfolgeberechtigter<br />

Bruder Karl)<br />

entstanden waren von denen die Linie des Grafen Ernst<br />

Georg nur 1606- -25 bestand. Das Gebiet fiel, da er nur Töchter<br />

hin' irfieß, an seinen Bruder Fürst Johann zurück. Dieser<br />

Graf Ernst Georg hat talei'förmi ge Kippermünzen<br />

(Doppelgulden), von denen bis jetzt nur ein Stück<br />

bekannt wurde:<br />

Vs.: ERNESTVS . GEORGIUS . COMES IN ZOLLERN<br />

Das vie .±eldige Wappen (2 ma> Hirsch und 2 mal Zoljernschild,<br />

als Herzbilc die Erbkämmererstäbe) in reicher<br />

Umrahmung, die oben rechts und links ein Fabeltier erkennen<br />

läßt.<br />

RS.: FERDI II ROM : IMPERA : SEM : AVG 1622.<br />

Gekrönter Reichsdoppeladler mit dem Reichsapfel auf<br />

der Brust.<br />

40 mm; 18,3 Gramm- Billon d. h. geringnaltige Silberlegierung;<br />

jetzt in der Fürsti. Hohz. Sammlung<br />

Ueber dieses Stück spricht H. Buchenau in der Blättern<br />

für Münzfreunde, 46 Jgg. 1911 Spalte 4887/88. Danach stammt<br />

es aus der Sammlung Frh. M. Lochner von Hüttenbach in<br />

Lindau. Baron Lochnei teilt in den gleichen Blättern 47. Jgg.<br />

1912 Spalte 4929 noch mit, daß die Silberprobe etwas ; Iber,<br />

aber viel Kupfer ergab. Im Jahre 1931 wurde dieses Stück als<br />

Nr. 1201 des Auk' onskatalogs 69 von Ad. E. Cahn-Frankfurt/M.<br />

mit einer Vortaxe von 1500 bis 1800 Mark ausgebuten<br />

und blieb unverkauft. Die Fürsti. Sammlung hat es danach<br />

wesentlich billiger freihändig erworben.<br />

Als die Firma Karl Kreß-München im Versteig.-Kat. 95<br />

vom 30. Nov. 1953 als Nr. 3095 e und f acht Stück einseitige<br />

Kupfervierer von 16 mm als zollerisch ausschrieb, habe ich<br />

sie angesehen. Der sog. Zollernschild darauf war aber nicht<br />

unser einfacher Schild, er gehörte nach Konstanz. Bestechend<br />

war allerdings, daß über dem Schild die Wertziffer 4 zwischen<br />

zwei Buchstaben stand: E 4 G, sodaß ich zunächst vermutete,<br />

einen Kippervierer des eben genannten Grafen Ernst<br />

Georg vor mir zu haben.<br />

Und noch ein seltenes zollerisches Stück kannte Bahrf.<br />

nicht, nämlich das 24 Kreu'zerstück des Grafen<br />

von Hohenzollern-Sigmaringen. Die Firma Otto<br />

Hclbing Nach! in München bot in ihrem Versteigerungs-<br />

Katalog 81 v. J. 1940 als Nr. 1877 aus:<br />

Vs.: JOHANN : G. Z. ZOLL : D : H ; R. R. ERBC<br />

Vierteiliges Wappen mit 2mal die Erbkämmererstäbe<br />

und 2 mal der quadrierte Schiid.<br />

Rs : FERDINAND II. ROM unleserlich.<br />

Gekrönter Doppeladler, Brustbild mit der Zahl 24.<br />

Gelocht; Silber; 28 mm; Exemplar Kraaz Nr. 777; Taxwert<br />

300 DM. Das Stück wurde für 255.— RM für die Reichsmünzsammlung<br />

ersteigert und ist damit wo'nl in Berlin in Verlust<br />

geraten. Dieses oder ein gleiches Exemplar soll am 7. III<br />

1924 bei A Riechmann u. Co- in Halle-Saale für 560 DM versteigert<br />

worden sein.<br />

Zu den vielen Hechinger Prägungen zur Kipper<br />

;eit, z. B. die Nr. Ii, 17 und 19 bei Bahrfeldt, sind Tn-<br />

•.-"lschen noch weitere Stempelvarianten bekannt geworden.<br />

Die bemerkenswerteste ist wohl die zu Nr. 11, Rückseite b,<br />

ein Sechsbätzner, der auch die Jahrzahl mit. verstellten Ziffj<br />

p zeigt, aber ir. der Form 2261, und nicht in Spiegelschrift<br />

wie beim Bahrfeldtschen Stück.<br />

Im Versteig.-Katalog vo-i M. Jos Hamburger-Frankfurt<br />

a. M. auf den 16. Okt. 1905 wird als Nr. 3765 ein Kippergroscnen<br />

von Jon. Georg von Hohenzoliern-Hecningen beschrieben<br />

Der Münzherr ist als COMES bezeichnet, dazu<br />

aber die Jal sahl 1623. Die Beschreibung stimmt überein mit<br />

Bahrf. Nr. 18, bis auf die Jahrzahi, Bei Bahrf. 1622. Falls<br />

d Verfasser des Katalogs nicht irrtümlich 1623 statt 1622<br />

gelesen hat, handelt es sich bei dem Stück um ein bisher<br />

inbekannt.es Kuriosum, denn seinen Taler, bei Bahrf. Nr. 21,<br />

läßt Johann Georg 1623 mit dem Neuen Titel PRINCEPS<br />

prägen.<br />

Ich besitze ein merkwürdiges Stück des Sechskreuzers<br />

Sigmai .ngen von 1846: es fehlt die Wertziffer, oder besser,<br />

bei Schräglicht glaubt man, einen Schimmer der 6 zu erkennen,<br />

Es sieht so aus, als wäre ein quadratisches Plättdien<br />

neim Ausprägen unter den Stempel geraten! Sonst ist<br />

das Stück gut und sehr scharf ausgeprägt.<br />

Bei den Sigmaringer DreiKreuzern und den silbernen Ein •<br />

kreuzern (Bahrf. Nr. 113- 22) macht Bahrf. die Angabe, daß<br />

der Rand glatt sei Ich habe viele dieser Stück besehen, aber<br />

bei allen ist der Rand geriffelt! Bei den Dreikreuzern von<br />

Hecningen (Nr. 59—61) macht Bahrf. Keine Angabe über den<br />

Rand: dieser ist glatt. Auch bei den preußischen Prägungen<br />

ir ' 16—48 irrr Bahrf. Der Gulden, Halbgulden und das<br />

Sechskreuzerstück sind am Rande nicht gezahnt (geriffelt)<br />

wie er angibt, sondern mit vertieften Vierecken versehen;<br />

das Oreikreuzerstück hat glatten Rand.<br />

Von den preuß. Stücken d. J. 1852 wurden Sonderprägungen<br />

angeboten: vom Sechskreuzer Bahrf. Nr 148 i. J. 1936<br />

ein Feinsilberabschlag „mit glattem Rand", Preis 30.— RM.<br />

tfom gleichen Stuck i. J, 1940 ein Feinsilberabschlag für<br />

25.— DM. Ein Dickabschlag in Silber des Dreikreuzerstückes<br />

Nr. 149 wurde 1936 für 75,— RM. angeboten.<br />

Nun mögen noch einige Nacnrichten folgen, die für Sammier<br />

eine gewisse Bedeutung haben:<br />

1.) Das Banrfeldtsche Münzwerk über Hohenzollern wurde<br />

in nur 100 Exemplaren gedruckt und für 20.— Mk verkauft.<br />

2.) Wir sammeln auch hohenz. Falschstücke. So gibt es eine<br />

versilberte Bleiprägung des Doppelguldens von Karl Anton


60<br />

1849, Bahrf. Nr. 136. Hier lag sicher Betrug vor. Ein ganz<br />

raffinierter Betrug wurde mit dem Zwitterdoppelgulden<br />

Bahrf. Nr. 134 versucht. Vorder- und Rückseite sind galvanoplastisch<br />

aus Kupfer hergestellt und dann auf schmale<br />

Pappstreifen geklebt;, die Randleiste fehlt. Durch Ausgießen<br />

der Zwischenräume mit Blei hätte man das „richtige" Gewicht<br />

hergestellt, den Randstreifen angebracht und dann das<br />

Stück versilbert. Bei der großen Seltenheit dieses Stückes<br />

hätte sich die mühsame Arbeit wohl gelohnt. Also Vorsicht<br />

bei Ankauf von Raritäten! Nicht zu den<br />

Falschstücken zählen die offen erkennbaren Bleiabschläge<br />

von alten Münzstempeln, wie sie immer wieder angeboten<br />

werden.<br />

3.) Zu den Kipperprägungen in Sigmaringen erfahren wir<br />

in den Blättern für Münzfreunde 54. Jgg. von 1919, S. 539<br />

durch Gustav Schoettle in seinem Aufsatz „Kaspar Bernhard<br />

von Rechberg ... ", daß Augsburger Handwerksbetriebe in<br />

den Jahren 1620—22 Einrichtungsstücke zu Kipperwerkstätten<br />

nach Sigmaringen lieferten.<br />

4.) In Geberts Numismat. Mitteilungen v. J. 1889 Nr. 19,<br />

S. 147 wird gesagt: Graf Karl von Hohcnzollcrn-Sigmaringen<br />

beabsichtigte 1595 in Nürnberg Dukaten prägen zu lassen.<br />

Vgl. dazu Bahrf. S, 109/10, wo er sagt, es lasse sich nicht<br />

nachweisen, daß Graf Karl II. von Hhz.-Sigmaringen von<br />

seinem Münzrecht Gebrauch gemacht habe.<br />

5.) Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 95. Bd.<br />

vom Jahre 1943, S. 31. Frdr. Wielandt „Die Münzstätten der<br />

H O II E N Z O L L E LT I S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

Markgrafen v. Baden". Auf S. 60 sagt er: 1743 wurden in<br />

Durlach für den Fürsten von Hhz.-Hechingen Carolinen geschlagen.<br />

Auf meine Nachfrage antwortete Dr. W., er habe<br />

diese Nachricht irgendwo in badischen Münzarchivalien gefunden,<br />

könne aber nicht mehr sagen wo. Von dem damals<br />

reg. Fürsten Friedrich Ludwig wissen wir nur, daß er sich<br />

wiederholt mit dem Gedanken der Münzprägung trug, So<br />

plante er 1741 eine Tälerprägung und verhandelte 1746 mit<br />

den Münzstätten in Langenargen und Stuttgart über Prägungen.<br />

Er erwog auch die Wiedereinrichtung der Hechinger<br />

Münze. Vielleicht hat er auch mit Baden-Durlach verhandelt.<br />

6.) Auf Seite 60/61 schreibt Bahrf, daß nach d. J. 1623 in<br />

mehr als hundert Jahren weder in noch für Hohenzollern<br />

der Münzhammer gerührt worden sei. Allerdings habe Fürst<br />

Friedrich Wilhelm (1671—1735) sich 1697 entschlossen, sein<br />

Münzregal wieder auszuüben, allerdings nicht in Hechingen,<br />

sondern in der Montforter Münzstätte Langenargen. Er verhandelte<br />

mit dem Grafen v. Montfort über „reichsmünzordnungsmässige<br />

Ausmünzung" von 10-Pfennigstücken und<br />

Kreuzern. Die Ausführung sei aber unterblieben. Fürst<br />

Friedrich Wilhelm hat aber doch wohl sein Vorhaben ausgeführt,<br />

wenn auch Bahrfeldt die Unterlagen dafür nicht fand:<br />

Noch während die Drucklegung dieses Aufsatzes im Gange<br />

war, erreichte mich die Nachricht, daß in diesem Jahre 1954<br />

ein bei einem Gartenfund in Wimpfen festgestelltes Einkreuzerstück<br />

des Fürsten Friedrich Wilhelm v. Hohenz.-Hechingen<br />

aus dem Jahre 1707 vorgelegt wurde!<br />

H. Fassbender.<br />

Alte Gemeinderechnung von Jungingen<br />

von Casimir Bumiller<br />

1779/80: fl. kr.<br />

An dem Gieretztag dene Schuolkinder zolt<br />

—.48<br />

Den Wuocher Rinder einen Strickh<br />

—. 6<br />

Dem Grotzl von Ringingen vor 1000 Bretter negel zuom<br />

Krautt Thoill zolt<br />

3.—<br />

Weyn Steyer nocher Rottenburg zolt<br />

2.14<br />

Dem Briderle beim Hl. Kreutz und dem Meßner zuo<br />

Maria Zell zolt<br />

—.12<br />

Am Frohn Leichtnahmstag Herrn Pfarr Kirchensinger<br />

Kreutz und Fahnenfihrer und Vorgesetzten zolt 11.22<br />

Titl. Herrn Pfarr an der Himmelfahrt Christi und nocher<br />

Maria Zell zolt<br />

1.—<br />

Zuo Ringingen wegen dem Heyfeld mit dene Vorgesetzten<br />

verzehnt<br />

1.46<br />

Baptist Schuoller wegen dem Pferch Karren zuo machet<br />

und Boeden flickhen<br />

6.48<br />

Dem Schreiner darvon anzustreichen<br />

2.—<br />

Fortstrof wegen denen Hirthen zolt<br />

6.40<br />

Titl. Herrn Pfarr seyn Bresentgelt zolt<br />

2.—<br />

Wegen 6 Kreutz gingen zu sonst anna zolt<br />

2.—<br />

Friedrich Speidel vor 8 Feir Kibel zu flickhen zolt<br />

2.—<br />

Dem Stettemer under Hollstein von 8 Feier Kibel zu<br />

machen und kite zolt<br />

1.31<br />

Johannes Bumiller mit seynem Bericht an Herrn Hof<br />

rath geschickht wegen der ormohlschuoll<br />

Den 11 Deputierten wegen Weiler Hof zuo Hechingen<br />

gewesen zolt<br />

Dem Mesner Baum Ehl zolt<br />

Jackob Kollers son einen Arrestant auf Hechingen gefiert<br />

ihme zolt<br />

Sebastian Speidel soltz fir die wuocher Rinder zolt 5 Imi macht<br />

Dem Vogt seyn Worthgelt zolt wegen schreiben<br />

Den ohnschmettinger Brandsteyer zolt<br />

An dem Mihlstein fohrwerk zolt<br />

Dem Casimiry Riester aus eynem Pferd zolt an dem Umrith<br />

Wie die solldaten gestreifft haben 4 M. ihnen zolt<br />

Wie man das Jagen im Killer Hau gemacht Reitt Knecht<br />

und Jager C asper zolt<br />

Wie man die 9 Frohnen zur Stattkirchen ausgefahren und<br />

ohn geschlagen den Vorgesetzten zolt<br />

Dene Burger Meyster wie sie im friejohr mit dem Hirthen<br />

beym Forstamt geweßt zolt<br />

Johannes Bumiller zwey Mol beym Herrn Weg Enspektor<br />

geweßen wegen der Landstroß<br />

Johannes Bumiller Zwey mol beym Steglege geweßt<br />

Johannes Bumiller und der Schiz das Allmosen nocher<br />

Wilflingen ein gesammelt<br />

Wie man die Herner abgeschnitten denen Vorgesetzten<br />

und Hirthen ihren Lon zolt<br />

Dem Vogt und Johannes Riester auf den Heyfeld die<br />

Lochen eyngesehen<br />

Johannes Riester bey Herr Groß Bayer gewesen wegen<br />

dem Stein fihren<br />

Mehr beym Herrn Stattschreiber wegen dem Steinfihren<br />

er Johannes Riester gewesen<br />

Dem Toden grever seyn Warthgelt zolt<br />

Dem Schreiner von den Schuoll Tafflen zu flickhen zolt<br />

Dem Vogt Zwey mohl zu Hechingen auf der Kamer<br />

wegen dem Weiler Hof<br />

1782/83: fl.<br />

Am Gieretztag dem Schuoll Meister und schoull Kinder zolt<br />

Dem Sebastian Speidel vor zwey wuocher Rinder vor<br />

zwey Johr ging soltz zolt<br />

Der Heb muotter vor ihr ging zolt 17 Tag<br />

Vor die Gemeynd Jungingen Zins nocher Tibingen zolt<br />

An der Gemeyndsschuld auf Tibingen zolt<br />

Dem Jäger Carle wegen Deichel anweisen zolt<br />

Dem schuol Moister zolt wie man mit ihme abgerechnet<br />

und Trinkhgelt geben<br />

Dem Nicodemus Haißen 2 Kinder schuoll lon zolt —.24<br />

Wie man die Herner abgeschnitten 5 Man zolt 1.08<br />

Weyn steyer nochher Rottenburg zolt 2.14<br />

Titl. Herrn Pfarr wegen Esch Ritt und Corps Christi zolt 1.30<br />

An Corps Christi Vogt und Burger Moister, Kirchensenger<br />

creutz und fahnen fihrer zolt 9.26<br />

Vor die Gemevnd wegen einem Mihi stein zu der Killer<br />

Mille zolt 1-24<br />

Vor eynen Kaufbrief vom Weilet Hof zolt —.24<br />

Wie der Herr Hofrath hier gewesen und die schuoll ein<br />

gesehen denen Vorgesetzten gemeynds depentirten<br />

und schuoll Moister zolt 3.—<br />

Dem Herrn Statt Pfarr und Lehrei zolt 9.25<br />

Dem Herrn Pfarr wegen 9 Creutz geng zu santanna zolt 3.—<br />

Der Gemeynd Schlatt aus dem ./eiler wald und Kucheneckhern<br />

zolt Boden Zins 1-26<br />

Dem Vogt Matheis BOmilie vor der Cantzley geweßen<br />

wegen dem schuoll Moister ihme zolt —.37<br />

Dem Schuster wogen 14 Nechten zu pferchen in der Hagen<br />

wis zolt<br />

Dem Sebastia; Riester wegen Bilderstock an zu streichen zolt 1.—<br />

Dem Zimer Mon darvon zu machet zolt —.58<br />

Dem Sylvester Bumiller mit dem Beyremer Jäger zu<br />

Heching 0 — .15<br />

2.50<br />

—.24<br />

" geweßen wegen dem Lochenbeschrieb<br />

weg'_._ Weiller wald zoll —.30<br />

Dem Vogt I Drentz schuoller und M chioi lais mit denen<br />

schlattemer wegen dem Hunds Mehl in der Cantzley<br />

f —.15<br />

1.40<br />

4.—<br />

—.12<br />

1.19<br />

—.24<br />

—.48<br />

—.47<br />

—.50<br />

ew. — 44<br />

Friedrich Bosch vor schnidarbeit 1-19<br />

Leonzi Bösel vor StSWidäTbeit zolt 1-21<br />

Der Heb muottei ihr Warthgelt zolt 1.20<br />

Dem Hatschier Eberle und ein Soldat I Izapfel und Meßner<br />

vor Contingent wegen Streiffer zolt —.23<br />

Vor 54 Deichel zu bohren und zwei Deichelbohrer zu<br />

Hechingen abgeholt und wieder hinunter trogen<br />

lassen in allem Kostet 6.22<br />

Dem Vogt und Sylvester Bumiller zollt wie sie mit Georg<br />

Speidel wegen dem Weg an der Hl. Mithe zu Cantzley<br />

sind zitiert ^ordf . 32.—<br />

Wie man cie" 1 —.30<br />

—.31<br />

—,15<br />

—.30<br />

1.08<br />

—.35<br />

—.15<br />

—.15<br />

1.20<br />

—.52<br />

—.40<br />

. kr.<br />

—.50<br />

Weiler wald iiusgelo&iet 7.43<br />

Dem Jerg Speidel wegen 4 ift oh "Roden von seiner<br />

Hofstatt beym Weiler Hof zu einem Allmandweg<br />

zolt 2.37<br />

Dem Feldmesser vogt und Burger Meister zolt weil man<br />

einen Wtg vo 1 der Hof-Statt gemessen hat —.50<br />

Weil man auf lern Hinberg mit den Starzeimer ausge<br />

lochet 11°', vogt Burger Meister und Under genger<br />

sambt Jägerei n allem Kostet 3.06<br />

Mehr wieder auf Bremelherd gewesen wegen den Bahn<br />

Lochen wie die Herren vom Forstambt do gewesen<br />

vogt Under Genger und Eirger Meister ihnen zolt 1.04<br />

"ie man die Lehen richten geschitt 2.06<br />

WiS man in zwey Mohien zwey Hirsch ausgehauen denen<br />

Metzger zolt und in Allem Gekostet 1.27<br />

Der Vogt mit der Heb am zu Hechingcn gewesen wie<br />

man sie beoic hot ihne zolt —.35<br />

Dem Wanger Joseph ^cliuoller und Sebastian und Mareen<br />

Riester wie sie den Bronnen gelegt und Boden<br />

gemacht zolt —.57<br />

Vor ein Pferd Herrn Pfarr an dem Esch ritt zolt<br />

Wie man das Hagen Hey und Em 1 4.15<br />

;.. 4<br />

44.23<br />

2.11<br />

—.30<br />

1.30<br />

eingetan dene" Vorgesetzten<br />

und Johannes Kuonantz und Frantz<br />

Carle Speidel die einen Wagen umgekeit hot aufaufgericht<br />

zolt —.66<br />

Denen 3 Rotten wo dieses Johr Brunst gelaufen auf jeden<br />

"ni zolt 4 Kr. macht 4.—<br />

Dem Meßmer für Baum Ehl zollt —.24<br />

Summa die gantze Ausgab belauft Fl. 262.26 Kr.<br />

(Fortsetzung folgt.)


Jahrgans 1954 H Ö H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T 61<br />

Zwischen Rottenburg und Tübingen erhebt sich der weithin<br />

sichtbare Wurmlinger Berg mit seinem uralten Kirchlein<br />

und dem Friedhof, die durch Ludwig Uhlands Gedicht „Droben<br />

stehet die Kapelle" berühmt geworden sind. Schon im 11.<br />

oder 12. Jahrhundert, so berichtet die Ueberlieferung, stiftete<br />

ein Graf (Anselm?) von Calw für sich und die Seinen hierher<br />

einen Jahrtag, dessen regelmäßige Feier das Kloster<br />

Kreuzlingen bei Konstanz zu überwachen und z;u finanzieren<br />

hatte, wofür ihm der Stifter den Kirchensatz dieser Wurmlinger<br />

Pfarrkirche und andere Einkünfte übertrug. (Der<br />

Kirchensatz umfaßte alle Einkünfte der Kirche und deren<br />

Pfründen.)<br />

Am Montag nach Allerseelen hatte sich der Kammerer des<br />

Landkapitels Tübingen-Wurmlingen auf den Berg zu verfügen,<br />

wo der Verwalter des genannten Klosters am Kirchhoftor<br />

bereits einen Wagen gespaltenen Brennholzes und<br />

einen Sack guter Holzkohlen, sowie einen geladenen Heuwagen<br />

und eine braun gebratene Gans bereit hielt. Die Gans<br />

bekam der Fuhrmann, der den Heuwagen gebracht. Ferner<br />

waren gerichtet: ein fetter Ochse von drei Jahren, ein Spanferkel,<br />

ein jähriges und ein zweijähriges Schwein, genügend<br />

Bier (vor einem, zwei und drei Jahren gesotten) Brot von<br />

Weizen-, Veesen- und Roggenmehl, und zwar je 3 Laibe im<br />

Werte von einem Schilling, sowie genügend Gänse und anderes<br />

für die Gäste. Ein gewandter Metzger und ein wohlunterrichteter<br />

Koch standen ebenfalls bereit.<br />

Nachdem der Kammerer alles genau geprüft, nahm er dem<br />

Verwalter des Abts von Kreuzlingen, dem Metzger, Koch und<br />

dem übrigen Gesinde den Eid ab, alles genau nach der Ordnung<br />

herzurichten und bei der Feier des Totenamts am folgenden<br />

Tag zu verwenden und nichts zu veruntreuen.<br />

Am Dienstag bei Sonnenaufgang zog dann der Dekan mit<br />

seinen Kapitelsherren samt übrigen Geistlichen von Tübingen<br />

und Rottenburg zu Pferd oder Fuß in schwarzen Kleidern<br />

und Kapuzen auf den Berg, jedoch bei Strafe eines Scheffels<br />

Weizen für jeden, der seine Kapuze daheim ließ, und zu spät<br />

oder (ohne Entschuldigung) gar nicht kam. Jeder durfte auch<br />

seinen Schatten, d. h. den Mesner oder Diener mit sich nehmen.<br />

Wenn einer zu Roß kam, so stand ihm eine neue Mulde,<br />

ein Viertel Haber und ein neuer Strick zu, die sein Diener<br />

nachher heimbefördern mochte.<br />

Wenn alles bereit war, traten die Geistlichen ohne Stiefel<br />

und Sporen, in ihre Kapuzen gehüllt, um die Tumba des<br />

Stifters (der vielleicht in der Krypta begraben lag) zum<br />

Beten der Psalmen der Vigil. Der Dekan zelebrierte das Totenamt,<br />

die Kapitular gingen zum Opfer und lasen einige<br />

stille Messen. Einer verlas laut den» versammelten Volk die<br />

Der Wurmlinger Jahrtag<br />

Namen des Stifters sowie seiner Gemahlin und Kinder. Endlich<br />

wurde die Vesper mit dem Placebo und den Collecten<br />

gesungen, darauf das Testament des Stifters verlesen und<br />

schließlich öffentlich umgefragt, ob alles den Vorschriften<br />

gemäß begangen worden sei.<br />

War dies bejaht, so lädt der Kammerer die Geistlichen und<br />

übrigen Teilnehmer am Wäldchen unten, wo der Wind nicht<br />

so pfiff, zum Mahle ein. Während die hochwürdigen Herren<br />

sich in Bescheidenheit um die untersten Plätze an der aufgeschlagenen<br />

Tafel stritten, breitete er unweit davon die<br />

Haut des geschlachteten Ochsen aus und hieß die Armen und<br />

Bresthaften sich herum lagern. Dann schnitt er den Kapitularen<br />

und Gästen einen Laib Weißbrot vor und empfing<br />

von jedem eine Gabe, einen Pfennig oder mehr, die er aber<br />

gleich den armen Leuten beim Ochsenfell austeilte. Dreierlei<br />

Brot wurde von den Dienern aufgesetzt, allgemein das Tischgebet<br />

gesprochen und dann mit den drei gebratenen Sauköpfen<br />

der Anfang des Mahles gemacht. Es folgten Gänse,<br />

Hühner, Fische, Rindsbraten, Wurst, Käse, Kuchen, Trauben<br />

von der Neckarhalde, Nüsse, Aepfel, Birnen nacheinander,<br />

und die überreichen Reste samt Suppe, Fleisch und Bier<br />

wurde unter die Armen verteilt. Lediglich die gebratene<br />

Gans und in ihr ein gebratenes Hühnchen und in dem Hühnchen<br />

eine Wurst behielt jeder Gast für sich und mochte es<br />

wohl auch heimnehmen. Nach dem Essen folgte das allgemeine<br />

Dankgebet. Wieder wurde gefragt, ob alles richtig ausgeführt<br />

sei und auf das gemeinsame Ja erklärte der Dekan<br />

dem Stellvertreter des Abts von Kreuzlingen, daß er seiner<br />

Pflicht Genüge getan habe.<br />

Würde aber je die Stiftung nicht erfüllt werden, so sollten<br />

fallen alle ihre Einkünfte dem ältesten Besitzer der Burg<br />

Calw zu, der dann zu Pferd herkommen und in den Steigbügeln<br />

stehend einen Goldgulden über den Kirchturm werfen<br />

und in Zukunft für die Vollziehung der Stiftung nach eigenem<br />

Gutdünken sorgen möge.<br />

Der Stiftungsbrief dieser merkwürdigen Totenfeier ist zwar<br />

nicht mehr vorhanden, aber eine von Zeugen bestätigte Nachricht<br />

vom Jahre 1348 macht die Sache unzweifelhaft. Zur<br />

Zeit der Glaubensänderung in Württemberg 1534 wurde er<br />

noch gehalten, nur verwendete man damals dreierlei Wein<br />

statt Bier. Der lutherisch gewordene Pfarrer von Derendingen<br />

(Jak. Hegner von Ringingen) mit andern wollten sogar<br />

noch am Schmause teilnehmen, trotzdem sie keine Messe<br />

mehr lasen. In weit bescheidenerem Maße fanden sich einst<br />

auch anderwärts ähnliche Jahrtagsfeiern mit mehreren Geistlichen,<br />

einem Imbiß und Gaben an die Armen. (Nach Freibg.<br />

Diöz. Arch. Bd. 9, S. 301—303 und Note S. 267).<br />

Johannes A. Kraus.<br />

Vergleich über die Fronen in Kettenacker im Jahre 1751<br />

Als der minderjährige Marquard Carl Anton Speth im<br />

Jahre 1741 den Spei-h'schen Besitz übernahm und derselbe<br />

bis zur Volljährigkeit des Junkers von einer Vormundschaft<br />

verwaltet wurde, gab es in Kettenacker erhebliche Meinungsverschiedenheiten<br />

über den Umfang der Fronarbeiten.<br />

Strittig waren folgende Fronen:<br />

Die mgemessenen Reit-, Kutschenfronen, Befördern herrschaftlicher<br />

Bagage und Mobilien, die Weinfuhrfronen gegen<br />

Reichung vom Futter, Mahl, Stahl und Eisen; die Aufbereitung<br />

von 2 Klaftern Holz von jedem Tagwerker je Klafter zu<br />

6 Kr.; jährlich ein Tag in der Ernte von morgens bis abends<br />

6 Uhr zu schneiden; jedes zweite Jahr mit Hermentingen<br />

haben die Frauen zwei ha'be Tage Hanf zu liechen; jährlich<br />

sind 13 Mannsmahd Wiesen zu heuen, öhmden, dörren,<br />

auf- und abzuladen, auch heim in die Sennerei zu fahren;<br />

zur Residenzmahlmühle in Hettingen sind ungemessene<br />

Hand- und Mähnefronen zu leisten, ebenso sind sämtliche<br />

Baumaterialien zur Mühle auch aus der Fremde fronweise<br />

zu holen.<br />

Der aus Vertretern der Herrschaft und der Gemeinde<br />

Kettenacker bestehende Ausschuß legte für die Gemeinde<br />

Kettenacker am 19. Mai 1751 im Amtshaus in Gammertingen<br />

die Fronen folgendermaßen fest:<br />

Das Lustbergische Ackerfeld (Lusthof) mit Einschluß des<br />

mit Vesen angeblümten Stücks an der Wiese oben und unter<br />

der Egert, ungefähr 4 Jauchert und das umgerissene Stück<br />

langwegs an der Wiese am Kettenacker Weg 3 Jauchert sind<br />

in der Habersaat zu ackern, säen, eggen, brachen; einmal zu<br />

falgen, über Herbst zu säen und zu eggen. Die Herrschaft<br />

hat hierfür jeder ganzen Mlähne vor der Ernte 16 Pfund<br />

Fronbrot gegen Quittung zu reichen und folgenden 8 Einrößlern<br />

(Anton Schaden, Joseph Steinhart, Nikolaus Hanner,<br />

Felix Berner, Hansjerg Fauler, Michel Fauler, Christian<br />

Eisele, Iohann Schlaghauten) jedem 28 Kr., insgesamt 3 11 44<br />

Kr. zu geben und den Bauern und Tagwerkern 14 fl 25 Kr.<br />

an der Herbstrechnung als Frongeld abzuziehen. Das obenerwähnte<br />

Ackerfeld ist jederzeit zu schneiden und zu binden,<br />

die Garben sind auf- und abzuladen und auf den Lustberg<br />

zu fahren. Die Herrschaft hat den Schnittern morgens<br />

früh einen Haberbrei und eine Suppe, mü.ags Suppe und<br />

Milch, beide Male auf jeden Tisch mit 10 oder 11 Personen<br />

besetzten Tisch einen Laib Brot, jedem Wagen, der einführet<br />

(ob ein- oder mehrmal) 2 Pfund Brot, auf einen Karren 1<br />

Pfund Brot, den Schnittern abends mit Ausschluß des Essens<br />

jedem ein Pfund Brot ziui reichen. Die Tagwerker haben gegen<br />

Reichung des Morgen- und Mittagessens wie beim<br />

Schneiden, auch des Laibs Brot auf jeden Tisch, doch ohne<br />

Abendbrot mit Ausschluß der Bauern und Einrößler den<br />

Haber allein zu mähen. Beim Aufrechen und Binden haben<br />

letztere zu helfen. Die Bauern, Einrößler und Oechsier, die<br />

Haber einfahren, sind zum Aufrechen, Binden und Aufladen<br />

nich' verpflichtet; diese Arbeit ist von den Handfronern<br />

zu verrichten. Die Einfahrenden sind von Handfronen befreit;<br />

sie erhalten von einem mit einer ganzen Mähne bespannten<br />

Wagen 2 Pfund Brot, der Karren 1 Pfund. Die<br />

Handfroner bekommen morgens und abends je 1 Pfund Brot.<br />

Die Kettenacker haben von den Wiesen, die die Herrschaft<br />

auf ihre Kosten mähen lassen muß, Heu und Oehmd zu<br />

dörren und auf den Lustberg einzufahren. Der auf dem<br />

Lustberg erzeugte Dung ist fronweise auf die Wiesen und


62 H O H E N Z O L L E R I S C H E H E I M A T Jahrgan? 1954<br />

Aecker zu fahren, zu laden, spreiten und zu klopfen. Jeder<br />

Fuhrfroner (er fahre ein- oder mehrmal) und jedsr Handfroner<br />

bekommt täglich 2 Pfund Fronbrot. Der Baumeister<br />

auf dem Lustberg hat Kettenacker die Zeit, die Anzahl der<br />

Froner und Mähne, die zur Fron erforderlich sind, bekannt<br />

zu geben.<br />

Kettenacker ist dem aufgestellten Baumeister auf dem<br />

Ljustberg keine Fronen schuldig.<br />

Dem Junker muß Kettenacker noch folgende Fronen<br />

leisten:<br />

1.) Die Verfronung des Pfarrhofes mit Mähne und Hand.<br />

Handfroner erhalten hierbei morgens Haberbrei und Suppe,<br />

mittags Suppe und Knöpfle, abends Suppe und Milch und<br />

1 Pfund Brot oder nach herrschaftlichem Belieben statt Essen<br />

und Brot Vh Kr.; Mähnefroner bekommen für einen ganzen<br />

Tag 2 Pfund Brot und, wenn sie über Land fahren müssen,<br />

Futter, Mahl, Stahl und Eisen.<br />

2.) 40 Winter- und 40 Sommergarben sind unentgeltlich<br />

einzufahren; für die übrige Garbeneinfuhr wird je Fuder 40<br />

Kr. bezahlt und insgesamt 3 Malter Haber. Die gedroschenen<br />

Früchte sind in der Fron nach Gammertingen zu fahren;<br />

für jede Mähne werden 2 Pfund Brot gereicht, für 1 Karren<br />

1 Pfund.<br />

3.) Die ungemessenen Fronen für Wachen bei Malefikanten<br />

sind unentgeltlich.<br />

4.) Ungemessene Jagdfronen sind ziui leisten (mit Ausnahme<br />

der Lerchenfangfron). Das Wildbret ist in der Fron<br />

nach Gammertingen zu bringen.<br />

5.) Kettenacker muß Jagdhunde halten.<br />

6.) Ungemessene Fronbotengänge in alle Speth'schen Ortschaften<br />

gegen 1 Pfund Fronbrot.<br />

7.) Beamte für Gemeinde- und Bürgergeschäfte sind in der<br />

Fron zu holen.<br />

8.) Die der Herrschaft gehörigen Rüben in Kettenacker<br />

sind in der Fron nach Gammertingen zu fahren. Hierfür<br />

gibt die Herrschaft das Fronbrot wie in Punkt 2.<br />

Die eingangs in 7 Punkten erwähnten Fronen brauchen,<br />

solange dieser Vergleich in Kraft bleibt, nicht mehr verrichtet<br />

werden. Dieser Vergleich hat Gültigkeit, bis Baron<br />

Marquard Carl Anton volljährig wird.<br />

<strong>Heimat</strong>literatur<br />

Das Freiburger Diözesanarchiv, die Zeitschrift des kirchengeschichtlicnen<br />

Verein?, ist im 73 Jahrgang (1953) jetzt<br />

erschienen. Neben den Arbeiten über eine Allensbacher Kapelle,<br />

Liturgisches Leben in Murbach. Wessenbergs Briefe,<br />

interessiert vor allem der Aufsatz „Bild und Bildstock in<br />

der Flurnamengebung" von E. Schneider, ferner der umfangreiche<br />

Bericnt aus den Visitationsakten des ehm. K a -<br />

pite's Trochtelfingen 1574—1709 (S. 171 ist leider<br />

die Jahrzahi 1651 verkehrt gedruckt als 1615!), dann eine<br />

Abhandlung Iber die Alt-Beuroner Klosterbibliothek,<br />

über die Anfänge des Bistums Konstanz und<br />

aer Schluß der schon länger erscheinenden Investiturprotokolle<br />

der Diözese Konstanz bis 1500, hier die Buchstaben<br />

Schw—Z. Nächstes Jahr soll dazu noch ein Personenregister<br />

kommen. Trotz aller Umsicht des Herausgebers M. Krebs<br />

haben sich einige Irrtümer eingeschlichen: S. 817 Z. 4 v. u.<br />

fehlt der Name Lukas Kröul. S. 819 gehört die Angabe von<br />

Stetten D. Stuttg. richtig nach Stetten u. Holst., wo Friedrich<br />

Schenk als Kaplan nachzuweisen und im Jahr 1304 der<br />

dort igegebene Altar gestiftet wurde. S. 1013: Zaiselhausen<br />

ist nicht abgegangen, sondern identisch mit Hausen an der<br />

Laudiert (Hohenzoll. <strong>Heimat</strong> 1954 S. 37). S. 708 gehört der<br />

Eintrag vom 13. Jan. 1463 nach Ringingen bei Blaubeuren.<br />

Die Zeitschrift für Württbg. Landesgeschichte, 12. Jahrg.<br />

>953, II. Teil, ist wichtig wegen der umfangreichen Bücherbesprei/.ung<br />

und wegen eines Aufsatzes von Elis. Nau über<br />

die Währungsverhältnisse am oberen Neckar 1180—1330 (Tübinger<br />

und Kottweiler Pfennige, Häller und dem Fundeverzeichnis.<br />

Erwähnt wird ein Fund an einem unbekannten<br />

hohenzollerischen Ort 1858 (viele Hundert Münzen) wobei<br />

Hechingen oder Ringingen infrage kommen. Eigentlich müßte<br />

die Ueberlieferung doch noch darüber ziemlich wach sein!<br />

Früher erschienene Nummern der „Hohem.<br />

<strong>Heimat</strong>" können nachgeliefert werden,<br />

per Stück 30 Pfg.<br />

D' Ladaglocka<br />

Auszug aus den Ratsprotokollen der Stadt Sigm; ngen. 27. April<br />

1754. „Weiteres haltet Johann Alseits bittlich um ein Ladoenglöckchen<br />

an. Ebenfalls auch Herr Saurer, item Bürgermeister (Johann<br />

Georg) Fr._:':n und Wunibald Schmid.<br />

Bescheid: Weilen sie bedürftig seien, also soll jedem eine Glock<br />

vergönnet sein."<br />

Bei Frick's ist heut a großes Fest<br />

do kommet viel Verwandte,<br />

und kommet sonst no viele Leut,<br />

viel Freunde und Bekannte.<br />

Dr Max Frick hot Geburtstag heut,<br />

denn der ist, des ist wohr,<br />

wenn du es au it glaube Witt,<br />

doch ganze 80 oh'<br />

Die meiste Zeit von dena Johr<br />

stoht'r im Lada drinna,<br />

hot Stoff und Kloidr do verkauft<br />

und Seide und au Linna.<br />

Dann dut'r von r Lotterie<br />

Au seile Los verkaufa.<br />

Doch wenn du moist, du gwimrst amol,<br />

do kannst bei Gott lang laufa.<br />

Und weil er viel im Lada war<br />

In dena 80 Jahr,<br />

Do hant mir heut im Lada drin<br />

Halt no an Jubilar.<br />

Es sind nämlich gerade jetzt<br />

200 Johr verganga,<br />

seit bei dr Firma Frick im Gschäft<br />

a Ladaglock tut hanga.<br />

So ka rr reut no lesa,<br />

im Stadtratspro _ koll,<br />

Und i seh gar it ei, warum<br />

ma deer it ira soll.<br />

Wenn d'Ladaglocka an dr Tür<br />

Im Tag gar oft tu laufa,<br />

freut sich dr K lfmamn, denn die Leut,<br />

dia tant im Lada - :ai a.<br />

Se kaufet in dem Lada ei,<br />

was es det alles geit:<br />

an NahruiiJ und an Kleidung au<br />

für alt und junge Leut.<br />

Kaum ist des Gschäft am Morga auf<br />

Schau noch am Kirchagau,<br />

— dr Hans Jerg Frick trinkt no Kaffee —<br />

do bimmblets s.Glöckle schau.<br />

D' Frau Nochbere, dia holt a Salz,<br />

Er tut viereinhalb verlange;<br />

dr Stadtrat schimpft zwar, denn dofür<br />

Tätet viel Kreuzer langa.<br />

Jetzt sch.ägt bedächtig s' Glöckle a,<br />

Herein kommt, ei do ,ehau,<br />

Dr M er, weit ist er bekannt,<br />

Dr M" niad ,-or dr Au.<br />

Hans Geo ; Frick begrüßt ihn senr,<br />

Wünscht ihm an guta Tag<br />

Und bietet, weil es halt so Brauch<br />

Ihrr. a an Schnupftabak.<br />

„I möcht a Färb hau, it so hell",<br />

Sait do dr Meinrad au,<br />

„A wengle rot, a wengle gel<br />

Und au a wengle blau".<br />

Bald läutet's wieder, doch s'ischt bloß<br />

dr Fr •'., der's läuta lost;<br />

Der gol. ,.iol sehnt vor d'Ladatür,<br />

ienn 'erfahra tut d'Post.<br />

Jetzt könnt a Mädle, holt a Band<br />

für ihre neue Röck.<br />

r - kauft an Puder für Perück,<br />

am Bua an Bäradreck.<br />

Und immer kHng des Glöckle laut,<br />

des an dr Tür det hanget,<br />

/er. Kunda kommet ins Geschäft<br />

Und " "=nr se wieder ganget.<br />

S'ist Freitag, drum kommt schnell daher<br />

vom Lehle s'äll Mädle,<br />

und holet Stockfisch und se schwätzt,<br />

Des Maul goht wia am Rädle.<br />

Weil m i-ga ist Fidelistag<br />

do schickt dr Pfarrer her,<br />

lost hola no an Weihrauch<br />

So um a Pfund rum schwer.<br />

Beim Hans Jerg Frick, beim Franz Xaver,<br />

beim Hans ^rg, sein n Sohn,<br />

beim Benedil-,, leim Alex au,<br />

Des Glöckle f 'bt sein Ton.<br />

Des Glöckle klingt am Karlsplatz dann<br />

Seit über 50 Jahren;<br />

ob s' C'"ihäft mol gut ging oder schlecht,<br />

Des GlücJ-.ie hots erfahren.<br />

Des Glöckle läutet jeden Tag,<br />

200 Joh" nds her.<br />

Des Gschäft wird r»r< , an Stock könnt nauf,<br />

'¡„-3 Glöckle läutet weiter.<br />

Mähe Tiol do klingt des Glöckle au,<br />

dr I tax Fric^ -jringt schnell naus,<br />

Und guckt in d'Sonna, daß er nießt,<br />

noch s Vetteret jedes Haus.<br />

Und als 9 Johr lang fremde Leut<br />

Im Lada drin sind gstanda,<br />

dia Ladaglocka an dr Tür<br />

Hot au des überstanda.<br />

Jetzt 1 an e anara Ladatür:<br />

dr Max T 'rick sait, o luget,<br />

Dia Tür aia kön" it schör^r sei,<br />

des gibts it mol in Stuagert.<br />

Drum wella mr an diesem Tag<br />

ans Ladaglöckle denka<br />

i nd es dem heut'gen Jubilar<br />

Zu -Jim Geburtstag schenka.<br />

Die Firma Frick soll lange blühn,<br />

sie ka au nichts erleida,<br />

solang det an dr Ladatür<br />

des Glöckle oft tut läuta. Alex Frick.


Jahrgang 1954 H O H E N Z O I , L E R I S C H E H E I M A T 63<br />

Kurznachrichten<br />

Die Pfarrer von Killer<br />

Das Killertal verdankt seinen Namen nicht einem Bach<br />

(denn der heißt Starzel), sonderr dem ehemaligen Pfarrdorf<br />

Killer, dessen Name aus Kilchwiler •= 'tirchweiler zusammengezogen<br />

ist. Zu ihm gehörten die Talorte Hausen, Starzein,<br />

Killer und Jungingen, vermutlich _-:och mit Weiler ob<br />

Schlatt. Von den Pfarrern dieser kirchlichen Verwaltungseinheit<br />

kennen wir noch folgende mit Nar ;n:<br />

1.) H(einricus) Kaplan, genannt von Kilwilar 1256, vermutlich<br />

identisch mit dem piebanus oder Leutpriester H ei n -<br />

rieh, der 1262 genannt wird, und später Dekan war. 2.)<br />

Graf Rudolf von Zoller:i, 127, r (FDA I, 83). 3.) Albertus,<br />

vor 1300 Vizeplebanus in Kilwiler. 4.) Pfaff Konrad<br />

der Esel von Kilwiler, 17. März 1330. 5.) Wilhelm<br />

Rüeber um 1420, war vorher oder nachher Pfarrer<br />

in Erpfingen. 6.) Wilhelm Körninger 1431—49. 7.)<br />

Dietrich oder Theoderich Kümmerlin 1449 -63, wo<br />

er tot genannt wird. Am 5. Juni 1449 hatte er als „Erstfrüchte"<br />

seinem Bischof 35 Gulden zu zahlen (etwa der Wert<br />

von 7 Kühen). 8.) Berthold Schuler von Hechingen<br />

1463- -88 War als Pfarrer proklamiert am 29. 4. 63 und am<br />

10. Mai investiert auf Präsentation von Graf Jos Nikiaus<br />

von Zoliern, Schuler 1469—71 Dekan des Kapitels Trochtelfingen,<br />

zu dem das Killertal gehörte. Am 30. 7. 1471 erhielt<br />

ei Absenz auf 1 Jahr, ebemr. am 5. 8. 1480 und 7. 3 1482<br />

(Krebs, Invest. Protok. 441). 8a) Bis 1464 war als Frühmesser<br />

am St. Katharinenaltar zu Killer ein Johannes Kimmerlin<br />

(Kümmerlin), der in diesem Jahr nach Rangendingen<br />

ging. 8b) Ihm folgte am 28. 8. 1464 in Killer ein<br />

Michael Husner von Gärtringen, der am 12. 7. 1469<br />

Absenz auf 1 Jahr erhielt. 9.) Kaspar Schüler 1488<br />

bis 92 Pfarrer, zahlte am 14. August des erster Jahres als<br />

Erstfrüchte 22 Gulden, nachdem ihm die restlichen 13 fl<br />

nachgelassen waren. Kaspar erlangte am 18. 8. 88 auf 1<br />

Jahr Absenz, ebenso am 30. 1, 1493 bis Johannes Bapista.<br />

10.) Johannes Sattler (Sellatoris) von 1493 an. Er<br />

war seit i486 der erste Pfarrer der (von Killer getrennten)<br />

Pfarrei Hausen gewesen. 11.) Johannes Kern 1511 bis<br />

1531, wo er starb. Auch er war bisher, seit 1494, Pfarrer im<br />

nahen Hausen gewesen. (Angeblich sei er 1513 Pfarrer in<br />

Stein, vorübergehend?) 12.) Johannes Kempter von<br />

Ueberlingen, wurde am -3. Juni 1531 als Pfarrer von Killer<br />

proklamiert, blieb aber nicht lang. 13.) Mathis Lux,<br />

hier Pfarrer 1533—1542 und vielleicht länger. Er war um<br />

1515 Pfarrer in Gauselfingen gewesen. Im Jahre 1544 war,<br />

nach dem Hagenschen Lagerbuch zu schließen, die Pfarrei<br />

nicht mehr besetzt und gehört seitdem zu Hausen. Doch verkaufte<br />

1545 die Heiilgenpflege Killer ein Haus daselbst an<br />

(den alten?) Pfarrherrn Mathissen um 26 Pfund Heller.<br />

(Erzb. Aich. Freiburg und Seelbuch des Kap. Trochtelfingen.)<br />

J. Ad. Kraus.<br />

Aus Rangendingen. 1323, 1. Mär (Zinstag vor Mittfasten).<br />

Konrad der Stoiker von Rangendingen verkauft an Hermann<br />

von Aw, Herrn Marquarts Bruder von Aw (oder Ow),<br />

alle seine Güter zu Rangendingen um 15 Pfund Heiler. Doch<br />

behält er sich daraus gehenden jährliche Gilten vor, solang<br />

er lebt. Ausgenommen vom Verkauf sind für seine Tochter<br />

Sopnie dei Acker vor der Mühle, das Mühlländli in Größe<br />

von 2 Jauchert, der Acker auf den Malmen, der an den<br />

Burgacker grenzt, und das Ländli auf Benzenbach in Größe<br />

von 2 Jaucliert, ^erner 1 Jauchert auf Bühel und 1 Jauchert<br />

in Renntal, die Hirnwies und die Biunde bei dem Brunnen,<br />

alles Lthen des Grafen Rudolf von Hohenberg. Zeugen sind:<br />

Ritter Marquart von Aw, Johanne? von Salbadingen (Salmendinrjn),<br />

'er Hargendinger Kirchherr Marquard Pfinneblater,<br />

Dietrich der Mann, Stainmar der Mann und Konrad<br />

der Ms:jei von Bietenhausen. (Aus dem Archiv Hirrlingen,<br />

Sammeiband S. 217.) Fritz Staudacher.<br />

Weiler bei Mariazell? Nääi einer Notiz des 1743 Verstorbepen<br />

^ing-.r Pfarrers Joh. Jak. Schmid hat anno 1452<br />

Pfaff Heinrich H?uck von Rottweil den Grafen Ludwig<br />

und Eberhard von Württemberg all sein Recht an der Vogtei<br />

unc' dem Gericht is Dorfes Weiler bei Marienzell,<br />

welches die Hälfte laselbst umfaßte, um 20 rh. Gulden<br />

verkaufl Schwerlich Weiler hinter Zollern, eher in der<br />

Rottweiler Gegend? (Württbg. Landesbibliothek cod. hist.<br />

fol. 757.) Krs.<br />

Von :r Firma ßaruch und Söhne in Hechingen erfolgte<br />

(1854) die Aufstellung der ersten Dampfmaschine in Hohenzollern.<br />

Auf unbekannten Reichenauer Besitz zu Bisingen ums J. 1200<br />

erstmals hingewiesen zu haben ist das Verdienst von Dr.<br />

Hans Jänichen in Reutlingen-Sondeifingen. Und zwar scheint<br />

es sich um die Aufzählung von einer Reihe Eigenleute mit<br />

bedeutenden Gütern zu handeln, die in dem „ V e r b r ü d erungsbuch"<br />

des Inselklosters eingeschoben ist. Dieser „Liber<br />

confraternitatis" ist in der Reihe der Monumenta Germaniae<br />

längst im Druck erschienen aber der Herausgeber<br />

Piper hat den Eintrag irrig auf Biesingen bei Donaueschingen<br />

bezogen, das doch in alter Zeit immer Boasinheim hieß, also<br />

gar nicht infrage kommen kann. Da überdies ein Mann von<br />

Steinhofen unter den Namen vorkommt, dürfte an der Zugehörigkeit<br />

zu unserem Bisingen bei Hechingen nicht zu zweifeln<br />

sein. Hoffentlich kann der Entdecker seinen Fund bald<br />

den <strong>Heimat</strong>freunden vorlegen und erläutern. Auf alle Fälle<br />

sei hier schon darauf hingewiesen, da der Bearbeiter des<br />

neuen Bisinger <strong>Heimat</strong>buchs die Sache noch nicht erwähnt. Kr.<br />

Klage der Gemeinde Beuren gegen den Pfarrer von Hechingen,<br />

beim Bischof. Durchlauchtigster Fürst, Gnädigster Fürst<br />

und Herr, Herr, daß bei Euer hochfürstlichen Durchlaucht<br />

wir untertänigst klagend einkommen, treibt uns die höchste<br />

Necessität (Notwendigkeit). Es hat Herr Pfarrer zu Hech'igen<br />

nit allein den Heu-, Blut- ind Kleinzehnten, so jährlich<br />

ein namhaftes ertraget, sondern auch andere pfärrüche<br />

Genüß von uns Untertanen zu Beuren einzunehmen und zu<br />

erheben. Dabei aber solle er verpflichtet sein, was seine<br />

Vorgänger fleißig beobachten, alle 14 Tage einen Kaplan zu<br />

uns herauf schicken, der den Gottesdienst uni die Kinder -<br />

lehr haltet und versieht. Da aber solches eine Zeit lang liederlich<br />

und bisweilen gar nicht beschehen, hingegen bei uns<br />

nunmehr der Kinder und Leut viel sind, die in den Glaubensartikeln<br />

schlecht unterlichtet und hierdurch des Gottesdienstes<br />

beraubt, zumal auch viele hl. Massen zurückbleiben.<br />

Also ist an Ew Hochfürstliche Durchlaucht unser untertänigste<br />

und fußfällig*: Bitte, diesorts gnädigst abzuhelfen<br />

und Verfügung zu tun, daß der alten Ordnung nach der<br />

Gottesdienst wieder zu des Allerhöchsten Ehr und des Menschen<br />

Jfferbaulichkeit be uns gehalten und vollbracht möcht<br />

wercien. Diese hohe fürstliche Gnad wird Gott der allmächtige<br />

erkennen, wir aber durch unser aligemeines Gebet untertäniges<br />

abverdienen. Ewer hochiürstlichen Durchlaucht<br />

unte-tänigst getreue und gehormsambste Untertanen, Vogt,<br />

Gericht und ganze Gemeind des Dorfes Beuren. Datum 29.<br />

August 1699. Kr.<br />

Weilerkapelle ob Schlatt wurde nicht, wie in Hohz. Heinai<br />

lfei S. 47 angegeben, im Jahre 1810, sondern schon im<br />

'September 1806 abgebrochen, worauf mich in frdl. Weise C.<br />

Bumiller-Jungingen aufmerksam macht. Er fand in Aufzeichnungen<br />

eines Urgroßvaters, des Lehrers Christian 3umiller,<br />

am 10. September 1806 den Eintrag, daß ihm an diesem<br />

Tag beim Abbruch des Weiler-Kirchels ein<br />

„Gsparren" am rechten Fuß das obere Schenkelbein abgeschlagen<br />

habe. Kr.<br />

An das<br />

Postamt


64 H O H E N Z O L L E HI S C H E H E I M A T Jahrgang 1954<br />

Sachregister des Jahrganges 1954<br />

Alemannen-unsere Vorfahren 5 Heesingen, Bürgergarde 23 Owingen-Fuchsfeiertag 13 u. 27<br />

Am; ilatt-Flurname-Rangendingen 15 Hechingen-Hl. Aurelius 32 Papi" -fabrik-K »ige \igen 8<br />

Annakapelle Jungnau 16 He .gk juzkirche 64 Po.'tkut^ .lienzcit i. Hohenzollern 53<br />

Aurelius-Fest in Zwiefalten 64 Heiligenzimmern-Tannbach 15 Rangendingen-Kaufvertrag 63<br />

Bader-Ann-Veringenstadt 52 Hermann der Lahme 33 Ringingen 1714 41<br />

Banwart Jakob, Musikus 47 Hermannsdorf c0 Ringinger Alemannenfriedhof 46<br />

Beuren-Pfarrdienste 63 Hohenjungingen 39 Hm • i - ;en-Anna v. Freiberg 14<br />

Beuren, Pfarr-Rechte u. -pflichten 16 Höhlen und Höhlenbildung der Alb 4 Rudolf von Sigmaringen 16<br />

Bisingen-Reichenauer Besitz 63 Hungersnot 1816/17 (Ebingen) 37 Schlatt-Pfarrliste 32<br />

Bisingen-Steinhofen-<strong>Heimat</strong>buch 32 Huntare 32 Schneeglöckchen 19<br />

Bodenloser See 1 Jungingens Fahne 48 Sebastianskapelle-Hettingen 47<br />

Burgenkunde 43 Jungingen-Feldkreuze-B ildstöcke 13 ! ¿maringen-Flurnanen 56<br />

urladingen-Grabfunde 43 Jung] gen-Gemeinderechnung 60 Sigmaringen-Lindenbaum 35<br />

Burladingen-Kinderbüechle 32 Jungingen-Sylvesterabend 6 Sommerwetter 1903 47<br />

Burg Stßuffenberg 57 Jungingen z. Zt. d. franz. Revolution 24 u. 40 St. Annakirche-Haigerloch 55<br />

Collegiatstift-Hechingen 44 Kai ;tseen-Karstbäche 1 u 17 St. Anna-Haigerloch. A. u. N. Testame.it 23<br />

Dekanats-Entstehung 16 Kettenacker-Frondienste 61 Steinfuhre Bernstein-Zwiefalten 31<br />

Ebingen-Chronik 1771 32 Killertal-Hausierhandel 32 Stetten b. Haigerloch-Brauchtum 21<br />

Ehr, latz-Erschatz 48 Killer-Pfarrerliste 63 Straliberg-Pfarrei 15<br />

Eineck-Ringelstein 16 Kleidung der Geistlichen 64 Stube-Wortdeutung 47<br />

Eremit-Taberwasen 64 Klosterchronik-Inzigkofen Bauernkrieg 5 Südwesten, der deutsche, v. Bader 16<br />

Falschmünzerei-Hechingen 9 Konversen-Kloster Wald 43<br />

Tailfingen-<strong>Heimat</strong>buch 48<br />

Fehla und Starzel-Wanderung 20 Ladenglocke-Frick ¿2 Teufel und Ziegenbock 54<br />

Frank Reinhold 36 Landesherrschaft d. Graf. v. Zollern (Heim) 48 Trochtelfingen Steuerverkauf 47<br />

Freiburger Diözesanarchiv 1953 62 Lehnswesen 23 Veringen-Petruskapelle 48<br />

Gammertingen-Gräberfunde 31 Lenau-Der Postillion 13 Volkstrachten 7<br />

Gebele von Waldstein 47 Lettenkohlenformation 34 Wappen-Stetten u. Holstein 48<br />

Geldsorten 1759 46 Märchen vom Fehlatal 3 Wässerwiesen auf der Alb 22<br />

Gipskeuperlandschaft 49 Medaillen (religiöse in Hohenzollern) 45 Weggenmann-Meinrad v. Au 15<br />

Glocke von Killer 54 Melchingen-Kirc± —lbau 10 Weiler bei Mariazell 63<br />

Grosselfingen-Rausegarten 19 Michaelskapelle-Zollerburg 64 Weilerkapelle-Schlatt 63<br />

Haigerloch-Niederburg 31 Missionshaus Haigerloch 38 Wurmlinrer Jahrtag 6i<br />

Hausen a. A. aeisbach-Flurnamen 11 U. 26 Oberämter Hohenzolierns 1Ö54 15 Zell-Orte 64<br />

Hausen a. d. Laudiert, kath. Pfarrer 31 Oefen in der Bauernstube 2 Zollerisches Geld 58<br />

Zum Entstehen der Zell-Orte bietet die Gemeinde Heiligenzell<br />

(A. Lahr in Baden) ein zwar spätes, aber doch bemerkenswertes<br />

Beispiel. Ein Berthold von Uttenheim, Keller<br />

des Kl. Schuttern, stiftete im Jahre 1313 unter dem Patronat<br />

des Klosters eine Pfründe und erbaute zugleich für sie zu<br />

Ehren des hl. Georg in den Freihof des Klosters zu Hückersweiler<br />

eine Kapelle, wo 1404 ein Kaplan angestellt war. Im<br />

Jahre 1367 taucht dann erstmals der Name Heiligenzell auf<br />

und 1492 heißt es: „der frie hoff genannt Heiligenzelle gelegen<br />

in dem dorfe Ruokerswiler". Letzterer Name wurde<br />

seit Anfang des 16. Jahrhunderts völlig von 1 Heiligenzell verdrängt,<br />

das 1942 Pfarrei wurde. Die Heilige Zelle ist das<br />

Kirchlein, nicht die Wohnung des Kaplans! Die Zell-Orte<br />

brauchen also keineswegs einsame Mönchszellen zu sein!<br />

Graf Liuthold von Achalm redet in einer Schenkungsurkunde<br />

an Zwiefalten von diesem als cella sanctae Mariae Zwifildae<br />

und meint zweifellos die Kirche. Dies war 1097. Das<br />

gleiche Bild ergibt sich aus den Notizen des Kl. St. Georgen:<br />

cella st, Georgii und Sankt Märgen als cella st. Mariae. Aus<br />

dem 9. Jahrhundert dagegen nennt Ahlhaus (Landdekanate<br />

des Bistums Konstanz S. 17) eine ganze Anzahl Zell-Orte, die<br />

zweifellos den Namen des Gründers als nähere Bestimmung<br />

tragen. K.<br />

BESTELL-SCHEIN<br />

zum Bezug der „<strong>Hohenzollerische</strong>n <strong>Heimat</strong>"<br />

Ich/wir bestelle(n) ab sofort zum laufenden Bezug durch<br />

die Post Stück „<strong>Hohenzollerische</strong> <strong>Heimat</strong>", Verlagspostamt<br />

Gammertingen, zum halbjährigen Bezugspreis<br />

von 60 Pfennig.<br />

Vor- und Zuname<br />

Genaue Anschrift<br />

Dieser Bestellschein ist bei Neubestellung bezw. Nachbestellungen<br />

der nächsten Poststelle aufzugeben. Um deutliche<br />

Schrift wird gebeten.<br />

Michaelskapelle Burg Hohenzollern. Beim Abbruch des Altars<br />

in der Michaelskapelle i. J. 1823 fand man folgende<br />

Weiheuirkunde: Im Jahre des Herrn 1461, am vorletzten T~ g<br />

des Monats September, also am Tage des hl. Erzengels<br />

Michael, ist dieser Altar geweiht worden vom hochw. Herrn<br />

Johannes Bischof von Crisopolis vom Orden des hl. Franziskus,<br />

und zwar zur Ehre der seligsten Jungfrau Maria,<br />

des hl. Michael, der hl. drei Könige und des Ritters Georg.<br />

Kr.<br />

Heiligkreuzkirchlein. Am 6. September 1655 hat Weihbischof<br />

Georg Sigismund von Konstanz das Kirchlein Heiligkreuz<br />

mit seinen 2 Altären neu geweiht, den einen zum hl.<br />

Kreuz und Petrus und Paulus, den andern zur Ehre des Abtes<br />

Bernhard, Papst Marzellus, Bischof Erhard und 1er<br />

Märtyrer Procus und Fortunatus. Auch 2 Glocken wurden<br />

geweiht, die eine zu Johannes und Paulus, die andere zu<br />

Petrus und Paulus.<br />

Fürst Josef Friedrich von Hohenzollern-Sigmaringen hat<br />

am 22. Oktober 1752, dem Fest des Hl. Aurelius im Zwiefalter<br />

Münster in eigener Person ministriert, und als man<br />

ihm 2 Polster ninlegte, damit er an den Altarstufen weicher<br />

knie, hat „seine Durchlaucht solche selbsten zur Seite getan<br />

und ist wie ein gewöhnlicher Ministrant auf den Boden<br />

hingekniet" B. Schurr, Das alte und neue Münster Zwiefalten<br />

S. 218.).<br />

Von der Kleidung der Geistlichen im Dekanat Haigerloch<br />

heißt es 1709: Das Kleid der Geistlichen ist mannigfaltig<br />

(varius) oder merkwürdig. Sie tragen viel zu kurze Röcke<br />

(wohl Soutanellen). Viele haben auch nach Art der Bischöfe<br />

Kreuze und ähnliche Zeichen an Ketten um aen Hals hängen.<br />

Allgemein sind Fußschnallen (Schuhschn- ^n, wohl<br />

aus Silber) und Knieband beim Klerus. Der Vikar von<br />

Mühringen will einige eigene Predigten über die hl. K u! -<br />

m e r a n a im Druck erscheinen lassen, wie er auch schon<br />

einige Litaneien in Augsburg drucken ließ. (Visit. Dek. Haigerloch,<br />

Erzb. Arch. Ha. 67).<br />

Als Eremit aus Trochtelfingen wohnte im Jahre IVOS der<br />

Frater Michael A1 b e r auf dem Taberwasen bei De*tensee.<br />

Er zählte damals 39 Jahre und war seit 13 Jahren<br />

Eremit. Eingekleidet hatte man ihn einst in Türren (Düren?)<br />

bei Köln, wo er die drei Gelübde ablegte. Von Bor E zwar<br />

Gärtner, konnte er „mit Wachs bossieren und mit Krippeliwahr<br />

umbgehen". Vom Bischof hatte er keine Erlaubnis,<br />

seine Klause zu bewohnen, sagte aber, sie liege beim Dek n<br />

selig in Binsdorf, wo man sie verlegt habe. Ueber seine<br />

Sakristei bei der Kapelle hinaus ist er voll beschaffet. Zr<br />

beichtete laut einiger Zeugnisse alle 14 Tage. Zum Eremitorium<br />

oder zur Zelle kämen viele Männer und Frauen, die<br />

der Dekan nicht oft genug visitiere. Alber konnte weder<br />

lesen noch schreiben. Er war auch sein eigener Koch und<br />

daher viel behindert (Visitationsakten im Erzb. Archiv Ha<br />

67, Dek. Haigerloch).

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