Ausgabe16 - Römisch-katholische Kirche im Kanton Bern
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Der Einfluss der Götter<br />
Der Konflikt in der Elfenbeinküste ist auch<br />
ein Religionskonflikt. Die Lage ist allerdings<br />
kompliziert. Nun sag, wie hast du’s mit der<br />
Religion, Afrika?<br />
War es nicht doch göttliche Macht, die Omar<br />
Bongo 42 Jahre an der Macht hielt? Immerhin<br />
hatte der 2009 verstorbene Präsident Gabuns<br />
eine Menge Beistand: Er wurde als Kind von<br />
einem <strong>katholische</strong>n Priester getauft und konvertierte<br />
später zum Islam – was ihn aber nicht<br />
davon abhielt, mehreren traditionellen Kulten<br />
anzuhängen. Regierungstipps holte er sich<br />
auch bei einem Voodoo-Meister. Man mochte<br />
über seinen pragmatischen Umgang mit dem<br />
Glauben lächeln, seine geschickt eingefädelten<br />
Seilschaften und engen Beziehungen zu<br />
Frankreich anführen – in den Augen vieler<br />
Anhänger war Bongos Macht auf überirdische<br />
Mächte gegründet.<br />
Staatsmänner, die als Heiler auftreten, christliche<br />
Prediger, die Tausende in Ekstase versetzen,<br />
Hexer, die Albinos töten, um Ingredenzien<br />
für ihre Zaubertränke zu gewinnen: Fortwährend<br />
sorgt Afrika für Berichte über spirituelle<br />
Praktiken. Und es ist eine Welt voller religiöser<br />
Gewalt, in der ägyptische Musl<strong>im</strong>e Kopten<br />
attackieren, junge christliche Nigerianer musl<strong>im</strong>ische<br />
Landsleute ermorden. Es gibt kaum<br />
einen Konflikt um Macht oder Ressourcen, der<br />
ohne Verweis auf die Religion stattfindet.<br />
Islam und Christentum<br />
Es drängt sich geradezu auf, den afrikanischen<br />
Kontinent als einen Schauplatz zu deuten, auf<br />
dem die beiden grössten Weltreligionen um<br />
die Vorherrschaft kämpfen. Musl<strong>im</strong>e und<br />
Christen halten sich zahlenmässig in etwa die<br />
Waage. Nur noch eine Minderheit der Menschen<br />
bekennt sich ganz zu einer der traditionellen<br />
Religionen. Die geografische Verteilung<br />
stärkt den Eindruck der Konfrontation: Es gibt<br />
die deutliche Aufteilung in einen musl<strong>im</strong>ischen<br />
Norden und einen christlich dominierten<br />
Süden. Die Geschichte der beiden monotheistischen<br />
Religionen in Afrika ist, abgesehen von<br />
der frühen Verbreitung des Islams in Ägypten<br />
und den Maghrebstaaten sowie den Überbleibseln<br />
christlicher Reiche <strong>im</strong> Sudan und<br />
Äthiopien, recht frisch. In Zentral- und Südafrika<br />
hielten sich zunächst die alten Kulte. Erst<br />
<strong>im</strong> 20. Jahrhundert, <strong>im</strong> Gefolge verstärkter<br />
kolonialer Durchdringung und der Befreiungs-<br />
bewegungen, veränderte sich die religiöse<br />
Landkarte grundlegend.<br />
Die beiden Weltreligionen treffen in einem<br />
breiten Streifen zwischen Senegal und dem<br />
Horn von Afrika aufeinander. Ein Konfliktgürtel?<br />
Wenn sich der Sudan teilt, oder sich der<br />
Christ Laurent Gbagbo weigert, die Macht in<br />
der Elfenbeinküste an den Musl<strong>im</strong> aus dem<br />
Norden, Alassane Ouattara, abzugeben, ist<br />
<strong>im</strong>mer auch der Glaube <strong>im</strong> Spiel. Nicht wenige<br />
Länder der Übergangszone sind in sich in einen<br />
musl<strong>im</strong>ischen Norden und einen christlichen<br />
Süden geteilt – so Ghana, Togo, Benin und<br />
Nigeria. Allerdings ist auffällig, dass es in Auseinandersetzungen<br />
kaum um Glaubens- oder<br />
Wertevorstellungen geht, sondern um Gruppeninteressen.<br />
«Wenn die interreligiöse Lage<br />
prekär ist», stellt der Religionsforscher Klaus<br />
Hock <strong>im</strong> Religionsmonitor 2008 fest, «kann<br />
dies in der Regel nicht auf die Intensität der<br />
jeweiligen Religiosität zurückgeführt werden.»<br />
Das Label des Religionskonfliktes ist schwer<br />
abzustreifen, denn wenn es um Clans, Ethnien<br />
und Machtinteressen ihrer Führer geht, hängen<br />
Gruppen- und Religionszugehörigkeit eng<br />
zusammen. Überhaupt ist der Glaube südlich<br />
der Sahara untrennbar mit allen Sphären des<br />
Lebens verbunden. Dieser Teil Afrikas ist eine<br />
der gläubigsten Regionen der Welt. Neun von<br />
zehn Menschen finden, dass Religion sehr<br />
wichtig in ihrem Leben ist, hat das «Pew Forum<br />
on Religion and Public Life», ein Projekt der<br />
Washingtoner Meinungsforschungsinstituts<br />
Pew Foundation, herausgefunden. Und das ist<br />
nur der Mittelwert – <strong>im</strong> Senegal bezeichnen<br />
sich 98 Prozent als gläubig; Botswana weist mit<br />
69 Prozent den schlechtesten Wert der Umfrage<br />
auf. In Deutschland räumt nur jeder Vierte<br />
der Religion in seinem Leben einen so hohen<br />
Stellenwert ein.<br />
Gesellschaft und Kult<br />
Es gehört wohl zum Erbe der traditionellen<br />
afrikanischen Religionen, dass die Zugehörigkeit<br />
zu einem Kult und zu einer Gesellschaft<br />
nicht voneinander trennbar sind. Beides ist in<br />
den meisten Fällen auch nicht persönlich wählbar.<br />
Der Glaube an sich ist dabei wichtig, nicht<br />
das, woran man glaubt. So stehen sich Christen<br />
und Musl<strong>im</strong>e oft recht tolerant gegenüber.<br />
Dort, wo religiöse Konflikte als drängend eingestuft<br />
werden, wie in Nigeria und in Ruanda,<br />
korrelieren die Einschätzungen erkennbar mit<br />
pfarrblatt 16|2011|16.april 3<br />
der verstärkten Wahrnehmung ethnischer Probleme.<br />
Es sind eigenwillige Gläubige, die den<br />
Dogmatikern von Rom bis Mekka den Schlaf<br />
rauben. Amulette, Beschwörungen gegen den<br />
bösen Blick, Zaubertränke und Ahnenbeschwörung<br />
– ein Viertel der Christen und fast<br />
ein Drittel der Musl<strong>im</strong>e finden diese Hilfsmittel<br />
und Praktiken hilfreich. Wunderheilungen oder<br />
Teufelsaustreibungen haben schon ein Drittel<br />
der Befragten erlebt, erfuhren die Pew-Befrager.<br />
Ziemlich weit ist bei Christen die Überzeugung<br />
verbreitet, dass das Reich Gottes kurz<br />
bevorsteht; viele der Musl<strong>im</strong>e rechnen noch<br />
mit dem Wiedererstehen des Kalifats zu ihren<br />
Lebzeiten. Wunderpredigern und Spiritualisten<br />
verschafft dieser Glaube regen Zulauf und<br />
macht Religion zu einem Millionengeschäft.<br />
Selbst die Waschmittelwerbung setzt auf den<br />
Glauben: «Denn Schmutz wird keine Macht<br />
über euch haben!»<br />
Gefährliche Tendenzen<br />
Es ist unausweichlich, dass die Politik in dieser<br />
Atmosphäre glaubensdurchtränkt ist. Die Forderung,<br />
Religion aus dem öffentlichen Leben<br />
zu verbannen, ist wenig aussichtsreich. Eine<br />
paradoxe Situation: Der Glaube löst keine Probleme,<br />
doch sein Einfluss wächst mit ihnen. «Es<br />
gibt eine gefährliche Tendenz», beobachtet<br />
der nigerianische Religionssoziologe Ukah<br />
Asonzeh, «dass die Mächtigen ihren Führungsanspruch<br />
mit einem göttlichen Willen begründen.»<br />
Das aber unterminiert laut Asonzeh die<br />
demokratische Legit<strong>im</strong>ation von Herrschaft.<br />
«Wenn Gott den Präsidenten best<strong>im</strong>mt, wozu<br />
brauchen wir dann noch Wahlen?» Natürlich<br />
müssen Politiker religiös sein und sie sind es<br />
nicht nur oberflächlich: «Die Religion ist für sie<br />
eine ein Quelle der Macht und der Kraft»,<br />
beobachtete Asonzeh quer durch den Kontinent.<br />
«Alles ist willkommen, was die Macht<br />
stärkt, diese Politiker gehen am Freitag in die<br />
Moschee, am Sonntag in die <strong>Kirche</strong> und schieben<br />
Besuche be<strong>im</strong> Geistheiler dazwischen.<br />
Bestes Beispiel dafür ist der erwähnte Omar<br />
Bongo. Sollen Staatsmänner nicht Probleme<br />
lösen? Gambias Staatschef Yahya Jammeh verspricht<br />
Aidskranke «innerhalb weniger Tage»<br />
zu kurieren – mit Kräutern und Koransuren.<br />
Thabo Mbeki propagierte als Südafrikas Präsident<br />
nur Olivenöl, Knoblauch und Rote Bete<br />
gegen Aids. Dafür stellte er Geistheiler per<br />
Gesetz examinierten Ärzten gleich.<br />
Heiner Kiesel<br />
Der Autor ist freier Jorunalist,<br />
u.a. für die Deutsche Welle.<br />
Quelle: «Das Parlament» 10-11/2011