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Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel

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Paul Ziche<br />

Schmid selbst bleibt nicht bei einer programmatischen Übertragung stehen,<br />

son<strong>der</strong>n bemüht sich darum, eine spezielle Erfahrungswissenschaft von <strong>der</strong><br />

menschlichen Seele, eine empirische Psychologie, auf <strong>der</strong> Grundlage einer<br />

sehr detaillierten Methodenreflexion zu entwickeln, die den Menschen im<br />

Rahmen einer „menschlichen Wissenschaft“ zum Thema hat.<br />

Aus <strong>der</strong> Sicht eines Autors wie Fichte ist eine solche Wissenschaftsauffassung<br />

und zugleich eine solche Thematisierung des Menschen grundsätzlich<br />

problematisch. 11 Es ist jedoch keineswegs unmittelbar selbstverständlich,<br />

daß eine solche Betrachtungsweise eine grundsätzliche Fehldeutung Kants<br />

darstellt. Schmids Verbindung einer Kant-Deutung, die Kants For<strong>der</strong>ung nach<br />

Erfahrungsorientierung betont, mit einer einzelwissenschaftlichen Psychologie<br />

bietet in nuce eine Zusammenfassung <strong>der</strong> sich zwischen Apriorismus und<br />

Erfahrungsbezug bewegenden Kant-Rezeption innerhalb <strong>der</strong> deutschen akademischen<br />

Landschaft. Kant selbst stellt am Ende seines Wirkens den Zusammenhang<br />

zwischen einer Reflexion über das Verhältnis unterschiedlicher<br />

Wissenschaftsformen einerseits, <strong>der</strong> Thematisierung des Menschen an<strong>der</strong>erseits<br />

her. Im Anhang zum Streit <strong>der</strong> Facultäten bezieht er sein Unternehmen<br />

ausdrücklich auf die Begründung einer Wissenschaft vom Menschen: „Ich<br />

habe aus <strong>der</strong> Kritik <strong>der</strong> reinen Vernunft gelernt, daß Philosophie nicht etwa<br />

eine Wissenschaft <strong>der</strong> Vorstellungen, Begriffe und Ideen, o<strong>der</strong> eine Wissenschaft<br />

aller Wissenschaften, o<strong>der</strong> sonst etwas Ähnliches sei; son<strong>der</strong>n eine<br />

Wissenschaft des Menschen, seines Vorstellens, <strong>Denken</strong>s und Handelns; – sie<br />

soll den Menschen nach allen seinen Bestandtheilen darstellen, wie er ist und<br />

sein soll, d.h. sowohl nach seinen Naturbestimmungen, als auch nach seinem<br />

Moralitäts- und <strong>Freiheit</strong>sverhältniß.“ (AA VII,69)<br />

Das Spezifikum <strong>der</strong> Kritik <strong>der</strong> reinen Vernunft gegenüber früheren Versionen<br />

einer Wissenschaft vom Menschen besteht für Kant somit darin, daß<br />

<strong>der</strong> Mensch in <strong>der</strong> Kritik <strong>der</strong> reinen Vernunft nicht nach mechanistischem<br />

Vorbild als Maschine, son<strong>der</strong>n als aktiv handelndes Subjekt konzipiert werde,<br />

für das <strong>Freiheit</strong> konstitutiv ist. Die Schwierigkeit liegt im Gedankenstrich des<br />

Zitats konzentriert; daß die Philosophie eine Wissenschaft „des“ Menschen,<br />

„seines Vorstellens, <strong>Denken</strong>s und Handelns“ sein solle, ist noch mit einer<br />

strengen transzendentalphilosophischen Auslegung von Kants Philosophie<br />

vereinbar. Daß sie zugleich aber den Menschen in allen seinen Bestandteilen<br />

„darstellen“ solle, und zwar ausdrücklich auch so, wie er empirisch-real ist,<br />

ist sehr viel schwerer mit einer trans-empirischen Wissenschaftsbegründung<br />

zu verbinden. Kants Gedankenstrich, <strong>der</strong> im angeführten Zitat die Allseitig-<br />

11 Hierzu Zantwijk/Ziche, „Fundamentalwissenschaft o<strong>der</strong> empirische Psychologie?“

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