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Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel

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„Menschliche Wissenschaft“ 95<br />

Die Stoßrichtung dieser Definition ist klar: Sie schließt an Kants Bestimmungen<br />

des Menschen als eines endlichen Vernunftwesens an, dem nur<br />

bestimmte Formen von Erkenntnis (eine „sinnliche Intelligenz“ in Schmids<br />

Terminologie) zur Verfügung stehen, aufgrund <strong>der</strong>er auch nur bestimmte<br />

Objekte von Erkenntnis und bestimmte epistemische Qualitäten erreichbar<br />

sind. Es ist aber nicht so, daß Schmid nur einfach Kants Bestimmung vom<br />

Menschen als endlichem Vernunftwesen aufgreift. Er übersetzt diese Bestimmung<br />

in Aussagen über Wissenschaftsformen. „Menschliche Wissenschaft“<br />

ist bei Schmid einer „absoluten Wissenschaft“ gegenübergestellt, <strong>der</strong> hierdurch<br />

genau das zugeeignet wird, was <strong>der</strong> menschlichen versagt ist, nämlich<br />

„absolut vollkommenste Erkenntniß, das ist, die absolut vollkommenste Erkenntnißart<br />

des absolut vollkommenen Objekts, o<strong>der</strong> die absolute Einheit<br />

aller Erkenntniß.“ 8 Beide Wissenschaftsformen stehen bei Schmid ohne Vermittlung<br />

nebeneinan<strong>der</strong>; es gibt keinen Übergang. Sie unterscheiden sich<br />

„nicht nur graduell, son<strong>der</strong>n wesentlich und specifisch, (wie Gott und Mensch,<br />

Unendliches und Endliches) [...]: so findet keine Annäherung <strong>der</strong> einen zur<br />

an<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Qualität, son<strong>der</strong>n nur <strong>der</strong> Analogie nach statt.“ 9 Wie<strong>der</strong> fällt auf,<br />

daß Aussagen über Relationen zwischen unterschiedlichen Wissenschaftsformen<br />

engstens mit Aussagen über das Verhältnis bestimmter, beson<strong>der</strong>s<br />

ausgezeichneter Gegenstände verbunden sind.<br />

Schmid kann sich mit seinen Überlegungen als Kant-Interpret begreifen.<br />

Er bezieht seine Konzeption menschlicher Wissenschaft direkt auf Kant, und<br />

zwar auf die Schlüsselpassagen von <strong>der</strong> Rolle <strong>der</strong> Erfahrung für die Erkenntnis<br />

aus <strong>der</strong> Einleitung zur B-Auflage <strong>der</strong> Kritik <strong>der</strong> reinen Vernunft. 10<br />

Interessanterweise spielen die Überlegungen Kants zur Einschränkung des<br />

menschlichen Erkenntnisvermögens demgegenüber bei Schmid eine deutlich<br />

kleinere Rolle. Eine echte Interpretation Kants liegt hier deshalb vor, weil<br />

die Übertragung von Kants allgemeinen Überlegungen zur Struktur von Erfahrung<br />

auf Typen von Wissenschaften über Kant hinausgeht, bei dem die genaue<br />

Bestimmung des Konzepts <strong>der</strong> Wissenschaft stets uneindeutig blieb.<br />

senschaft“ in <strong>der</strong> Kritik <strong>der</strong> reinen Vernunft, B 491/A 463, im Kontext einer Gegenüberstellung<br />

einer die Erfahrung überfliegenden Vernunft gegen die transzendentalphilosophisch<br />

ansetzende, vom Erfahrungsbezug bis zu den Ideen aufsteigende Form <strong>der</strong><br />

Vernunftanalyse. Antike und mittelalterliche Wurzeln, insbeson<strong>der</strong>e die theologisch gefaßte<br />

Gegenüberstellung einer „göttlichen“ und einer menschlichen Wissenschaft, werden<br />

i. f. nicht betrachtet.<br />

8 Schmid, Encyklopädie, S. 18.<br />

9 Schmid, Encyklopädie, S. 23f.<br />

10 Zitiert bei Schmid, Encyklopädie, S. 26; ein weiterer Kronzeuge ist Jakob Friedrich<br />

Fries mit seiner neuen, anthropologisch ausgerichteten Vernunftkritik.

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