Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel
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Abgründige <strong>Freiheit</strong> und die Notwendigkeit des Bösen 87<br />
auf ein Leben vor diesem Leben hin, nur daß es nicht eben <strong>der</strong> Zeit nach<br />
vorangehend gedacht werde, indem das Intelligible überhaupt außer <strong>der</strong> Zeit<br />
ist.“ (VII, 386 f.) Ganz im Unterschied zu Kant also, demzufolge das intelligible<br />
Wesen das Vermögen des Menschen anzeigt, aus reiner Vernunft zu<br />
urteilen und mithin die Maximen einer Handlung aus praktischen Vernunftgründen<br />
auf ihre allgemeine Gesetzestauglichkeit hin zu prüfen, worin dann<br />
seine <strong>Freiheit</strong> besteht, ist <strong>Schellings</strong> intelligibles Wesen eine Form <strong>der</strong> „Prädestination“<br />
(VII, 387), die bereits Kin<strong>der</strong> in ihrem wesenhaften Hang zum<br />
Bösen festsetzen kann. Wie auch immer dieser ursprünglich freie Akt <strong>der</strong><br />
Selbstsetzung in diesem <strong>Schellings</strong>chen Sinne zu denken sei – ein zentrales<br />
und folgerichtiges Merkmal dieses Aktes ist ebenfalls, dass mit ihm auch<br />
diejenige Offenheit gesetzt o<strong>der</strong> verhin<strong>der</strong>t wird, die man benötigt, um göttliche<br />
o<strong>der</strong> menschliche Hilfe anzunehmen, die einen zu einer Umwendung<br />
zum Guten führen könnte. (Vgl. VII, 389)<br />
So zeigt sich das Ergebnis des <strong>Schellings</strong>chen Ansatzes doch ein wenig<br />
ambivalent: zwar verhungern in ihm keine Esel, jedoch sind die Distelkin<strong>der</strong><br />
auf ewig verloren und nichts kann sie zu einer Hinwendung zum Pfad des<br />
Guten bewegen.<br />
IV. Abgründige <strong>Freiheit</strong> und die Notwendigkeit des Bösen<br />
Es mag dahingestellt sein, ob man den besagten intelligiblen Akt <strong>der</strong> Selbstsetzung<br />
im <strong>Schellings</strong>chen Sinne noch guten Gewissens als „frei“ bezeichnen<br />
kann, viel entscheiden<strong>der</strong> ist die genannte Folge desselben, dass die Distelkin<strong>der</strong><br />
auf ewig für das Gute verloren gelten müssen. Allein um <strong>der</strong>entwillen<br />
lohnt es sich, das philosophische Okular noch ein wenig schärfer zu stellen,<br />
denn es ist nichts weniger als fatal, eine Gruppe von Menschen (wie viele es<br />
auch seien) vorschnell aufs moralische Abstellgleis des Absoluten zu stellen.<br />
Fangen wir mit dem intelligiblen Wesen an. Es wurde bereits oben auf den<br />
Kontrast zwischen <strong>Schellings</strong> Fassung dieses Wesens und dem Kantschen<br />
Ansatz (wenn man von dessen späten religionsphilosophischen Ausflügen<br />
einmal absieht) hingewiesen. Für Kant hat <strong>der</strong> Mensch als Vernunftwesen<br />
grundsätzlich die Möglichkeit, die Maximen seiner Handlungen vernünftig<br />
zu bestimmen und ist genau dann, wenn er es ohne empirisches Kalkül tut<br />
(also aus reiner Pflicht vor dem moralischen Gesetz), frei. Eine Abkehr vom<br />
Guten und mithin von <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> begründet sich deshalb immer durch ein<br />
Einmischen von empirischen Bestimmungsgründen in <strong>der</strong> Form hypothetischen<br />
Urteilens. Das kategorische, freie Urteilen hingegen ist dezidiert keine