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Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel

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84<br />

III. Von Eseln und Distelkin<strong>der</strong>n<br />

Dirk Ste<strong>der</strong>oth<br />

Der aufmerksame Leser wird sich am Ende <strong>der</strong> systematischen Erörterung<br />

gefragt haben, aus welchen Gründen plötzlich das Böse ins Spiel gekommen<br />

ist und warum das dunkle Prinzip sogleich mit dem Bösen in Verbindung<br />

gebracht wurde. Der missing link für dieses Problem ist ein Passus <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>sschrift,<br />

in dem Schelling die beiden Prinzipien mit dem Willen in Verbindung<br />

bringt. Er lautet: „Das Princip, sofern es aus dem Grunde stammt<br />

und dunkel ist, ist <strong>der</strong> Eigenwille <strong>der</strong> Creatur, <strong>der</strong> aber, sofern er noch nicht<br />

zur vollkommenen Einheit mit dem Licht (als Princip des Verstandes) erhoben<br />

ist (es nicht faßt), bloße Sucht o<strong>der</strong> Begierde, d. h. blin<strong>der</strong> Wille ist.<br />

Diesem Eigenwillen <strong>der</strong> Creatur steht <strong>der</strong> Verstand als Universalwille entgegen,<br />

<strong>der</strong> jenen gebraucht und als bloßes Werkzeug sich unterordnet.“<br />

(VII, 363) Gerade aus dem letzten Halbsatz wird deutlich, dass Schelling das<br />

Verhältnis von Universalwillen und Eigenwillen zunächst dem göttlichen<br />

Prinzip ganz analog fasst bzw. dieses Verhältnis aus dem prinzipialen Grundverhältnis<br />

ableitet. Der göttliche Universalwille bedarf gleichsam des Eigenwillens<br />

<strong>der</strong> Kreatur, um wirklich werden zu können und dieser Eigenwille<br />

kann, wenn er sich vollständig dem Universalwillen unterordnet, reibungslos<br />

mit diesem zusammen bestehen. Dieser mit dem Universalwillen identifizierte<br />

Eigenwille ist dann auch das, was man den „guten Willen“ nennt.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> realen Scheidung <strong>der</strong> Kräfte in <strong>der</strong> Natur und beim Menschen,<br />

wie sie oben angeführt wurde, entsteht jedoch noch eine an<strong>der</strong>e Möglichkeit<br />

<strong>der</strong> Bestimmung des Verhältnisses von Universal- und Eigenwillen,<br />

die in Gott selbst nicht denkbar ist. In Gott selbst wäre in Übertragung lediglich<br />

die vollständige Unterordnung des Eigenwillens unter den Universalwillen<br />

möglich, beim Menschen hingegen, <strong>der</strong> eine existierende kreatürliche<br />

A<strong>der</strong> in sich hat, kann <strong>der</strong> Eigenwille sich selbst zum Prinzip <strong>der</strong><br />

Unterordnung machen, sich im reinen Selbstbezug verabsolutieren und sich<br />

gegen den Universalwillen stemmen. Dies wäre dann <strong>der</strong> „böse Wille“, weshalb<br />

<strong>der</strong> Mensch im Unterschied zu Gott in <strong>der</strong> Entscheidung steht, seinen<br />

Willen dem Universalwillen o<strong>der</strong> dem Eigenwillen unterzuordnen und genau<br />

hierin besteht seine <strong>Freiheit</strong>.<br />

Aber das wirkliche Problem <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> ist damit immer noch unberührt:<br />

Wie und in welcher Weise kann <strong>der</strong> Mensch sich entscheiden und vor allem<br />

auf welcher Grundlage fällt er seine Entscheidung? Schelling hat sich dieser<br />

Frage recht ausführlich angenommen und gerade in diesen Passagen finden<br />

sich einige Argumente aus unserer gegenwärtigen Debatte wie<strong>der</strong>. Ausgangspunkt<br />

von <strong>Schellings</strong> Argumentation, die er zunächst negativ führt, bildet <strong>der</strong><br />

berühmte Esel Buridans, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Mitte zwischen zwei gleich weit ent-

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