Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel
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Martin Blumentritt<br />
sich <strong>der</strong> Zumutung <strong>der</strong> Liebe Gottes zu entziehen. Gott ist hier Wille <strong>der</strong><br />
Liebe, dieser muß aber den „Willen des Grundes“ auch gelten lassen, soll <strong>der</strong><br />
Mensch würdiger Partner sein. Beide Willen sind einig dadurch, daß sie geschieden<br />
sind und für sich wirken. Der Analogie <strong>der</strong> Krankheit gesellt Schelling<br />
noch die <strong>der</strong> Liebe hinzu, um das gute vom bösen Selbstverhältnis<br />
abzugrenzen. Wenn Eigenwille und Universalwille dasselbe wollen, so steht<br />
das in Analogie zum Liebesverhältnis: Selbstliebe und Selbstlosigkeit müssen<br />
harmonisch geeint sein, so daß Liebe zum Partikularen und universelle<br />
Tendenz nicht auseinan<strong>der</strong>driften.<br />
„Die Angst des Lebens selbst treibt den Menschen aus dem Centrum, in<br />
das er erschaffen worden; denn dieses als das lauterste Wesen alles Willens<br />
ist für jeden beson<strong>der</strong>n Willen verzehrendes Feuer; um in ihm leben<br />
zu können, muß <strong>der</strong> Mensch aller Eigenheit absterben, weßhalb es ein<br />
fast nothwendiger Versuch ist, aus diesem in die Peripherie herauszutreten,<br />
um da eine Ruhe seiner Selbstheit zu suchen. Daher die allgemeine<br />
Nothwendigkeit <strong>der</strong> Sünde und des Todes, als des wirklichen Absterbens<br />
<strong>der</strong> Eigenheit, durch welches aller menschlicher Wille als ein<br />
Feuer hindurchgehen muß, um geläutert zu werden. Dieser allgemeinen<br />
Nothwendigkeit ohnerachtet bleibt das Böse immer die eigne Wahl des<br />
Menschen; das Böse, als solches, kann <strong>der</strong> Grund nicht machen, und jede<br />
Creatur fällt durch ihre eigne Schuld.“ 22<br />
Dies leitet über zur Wirklichwerdung des Bösen und Guten im einzelnen<br />
Menschen, nachdem die Umstände <strong>der</strong> Entscheidung des Menschen o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Fähigkeit <strong>der</strong> Selbstbestimmung geklärt sind. Die völlig Ausschaltung des<br />
Bösen hätte den Preis des „beständigen Verzehrtwerdens“ <strong>der</strong> positiven Basis<br />
seiner Wirklichwerdung, so daß es durch das Sterben von aller Wirklichkeit<br />
getrennt und zur Unwirklichkeit verurteilt wird, während das Prinzip <strong>der</strong><br />
Selbstheit im Menschen in <strong>der</strong> Liebe Gottes zur bloßen Latenz überwunden<br />
wird.<br />
„Das Ende <strong>der</strong> Offenbarung ist die Ausstoßung des Bösen vom Guten,<br />
die Erklärung desselben als gänzlicher Irrealität. Dagegen wird das aus<br />
dem Grunde erhobene Gute zur ewigen Einheit mit dem ursprünglichen<br />
Guten verbunden; die aus <strong>der</strong> Finsterniß ans Licht Gebornen schließen<br />
sich dem idealen Princip als Glie<strong>der</strong> seines Leibes an, in welchem jenes<br />
22 Schelling, I.7.381f.