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Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel

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Warum ist das Vollkommene nicht gleich von Anfang? 73<br />

Schelling begreift das Böse als Form <strong>der</strong> Positivität im Sinne einer Disharmonie<br />

und falschen Einheit. Die Erklärung des Bösen als Privation sei<br />

durch einen falschen Begriff des Positiven bedingt, <strong>der</strong> „unlebendig“ sei. Der<br />

positiven initiativen Einheit von lebendigen Kräften ist nicht nur eine Schwächung<br />

o<strong>der</strong> ein Fehlen als Negation <strong>der</strong> Einheit entgegengesetzt, son<strong>der</strong>n die<br />

positive Bildung ist eine falsche Einheit <strong>der</strong> Kräfte: Disharmonie, Krankheit,<br />

Entzündung. Das musikalische Bild, daß ein Ton keine Disharmonie ausmachen<br />

kann, son<strong>der</strong>n nur in einer Einheit mit einem an<strong>der</strong>en Ton, zeigt<br />

wie<strong>der</strong>um an, daß das Böse eine <strong>der</strong>artige Einheit von Differentem ist.<br />

So weit ist die Möglichkeit des Bösen als unharmonische Einheit von<br />

allgemeinen und partikularen Willen dargelegt, nur ist das noch nicht alles,<br />

da ja die universelle Wirksamkeit des Bösen das eigentliche Problem ist:<br />

„Aber die Möglichkeit schließt noch nicht die Wirklichkeit ein, und diese<br />

eigentlich ist <strong>der</strong> größte Gegenstand <strong>der</strong> Frage. Und zwar ist zu erklären<br />

nicht etwa, wie das Böse nur im einzelnen Menschen wirklich werde, son<strong>der</strong>n<br />

seine universelle Wirksamkeit (...) Wenn Gott als Geist die unzertrennliche<br />

Einheit bei<strong>der</strong> Principien ist, und dieselbe Einheit nur im Geist<br />

des Menschen wirklich ist, so würde, wenn sie in diesem ebenso unauflöslich<br />

wäre als in Gott, <strong>der</strong> Mensch von Gott gar nicht unterschieden<br />

seyn; er ginge in Gott auf, und es wäre keine Offenbarung und Beweglichkeit<br />

<strong>der</strong> Liebe. Denn jedes Wesen kann nur in seinem Gegentheil<br />

offenbar werden, Liebe nur in Haß, Einheit in Streit.“ 21<br />

Die Frage nach <strong>der</strong> Wirklichkeit des Bösen ist die danach, aufgrund welcher<br />

Gegebenheiten o<strong>der</strong> Umstände <strong>der</strong> Mensch sich tatsächlich zum Bösen entschieden<br />

hat. Dies ist nicht aus <strong>der</strong> bloßen Entscheidungsfähigkeit zu erklären,<br />

da eine solche Entscheidung aus <strong>der</strong> Indifferenz erfolgen müßte und<br />

wi<strong>der</strong>sinnig wäre. Es kann nur um ein komplexes Ineinan<strong>der</strong>greifen <strong>der</strong> menschlichen<br />

Existenzsituation als endlichem Geist und den notwendigen Bedingungen<br />

<strong>der</strong> Offenbarung <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> sich handeln. Es muß also etwas geben,<br />

was die Menschen zum Bösen geneigt macht, ohne daß ihre <strong>Freiheit</strong>, für das<br />

Gute sich zu entscheiden, dabei suspendiert würde, ein „allgemeiner Grund<br />

<strong>der</strong> Sollizitation zum Bösen“.<br />

Diese Sollizitation zum Bösen ergibt sich aus <strong>der</strong> Wechselwirkung zwischen<br />

<strong>der</strong> Zumutung, das Gute im Sinne des Universalwillens zu tun und <strong>der</strong><br />

aus dem Grund herrührenden Tendenz, sich auf sich zu konzentrieren und<br />

21 Schelling, I.7.373.

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