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Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel

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Warum ist das Vollkommene nicht gleich von Anfang? 71<br />

„Daß aber eben jene Erhebung des Eigenwillens das Böse ist, erhellt aus<br />

Folgendem. Der Wille, <strong>der</strong> aus seiner Uebernatürlichkeit heraustritt, um<br />

sich als allgemeinen Willen zugleich particular und creatürlich zu machen,<br />

strebt das Verhältniß <strong>der</strong> Principien umzukehren, den Grund über<br />

die Ursache zu erheben, den Geist, den er nur für das Centrum erhalten,<br />

außer demselben und gegen die Creatur zu gebrauchen, woraus Zerrüttung<br />

in ihm selbst und außer ihm erfolgt. Der Wille des Menschen ist<br />

anzusehen als ein Band von lebendigen Kräften; solange nun er selbst in<br />

seiner Einheit mit dem Universalwillen bleibt, so bestehen auch jene<br />

Kräfte in göttlichem Maß und Gleichgewicht. Kaum aber ist <strong>der</strong> Eigenwille<br />

selbst aus dem Centro als seiner Stelle gewichen, so ist auch das<br />

Band <strong>der</strong> Kräfte gewichen; statt desselben herrscht ein bloßer Particularwille,<br />

<strong>der</strong> die Kräfte nicht mehr unter sich, wie <strong>der</strong> ursprüngliche, vereinigen<br />

kann ...“ 18<br />

Die Störung des Gleichgewichts verstand <strong>Schellings</strong> Naturphilosophie als<br />

Bedingung des lebendigen Organismus. Die Herstellung des Gleichgewichts<br />

war Telos des Prozesses, <strong>der</strong> aber nur aufrechterhalten werden konnte durch<br />

dessen fortwährende Störung. Dies überträgt er auf das Verhältnis von Universal-<br />

und Eigenwille. Krankheit und Tod treten ein, wenn partikuläre Kräfte<br />

das Allgemeine des Organismus usurpieren, so wie hier <strong>der</strong> partikuläre Wille<br />

den Universalwillen. Hier wird das Lebendige zum Bildspen<strong>der</strong> für das konkrete<br />

Allgemeine, und zwar als Maß und Gleichgewicht des Bandes lebendiger<br />

Kräfte.<br />

„Auch die Partikularkrankheit entsteht nur dadurch, daß das, was seine<br />

<strong>Freiheit</strong> o<strong>der</strong> sein Leben nur dafür hat, daß es im Ganzen bleibe, für sich<br />

zu seyn strebt. Wie die Krankheit freilich nichts Wesenhaftes und eigentlich<br />

nur ein Scheinbild des Lebens und bloß meteorische Erscheinung<br />

desselben – ein Schwanken zwischen Seyn und Nichtseyn – ist, nichtsdestoweniger<br />

aber dem Gefühl sich als etwas sehr Reelles ankündigt,<br />

ebenso verhält es sich mit dem Bösen.“ 19<br />

Hier ist belegt, daß Schelling das Böse entgegen Heidegger nicht für substantiell<br />

und reell hält, er betont dessen Scheincharakter. Die mögliche Erhebung<br />

des Eigenwillens ist das falsches Leben des Bösen. Die Entkopplung bedeutet<br />

nicht eine Aufhebung <strong>der</strong> geistigen Einheit, son<strong>der</strong>n bewirkt eine an<strong>der</strong>e<br />

18 Schelling, I.7.365f.<br />

19 Schelling, I.7.366.

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