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Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel

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Warum ist das Vollkommene nicht gleich von Anfang? 69<br />

zu verwirklichen, sich zu verstehen, ein ahnendes Suchen, das im Finden seiner<br />

selbst sich zur Sprache bringt. In Gott hingegen, <strong>der</strong> ewig verwirklicht<br />

ist, ist Sehnsucht eine immer schon überwundene. Jede bestimmte Ordnung,<br />

jedes Geschöpf ist Hervorbringung aus einem Dunkel ins Licht.<br />

Die Selbstzeugung Gottes in seinem gleichewigen Sohn ist daher zu denken<br />

als von Ewigkeit zu sich selbst befreite Klarheit seines Selbst, ganz entsprechend<br />

<strong>der</strong> darin schon immer überwundenen Sehnsucht, in welche <strong>der</strong><br />

Geist noch einmal sein Wort senden kann, damit die Sehnsucht es verwirkliche.<br />

Diese zweite Verwirklichung Gottes ist die Schöpfung, die sich als<br />

sukzessive Aufhellung o<strong>der</strong> Scheidung des Dunkels in immer mehr gottähnliche<br />

Wesen vollzieht, bis im Menschen das gottähnlichste Wesen hervortritt,<br />

womit die Welt <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> <strong>der</strong> Menschen überantwortet wird, daß diese sie<br />

vervollkommnen. Dies arbeitet einer theologischen Rechtfertigung des Übels<br />

und Leidens in <strong>der</strong> Welt entgegen, so daß einer Kritik an Religionen, die das<br />

irdische Jammertal verklären, <strong>der</strong> Boden entzogen ist.<br />

Schelling deduziert das Böse in zwei Schritten, zuerst geht es um die<br />

Möglichkeit des Bösen, dann um dessen Wirklichkeit. Eine vernünftige Einrichtung<br />

<strong>der</strong> Menschheit kann nur Desi<strong>der</strong>at sein, wenn das Übel nicht zur<br />

metaphysischen Notwendigkeit verklärt wird. Dies ist auch <strong>der</strong> Grund, warum<br />

dieser Modalitätsunterschied nicht verwischt werden darf, will man nicht<br />

einer theologischen Rechtfertigung und Affirmation des Bösen verfallen, wie<br />

sie in Heideggers Interpretation vorliegt, <strong>der</strong> das Vermögen zum Bösen zur<br />

metaphysischen Notwendigkeit aufspreizt 15 . Bei Schelling entspricht <strong>der</strong> Unzertrennlichkeit<br />

<strong>der</strong> Einheit <strong>der</strong> Prinzipen in Gott die Trennbarkeit im Menschen,<br />

die das Böse ermöglicht, aber eben nicht erzwingt o<strong>der</strong> gar rechtfertigt.<br />

„Erst im Menschen also wird das in allen an<strong>der</strong>n Dingen noch zurückgehaltene<br />

und unvollständige Wort völlig ausgesprochen. Aber in dem<br />

ausgesprochenen Wort offenbart sich <strong>der</strong> Geist, d. h. Gott als actu existirend.<br />

Indem nun die Seele lebendige Identität bei<strong>der</strong> Principien ist, ist sie<br />

Geist; und Geist ist in Gott. Wäre nun im Geist des Menschen die Identität<br />

bei<strong>der</strong> Principien ebenso unauflöslich als in Gott, so wäre kein Unterschied,<br />

d. h. Gott als Geist würde nicht offenbar. Diejenige Einheit, die<br />

in Gott unzertrennlich ist, muß also im Menschen zertrennlich seyn, –<br />

und dieses ist die Möglichkeit des Guten und des Bösen.“ 16<br />

15 Vgl. Thomas Buchheim, Schelling und die metaphysische Zelebration des Bösen, in:<br />

Philosophisches Jahrbuch 107 (2000).<br />

16 Schelling, I.7.363f.

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