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Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel

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Wolfdietrich Schmied-Kowarzik<br />

Die Frage nach <strong>der</strong> Sinnbestimmung unseres geschichtlichen Seins – sowohl<br />

unseres je eigenen als auch des menschheitlichen Seins – ist niemals<br />

abschließend beantwortbar, denn da die Geschichte zur Zukunft hin offen ist,<br />

können wir niemals dem Sinn geschichtlicher Existenz habhaft werden. Ja<br />

wir können nicht einmal – wie es Kant bereits zeigt – einen Beweis des Dasein<br />

Gottes führen. Aber wir können uns auch niemals <strong>der</strong> Frage nach Gott<br />

entziehen, denn Gott steht für die Hoffnung, dass <strong>der</strong> existierenden Welt ein<br />

Sinnhorizont innewohnt, denn dieser ist die Ermöglichung dafür, dass unsere<br />

eigene Existenz darin ihren Sinn zu finden und zu bewähren vermag. Da die<br />

wirkliche Geschichte zur Zukunft hin grundsätzlich unabschließbar bleibt,<br />

wird sie zu einem nie beendbaren Dialog des Menschen mit Gott – des Menschen,<br />

<strong>der</strong> nach einer Sinnbestimmung im Wirklichkeitszusammenhang von<br />

Natur und Geschichte sucht und in seiner Sinnsuche auf einen sich durch<br />

Natur und Geschichte offenbarenden Gott hofft, <strong>der</strong> aber gerade wegen <strong>der</strong><br />

Unabschließbarkeit des Dialogs niemals vernunftwissenschaftlich bewiesen<br />

werden kann. So bleibt das Ringen des Menschen um das Absolute ein<br />

grundsätzlich unabschließbarer Dialog, den <strong>der</strong> Mensch mit seinem Grund<br />

im Absoluten führt, in diesem Dialog wird ihm Gott als sein Grund offenbar<br />

und in diesem Dialog findet er zur Sinnbestimmung seiner <strong>Freiheit</strong>.<br />

Methodologisch kann Schelling zu dieser positiven Philosophie existentieller<br />

Sinnbestimmung in <strong>der</strong> Geschichte nur vorstoßen, da er ein<br />

Grundaxiom alles Idealismus – auch seines eigenen – prinzipiell durchbricht,<br />

nämlich das <strong>der</strong> absoluten Identität von <strong>Denken</strong> und Sein, von<br />

Wirklichkeit und Vernunft. Schelling hat die hierfür fundierenden erkenntnistheoretischen<br />

Grundgedanken erstmals in <strong>der</strong> ersten Erlanger-Vorlesung<br />

Über die Natur <strong>der</strong> Philosophie als Wissenschaft (1821) und später präzisierend<br />

in <strong>der</strong> Einleitung zur Philosophie <strong>der</strong> Offenbarung (1841) in Berlin<br />

vorgetragen.<br />

Gerade in <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung mit Hegels System <strong>der</strong> Philosophie<br />

wird Schelling zunehmend klar, dass in aller Philosophie, die von <strong>der</strong> absoluten<br />

Identität von <strong>Denken</strong> und Sein, Wirklichkeit und Vernunft ausgeht,<br />

letztlich das <strong>Denken</strong> sich die Wirklichkeit unterwirft, sie in ihrem wirkenden<br />

Wirklichsein stillstellt und sich zu ihrem Objekt <strong>der</strong> Erkenntnis macht. Wo<br />

das <strong>Denken</strong> diese eigene Negativität an sich selbst durchschaut, wird es fähig<br />

in einem Akt <strong>der</strong> Ekstasis, des Aus-sich-Heraustretens, das ihm unvordenklich<br />

vorausseiende Existieren, dem es – das <strong>Denken</strong> – selber als Existierendes<br />

zugehört, positiv wirklich sein zu lassen. Erst dadurch können Geschichte,<br />

Erfahrung und Handeln vor aller Vernunfterkenntnis in den Vorrang treten.<br />

Schelling geht es aber keineswegs darum – wie später Heidegger – die Geschichte<br />

als Seinsgeschick gewähren zu lassen, vielmehr erhebt sich das

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