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Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel

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280<br />

Wolfdietrich Schmied-Kowarzik<br />

losophie“ um unsere Sinnbestimmung in <strong>der</strong> wirklichen Geschichte geht,<br />

wird sie zu einer existentiellen Sinnorientierung unseres je eigenen existentiellen<br />

Menschseins in <strong>der</strong> Welt.<br />

Das grundlegend Neue <strong>der</strong> positiven Philosophie <strong>Schellings</strong> ist, dass sie<br />

sich ausdrücklich als eine geschichtliche Philosophie versteht – was nicht dasselbe<br />

meint wie eine Philosophie, die nach dem Wesen <strong>der</strong> Geschichte fragt.<br />

Schelling nennt demgegenüber seine „positive Philosophie“ eine geschichtliche,<br />

da sie die verzweiflungsvolle Frage nach dem Sinn unseres je eigenen<br />

geschichtlichen Seins aufwirft, in das wir gestellt sind und das uns aufgegeben<br />

ist. „Weit entfernt also, daß <strong>der</strong> Mensch und sein Thun die Welt begreiflich<br />

mache, ist er selbst das Unbegreiflichste [...]. Gerade Er, <strong>der</strong> Mensch,<br />

treibt mich zur letzten verzweifelten Frage: warum ist überhaupt etwas? warum<br />

ist nicht nichts?“ (XIII, 7) Das hier aufbrechende existenzphilosophische<br />

Anliegen <strong>Schellings</strong> ist seit Sören Kierkegaard bis hin zu Paul Tillich, Hans<br />

Ehrenberg, Franz Rosenzweig, Karl Jaspers, Martin Heidegger sowie Ernst<br />

Bloch und Emmanuel Levinas immer wie<strong>der</strong> – wenn auch in ganz unterschiedlicher<br />

Weise – gesehen und aufgenommen worden. 26<br />

<strong>Schellings</strong> Philosophie <strong>der</strong> Mythologie und Philosophie <strong>der</strong> Offenbarung<br />

ist insgesamt gesehen eine geschichtliche Phänomenologie des „notwendig<br />

Gott-setzenden Bewußtseins“, das wir sind. Darin steckt zum einen eine vorwegnehmende<br />

Antwort auf Feuerbachs anthropologischen Atheismus. 27 Denn<br />

natürlich sind alle mythologischen Bil<strong>der</strong> und alle theologischen Gottesgedanken<br />

Entwürfe unseres Bewusstseins, wer würde das je bestreiten können.<br />

Aber Feuerbach übersieht, das „notwendig Gottsetzende“, und dies ist bei<br />

Schelling nicht wie bei Schopenhauer nur psychologisch als ein „metaphysisches<br />

Bedürfnis“ bestimmt, 28 son<strong>der</strong>n als eine grundlegende Klärung des<br />

Bezuges des <strong>Denken</strong>s zum Sein – hierin liegt eine Kampfansage gegen Hegels<br />

Phänomenologie des Geistes. Bei Hegel endet die Phänomenologie darin, dass<br />

sich das Bewusstsein in das absolute Wissen hinein „aufopfert“ 29 , es geht so<br />

in die Erkenntnis des absoluten Geistes auf, <strong>der</strong> zugleich im Sinne des doppelten<br />

Genetivs <strong>der</strong> Geist Gottes ist. Genau diese Selbstaufopferung und zu-<br />

26 Vgl. Wolfdietrich Schmied-Kowarzik, „Geschichtsphilosophie und Theologie“, in: Myriam<br />

Bienenstock (Hg.), Der Geschichtsbegriff: eine theologische Erfindung?, Würzburg 2007,<br />

51 ff.<br />

27 Ludwig Feuerbach, Das Wesen des Christentums (1841), in: Werke in 6 Bden., Frankfurt<br />

a.M. 1976, Bd. V.<br />

28 Arthur Schopenhauer, Parerga und Paralipomena, in: Sämtliche Werke, Darmstadt 1963,<br />

Bd. IV.<br />

29 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Phänomenologie des Geistes, in: Werke in 20 Bden.,<br />

Frankfurt a.M. 1970, Bd. III, 575 ff.

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