Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel
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Die <strong>Freiheit</strong> und das Absolute 277<br />
gen vom Ich als höchstem Prinzip ausgehend seinen Kategorien <strong>der</strong> Verständigkeit<br />
unterwirft und sie daher außer Gott setzt. Denn hier ist nicht mehr Gott<br />
das einende Band <strong>der</strong> Wirklichkeit, son<strong>der</strong>n das erkennende und zwecksetzende<br />
Ich, wie dies Fichte in seiner Wissenschaftslehre darlegt. 22 Dort wo die<br />
transzendentalphilosophische Rückwendung auf die Erkenntniskonstitution<br />
über die kantische Kritik hinaus zur Philosophie selbst erhoben wird, da erklärt<br />
sich das Ich <strong>der</strong> Erkenntnis und <strong>der</strong> Zwecksetzung selbst zum Absoluten<br />
und verleugnet, dass es selbst einer umfassen<strong>der</strong>en Wirklichkeit an sich<br />
angehört. Gegen Fichte gewendet ruft daher Schelling in den Aphorismen zur<br />
Einleitung in die Naturphilosophie von 1806 aus – und er trifft damit zugleich<br />
seine Jugendschriften: „Das Ich denke, Ich bin, ist, seit Cartesius, <strong>der</strong><br />
Grundirrtum in aller Erkenntniß; das <strong>Denken</strong> ist nicht mein <strong>Denken</strong>, und das<br />
Seyn nicht mein Seyn, denn alles ist nur Gottes o<strong>der</strong> des Alls.“ (VII, 148)<br />
Wir haben hier den Gegenpol zur Frühphilosophie <strong>Schellings</strong> erreicht. Alle<br />
Betonung <strong>der</strong> Selbstheit – und daher auch <strong>Freiheit</strong> im herkömmlichen Sinne<br />
– wird hier als Abfall von Gott gesehen. Wirkliches Freisein gibt es nur als<br />
notwendiges Eingefügtsein in den göttlichen Zusammenhang des Absoluten.<br />
Dabei geht es Schelling jedoch keineswegs um den bloßen Aufweis des Abfalls,<br />
son<strong>der</strong>n in echt neuplatonischem Sinne – aus dem heraus er in dieser<br />
Epoche denkt – darum die Borniertheit <strong>der</strong> Verstandeserkenntnis aufzubrechen<br />
und ihr „die vollendete Versöhnung und Wie<strong>der</strong>auflösung in die Absolutheit“<br />
zu ermöglichen. (VI, 43) Eine solche Versöhnung vermag die Seele<br />
letztlich in einer mystischen Umkehr, wie sie die Philosophie gewährt, zu erreichen:<br />
„Nur durch die Ablegung <strong>der</strong> Selbstheit und die Rückkehr in ihre<br />
ideale Einheit gelangt sie [die Seele] wie<strong>der</strong> dazu, Göttliches anzuschauen<br />
und Absolutes zu produciren.“ (VI, 44)<br />
3. Gott und die <strong>Freiheit</strong> des Menschen<br />
Zwischen dem eben skizzierten System <strong>der</strong> Philosophie als „Lehre vom All“<br />
(VII, 189) und den drei Jahre später erschienenen Philosophischen Untersuchungen<br />
über das Wesen <strong>der</strong> menschlichen <strong>Freiheit</strong> (1809) liegt ein deutlich<br />
erkennbarer Bruch, den Schelling zunächst entwe<strong>der</strong> nicht so gravierend er-<br />
22 Vgl. Wolfdietrich Schmied-Kowarzik, „Das Problem <strong>der</strong> Natur. Erläuterung zur Kontroverse<br />
zwischen Fichte und Schelling“, in: <strong>der</strong>s., „Von <strong>der</strong> wirklichen, von <strong>der</strong> seyenden<br />
Natur“. <strong>Schellings</strong> Ringen um eine Naturphilosophie in Auseinan<strong>der</strong>setzung mit<br />
Kant, Fichte und Hegel, Stuttgart-Bad Cannstatt 1996, 122 ff.