Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel
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Wolfdietrich Schmied-Kowarzik<br />
an<strong>der</strong>erseits „diese Ordnung nur durch <strong>Freiheit</strong> realisiert werden“ kann, d. h.<br />
auf das Handeln <strong>der</strong> Individuen angewiesen ist. (III, 583 ff.)<br />
Das transzendentalphilosophische Problem, dem sich Schelling nun stellt,<br />
ist die Frage, ob die Geschichte als die allmähliche Auflösung von individueller<br />
<strong>Freiheit</strong> und allgemeiner Rechtsordnung gedacht werden kann. Der<br />
hier umschriebene Wi<strong>der</strong>streit kann nur aufgelöst werden, wenn – wie Schelling<br />
unterstreicht – „in <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> selbst wie<strong>der</strong> Nothwendigkeit ist“ (III, 594),<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s gesagt, wenn im freien Handeln selbst etwas angelegt ist, was<br />
die individuelle <strong>Freiheit</strong> überschießt, etwas, was sich zunächst im Handeln<br />
<strong>der</strong> Menschen als blinde Notwendigkeit durchsetzt, aber schrittweise in <strong>der</strong><br />
Geschichte als bewusste und damit frei gewollte Aufgabe ergriffen und realisiert<br />
zu werden vermag. „Es bekommt nämlich hier das Objektive im Handeln<br />
eine ganz an<strong>der</strong>e Bedeutung, als es bisher gehabt hat. Nämlich alle meine<br />
Handlungen gehen als auf ihren letzten Zweck auf etwas, das nicht durch das<br />
Individuum allein, son<strong>der</strong>n nur durch die ganze Gattung realisierbar ist [...].<br />
Der Erfolg meiner Handlungen ist also nicht von mir, son<strong>der</strong>n vom Willen<br />
aller übrigen abhängig, und ich vermag nichts zu jenem Zweck, wenn nicht<br />
alle denselben Zweck wollen.“ (III, 596)<br />
Alles kommt also darauf an, diese Notwendigkeit in <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>, dieses<br />
„schlechthin Objektive“ im „schlechthin Subjektiven“ nachzuweisen und aufzuhellen.<br />
Es kann nicht außerhalb <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> liegen und ebensowenig erst<br />
von außen hinzutreten, son<strong>der</strong>n es muss von Anbeginn an ihr selbst, d. h.<br />
dem menschlichen Wirken und Handeln innewohnen. Daher kann es nichts<br />
an<strong>der</strong>es sein als die Gattungsbasis des menschlichen Wirkens und Handelns<br />
selbst, „die Intelligenz an sich (das absolut Objektive, allen Intelligenzen Gemeinschaftliche)<br />
[...]. Eine solche prästabilierte Harmonie des Objektiven<br />
(Gesetzmäßigen) und des Bestimmenden (Freien) ist allein denkbar durch<br />
etwas Höheres, was über beiden ist, was also we<strong>der</strong> Intelligenz, noch frei,<br />
son<strong>der</strong>n gemeinschaftliche Quelle des Intelligenten zugleich und des Freien<br />
ist.“ (III, 599 f.) Genauer, die gesellschaftliche Praxis <strong>der</strong> Menschen selbst ist<br />
grundsätzlich auf die Erhaltung und Verwirklichung <strong>der</strong> menschlichen Gattung<br />
angelegt, vollzieht sich also ursprünglich als eine natürliche Sittlichkeit,<br />
auch dort, wo sie sich dessen noch nicht bewusst geworden ist, wohl aber<br />
sich bewusst werden kann und deshalb er freien geschichtlichen Verwirklichung<br />
aufgegeben ist. – Was aber nicht ausschließt, dass die natürliche<br />
Sittlichkeit korrumpiert und entstellt werden kann, sodass die Geschichte<br />
keineswegs einen linear zum Positiven fortschreitenden Verlauf nimmt.<br />
So liegt in diesem Problemlösungshorizont keine Garantie, dass die wirkliche<br />
Geschichte den Erfüllungshorizont freien sittlichen Zusammenlebens<br />
aller Menschen wirklich erreichen werde. Für die Bestimmung <strong>der</strong> Geschichte