07.02.2013 Aufrufe

Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel

Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel

Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

268<br />

Wolfdietrich Schmied-Kowarzik<br />

des transzendentalen Idealismus versteht sich als transzendentale Selbstexplikation<br />

des „Ich bin“ als transzendentale Erinnerungsgeschichte des durch<br />

all seine Bewusstseinsgestalten hindurch sich seiner selbst bewusstwerdenden<br />

absoluten Ich. Die intellektuelle Anschauung des „Ich bin“ ist nicht nur<br />

letztes Prinzip alles Bewusstseins, son<strong>der</strong>n aus ihren sich wechselseitig bedingenden<br />

und bestimmenden Tätigkeiten lassen sich auch alle Konstitutionsformen<br />

<strong>der</strong> Naturerfahrung, <strong>der</strong> sittlichen Selbstbestimmung und des<br />

ästhetischen Erlebens entwickeln, so ist sie Ort und Prozess des transzendentalen<br />

Innewerdens des Bewusstseins durch all seine Horizonte von Weltkonstitution<br />

hindurch. „Ich, <strong>der</strong> ich weiß, bin <strong>der</strong>selbe, <strong>der</strong> ich bin, mein Wissen<br />

und mein Seyn erschöpfen sich wechselseitig, das Subjekt des Bewußtseyns<br />

und das <strong>der</strong> Thätigkeit sind Eins.“ (III, 570)<br />

Im Folgenden soll nur auf den Teil <strong>der</strong> praktischen Philosophie innerhalb<br />

des Systems des transzendentalen Idealismus eingegangen werden, in welchem<br />

Schelling die Konstitutionsebenen <strong>der</strong> menschlichen <strong>Freiheit</strong>, <strong>der</strong> Rechtsverfassung<br />

und <strong>der</strong> menschheitlich aufgegebenen Geschichte behandelt. 9<br />

Erinnern wir aber vorab daran, dass dieser mit <strong>der</strong> Selbstbestimmung des<br />

sich bewusstgewordenen Bewusstseins anhebende Dimension menschlicher<br />

<strong>Freiheit</strong> und Geschichte eine lange transzendental vorbewusste Geschichte<br />

des Bewusstseins vorausgeht, in <strong>der</strong> beginnend beim sich noch nicht selber<br />

bewussten „Ich bin“ über die ursprünglichen Empfindungen, die produktiven<br />

Anschauungen (Zeit und Raum) und die bestimmende Reflexion sich die<br />

Konstitution <strong>der</strong> Naturerfahrung vollzieht. D. h. das seiner selbst bewusste<br />

Bewusstsein, mit dem durch freie Selbstbestimmung die geschichtliche Welt<br />

anhebt, erfährt sich dort, wo es sich im Handlungskontext mit An<strong>der</strong>en seiner<br />

selbst bewusst wird, immer schon als daseiend in eine daseiende Natur gestellt.<br />

Diese transzendentalen Dimensionen <strong>der</strong> Naturerfahrung werden von<br />

Schelling im theoretischen Teil des System des transzendentalen Idealismus<br />

als vorbewusste Konstitutionsgeschichte des Bewusstseins herausgearbeitet.<br />

Hier liegen – das sei hier nur angemerkt – die großen Differenzen sowohl<br />

einerseits zu Hegel, <strong>der</strong> sieben Jahre später seine Phänomenologie des Geistes<br />

(1807) 10 als Erfahrungsprozess des Bewusstseins konzipierte und daher<br />

bereits mit <strong>der</strong>en Anfang bei <strong>der</strong> „sinnlichen Gewissheit“ kommentarlos<br />

<strong>Schellings</strong> Bemühen um die vorbewusste Konstitution <strong>der</strong> Naturerfahrung<br />

9 Vgl. Wolfdietrich Schmied-Kowarzik, „Schelling – <strong>Freiheit</strong>, Recht und Geschichte“,<br />

in: <strong>der</strong>s., <strong>Denken</strong> aus geschichtlicher Verantwortung. Wegbahnungen zur praktischen Philosophie,<br />

Würzburg 1999.<br />

10 Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Phänomenologie des Geistes (1807), in: Werke in 20<br />

Bden., Frankfurt a.M. 1970.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!