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Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel

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Walter E. Ehrhardt<br />

daß sie wirklich zusammenbestehen“. 52 Gerade ein Gegenstand, bei dem <strong>der</strong><br />

Nachweis seiner Bedingtheit diesen selbst in seinem eigenen Anspruch aufhebt,<br />

das zu sein, was er ist, ein philosophisches System nämlich, muss also<br />

eine Darstellung verlangen, die keine höheren Abhängigkeiten supponiert.<br />

„Nicht vertilgt werden sollen die Systeme, son<strong>der</strong>n zusammenbestehen wie<br />

die verschiedenen Systeme in einem Organismus, und durch dieses ihr Zusammenbestehen<br />

eine Ansicht erzeugen, die über allen einzelnen liegt, die<br />

gesunde Ansicht, bei <strong>der</strong> <strong>der</strong> Mensch sich wohlfühlt, wie im gesunden menschlichen<br />

Körper alle Differenzen <strong>der</strong> Organe und Funktionen in ein unteilbares<br />

Leben sich auflösen, dessen Empfindung Wohlsein ist“. 53 Auch gegenüber<br />

dem unbedingt Positiven <strong>der</strong> Wirklichkeit <strong>der</strong> Philosophiegeschichte in ihrer<br />

Vielfalt hat sich die Philosophie zu bewähren. „Wer nun an einem dieser<br />

Systeme leidet, d. h. bei wem es als beson<strong>der</strong>es hervortritt, <strong>der</strong> ist gleichsam<br />

gebunden an dieses System, in seiner <strong>Freiheit</strong> gehemmt, recht eigentlich ein<br />

Sklave desselben [...] wer bis zum Ende durchgedrungen ist, sieht sich wie<strong>der</strong><br />

in völliger <strong>Freiheit</strong>, er ist frei vom System, über allem System“ 54 . Auch<br />

die beson<strong>der</strong>e methodologische Möglichkeit <strong>der</strong> Philosophiegeschichtsschreibung,<br />

die Schelling konsequent for<strong>der</strong>t und zu realisieren versucht, dokumentiert<br />

somit, das, was dem Organismus seiner Philosophie Einheit gibt,<br />

das Ziel, die <strong>Freiheit</strong> überall zur Darstellung zu bringen.<br />

Bleibt aber das Erfor<strong>der</strong>nis <strong>der</strong> Ausarbeitung einer positiven Philosophie –<br />

bereits angelegt in <strong>der</strong> Konzeption einer Natur, die nicht <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> entgegengesetzt<br />

ist – in allen einzelnen Gebieten Aufgabe, so ist <strong>Schellings</strong> Denkweg<br />

insgesamt kein Fortgang und Überstieg zu einer positiven Philosophie.<br />

Die scheinbaren Einschnitte seines Werkes sind dann vielmehr im Horizont<br />

<strong>der</strong> jeweiligen thematischen Fel<strong>der</strong> zu interpretieren, <strong>der</strong>en jedes für sich auf<br />

sein unbedingtes Prius hin befragt werden muss, – eine Aufgabe, die wohl<br />

mit einer bloßen Ordnung „nach Gegenständen“ nicht zu verwechseln ist. In<br />

jedem Gegenstandsbereich – Natur, Kunst, menschliche <strong>Freiheit</strong>, Religion und<br />

Philosophiegeschichte – erwächst die Aufgabe einer positiven Philosophie<br />

eigenständig. Der Vorrang <strong>der</strong> Philosophie <strong>der</strong> Religion, das scheinbare Zusammenfallen<br />

<strong>der</strong> Philosophie <strong>der</strong> Offenbarung mit <strong>der</strong> positiven Philosophie,<br />

rührt wohl nur daher, dass in einer Offenbarung die Wirklichkeit <strong>der</strong><br />

<strong>Freiheit</strong> ohne Positivität offensichtlicher ein leerer Begriff bleiben würde als<br />

in an<strong>der</strong>en Gebieten, in denen das Argument des Noch-nicht-Wissens das<br />

Erfor<strong>der</strong>nis des Positiven verstellt.<br />

52 IX, 213.<br />

53 IX, 213.<br />

54 IX, 212.

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