Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel
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Mohamed Turki<br />
kann.“ 30 Diese Aussage wird im Übrigen in den späten Werken noch einmal<br />
wie<strong>der</strong>holt. 31<br />
Die Entscheidung zugunsten <strong>der</strong> Gattung bedeutet allerdings keineswegs<br />
die Preisgabe <strong>der</strong> individuellen <strong>Freiheit</strong>, son<strong>der</strong>n vielmehr ihre Einbettung in<br />
einen größeren Rahmen, <strong>der</strong> selber die Bedingung <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> darstellt. Es<br />
handelt sich um die „allgemeine Rechtsordnung“, die zwar zunächst als<br />
äußere Notwendigkeit erscheint, aber dann wie eine zweite Natur erfasst und<br />
angeeignet wird. Für Schelling ist es „also eine Voraussetzung, die selbst<br />
zum Behuf <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> notwendig ist, daß <strong>der</strong> Mensch was das Handeln selbst<br />
betrifft, frei, was das endliche Resultat seiner Handlungen betrifft, abhängig<br />
sey von einer Notwendigkeit die über ihm ist, und die selbst im Spiel seiner<br />
<strong>Freiheit</strong> die Hand hat.“ 32 Es fragt sich jedoch, ob mit einem solchen Argument<br />
<strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>streit zwischen individueller <strong>Freiheit</strong> und äußerer Notwendigkeit<br />
tatsächlich beendet werden kann, o<strong>der</strong> zu einem Weg, <strong>der</strong> „zwischen <strong>der</strong><br />
Scylla einer völligen Vorherbestimmtheit (Prädetermination) <strong>der</strong> Geschichte<br />
und des daraus folgenden ‚Fatalismus‘ und <strong>der</strong> Charybdis des mit verabsolutierter<br />
Subjektivität einhergehenden ‚System[s] <strong>der</strong> absoluten Gesetzlosigkeit‘<br />
“ 33 führt. Denn die teleologische Zielsetzung bleibt ihrerseits den<br />
Menschen verborgen und erreicht erst in <strong>der</strong> „absoluten Identität“ als Endresultat<br />
ihre Vollendung.<br />
Schmied-Kowarzik, <strong>der</strong> in seinem Beitrag Schelling – <strong>Freiheit</strong>, Recht<br />
und Geschichte 34 diese Problematik ausführlich behandelt, unterstreicht den<br />
positiven Charakter <strong>der</strong> Geschichtsauffassung vom jungen Schelling. Er sieht<br />
darin „die grundsätzlichsten und geschlossensten Darlegungen <strong>Schellings</strong> zur<br />
praktischen Philosophie und damit zu Recht und Staat – vermittelt zwischen<br />
<strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> des menschlichen Handelns und <strong>der</strong> Geschichte – vorliegen“ 35 ,<br />
und bringt sie trotz des idealistischen Ansatzes sogar in die Nähe von Marx,<br />
<strong>der</strong> ebenfalls die Geschichte als eine „Gattungsgeschichte“ erfasst. Beiden<br />
schreibt er, „ist gemeinsam – und hierin unterscheiden sie sich von Hegel –<br />
dass sie die Geschichte als eine praktische gesellschaftspolitische Aufgegebenheit<br />
begreifen, dass sie die bestehenden Ordnungsverhältnisse nicht als<br />
für sich seienden allgemeinen Willen, son<strong>der</strong>n als von Menschen gemachte<br />
30 Ibid.<br />
31 Siehe hierzu: Schelling, Zur Geschichte <strong>der</strong> neueren Philosophie, X, 115.<br />
32 Ibid., III, 594.<br />
33 Hans Jörg Sandkühler, „F. W. J. Schelling, ein Werk im Werden. Zur Einführung“, in:<br />
H. J. Sandkühler (Hg.), F. W. J. Schelling, Stuttgart/Weimar, 1998, 19.<br />
34 Wolfdietrich Schmied-Kowarzik, „Schelling – <strong>Freiheit</strong>, Recht und Geschichte“, in: W.<br />
Schmied-Kowarzik, <strong>Denken</strong> aus geschichtlicher Verantwortung, 67.<br />
35 Ibid., 69.