Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel
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Nur ein Schelling 255<br />
Eine Einheitsform, die we<strong>der</strong> die Unbestimmtheit eines hermeneutischen<br />
Feldes noch die Fixierung eines theoretischen Oberbegriffs verlangt, ist die<br />
des Organismus. Es scheint nicht unangemessen, diesen Begriff, <strong>der</strong> <strong>Schellings</strong><br />
<strong>Denken</strong> überall durchwaltet, auch auf seine eigene Philosophie selbst anzuwenden<br />
und für sie die Einheit eines organischen Systems zu beanspruchen.<br />
Diesem Anspruch steht nur scheinbar entgegen, dass doch mindestens zwischen<br />
dem anfänglichen Ansatz und <strong>der</strong> positiven Philosophie ein Unterschied<br />
zugegeben werden muss, denn die Darstellung <strong>der</strong> organischen Einheit<br />
wird weniger den guten Gründen <strong>der</strong> Aufteilung <strong>Schellings</strong> in zwei bis<br />
sieben Philosophien o<strong>der</strong> Epochen wi<strong>der</strong>streiten, son<strong>der</strong>n sie muss sich darauf<br />
beschränken zu erweisen, dass solche Aufglie<strong>der</strong>ungen, partiell berechtigt,<br />
letztlich überflüssig sind.<br />
Wandlungen o<strong>der</strong> Glie<strong>der</strong>ungen schließt <strong>Schellings</strong> Begriff des Organismus,<br />
<strong>der</strong> von dem Kantischen <strong>der</strong> Organisation durchaus zu unterscheiden<br />
ist, 14 keineswegs aus. Schelling nennt Organismus „eine Sukzession, die innerhalb<br />
gewisser Grenzen eingeschlossen in sich selbst zurückfließt.“ 15 Soll<br />
diese Bestimmung auf <strong>Schellings</strong> Denkweg selbst angewandt werden, bleibt<br />
zu fragen: Was ist die gewisse Grenze, die <strong>der</strong> Philosophie <strong>Schellings</strong> insgesamt<br />
die Einheit eines organischen Systems gibt?<br />
Der Begriff, <strong>der</strong> sich hier anbietet, ist <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong>. Durch die<br />
Berufung auf vielzitierte Stellen, wie, das A und O seiner Philosophie sei<br />
<strong>Freiheit</strong>, 16 o<strong>der</strong> das Höchste, was in <strong>der</strong> Philosophie hervorzubringen sei, sei<br />
ein System <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> 17 und an<strong>der</strong>e mehr, lässt er sich gut stützen. Überzeugen<strong>der</strong><br />
als eine Berufung auf <strong>der</strong>artige Sätze ist es freilich, dass sich zeigen<br />
lässt, dass die Aufgabe, die Wirklichkeit <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> überall zur Darstellung<br />
zu bringen, die von Schelling konkret in Angriff genommene Aufgabe ist.<br />
Hierbei kann man sich zunächst auf <strong>Schellings</strong> epochemachende Schöpfung<br />
eines neuen Naturbegriffs berufen, <strong>der</strong> auch gegenüber dem von Kant<br />
Vorgegebenen neu ist. Wenn im sittlichen Bereich die Autonomie als Voraussetzung<br />
allgemeinverbindlicher Gesetze erwiesen wurde (Kant), wenn das<br />
Wissen überhaupt nur in seinem Streben nach Unbedingtheit dem Vergehen<br />
in <strong>der</strong> Parteilichkeit und subjektiven Meinung wi<strong>der</strong>steht (Fichte), dann kann<br />
die allumfassende Natur nicht etwas sein, das überall keine <strong>Freiheit</strong> zulässt.<br />
Das Reich <strong>der</strong> Natur dem Reich <strong>der</strong> <strong>Freiheit</strong> entgegenzusetzen, bei einem<br />
Dualismus stehenzubleiben, wäre letztlich nur als ein Dogmatismus möglich.<br />
14 Vgl. Kant, Kritik <strong>der</strong> Urteilskraft A 292.<br />
15 II, 349.<br />
16 Schelling an Hegel am 4. Febr. 1795.<br />
17 X, 36.