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Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel

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Religion und Philosophie bei Schelling und Hegel 231<br />

gewissen Zeitgenossen distanzieren wollte – insbeson<strong>der</strong>e von Görres –, die<br />

in ihren Spekulationen über die Mythologie jedes Maß verloren hatten. Es ist<br />

eher das Alte Testament, fügte Tilliette hinzu, „welches die intellektuelle und<br />

bildnerische Grundlage <strong>der</strong> universellen Offenbarung liefern würde.“ 43 Das<br />

Alte Testament wäre also für Schelling, wie übrigens für eine große Zahl<br />

seiner Zeitgenossen, wie Her<strong>der</strong>, zunächst eine Mythologie gewesen – vielleicht<br />

ein Paganismus unter an<strong>der</strong>en. In <strong>der</strong> 29. Vorlesung seiner Philosophie<br />

<strong>der</strong> Offenbarung sagt und wie<strong>der</strong>holt er jedenfalls, dass „die Offenbarung<br />

des Alten Testaments nur die durch die Mythologie durchwirkende Offenbarung“<br />

sei (II/4, S. 124). Schelling geht sogar so weit zu sagen, dass „das<br />

mosaische Gesetz selbst <strong>der</strong> größte Beweis für die Realität des Heidenthums<br />

ist“ (ibid., S. 145), und sich darüber zu erstaunen, „wie unter allen Völkern<br />

gerade das Volk Israel zum Träger göttlicher Offenbarungen auserwählt worden“<br />

(ibid., S. 148). 44 Die Passagen seines Textes, die Schelling in den Weltaltern<br />

(in <strong>der</strong> Fassung von 1813) <strong>der</strong> Wichtigkeit des Alten Testaments widmet,<br />

45 sind ganz verschieden, ja sogar erstaunlich, wenn man sie sich im<br />

zeitgenössischen Kontext vergegenwärtigt: Schelling beschwert sich dort<br />

über die „fast ungebührliche Hintansetzung und Vernachlässigung des Alten<br />

Testaments“ (I/8, S. 271), die vielen Interpreten zur Gewohnheit wurde,<br />

43 Vgl. Xavier Tilliette, La mythologie comprise. L’interprétation schellingienne du paganisme,<br />

Napoli, Bibliopolis, 1984, p. 51-53 (unsere Übersetzung; M. B.).<br />

44 Das Judentum, fügt Schelling dort hinzu, „war eigentlich nie etwas Positives, es kann<br />

nur entwe<strong>der</strong> als gehemmtes Heidenthum, o<strong>der</strong> als potentielles, noch verborgenes Christenthum<br />

bestimmt werden, und gerade diese Mitte ward ihm ver<strong>der</strong>blich.“ (ibid., S. 149).“ –<br />

<strong>Schellings</strong> Toleranz gegenüber den Juden scheint umso begrenzter gewesen zu sein, als<br />

er die Hypothese einer „allgemeinen Bekehrung <strong>der</strong> Juden“, sogar „zum bloßen Theismus<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> reinen sogenannten Vernunftreligion“ für wenig plausibel hielt. „Sie sind<br />

auch jetzt“, so schreibt er in <strong>der</strong> 29. Vorlesung seiner Philosophie <strong>der</strong> Offenbarung, „das<br />

vorbehaltene Volk, vorbehalten dem Reich Gottes, in das sie am spätesten einzugehen<br />

bestimmt sind, damit auch hier jene erhabene göttliche Ironie sich behaupte, und die<br />

die Ersten waren, die Letzten seyen.“ (S. 151) – Ich kann <strong>der</strong> Versuchung nicht wi<strong>der</strong>stehen,<br />

dem Sinn nachzugehen, den Schelling hier dem Ausdruck <strong>der</strong> „göttlichen Ironie“<br />

beimisst. Sein Gebrauch dieses Ausdrucks lässt darauf schließen, dass sein Interesse<br />

am Alten Testament und wohl auch für die Juden überhaupt, im Kontext seiner Hinwendung<br />

zur Romantik steht. Die Verneinung <strong>der</strong> These, nach welcher die Letzten die<br />

Ersten sein würden, sollte ihn nicht notwendig zur Behauptung <strong>der</strong> umgekehrten These<br />

führen, nach welcher die Ersten die Letzten sein würden.<br />

45 Schelling, Werke, I/8, S. 270-274.

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