Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel
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Myriam Bienenstock<br />
„Auch liebte es Hegel noch jetzt [...] das Erschaffen des Universums als<br />
Aussprechen des absoluten Wortes und das Zurückgehen des Universums<br />
in sich als Vernehmen desselben darzustellen, so dass Natur und Geschichte<br />
zu dem als An<strong>der</strong>ssein selbst verschwindenden Medium zwischen<br />
dem Sprechen und Vernehmen wurden.“ 27<br />
Bekanntlich hatte Böhme die klassische Logos-Lehre wie<strong>der</strong>aufgegriffen, um<br />
aus dem „Wort“ das Prinzip <strong>der</strong> Erklärung o<strong>der</strong> des Ausdrucks <strong>der</strong> ganzen<br />
Schöpfung zu machen. 28 Zu diesem Zeitpunkt dürfte Hegel Böhme selbst<br />
noch nicht gelesen, son<strong>der</strong>n seine Kenntnisse wohl eher aus indirekten Quellen<br />
bezogen haben, 29 wenngleich die kritischen Hinweise auf diesen Autor<br />
bereits in seinen damaligen Schriften häufig sind: so notierte sich Hegel zum<br />
Beispiel, dass die Mythen, die Anschauungen von Böhme „die Anschauungen<br />
<strong>der</strong> Barbarei sind“. 30 Rosenkranz zitiert auch eine Stelle, in welcher<br />
Hegel den „Orientalismus“, welcher sich bemühen würde, das Unendliche in<br />
die Phantasie seiner Bil<strong>der</strong> zu fassen, mit dem „neueren Mystizismus“ verglichen<br />
hatte, <strong>der</strong> „trübseligerer und schmerzlicherer Art“ sei:<br />
„Er steigt mit gemeinen, sinnlichen Vorstellungen in die Tiefen des Wesens<br />
und kämpft, sich desselben zu bemächtigen und es vor sein Bewußtsein<br />
zu bringen. Aber in <strong>der</strong> Form sinnlicher Vorstellung läßt sich<br />
das Wesen nicht fassen. In welcher Vorstellung es auch gefasst wird, so<br />
ist sie ungenügend. [...] Das klare Element ist das Allgemeine, <strong>der</strong> Begriff<br />
...“ 31<br />
Es scheint aber vorzugsweise die Weise zu sein, auf welche Friedrich Schlegel<br />
glaubte, Böhme übernehmen zu können, welche Hegel ablehnt – und hierin<br />
steckt bereits die zentrale hegelianische These, welche erst in den Texten <strong>der</strong><br />
reifen Jahre voll entfaltet werden sollte: Hegel kritisierte die Unzulänglichkeit<br />
<strong>der</strong> Vorstellungsform des <strong>Denken</strong>s und for<strong>der</strong>t ihre Erhebung zum<br />
27 Vgl. Karl Rosenkranz, G.W.F. Hegels Leben [1844], Darmstadt, WBG, 1977, S. 193.<br />
28 Vgl. Alexandre Koyré, La philosophie de Jacob Böhme, 3e éd., Paris, Vrin, 1979, S. 275,<br />
Anm. 8 und S. 457-462.<br />
29 Vgl. hierzu: Heinz Kimmerle, „Zur Entwicklung des Hegelschen <strong>Denken</strong>s in Jena“, in:<br />
Hegel-Tage Urbino, 1965, hg. Von Hans-Georg Gadamer [Hegel-Studien, Beiheft 4],<br />
Bonn, Bouvier, 1969, S. 33-47, beson<strong>der</strong>s S. 42 f.; Helmut Schnei<strong>der</strong>, „Anfänge <strong>der</strong><br />
Systementwicklung Hegels in Jena“, in: Hegel-Studien 10 (1975), S. 133-171, beson<strong>der</strong>s<br />
S. 159-164.<br />
30 Vgl. K. Rosenkranz, op. cit., S. 547.<br />
31 Ibid., S. 182 f.