Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel
Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel
Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Religion und Philosophie bei Schelling und Hegel 219<br />
Auffassung <strong>der</strong> Schöpfung. 15 Welchen Sinn, so fragt er sich damals, soll man<br />
dem Verb „sein“ in Aussagen wie „Am Anfang war das Wort“, o<strong>der</strong> auch<br />
„und Gott war das Wort“ (unsere Hervorhebungen; M. B.) beimessen? In <strong>der</strong><br />
menschlichen Sprache, die Hegel damals „Reflexionssprache“ nennt, sind<br />
solche Aussagen aus einem Subjekt und einem Prädikat zusammengesetzt.<br />
Sie bestehen in <strong>der</strong> Beschreibung, mit Hilfe eines allgemeinen Begriffes, von<br />
einer Tatsache in <strong>der</strong> Welt, von einem Sein. Wenn aber von Gott behauptet<br />
wird, dass er Logos sei, übernimmt dann <strong>der</strong> Logos die Rolle des Prädikats<br />
des <strong>Denken</strong>s, des allgemeinen Begriffs, o<strong>der</strong> bleibt dies im Gegenteil Gott<br />
selber vorbehalten? Es muss wohl zugegeben werden, dass in einem solchen<br />
Urteil das Prädikat ebenso wirklich, ebenso lebendig ist, wie das Subjekt.<br />
Gewiss ist das Prädikat vom Subjekt unterschieden. Aber es ist auf grundlegende<br />
Weise auch mit ihm verbunden. Es bezeichnet dieselbe Sache, dasselbe<br />
Wesen, und damit stellt sich die Frage, worauf sich in diesem Fall die<br />
Unterscheidung von Subjekt und Prädikat begründet, o<strong>der</strong>, an<strong>der</strong>s ausgedrückt,<br />
wie eine solche Unterscheidung möglich ist. Wie soll bei einer Aussage<br />
<strong>der</strong> Art „Gott ist ...“ (dieses o<strong>der</strong> jenes), die Differenzierung o<strong>der</strong> „Urteilung“<br />
von Subjekt und Prädikat, von Einem und Vielen verstanden<br />
werden?<br />
Zweifellos kann in diesem Text das traditionelle Problem <strong>der</strong> analogia<br />
entis wie<strong>der</strong>erkannt werden. 16 Tatsächlich erwähnt Hegel die verschiedenen<br />
Weisen, auf welche <strong>der</strong> Terminus „Sein“ interpretiert werden kann: im Sinne<br />
<strong>der</strong> Identität, welche <strong>der</strong> Behauptung, Gott sei Logos, zugrundeliegt, aber<br />
auch im prädikativen Sinne <strong>der</strong> Kopula „sein“ durch welche in <strong>der</strong> menschlichen<br />
Sprache, <strong>der</strong> Reflexionssprache, ein Prädikat einem Subjekt beigemessen<br />
wird – das Subjekt wird dabei als existierend vorausgesetzt, das Prädikat<br />
als eine einfache Bestimmung des <strong>Denken</strong>s. Auf grundlegen<strong>der</strong>e Weise setzt<br />
er aber auch den eigentlich metaphysischen o<strong>der</strong> ontologischen Sinn des Terminus<br />
„Sein“ voraus, mit welchem es von Gott gesagt wird, dass er sei: für<br />
ihn, wie für eine lange Tradition des <strong>Denken</strong>s, umfasst die Behauptung, dass<br />
die Sprache Logos sei, auch die weitere These, dass sie wirklich „Aussprache“,<br />
„Ausdruck“ o<strong>der</strong> „Äußerung“ von Gott sei und zwar in dem doppelten<br />
Sinne dieser Termini. Die Sprache wäre Wort, d. h. verbaler o<strong>der</strong> symboli-<br />
15 „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. / Dasselbige<br />
war im Anfang bei Gott. / Alle Dinge sind durch dasselbige gemacht, und ohne<br />
dasselbige ist nichts gemacht, was gemacht ist...“ (TWA 1, S. 373-378; vgl. Hegels theologische<br />
Jugendschriften, hg. von Herman Nohl, Tübingen, Mohr, 1907, S. 306 ff.).<br />
16 Vgl. hierzu, für Hegels spätere Schriften, Erich Heintel, Hegel und die Analogia Entis,<br />
Bonn, Bouvier, 1958.