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Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel

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Myriam Bienenstock<br />

System, dass sie aus <strong>der</strong> Reflexion entstehe, die sich zum Absoluten zu erheben<br />

sucht, ohne über die entsprechenden Mittel zu verfügen – und er erklärt<br />

gleich danach, dass sich das Absolute eher in <strong>der</strong> Geschichte offenbare:<br />

„Die Geschichte als Ganzes ist eine fortgehende, allmählich sich enthüllende<br />

Offenbarung des Absoluten [...] Denn Gott ist nie, wenn Seyn das<br />

ist, was in <strong>der</strong> objectiven Welt sich darstellt; wäre er, so wären wir nicht:<br />

aber er offenbart sich fortwährend. Der Mensch führt durch seine Geschichte<br />

einen fortgehenden Beweis von dem Daseyn Gottes, einen Beweis,<br />

<strong>der</strong> aber nur durch die ganze Geschichte vollendet seyn kann.“ 12<br />

Hegel stand in jenen Jahren Schelling sehr nahe, auch wenn er den Akzent<br />

vielleicht stärker auf die Geschichte und auf die Politik setzte, denn er betonte,<br />

dass selbst die Ökonomie, das Haben von Dingen, die Beziehung zum<br />

Eigentum, von einem religiösen Geist nicht verachtet werden kann. Die Religion<br />

als „Erhebung über endliches Leben, [...] Schweben des Ich über aller<br />

Natur o<strong>der</strong> die Abhängigkeit, richtiger: Beziehung auf ein Wesen über aller<br />

Natur“ zu betrachten, wäre „das Würdigste, Edelste, wenn die Vereinigung<br />

mit <strong>der</strong> Zeit unedel und nie<strong>der</strong>trächtig wäre“. 13 Hegel strebt eine solche<br />

„Vereinigung“ an, wenn er schreibt, dass die Religion als Teil des Lebens <strong>der</strong><br />

Menschen verstanden werden muss, als etwas, das sich im Innern des<br />

menschlichen Lebens befindet. Diese These, die zum Verstehen seines ganzen<br />

<strong>Denken</strong>s grundlegend ist, ist in seinen ersten Texten noch nicht vollkommen<br />

entwickelt – und es genügt an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass sie<br />

Hegel dazu führte, zu leugnen – wie dies auch Schelling zur selben Zeit tat –<br />

dass es einen Übergang vom Endlichen zum Unendlichen geben könne: ihm<br />

zufolge sind Endliches und Unendliches „Produkte <strong>der</strong> bloßen Reflexion,<br />

und als solche ist ihre Trennung absolut“. 14 Wenn die Religion als Erhebung<br />

des Menschen zum Unendlichen verstanden werden soll, dann sollte sie als<br />

Erhebung „vom endlichen Leben zum unendlichen Leben“ (unsere Hervorhebung<br />

von „Leben“; M. B.) verstanden werden. Es ist ein lebendiger Gott,<br />

ein Gott <strong>der</strong> als „unendliches Leben“, o<strong>der</strong> als „Geist“ gefasst wird – „Geist“<br />

wird mit „unendlichem Leben“ gleichgesetzt (TWA 1, S. 421), – den Hegel<br />

damals im Auge hat.<br />

Diese Konzeption dient ihm auch als Grundlage seiner zeitgenössischen<br />

Lektüre des Anfangs des Johannes-Evangeliums und <strong>der</strong> darin enthaltenen<br />

12 Schelling, Werke, I/3, S. 603.<br />

13 „Systemfragment von 1800“, TWA 1, S. 427.<br />

14 Ibid., S. 421.

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