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Schellings Denken der Freiheit - KOBRA - Universität Kassel

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Myriam Bienenstock<br />

„... <strong>der</strong> Schöpfungsbegriff, die Idee des Seins von Anfang, die in <strong>der</strong><br />

Vorstellung des Geschaffenseins ‚im Anfang‘ steckt. Die Welt ist vor<br />

allem, so lernen wir hier, da. Einfach da. Dies Sein <strong>der</strong> Welt ist ihr<br />

Schon-da-Sein [...] Das ist <strong>der</strong> Grund, weshalb alle Begriffe, mit denen<br />

man die Wirklichkeit allgemein umfasst, die Form <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

anzunehmen suchen. Gleich <strong>der</strong> Begriff des ‚Grundes‘ und ‚Grund‘-begriffes<br />

selbst, die ‚Ur‘-sache, <strong>der</strong> ‚Ur-sprung‘, die ‚Voraus-setzung‘, das<br />

‚apriori‘, – jedesmal wird die Welt in die Vergangenheit projiziert, um<br />

erkennbar zu werden.“ 4<br />

Diese Kritik übte Rosenzweig an allen, welche die Welt mit Hilfe von Begriffen<br />

zu erfassen suchen – an allen also, welche sich auf die Philosophie<br />

berufen: an Schelling, aber auch an Hegel. Denn die These, nach welcher<br />

„alle Begriffe [...] die Form <strong>der</strong> Vergangenheit“ annehmen, weist auf Hegels<br />

berühmte „Eule <strong>der</strong> Minerva“ zurück, also auf Hegels Ausführungen, nach<br />

denen „die Philosophie immer zu spät“ kommt, erst post festum, am Ende<br />

erscheint, „nachdem die Wirklichkeit ihren Bildungsprozess vollendet und<br />

sich fertig gemacht hat.“ 5 Schelling, mit seinem ‚Grund‘-begriff, wird aber<br />

auch nicht geschont, noch bleibt diese Kritik übrigens vielen an<strong>der</strong>en Philosophen<br />

erspart: Rosenzweig selber – dies sollte hier hinzugefügt werden –<br />

verstand sich nicht mehr als Philosoph, doch sind wir nicht gezwungen, ihn<br />

beim Worte zu nehmen. Noch sind wir gezwungen, ihm zu folgen, wenn er<br />

behauptet, dass die Begriffe, ihrem Wesen nach, immer die Form <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

annehmen. Mit diesen Ausführungen berührte Rosenzweig aber<br />

einen Punkt, vielleicht sogar den geeignetsten Blickwinkel, von welchem aus<br />

sich nicht nur die Nähe und geistige Verwandtschaft zwischen den beiden<br />

Philosophen, Schelling und Hegel, ausmachen lässt, son<strong>der</strong>n, wie es die<br />

Schelling-Forschung immer stärker hervorhebt, auch die Differenz zwischen<br />

ihnen. Mag die Ausrichtung dieser Fragestellung <strong>der</strong> Schelling-Forschung<br />

auch nicht so sehr von Rosenzweig, son<strong>der</strong>n eher von Heidegger geprägt<br />

worden sein, so ist die Frage nach <strong>der</strong> Geschichte, genauer gesagt diejenige<br />

nach dem Verhältnis des Absoluten zur Geschichte auf jeden Fall nicht nur<br />

für die Philosophie Hegels von zentraler Bedeutung, son<strong>der</strong>n auch ein Problem<br />

par excellence für Schelling. 6 Um die Frage nach dem Verhältnis von<br />

4 Franz Rosenzweig, Der Stern <strong>der</strong> Erlösung [1921], Frankfurt, Suhrkamp, 1988, S. 146.<br />

5 Hegel, Vorwort <strong>der</strong> Grundlinien <strong>der</strong> Philosophie des Rechts, TWA 7, S. 28.<br />

6 Vgl. Xavier Tilliette, Schelling; une philosophie en devenir, Paris, Vrin, 1969, Neuauflage<br />

1992, Bd. I, S. 51; Walter Kasper, Das Absolute in <strong>der</strong> Geschichte, Mainz, Matthias-

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